Es ist ja schon eine Weile her seit ich das letzte Mal anläßlich des Weltfrauentags etwas geschrieben habe. Deshalb möchte ich heute einmal mit Euch darüber diskutieren, was Ihr unter Feminismus versteht und ob das in Euren Augen etwas Gutes ist oder nicht.
Laut Wikipedia ist der Feminismus
eine akademische als auch eine politische Bewegung, die für Gleichberechtigung, Menschenwürde, die Selbstbestimmung von Frauen sowie gegen Sexismus eintritt.
Sofern wirklich genau das unter Feminismus verstanden wird, ist gegen das Konzept natürlich einerseits nichts zu sagen, es aber andererseits auch nicht wirklich vom Egalistarismus i.S. der Chancengleichheit zu unterscheiden.
Mein persönliches Verständnis des Feminismus bezeichnet daher einen zwar grundsätzlichen Egalitarismus (gleiche Rechte, Chancen und Pflichten für alle Menschen), erweitert aber um die historisch und hinsichtlich derzeit noch weltweit herrschender Umstände begründete Anerkennung, daß Abweichungen vom Egalitarismus immer zu Lasten von Frauen gingen und noch heute gehen und daß Anstrengungen, die eine Herstellung wirklich und wahrhaftig egalitärer Zustände zum Ziel haben, heute (in den allermeisten Fällen und an den allermeisten Orten noch immer) zu Gunsten von Frauen unternommen werden müssen. Gemäß dieser Auslegung bin ich ganz klar und unbeugsam ein Feminist.
Wenn der Feminismus hingegen in einer extremen, heimzahlenden, retributiv-sexistischen Auslegung daherkommt und also seinerseits non-egalitäre Ziele verfolgt, wofür man z.B. auf Youtube viele grelle und ungustiöse Beispiele findet, dann stehe ich ihm und seinen VertreterInnen entschieden entgegen. Und zwar nicht nur inhaltlich, sondern auch und vor allem, weil dadurch der in meinen Augen wahre und wichtige Feminismus durch Assoziation besudelt wird (ganz analog dazu, wie Rassisten und Rechte durch Assoziation das wichtige Konzept der Islamkritik besudeln).
Das ist sehr kontraproduktiv, denn Beispiele von nicht-egalitären Zuständen gibt es ja reichlich, sei es die Lohnlücke, sei es die Repräsentation von Frauen in Führungspositionen, auf Lehrstühlen und allgemein in der Wissenschaft. Und das sind nur Erstweltbeispiele. Ich will hier gar nicht von den katastrophalen Zuständen für die dort zum Teil nahezu rechtlosen Frauen etwa in vielen islamisch geprägten Ländern anfangen.
Das hat aber vor circa einem Jahr einmal die schwedische Außenministerin Margot Wallström getan, indem sie im Zuge ihrer “feministischen Außenpolitik” die Zustände in Saudi Arabien zu kritisieren wagte. Der Vorfall blieb in den westlichen Medien bezeichnend unterrepräsentiert hatte, aber dennoch und wie immer, wenn man diese feinen theokratischen Herren bloßstellt und die Welt daran erinnert, daß in Saudi-Arabien, mit dem viele Länder der Welt fröhlich Handel treiben, Frauen u.v.a. nicht frei reisen oder ein Geschäft führen, dafür aber in Kinderehen gezwungen werden dürfen, einen theatralischen Empörungssturm zur Folge: Abgezogene Botschafter, Visasperren und die empörte Stellungnahme des 56 Länder repräsentierenden OIC, daß Schweden gefälligst die reichen und verschiedenen ethischen Standards dieser Welt zu respektieren habe.
Tja. So weit zum Stand der Frauenrechte in der heutigen Welt, in der die Unterdrückung der Hälfte der Bevölkerung in vielen Ländern als unbedingt zu erhaltender status quo und ethischer Standard, ja, als Teil der geschätzten Kultur aufgefaßt wird. Der Vorfall zeigt auch einmal wieder, daß Frauenrechte noch immer zuletzt kommen. Klar, es gibt immer mal Aufwallungen bei Twitter über sexistische Männer oder in den Medien, wenn eine Person der Öffentlichkeit unangebrachte Dinge äußert. Aber wenn eine Politikerin es unternimmt, sich konkret für die Rechte von Frauen einzusetzen, die unter einer brutalst misogynen Klerikalkultur leiden müssen, wird sie dafür nicht gefeiert, sondern trifft auf peinlich berührtes, extrem entlarvendes Schweigen.
Was meinen die LeserInnen? Ist Feminismus etwas Gutes? Brauchen wir ihn auch heute noch?
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