Die Bedeutung der forensischen Wissenschaften für die Justiz und damit die allgemeine (Rechts)sicherheit wird immer größer und besonders die forensische Genetik liefert immer wieder entscheidende Hinweise zur Aufklärung schwerer Straftaten oder aber zur Entlastung Unschuldiger und ist längst unersetzlich für die Justiz geworden.
Deshalb brauchen wir in Europa bessere Ausbildungsprogramme und eine stärkere Harmonisierung der Expertenqualifizierung für forensische Genetik. Die forensisch-genetische Routinearbeit, also die Untersuchung von Spuren und Asservaten aus Kriminalfällen, findet in Behörden (den LKÄ und deren Pendants), akademischen Instituten (z.B. den Instituten für Rechtsmedizin) und Privatlaboren, die solche Untersuchungen als Dienstleistungen anbieten, statt und all diese Einrichtungen müssen bei Neueinstellungen von Personal meist auf Graduierte aus biologischen, biomedizinischen u.ä. Studiengängen, die über keinerlei spezifische forensische Kenntnisse verfügen, zurückgreifen. Das ist ein Problem, da die erforderlichen Kenntnisse und Qualifikationen, um forensisch-genetische Fallarbeit auf dem angestrebten hohen Qualitätsniveau verrichten zu können, sehr speziell und komplex sind. Ich weiß das aus eigener Erfahrung, denn als ich vor knapp 9 Jahren als Genetiker aber dennoch Quereinsteiger zur forensischen Genetik wechselte, mußte ich mir alles, was ich für die tägliche Arbeit brauchte, aber vorher nirgends hatte lernen können, selbst draufschaffen. Das war stressig und ziemlich anstrengend. Und auf eine der mir meist gestellten Fragen, nämlich, was man denn „dafür“ studieren müsse, kann ich nach wie vor keine einfache und eindeutige Antwort geben.
Das Wissenschaftsnetzwerk “European Forensic Genetics Network of Excellence” (dt. Europäisches Forensische Genetik Exzellenz-Netzwerk, Euroforgen-NoE), das ich kürzlich schon einmal vorgestellt habe und das von 2012-2016 durch das SECURITY-Programm der EU gefördert wurde, hat nun ein postgraduales Studienprogramm für die Ausbildung in forensischer Genetik vorgestellt [1]. Dieses wird in Kürze als Pilotprojekt in Zusammenarbeit mit der Uni Rom „Tor Vergata“ aufgelegt, wofür diese Uni besonders geeignet ist, da sie als derzeit einzige bereits ein Masterstudium in Forensischer Genetik anbietet. Das Ganze wird sich am allgemeinen Schema für europäische Masterstudiengänge (gem. Bologna-Harmonisierung) ausrichten und im akademischen Jahr 2016/2017 an der Tor Vergata starten.
Das Programm umfaßt fünf theoretische bzw. praktische Blöcke sowie ein Forschungsprojekt, und wird mit einer Masterarbeit abgeschlossen, für insgesamt 60 ECTS. Dies kann mit zusätzlichem praktischen Training auf 90 ECTS oder die für einen „professionalizing master“ erforderlichen 120 ECTS ausgebaut werden (im Anhang habe ich die Blöcke und Module des Programms aufgelistet). Die Erfahrung aus diesem Pilotprojekt soll dann europaweit kommuniziert, ggf. angepaßt und verbessert und im Idealfall das Programm an anderen Universitäten übernommen werden. Sollte sich der Studiengang bewähren und sowohl Anklang bei den Studenten als auch den Fachkollegen finden, findet er ja vielleicht auch seinen Weg an die CAU. Dann stehe ich schon bereit 🙂
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Anhang:
[1] Carracedo, A., Giardina, E., Mosquera-Miguel, A., Manzo, L., Alvarez-Iglesias, V., & Schneider, P. M. (2017). Making progress in Education: The EUROFORGEN Master Degree Pilot Project in Forensic Genetics. Forensic Science International: Genetics.
Zum Curriculum des europäischen Masters in Forensischer Genetik
Block 1: Forensische Genetik und das Justizsystem
Modul 1: Einführung in das Justizsystem
Modul 2: Forensische Genetik im Justizsystem
Block 2: Prinzipien der forensischen Wissenschaften
Modul 1: Einführung in die forensischen Wissenschaften
Modul 2: Grundlagen der Molekularbiologie
Modul 3: Prinzipien der forensischen Genetik
Block 3: Forensische Genetik
Modul 1: DNA-Marker und Methoden zur Genotypisierung in der forensischen Genetik
Modul 2: Anwendungsformen für forensische DNA-Typisierung
Modul 3: Auswertung von forensischer DNA-Evidenz
Modul 4: Qualitätssicherung
Block 4: Fortgeschrittene Methoden in der forensischen Genetik
Modul 1: Herausforderungen
Modul 2: Neue Entwickulungen in der forensischen Genetik (Anm. CC: hierunter fällt dann auch die forensische RNA-Analytik)
Block 5: Praktische Arbeiten
Modul 1: Das forensisch-genetische Labor
Modul 2: Vom Labor in den Gerichtssaal
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