Eine Datenbank, genannt “ForCyt” stellte auch A. Linacre aus Adelaide mit einem leidenschaftlichen Vortrag in der “nichtmenschliche DNA”-Sitzung vor. Linacre befaßt sich vor allem mit Wildlife Forensic Science (WFS) worunter man die Anwendung forensischer Wissenschaften zur Bekämpfung von „Wildlife Crime“, also die Nachverfolgung, Aufklärung und Verhinderung illegalen Handels mit geschützten Tieren und Pflanzen, deren Teilen (ganz besonders Elfenbein) und Produkten, versteht. Wildlife Crime gehört zu den umsatzstärksten transnationalen organisierten Verbrechensarten und hat zahlreiche Tierarten an den Rand der Ausrottung (z.B. das Spitzmaulnashorn) oder darüber hinaus (die Unterart D. b. longipes) getrieben, was Linacre als “unglaublich deprimierend” bezeichnete. Man müsse sich klarmachen, so Linacre, daß ein Kilo Nashornhorn knapp doppelt so teuer ist, wie ein Kilo Gold, aber “für die Potenz ähnlich nützlich sei, wie Nägelkauen“. Es ist also wichtig und richtig, wenn internationale forensisch-wissenschaftliche Anstrengungen zur Bekämpfung dieses Verbrechens unternommen werden. Linacre, der die Abschlachtung der Tiere mit eigenen Augen gesehen hat,
hat eine DNA-Datenbank namens “ForCyt” gestartet, die Referenzprofile bekannter bedrohter Tierarten enthält und als Vergleichsgrundlage dienen soll, um Schmugglergut und sonstiges sichergestelltes Material identifizieren zu können, nachdem man daraus DNA-Sequenzen hergestellt hat. Dieser Vergleich erlaubt nicht nur die Zuordnung des Materials zu einer bestimmten Tierart, sondern auch die Nachverfolgung von Handelswegen. Dafür müssen die Einträge in der Datenbank jedoch höchsten Qualitätsansprüchen genügen und es bedarf besserer Kuratierung und Qualitätsmanagements als derzeit bei öffentlich verfügbaren Ressourcen anzutreffen. ForCyt soll für jede Tierart die Sequenz des mitochondrialen Cytochrom-b-Gens enthalten, die schon länger in der forensischen Genetik zur Artidentifikation verwendet wird, und die Einträge sollen in Anlehnung an die Kriterien der Datenbank für menschliche mtDNA-Profile EMPOP kontrolliert und verwaltet werden. Ich wünsche dem Projekt, für das es glücklicherweise schon eine Reihe von Kollaborationspartnern gibt, viel Erfolg!
Besonders beeindruckend fand ich auch die Keynote zum Auftakt der Sitzung “Ethisches/Rechtliches” von S. Friedman vom Innocence Project, das ich auch schon hin und wieder hier erwähnt habe. Diese Initiative versucht, anhand von DNA-Beweisen in den USA mit ihrem grotesk ungerechten, rassistischen, barbarisch-retributiven “Rechtssystem” für unschuldig zu Haft- oder gar Todesstrafen verurteilte Menschen Freisprüche zu erwirken, was ihr, seit es sie gibt, bereits in über 350 Fällen gelungen ist, teilweise Jahre und Jahrzehnte nach ihrer Verurteilung. So, wie bei Marvin Anderson, der 1982 mit 18 Jahren unschuldig wegen Raubes, Entführung und Vergewaltigung zu 210 Jahren (!) Gefängnis verurteilt worden war, nachdem das Opfer ihn in einer haarsträubenden Vorgehensweise aus einer Gegenüberstellung erkannt haben wollte. Marvin hatte immer davon geträumt, Feuerwehrmann zu werden und befand sich gerade in der Ausbildung als er verhaftet wurde und verbrachte dann die nächsten 15 Jahre unschuldig in Haft, bis es dem Innocence Project auf Grundlage von DNA-Beweisen gelang, seine Unschuld zu beweisen und 2002 einen vollständigen Freispruch von allen Vorwürfen zu erwirken. Marvin war der 99. Mensch, der in den USA aufgrund von nachträglich untersuchten DNA-Beweisen freigesprochen wurde, ist heute Leiter der Feuerwehr in Hanover (Virginia),
hat drei Kinder und sitzt im Vorstand des Innocence Projects. Andere Unschuldige wurden bereits staatlich ermordet hingerichtet oder sitzen noch in Haft. Ich finde diese Initiative deshalb so wichtig und war entsprechend erfreut, daß Susan Friedman als Repräsentantin und Keynotesprecherin eingeladen war, weil sie die Bedeutung der forensischen Genetik für die Suche nach Wahrheit und, entgegen der Darstellung bei CSI&Co, eben nicht nach Schuld verdeutlicht. Wir jagen hier keine Verbrecher, sondern betreiben Wissenschaft und daß eine bestimme Person vermittels forensisch-genetischer Evidenz nicht als tatbeteiligt gezeigt werden kann, ist kein Mißerfolg und kein schlechteres Ergebnis und die Befreiung eines Unschuldigen ist ein ebenso großer, vielleicht noch ein größerer Erfolg, als die Überführung eines wahren Täters! Für die meisten Verurteilungen (71%) derjenigen, die die Initiative schon hat zu befreien geholfen, waren übrigens Augenzeugenaussagen die Grundlage, die, wie man schon lange weiß, notorisch unzuverlässig und beeinflußbar sind.
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