Warnung: in dieser Reihe stelle ich schräge, drastische, extreme oder auf andere Weise merkwürdige Studien und Fallberichte vor, die die Forensischen Wissenschaften in ihrer ganzen Breite und Vielseitigkeit portraitieren sollen, die aber in ihrer Thematik und/oder den beigefügten Abbildungen nicht für alle LeserInnen geeignet sind und obgleich ich mich stets bemühen werde, nicht ins Sensationalistische abzugleiten, mag bisweilen die unausgeschmückte/bebilderte Realität bereits mehr sein, als manche(r) erträgt.

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Millionen Amerikanerinnen haben Brustimplantate und ca. 12.000 Einwohnerinnen dieses schönen Lands mit seinen komplett hirnrissigen Waffengesetzen werden jedes Jahr durch den Einsatz von Schußwaffen verletzt. Rein statistisch sollte es bei diesen Zahlen eine Schnittmenge geben und man könnte sich fragen, was wohl passiert, wenn eine Brustimplantatträgerin von einem Schuß in die Brust getroffen wird.

In der Tat finden sich dazu in der Fachliteratur [2-4] aber auch den Mainstream-Medien schon einige Berichte, mit dem Tenor, daß Brustimplantate eine schützende Wirkung haben könnten. Andererseits wurde einer deutschen Frau mit Brustimplantaten zunächst der Zugang zum Polizeiberuf verstellt, weil sie zu gefährlich seien. “Sie könnten beispielsweise während des Einsatzes reißen.“ (Quelle)  Dann aber entschied ein Gericht, daß die Absage wegen der Implantate unzulässig sei.

Vor diesem Hintergrund wurde der folgende Fall von C. Panucci et al. zum Anlaß genommen, zur Frage, ob Brustimplantate tatsächlich vor Schußverletzungen schützen können, eine systematische wundballistische Untersuchung [1] durchzuführen:

Eine 34-jährige Frau mit Brustimplantaten (ca. 350 ccm, „smooth round moderate plus profile“ gefüllt mit Kochsalzlösung) wurde mit einer Schußverletzung im Oberkörper in die Notaufnahme eingeliefert, die sie sich zugezogen hatte, als sie versucht hatte, einem suizidalen Mann, der sich hatte erschießen wollen, die Waffe zu entwinden. Der Schuß hatte sie aus einer Entfernung von zwischen 30 -60 cm in die rechte Brust getroffen. Bei der Waffe handelte es sich um eine Springfield XDM Pistole mit 11,25 cm Lauflänge, die ein Kaliber .40 S&W Hohlspitzgeschoß verschoß.

verletzung

Nach Untersuchung des Wundkanals schloß man, daß das Projektil durch die Brustwarze eingedrungen (Abbildung a) und knapp seitlich der Unterbrustfalte wieder ausgetreten war. Das Implantat war zerrissen (Abbildung b)und ausgelaufen aber eine CT der Brust zeigte, daß keine in die Thoraxhöhle eindringende Verletzung und keine Rippenfraktur entstanden war. Es fand sich aber eine leichte Verletzung der periprothetischen Kapsel über dem Knorpel der 5. Rippe, wo wahrscheinlich das Projektil angeschlagen war. Da die drei sichtbaren Verletzungen nicht in gerade Linie zu bringen waren, aber nur ein Schuß abgefeuert  und im Körper der Patientin kein Projektil gefunden worden war, vermutete man, daß das Projektil durch die Brustwarze eingedrungen und an der Rippe angeschlagen war, die Richtung veränderte hatte und seitlich an der Brust wieder ausgetreten war.

Womöglich hatte, so vermuteten die Autoren, die Passage durch die Flüssigkeitssäule im Implantat des Projektil so stark verlangsamt und verformt, daß es keine schwerere, z.B. eine in die Thoraxhöhle vordringende Verletzung mehr verursachen konnte.

Um diese Theorie experimentell zu überprüfen, führten sie eine wundballistische Experimentalreihe durch: sie erzeugten Blöcke aus ballistischer Gelatine (BHT: 15cm/15cm/40cm), die die physikalischen Eigenschaften menschlichen Gewebes simuliert und beschossen sie aus ca. 2,5 m Entfernung direkt frontal mit einer FN Herstal FNP 40-Pistole, die der im oben geschilderten Fall eingesetzten Waffe sehr ähnlich ist und mit identischer Munition. Es wurde im zeitlichen Abstand von 15 sec jeweils auf ein Paar Blöcke (insgesamt 10 Paare) geschossen, wobei vor dem ersten Block jeweils ein Brustimplantat mit Kochsalzlösung (750 ccm, 7,4 cm Flüssigkeitssäule) befestigt war:

Zwischenablage01

Aufbau der Beschußanlage; vor dem Schuß; hinter dem rechten Block steht noch ein weiterer Gelatineblock, der als Kugelfang dient; aus [1]

after

hier ist gerade das Projektil im linken Block eingeschlagen, der Inhalt des Implantats entleert sich; aus [1]

Hier kann man sich ein Video eines solchen Beschusses ansehen. Das ganze fand im Winter auf einer Freiluftschußanlage statt bei einer konstanten Temperatur von ca. 3°C.

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Kommentare (9)

  1. #1 Hobbes
    18/10/2017

    Ist Silikon wirklich besser? Ich könnte mir denken, dass das antinewtensche Verhalten und die (teilweise) inkompressibilität von Wasser eine große Rolle spielt.

  2. #2 werner
    18/10/2017

    Die geringere Eindringtiefe hängt wohl auch mit dem durch “Aufpilzung* wesentlich höheren Durchmesser und der damit vergrösserten Aufprallfläche des Projektils zusammen. Die Wunden sollten daher wohl weniger tief, aber auch grösser sein.

  3. #3 Luke
    18/10/2017

    Interessant

    Spielt die Viskosität bei den Geschwindigkeiten überhaupt noch eine Rolle? Geht es nicht nur noch um die Dichte?

    Eine Frage die man auch nicht vergessen sollte: Schützen echte Brüste genauso gut? Und kann man sich als Mann mit Fettbrüsten auch schützen 😉

  4. #4 Schlotti
    18/10/2017

    @Luke:

    Eine Frage die man auch nicht vergessen sollte: Schützen echte Brüste genauso gut?

    Das ist eine sehr gute Frage.

    In der Tat wurde ja vor vor dem Block N7 ein Implantat mit einer Flüssigkeitssäule von 7,4 cm plaziert. Würde man vor dem Block S7 einen Gelblock mit einer Höhe von ebenfalls 7,4 cm plaziert haben, was ja dann eine echte Brust simulieren würde, wären die Längen der Schusskanäle – geschätzt nach Foto 4 – ziemlich gleich lang.

    Es wäre dann wohl so, dass der Schutz eher darin besteht, möglichst viel Holz vor der Hütte zu haben; egal, aus welchem Material das Holz besteht. 😉

  5. #5 anderer Michael
    18/10/2017

    Ich bin zwar Sportschütze, aber kein Waffentechniker. Hohlspitzmunition wird in Deutschland von Sportschützen und Jägern verwendet.
    Es ist so, dass die S&W .40 eine vergleichsweise geringe Energie hat, die aber zum Aufpilzen bei entsprechender Geschwindigkeit reicht. Im Ziel soll sie sich beim Aufprall deformieren um Durchschüsse zu vermeiden, die unkalkulierbar sind. Auch auf dem Schießstand möchte man keine umherirrenden Geschosse.Selber habe ich S&W .40 noch nie verwendet .
    Ich kann mir einen gewissen Schutzeffekt vorstellen. Ich vermute, dass ein Implantat stabiler ist , als eine Brust.
    Ich frage mich , wenn durch ein Implantat, eine Geschossgeschwindigkeit zwar verringert, aber nicht aufgehalten wird, es in den Thorax mit geringerer Energie eindringt.Es könnte dann seine gesamte Restenergie (Gewebsschock!) abgeben anstatt einen kompletten Durchschuss zu zeigen( abhängig von der Munition).
    Ich bin kein Ballistiker, es sind nur Überlegungen meinerseits.
    Es gibt im übrigen KK – Munition, wie die .22 hornet, die würde wahrscheinlich durch so ein Implantat durchrauschen.

  6. #6 Cornelius Courts
    19/10/2017

    @Schlotti: “ziemlich gleich lang”

    das würde aber voraussetzen, daß beide Materialien, Kochsalzlsg. und Gelatine, die gleiche geschossstoppende Wirkung haben, was, glaube ich, eben nicht der Fall ist

    @anderer Michael: “Es gibt im übrigen KK – Munition, wie die .22 hornet,”

    auch dieses Projektil würde im Imlantat verlangsamt werden. Fraglich ist, ob ausreichend, um schwerere Folgeverletzungen zu vermeiden

  7. #7 Aaron Kunz
    19/10/2017

    @Werner: Das ist ziemlich interessant. Das Bild zeigt, dass der Wundkanal ohne Implantat schmaler ist. Hochgeschwindigkeitsgeschosse haben soweit ich weiß oft Schusskanäle, die einen größeren Durchmesser als das Geschoss selbst aufweisen.

  8. #8 Aaron Kunz
    19/10/2017

    Sorry, MIT Implantat natürlich.

  9. #9 tomtoo
    20/10/2017

    Naja, das könnte ja erklären warum die USA sowohl bei der Anzahl der Brustimlantate als auch bei der Anzahl der Schusswaffen ganz vorne liegt.

    https://de.statista.com/statistik/daten/studie/258341/umfrage/laender-mit-den-meisten-brustvergroesserungen/

    Sicher ist sicher.

    ; )