Ich halte nichts von Akupunktur und sie für eine im Grundsatz esoterische Methode, denn es gibt für die ihrer angeblichen Wirksamkeit zugrundeliegenden sogenannten Meridiane keinerlei anatomisches Korrelat und niemand weiß, welcher Art die ominöse „Lebensenergie” (oder auch „Qi“) ist, die angeblich darin fließen soll. Große Studien zeigten indes immer wieder, daß Akupunktur bei einigen wenigen Leiden/Krankheiten zwar besser als die Standardtherapie ist, es aber dabei egal ist, wohin man die Nadeln sticht. Entweder ist Akupunktur, zu deren Anwendung ja ein umfangreiches, ritualhaftes Brimborium gehört (s. auch hier), also ein besonders sophistiziertes, „theatralisches“ und daher stärker wirksames Placebo (so wie Scheinoperationen) oder, auch das wäre nicht allzu verwunderlich, das Einstechen von Nadeln in den Körper erzeugt irgendeinen unspezifischen, aber tatsächlichen Effekt. So dachte ich jedenfalls.
Auf einer Brustkrebs-Tagung in San Antonio Texas wurden letzten Monat jedoch die Ergebnisse einer vergleichsweise umfangreichen Studie von u.a. der Onkologin Dawn Hershman von der Columbia University Medical Centre in New York vorgestellt, im Rahmen derer insgesamt 226 an Brustkrebs erkrankte Frauen gegen die Schmerzen, die als Nebenwirkung einer bestimmten Therapieform auftreten, behandelt wurden. Das Ziel der Behandlung ist, durch die Reduktion der Schmerzen die Therapieadhärenz zu verbessern, also die Patientinnen bei der Stange zu halten und damit ihre Chancen auf einen Heilerfolg zu erhöhen, wofür die kontinuierliche Einnahme des Medikaments erforderlich ist. Die Frauen wurden in drei Gruppen aufgeteilt, die entweder keine Behandlung, eine Behandlung mit Akupunktur oder mit Schein-Akupunktur (die Nadeln wurden an laut Akupunkturlehre nicht korrekten Stellen eingestochen) erhielten. Eine Standardisierung der Studie, die auch die Einweisung der Behandler darin, eine vereinheitliche, konsistente Behandlung durchzuführen, umfaßt, sei gegeben gewesen [1]. Die Teilnehmerinnen wurden dann gebeten, ihre Schmerzen durch die Krebsbehandlung zu notieren.
Sechs Wochen nach Beginn der Studie zeigte sich, daß der höchste notierte Schmerzwert in der Akupunkturgruppe im Mittel um einen Punkt niedriger lag als in den anderen Gruppen. Zudem lag der Anteil an Teilnehmerinnen, deren Schmerz sich um wenigstens zwei Punkte verbessert hatte, in den Kontrollgruppen bei 30%, in der Akupunkturgruppe jedoch bei 58%. Beide Effekte waren statistisch signifikant und im Gegensatz zur Gabe von Duloxetin, das standardmäßig zur Behandlung der Schmerzen gegeben wird, hielt die Besserung auch nach dem Ende der Studie noch an. In einer vorigen, deutlich kleineren Studie hatten Hershman et al. bereits einen ähnlichen Effekt beschrieben [2]. Ist das nun der Beweis, daß „wahre“ Akupunktur, die ja hier der Schein-Akupunktur überlegen zu sein schien, doch funktioniert?
Ein großes Problem mit den neuen Daten von Hershman & Co. besteht meiner und der Ansicht anderer Skeptiker (u.a. E. Ernst) nach darin, daß ein wichtiges Qualitätskriterium für klinische Studien, nämlich die doppelte Verblindung, hier nicht verwirklicht worden ist: die Behandler wußten, welche Art von Behandlung, Akupunktur oder Schein-Akupunktur, sie durchführten, es ist also nicht auszuschließen, daß durch dieses Wissen eine bewußte oder unbewußte Einflußnahme auf die Patientinnen erfolgt ist. Darüber hinaus gibt es auch gegensinnige Befunde z.B. eine Arbeit einer anderen Gruppe, die sich ebenfalls mit der Behandlung der Nebenwirkungen eben dieser Krebstherapie befaßt hatte, die allerdings doppelt-verblindet war und in der eben kein Unterschied zwischen Akupunktur und Schein-Akupunktur festgestellt worden war [3].
Dem Argument vieler Akupunktur-Befürworter, daß es doch egal sei, wie die Methode funktioniere, solange sie nur wirke, ist entgegen zu halten, daß die Wirksamkeit von Akupunktur jenseits eines aufgrund ihrer Eigenschaften (“exotisch”, invasiv und leicht schmerzhaft, zeitintensiv, verbunden mit Berührung etc.) erwartbar starken Placeboeffekts eben nicht bewiesen ist, solange sie im doppelt-verblindeten Vergleich mit einem Kontroll-Verfahren, das einen ähnlich starken Placebo-Effekt generiert, keine besseren Ergebnisse hervorbringt.
The first principle is that you must not fool yourself — and you are the easiest person to fool. – R. Feynman
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