Am zweiten Tagungstag begann C. Proff vom BKA mit einem Bericht über die desaster victim identification (DVI)-Aktivitäten des BKA (die haben da eine eigene Abteilung (IDKO)) nach der Flukatastrophe im Juli, der in NRW und Rheinland-Pfalz insgesamt 190 Menschen zum Opfer gefallen sind. Erst zeigte er ein paar verheerende Vorher-Nachher-Bilder, dann beschrieb er, wie schwierig und aufwendig die Untersuchungen v.a. hinsichtlich des Bedarfs an Kommunikation und Abstimmung waren, insbesondere, da man natürlich so schnell wie möglich den Hinterbliebenen eine Auskunft geben wollte, und wie es ihnen am Ende gelungen ist, alle Verstorbenen zu identifizieren. Rheinland-Pfalz hatte bereits am 15.7. die Hilfe der IDKO erbeten, Leichen wurden in die Rechtsmedizin Mainz gebracht und es wurde sogleich mit der post-mortem-Datensammlung begonnen und erste DNA-Proben (aus Gewebeabrieben, Fingernägeln, Rippenknorpel, Achillessehnen, Zähnen und Knochen) genommen, die DNA-Analyse begann am 17.7. Am Ende liefen alle Informationsflüsse und Daten (also aus ante-mortem- und post-mortem-Datensammlungen, DNA-Profilen etc.) bei der IDKO zusammen. Die mußte dann koordinieren, zusammenführen, ordnen und anhand von Fingerabdrücken, Gebißprofilen, Abgleich mit Vergleichsprofilen lebender Angehöriger bzw. Vergleichsmaterial (z.B. persönliche Gegenstände der Vermissten) die Identifizierung der Leichname durchführen:
Wie sehr man sich dort ins Zeug gelegt hat, kann man daran ablesen, daß es in über 70% der Fälle gelungen war, in nur 1-2 Tagen das DNA-Profil fertigzustellen. Im Rahmen der Arbeiten konnten jedoch vier Leichen zunächst nicht identifiziert werden. Später stellte sich heraus, daß diese Toten von der Flut aus ihren Gräbern auf einem Friedhof fortgespült worden waren!
Der Kollege M. Zieger aus Bern stellte eine interessanten Studie vor, im Rahmen derer sie Spuren von Einbruchstatorten systematisch ausgewertet hatten, hinsichtlich der Frage, wie häufig (in %) diese eigentlich von berechtigten Personen stammen und ob es Orte in Wohnungen nach Einbruch gibt, an den mit höherer Wahrscheinlichkeit Fremd-DNA (z.B. des Täters) finden läßt (gibt es: es sind die Fensterscheiben). Die Toblerone, die der Kollege, für denjenigen ausgelobt hatte, der die o.g. Prozentzahl am besten schätzen konnte ging an einen verdienten Gewinner, dem sie sehr gut geschmeckt hat 😉
Und hier die Lösung:
Auch yours truly war wieder mit von der Partie. Ich habe angesichts des 10-jährigen Geburtstags der Molekularen Ballistik einen kleinen Jubiläumsvortrag mit Rückblick, Werkschau, ein paar Tips zur Anwendung und einem Ausblick auf künftige Forschungsgelegenheiten gehalten.
Ich habe diese Gelegenheit aber auch genutzt, um zu erklären, warum es wichtig ist, überhaupt über Schußwaffen zu forschen, sowie, um für die regelmäßigere und verbreitetere Anwendung molekular-ballistischer Methoden bei der routinemäßigen Untersuchung von Schußwaffen nach deren Einsatz gegen Menschen zu werben. Ich glaube, daß derzeit noch zuviel auswertbares Beweismaterial in den Waffen übersehen wird.
Insgesamt war es eine schöne, interessante Tagung an einem grandiosen Ort, die sich wie eine Befreiung angefühlt hat (bzw. wie ein kurzes Atemholen, da ja gerade wieder alles in die Wicken geht…) und ich freue mich, daß ich da sein konnte. Das 22. European Forensic DNA Group Meeting soll in Dubrovnik stattfinden. Könnte man ja auch mal hin… 🙂
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Referenzen:
[1] Diepenbroek, M., Amory, C., Niederstätter, H. et al. Genetic and phylogeographic evidence for Jewish Holocaust victims at the Sobibór death camp. Genome Biol 22, 200 (2021). https://doi.org/10.1186/s13059-021-02420-0
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