Neben RNA (und Schußwaffen) habe ich mich aber auch weiter mit DNA-Transfer beschäftigt – da kommt man einfach nicht mehr drum herum. So war ich erst kürzlich in Mainz, wo ich im Rahmen einer Fortbildungsreihe einen Vortrag gehalten und an einer Podiumsdiskussion teilgenommen habe, und wo im Kollegenkreis dieses komplexe und durchaus kontrovers aufgefasste Thema bearbeitet wurde. Es geht vor allem um die Frage, wie man damit bei Gericht umgehen soll, wie weitreichend man sich als Sachverständiger äußern sollte und ob man bei der derzeitigen Daten- und Erkenntnislage bezifferte Wahrscheinlichkeiten zur Enstehung bestimmter Spurenbilder bei Annahme alternativer Hypothesen anbieten sollte (meine Meinung: auf keinen Fall!). Auch in Deutschland gibt es inzwischen Empfehlungen und Leitlinien, wie man als Sachverständigen in Gutachten und bei Gericht Betrachtungen auf Aktivitätenebene, also zum Entstehungskontext (und eben nicht der Quelle) einer Spur, vornehmen und daß man sich nicht mit „kann man nicht ausschließen, mehr kann man nicht dazu sagen“ begnügen sollte [1,2].
Für eine Revision in einem Mordfall, mit der sich der BGH zu befassen hatte und in dem es auch um Betrachtungen zu indirektem DNA-Transfer als möglicher Mechanismus zur Spurenentstehung ging, weshalb der BGH mich noch zu Kieler Zeiten um ein Gutachten in der Sache gebeten hatte, ist vor Kurzem das Urteil ergangen. Der BGH hat darin, u.a. unter Bezugnahme auf mein Gutachten, das Urteil des Landgerichts Cottbus aufgehoben (kann man hier nachlesen). Das Landgericht hatte zuvor einen Angeklagten vom Vorwurf des Mordes und des Raubes mit Todesfolge freigesprochen. Daraufhin hatte der Generalbundesanwalt eine Revision der Staatsanwaltschaft vertreten, die sich auf Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützt hatte.
Aber DNA-Transfer bleibt auch darüber hinaus ein ständiges Thema und immer mehr Kollegen haben regelmäßig bei Gericht damit zu tun. Ich habe mir dafür bzw. für eine inzwischen zusehends häufiger zu beobachtende Strategie bei Gericht den Begriff „die Silberkugel der Transferbehauptung“ ausgedacht, die inzwischen fest zum Standardarsenal vieler Strafverteidiger gehört. Man kann immer einmal versuchen, diese Kugel in die Hypothese der Anklage zur Entstehung einer belastenden Spur zu schießen und zu schauen, ob sie umfällt. Aus Sicht der forensischen Genetik, deren Ziel es ist, zur Wahrheitsfindung durch Aufklärung des Entstehenskontexts biologischer Spuren anhand physikalischer Evidenz beizutragen, brauchen wir wirklich dringend mehr und bessere Forschung, um (indirekten) DNA-Transfer postulierende Hypothesen besser und zuverlässiger bewerten zu können, als es im Moment möglich ist. Wir hatten dazu schon ein Review und eine Arbeit beigetragen [3,4], ich schließe aber nicht aus, daß wir uns auch auf diesem wichtigen Gebiet noch an der Forschung beteiligen werden.
Ach ja, auch für’s Fernsehen habe ich wieder einmal was gemacht, diesmal für die Sendung “Verbrechen von nebenan“. Kennt das jemand? Da muß es wohl auch einen Podcast zu geben (ich sehe und höre sowas ja nicht). Ich kannte das jedenfalls nicht, fand es aber ganz nett dort. Es war eine recht aufwendige Produktion, so mit Maske, Kostüm, mehreren großen Kameras, komplexer Beleuchtung etc. und ich bin gespannt, wie am Ende die fertige Sendung aussieht. Man hat mir gesagt, daß das so ab September irgendwann gesendet werden soll, ich sage Bescheid, wenn ich mehr weiß…
Stay tuned 😉
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Referenzen:
[1] Vennemann, M., Oppelt, C., Grethe, S., Anslinger, K., Fimmers, R., Schneider, H., … & Schneider, P. M. (2021). Möglichkeiten und Grenzen der forensischen DNA-Analyse unter dem Gesichtspunkt verschiedener Szenarien zur Spurenentstehung. Rechtsmedizin, 31(5), 395-404.
[2] Förster, R., Vollack, K., & Zimmermann, P. (2022). Mögliche indirekte Übertragung von DNA-Spuren. Rechtsmedizin, 1-7.
[3] Gosch, A., & Courts, C. (2019). On DNA transfer: the lack and difficulty of systematic research and how to do it better. Forensic Science International: Genetics, 40, 24-36.
[4] Gosch, A., Euteneuer, J., Preuß-Wössner, J., & Courts, C. (2020). DNA transfer to firearms in alternative realistic handling scenarios. Forensic science international: genetics, 48, 102355.
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