Ich bin zurück vom 30. Weltkongress der ISFG, der die weltweit wichtigste und größte Fachkonferenz für das Feld der forensischen Genetik darstellt: diesmal waren wir vom 09.-13.09. in Santiago de Compostela in Spanien.

Wieso ausgerechnet da? Weil unintuitiverweise das dortige „Instituto de Investigación Sanitaria“, wo der in unserer Community sehr namhafte (und inzwischen extrem langgediente) Angel Carracedo eine forensisch-molekularbioloische Gruppe leitet, für die spanische forensische Genetik besonders bedeutend ist.

Über Santiago kann und will ich gar nicht viel berichten. Es dürfte jeder wissen, daß diese Stadt einerseits das Ziel eines katholischen Pilgerwegs ist und andererseits wird dem geneigten Leser bekannt sein, wie überaus wenig ich mit solcherlei Kram und religiösem Klimbim allgemein anfangen kann. Die Stadt war denn auch extrem voll von „Pilgern“ und ist in ihrer Infrastruktur und ihrem kommerziellen Angebot überdeutlich auf deren Versorgung aber auch den Reibach durch jene ausgelegt. Einen Ort für Spiritualität, Selbstfindung, innere Einkehr oder was immer man sich davon verspricht, oder gar der Stille findet man dort jedenfalls mit großer Wahrscheinlichkeit nicht. Dennoch, die Gäßchen und Sträßchen dort sind alt, eng und ganz hübsch, es gibt viele nett anzusehende historische Gebäude und gutes galizisches Essen (ich aß dort sehr köstlichen gegrillten Pulpo!). Ich habe aber außer dem Weg vom Hotel zum Tagungsort nicht viel von Santiago gesehen und war auch nicht in jener bekannten Kathedrale

golden im Abendlicht, dem Vernehmen nach auch golden im Inneren – wir werden es nie erfahren

weil zu jeder Zeit eine absurd lange Schlange von Menschen davor wartet und Einlaß begehrt, wofür mir meine Zeit dann doch zu schade war. (Ich war außerdem im Rahmen einer Spanienreise einige Tage zuvor in Burgos gewesen, nach Besichtigung von dessen Kathedrale mich ohnehin keine andere sakrale Pracht so schnell mehr wird beeindrucken können.)

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Ich erreichte Santiago von Bilbao (aus dem Urlaub) kommend am Montagabend und an den Tagen, bevor die eigentliche Tagung beginnt, werden immer von den führenden Experten geleitete Fortbildungsveranstaltungen angeboten. Ich selbst nahm am Dienstag an einem Workshop zur Begutachtung auf Aktivitätenebene (BAE) teil. Dieser fand in einem stimmungvollen Raum statt, den der Workshopleiter als „dungeon of activity level“ bezeichnete:

wer sagt, daß man in einem Dungeon nur Monster jagen kann?

Am Dienstagabend wurde, wie immer, die Tagung feierlich eröffnet und nach den Festreden und Grußworten gab es eine aufwendige Darbietung eines vielköpfigen galizischen Orchesters mit Tänzern:

das Orchester enthielt u.a. drei Harfen, mindestens 5 Drehleiern, 4 Dudelsäcke und allerhand Perkussionsinstrumente, deren eines, ich schwöre, daß es wahr ist, wie ein Pizzakarton aussah, auf den der Musiker rhythmisch klopfte. Wie die Musik war? Nun ja, sagen wir: ‘mal was anderes und überaus dezibelstark…

BAE war auch auf der Tagung ein wichtiges Thema, es gab an einem Tag eine eigene Session (zu Ehren und in Gedenken an Peter Schneider, dem dieses Thema auch besonders wichtig war) mit Panel-Diskussion dazu,

v.l.n.r.: John Butler (Präsident der ISFG), Angel Carracedo, Peter Gill (einer der „Gründerväter“ der modernen forensischen Genetik), Mariya Goray (BAE-Expertin aus Australien); am Rednerpult Bas Kokshoorn (BAE-Experte aus den Niederlanden), der beschreibt, wie er die Daten aus einer unserer Studien für BAE-Berechnungen nutzt 🙂

und es sickert langsam in die Köpfe des weltweiten Kollegiums ein, daß dieses Thema immer größer und prominenter wird und seine Bedeutung jetzt schon in einem schiefen Verhältnis zum Wissens- und Ausbildungsstand aber auch der Verfügbarkeit von Daten hoher Qualität steht und hier dringend Änderungsbedarf besteht. Ich bin deshalb froh, schon 2018 in dieses Thema eingestiegen zu sein und heute mein eigenes DFG-gefördertes Projekt dazu zu haben (ich hoffe, daß wir in zwei Jahren auf der nächsten Tagung davon werden berichten können).

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Kommentare (1)

  1. #1 RPGNo1
    25/09/2024

    @CC

    (ich aß dort sehr köstlichen gegrillten Pulpo!).

    Lass das bloß nich Bettina Wurche hören! 😀 Ich verstehe allerdings dein Schwärmen.

    Dieses Mal aber hat sich irgendwer einfallen lassen, man müsse unbedingt digitaler werden und die Papierposter durch große Bildschirme ersetzen. Allerdings nicht 438 (entsprechend der Zahl der Poster), sondern 14 (in Worten: vierzehn)! […] Oft begannen die engen Zeitfenster nicht zum richtigen Zeitpunkt, die Anzeigetafeln fielen öfter mal aus, die letzten Zeitfenster begannen, als im Hauptsaal bereits die Vorträge weitergingen und niemand erschien am Poster etc. pp.

    Analoge Medientechnik ist nicht immer “veraltet” und digitale nicht immer “innovativ”. Das merke ich regelmäßig auch bei meiner Arbeit. Es gibt noch genügend Fälle, wo ein Blatt Papier und ein Schreibstift jeden noch so modernen Laptop/Notebook schlagen. 🙂