In der Tat, diverse Nachbarländer, z.B. Niederlande und Frankreich, setzen BGA-Bestimmung schon länger ein, auch in Österreich können Ermittler sie nutzen und vor Kurzem wurde sie auch in der Schweiz (ich hatte dem SRF dazu ein paar Dinge erläutert) und Belgien zugelassen. In keinem dieser Länder ist es zur plötzlichen massenhaften Unterdrückung oder Diskriminierung von Minderheiten gekommen, es konnten aber dafür mehr Straftaten auf geklärt werden, wovon alle profitieren.
Denn von allen aus der DNA bestimmbaren Aspekten des Phänotyps (Erscheinungsbild) einer Person ist die BGA aus strafermittlerischer Sicht sicher das wichtigste. Ausgerechnet ihre Bestimmung nicht zuzulassen, ist daher schon etwas bizarr und, wie gesagt, rational nicht zu begründen. Hinzukommt, daß neben ihrem offensichtlichen direkten Nutzen bei der Suche nach unbekannten Tätern die Kenntnis der BGA natürlich auch hilfreich dabei ist, andere phänotypische Merkmale (die man ja auch in D bestimmen darf), wie Haut-, Haar- und Augenfarbe, zu kontextualisieren (wenn die BGA z.B. auf Südostasien verweist, dann sind bestimmte Haar- und Augenfarben häufiger zu erwarten etc.). Zudem hat voriges Jahr erst ein ehemaliger Doktorand aus meiner Gruppe gezeigt, daß auch für die gem. StPO erlaubte forensisch-genetische Altersschätzung die Kenntnis der BGA und die entsprechende Anpassung der Schätzalgorithmen hilfreich und wichtig ist [2]. Das hat sich, s.o., und vielleicht dank eines bestimmten Symposiums 😉 , auch bis zur Politik herumgesprochen:
Also ja, es wird höchste Zeit, die Scharte in der StPO auszuwetzen und auch in Deutschland die Bestimmung der BGA zuzulassen!
Beim Symposium in Düsseldorf hatte eine Kollegin Herrn Reul und generell der CDU übrigens noch den guten Rat mit auf den Weg gegeben, die Werbung für die Zulassung der BGA-Feststellung als Wahlkampfthema nicht der AfD zu überlassen (die es mit Sicherheit freudig aufgreifen würde) – und damals ahnten wir noch nicht, daß es fünf Monate später Neuwahlen geben könnte. Dem kann ich mich nur anschließen…
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Referenzen:
[1] Schneider, P. M., Prainsack, B., & Kayser, M. (2019). Erweiterte forensische DNA-Analyse zur Vorhersage von Aussehen und biogeografischer Herkunft. Dtsch Arztebl Int, 116, 873-880.
[2] Fleckhaus, J., Bugert, P., Al-Rashedi, N. A. M., & Rothschild, M. A. (2023). Investigation of the impact of biogeographic ancestry on DNA methylation based age predictions comparing a Middle East and a Central European population. Forensic Science International: Genetics, 67, 102923.


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