Zum Thema Wahlcomputer, welches ja in den Comments und in meiner Mailbox einigen Staub aufgewirbelt hat, habe ich noch einen Nachschlag, bevor ich mich wieder dem eigentlichen Kernthema dieses Blogs zuwende. Aus einer Zuschrift zum letzten Post war die Aussage zu entnehmen, dass die potenzielle Gefahr einer Wahlmanipulation doch eigentlich Politiker aus allen Lagern aufschrecken sollte. Warum, so wurde ich gefragt, wird die Problematik dann im politischen Lager nicht stärker thematisiert?
In der Tat gibt es im Falle einer Wahlmanipulation oder einer technisch bedingten “Wahlpanne” mehr Verlierer als nur die Demokratie, da ja mindestens eine Partei schlechter abschneiden muss, als dies vom Souverän, dem Wähler, beabsichtigt war. Warum ist der Einsatz solcher Systeme dann nicht umstrittener?
Eine einfache Antwort auf diese Frage gibt es wohl nicht. Meines Erachtens nach liegt aber zumindest eine der Hauptursachen in der mangelnden Technik- und Medienkompetenz der politischen Entscheidungsträger begründet. Zur Verdeutlichung dieser These lege ich dem interessierten Leser den folgenden, kurzen Filmausschnitt ans Herz, der dem Programm des ARD-Morgenmagazins entnommen ist:
Für die stets fröhlichen ARD-Morgenmoderatoren ein zum Schmunzeln animierender Beitrag, zeigt er doch, dass Politiker auch nur Menschen sind. So oder so ähnlich werden die Fernsehmacher das wohl gesehen haben. Mir ist auf jeden Fall das Lachen im Hals stecken geblieben, als mir in den Sinn kam, dass es sich bei den Interviewten genau um die Damen und Herren handelt, die nicht nur über den Einsatz von Wahlcomputern, sondern auch über die Vorratsdatenspeicherung, die Online-Durchsuchung oder die Zensur von Webseiten entscheiden müssen.
Natürlich ist mir auch klar, dass es sich bei einem “Kinderreporter-Clip” nicht um eine repräsentative Befragung handelt, und dass jeder Politiker zudem über einen Mitarbeiterstab verfügt, der Sachrecherchen und bestimmte technische Arbeiten übernimmt. Aber es mutet 2008 (bzw. 2007) doch seltsam an, wenn die führenden politischen Entscheidungsträger dieses Landes munter ausplaudern, erst “ein- oder zweimal” im Internet gewesen zu sein, nicht wissen “wie man eine Homepage bedient” oder den Begriff “Browser” augenscheinlich zum ersten Mal im Leben hören.
Wie die aktuellen Internetstrukturdaten der Forschungsgruppe Wahlen zeigen, nutzen inzwischen fast zwei Drittel aller Deutschen regelmäßig das Internet, welches damit eindeutig zu einem flächendeckend etablierten Massenkommunikationsmittel avanciert ist. Ein Entscheidungsträger, der über keinerlei Internetkompetenz verfügt, kann sich in eine Diskussion um Online-Gesetzgebung oder eben um den Einsatz von Wahlcomputern meiner Meinung nach nicht glaubwürdig einbringen.
Man stelle sich einen Politiker vor, der in den 80er Jahren erzählt hätte, dass er erst “ein- oder zweimal” ein Telefon benutzt hätte, nicht wüsste was ein “Freizeichen” wäre und überdies Mitarbeiter hätte, die solche Geräte für ihn bedienten. Wenn der gleiche Politiker dann die Entscheidungskompetenz für Themen wie den Ausbau des Telefonnetzes oder die Telefonüberwachung für sich reklamiert hätte, hätte vermutlich niemand mehr gelacht. Wieso finden wir uns heute achselzuckend damit ab?
Natürlich, so wird jetzt mancher argumentieren, liegt die endgültige Entscheidungskompetenz ja gar nicht bei der Politik, sondern vielmehr bei der Justiz. Denn sowohl wegen der Vorratsdatenspeicherung als auch wegen der Wahlcomputer laufen ja bereits diverse Verfahren, so dass eine vorschnell auf politischer Ebene getroffene Entscheidung nachträglich auf juristischer Ebene wieder revidiert werden kann.
Wer sich einmal damit auseinandersetzen möchte, wie es um das Technikkompetenz unserer Juristen teilweise bestellt ist, dem sei der LawBlog des auf Internet-Recht spezialisierten Rechtsanwalts Udo Vetter empfohlen. Dort finden sich teils äußerst bizarr anmutende Geschichten aus der wilden Welt der Online-Rechtsprechung.
Beispiel gefällig? Nehmen wir an, ein Scherzbold würde Ihre E-Mail-Adresse in das Online-Bestellformular eines eher fragwürdigen Versandhändlers eintragen. In Ihrer Mailbox geht daraufhin eine Zahlungsaufforderung ein, die Sie aber ignorieren bzw. für Spam halten, da Sie ja keine Bestellung durchgeführt haben. Der Versandhändler erstattet daraufhin Anzeige gegen den Inhaber der E-Mail-Adresse – und für einen Richter ist allein die Tatsache, dass Ihre E-Mail-Adresse (die höchstwahrscheinlich längst auf irgendeiner Webseite zu finden ist und daher jedem Surfer in die Hände fallen kann) in das Formularfeld eingegeben wurde Grund genug, ein Verfahren wegen Computerbetrugs gegen Sie einzuleiten und eine Hausdurchsuchung sowie die Konfiszierung Ihres Rechners anzuordnen. So etwas kann nicht passieren? Doch. So geschehen bei M.B. aus V.
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