Und damit kennen Sie auch schon mein persönliches Albtraumszenario: Politische Entscheidungsträger, die Begriffe wie “Internet” oder “Hacker” im Grunde nur vom Hörensagen kennen, lassen sich davon überzeugen dass die Wahl per Computer eine schnelle und sichere Angelegenheit ist – und die Richter, die in der letzten Instanz über die Klagen besorgter Wähler zu entscheiden haben, sind in ihrer Technik- und Medienkompetenz den erstgenannten Entscheidungsträgern ebenbürtig. Die Folge sind Wahlen, bei denen das Ergebnis von jedem in Frage gestellt, die Stimmzettel aber von niemandem mehr nachgezählt werden können. Die Demokratie verliert ein Stück Glaubwürdigkeit und Integrität und ein Prozess, der eigentlich transparent und nachvollziehbar sein sollte, wird undurchschaubar und fragwürdig.

Das Schlimmste an diesem Szenario? Nichts geschieht aus niederen Beweggründen, keiner der Beteiligten will ernsthaft die Demokratie beschädigen und jeder kann ehrlich von sich behaupten, nur nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt zu haben. Die Demokratie, die durch das Grundgesetz so hervorragend gegen innere Feinde geschützt ist, wird durch ehrliche Fehler überzeugter Demokraten dauerhaft beschädigt.

Natürlich gibt es sowohl Politiker als auch Juristen mit höchster Technik- und Internetkompetenz. Und ganz sicher gibt es auch in den Beraterstäben in Berlin und anderswo kompetente Experten zu jeder Thematik. Aber die Technik- und Medienkompetenz in der Fläche – die fehlt leider. Man kann sicher nicht verlangen, dass ein Politiker oder ein Jurist ein Experte auf jedem Sachgebiet sein muss. Aber ich wünsche mir, dass eine Bundesjustizministerin, die jeden Webseiten-Aufruf auf Vorrat speichern lässt, weiß was ein Browser ist. Ich wünsche mir, dass ein Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, der mit seinen Entscheidungen die Weichen für die Internet-Wirtschaft der Zukunft stellt, schon mehr Webseiten gesehen hat, als nur die Online-Ausgabe seiner Lieblingszeitung.

Illusorische Wünsche? Vielleicht.

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Kommentare (2)

  1. #1 Monika
    7. Februar 2008

    Lieber Christian, heute steht die “Antwort” zu Deiner Header-Frage in den Heise-Nachrichten: https://www.heise.de/newsticker/meldung/103125/from/rss09

    Demnach hat der “Wähler” entschieden. In den Nachrichten hatte ich noch gehört, dass in den USA zumindest z.Zt. für die Präsidentschaftsvorwahlen Computerwahlen ausgeschlossen hat, da die Gefahr der “Manipulation” bestehe. Allerdings kann ich im Moment diese Aussage nicht verifizieren??

  2. #2 Christian Reinboth
    7. Februar 2008

    @Monika: Im Prinzip richtig: “Der Wähler” zeigt mit der Verweigerungshaltung den Unwillen, sich an der intransparenten und unnötig komplizierten “Computerwahl” zu beteiligen. Ich möchte allerdings bezweifeln, dass sich die schlechte Wahlbeteiligung auf die Wahrscheinlichkeit eines fortgesetzten Einsatzes der Systeme irgenwie auswirkt. Denn zeigt nicht die von Wahl zu Wahl sinkende Beteiligung ohnehin den Unmut des Wählers über die politische Landschaft an sich? Das Phänomen der Wahlmüdigkeit ist in diesem Land schon seit über einer Dekade verstärkt zu beobachten und hat bislang kaum zu Konsequenzen geführt. Wie wahrscheinlich ist es also, dass da ein weiterer Rückgang der Wahlbeteiligung um noch mal 5% eine landesweite Abkehr von den Computerwahlen veranlasst?

    Was die USA betrifft, so ist mir diese Meldung nicht zu Ohren gekommen. Meines Wissens nach werden auch in den aktuell laufenden Vorwahlen Computer eingesetzt, wobei es in Iowa vor einigen Wochen auch zu den fast schon zu erwartenden Pannen gekommen sein soll. Ich rechne zur Zeit leider damit, dass bei den Präsidentschaftswahlen im November mindestens die Hälfte der amerikanischen Wähler per Bildschirm abstimmt – dies ist aber momentan nur eine persönliche Vermutung.