…ist offenbar eine niedersächsische Landtagsabgeordnete: Sie wünscht sich die Stasi zurück und behauptet, dass die Mauer nur gebaut worden wäre, um Westdeutsche vom Shopping in der DDR abzuhalten.
So weit so gut – in diesem Land kann
nun mal jeder glauben, was er oder sie möchte, schließlich
herrscht Meinungs- und Gedankenfreiheit. Ein Bekannter von mir glaubt
beispielsweise, dass die Amerikaner die Mondlandung im Fernsehstudio
gefälscht hätten, außerdem behauptet er, die „echten
Astronauten“ seien bereits Mitte der 60er von der CIA ermordet und
durch kosmetisch veränderte Schauspieler ersetzt wurden. Damit
dürfte er zwar als Gewinner bei „Wer wird Millionär?“
nicht in Frage kommen, aber der Gedanke an sich ist natürlich
nicht verboten.
Wenn nun aber jemand im Rahmen seiner
Meinungsfreiheit darüber nachdenkt, ob man diese nicht lieber
abschaffen sollte, dann wird man als überzeugter Demokrat schon
hellhörig. Und wenn dieser Vorschlag dann nicht von irgend
jemand geäußert wird, sondern von einer Abgeordneten in
einem deutschen Landtag, dann ist mein Interesse endgültig
geweckt. So geschehen im Fall von Christel Wegner (Linkspartei),
über die heute bei FOCUS Online folgendes zu lesen war:
„Christel Wegner fürchtet sich
vor antirevolutionären Kräften. Deshalb fordert die
niedersächsische Landtagsabgeordnete der Linken, die
Staatssicherheit aus DDR-Zeiten wieder einzuführen. Dem
ARD-Politikmagazin ‘Panorama’ vom Donnerstag sagte Christel Wegner,
dass man ein Organ wie die Stasi brauche, um sich gegen reaktionäre
Bestrebungen zu schützen. Gleichzeitig rechtfertigte sie den
Mauerbau. ‘Der Bau der Mauer war in jedem Fall eine Maßnahme,
um zu verhindern, dass weiterhin Westdeutsche in die DDR konnten’,
sagte sie. Wegner ist Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei
(DKP).“ [Quelle]
Das musste ich erstmal verdauen: Da
fordert eine in demokratischer Wahl in den Landtag erhobene
Mandatsträgerin nicht nur die Wiedereinführung der Stasi,
nein, sie behauptet auch noch, die Mauer wäre nur errichtet
worden um die Westdeutschen davon abzuhalten, die Wirtschaft der DDR
zu schädigen indem sie dort „billig einkauften“ [Quelle].
Während die erste Aussage von mangelndem Demokratieverständnis
zeugt, weist die zweite auf geradezu katastrophal schlechte
Kenntnisse der deutschen Geschichte hin. Die Mauer als Schutz vor
westdeutschen Schnäppchenjägern – ein Schlag in die
Gesichter all jener, die im Todesstreifen Angehörige verloren
haben. Von einer niedersächsischen Abgeordneten erwarte ich da
mehr – schließlich verlief ein nicht unbeträchtlicher
Teil der unmenschlichen innerdeutschen Grenze zwischen eben diesem
Bundesland und den östlichen Nachbarn.
Grund genug, sich ein wenig näher
mit Frau Wegner zu beschäftigen. Warum ist sie eigentlich
gleichzeitig Mitglied der DKP und Abgeordnete der Linkspartei? Kann
man denn als Abgeordnete einer Partei gleichzeitig noch bei der
„Konkurrenz“ Mitglied sein?
Eigentlich kann man das nicht. Nur ist
es so, dass die Linkspartei und die DKP in Niedersachsen sowie
einigen anderen Bundesländern eine strategische Partnerschaft
geschlossen haben, bei der nur die Linkspartei zur Wahl antritt und
die DKP ihr keine Stimmen abjagt, dafür im Falle eines
Wahlsieges aber auch Abgeordnete für den Landtag stellen darf.
Eigentlich ganz praktisch: Man bekommt Plätze im Landtag, obwohl
man nicht zur Wahl stand. Quasi ein Mandat fürs
Nichtkandidieren. Offiziell geht das natürlich nicht, und
deshalb sitzt Frau Wegner auch als Abgeordnete der Linkspartei im
Landtag – und ist bei der DKP nur Mitglied.
Und was für Positionen vertritt
nun eigentlich die DKP, die mit Hilfe ihres Partners den Sprung in
den Landtag geschafft hat? Ein Blick auf die DKP-Webseite gibt
Aufschluss:
1) DKP fordert: Nokia enteignen: […]
Nokia muss ohne Abfindung in öffentliches Eigentum überführt
werden. […] In der Bundesrepublik Deutschland brauchen wir jetzt
eine öffentliche Debatte und Maßnahmen zur Einschränkung
der Willkür und des Diktats des transnationalen Kapitals.
Notwendig ist die Überführung der Konzernbetriebe in
gesellschaftliches Eigentum bei demokratischer Kontrolle durch
Belegschaften, Gewerkschaften und Vertretungen der Bevölkerung.
[Quelle]
2) Der Weg der Ulrike Meinhof – eine
Biografie als Abrechnung mit dem „Rechtsstaat“: […] Es wird
keine Wertung des bewaffneten Kampfes vorgenommen (Lenin lehnt
individuellen Terror, der sich nicht auf eine Massenbewegung stützt,
ab). Aber es wird entwickelt, wie konsequenter Antiimperialismus auch
zu Attentaten und in die Illegalität führen kann. […]
Dieses Buch, das bei aller Sachlichkeit mit Wärme und spannend
bis zur letzten Zeile geschrieben ist, kann nicht nur empfohlen
werden, es sollte auch in jeder Schulbibliothek stehen. Nach seiner
Lektüre hat der Begriff “Rechtsstaat” einen anderen
Klang. [Quelle]
Kommentare (14)