3) Marxistische Theorie und Bildung: Im
Beschluss des 15. Parteitags “DKP – Partei der Arbeiterklasse –
Ihr politischer Platz heute” heißt es: „Die theoretische
Grundlage des politischen Wirkens der DKP ist die wissenschaftliche
Weltanschauung, deren Fundamente von Marx, Engels, Lenin und anderen
Marxistinnen und Marxisten erarbeitet wurden.“ Und an anderer
Stelle wird darauf verwiesen: „Unsere wissenschaftliche
Weltanschauung ist kein Dogma. Sie muss auf der ständigen
Analyse und Verallgemeinerung der Ergebnisse der einzelnen
Wissenschaften, der gesellschaftlichen Verhältnisse sowie der
eigenen und internationalen Erfahrungen in den Klassenkämpfen
beruhen.“ [Quelle]

Soweit
also einige Auszüge aus dem gedanklichen Spektrum dieser Partei.
Im Grunde genommen eine Steilvorlage für jeden Journalisten: Die
Stasi muss wieder her, der Mauerbau war richtig, der deutsche Staat
sollte wieder Konzerne enteignen und in der marxistischen Theorie und
Bildung lernen wir, dass der Kommunismus/Marxismus die einzig
„wissenschaftliche“ Weltanschauung darstellt (ein Mißbrauch
des Wissenschaftsbegriffs, bei dem sich mir die Nackenhaare
aufstellen). Da frage ich mich nur, warum solche Aussagen in der
Presse- und Medienwelt nicht stärker hinterfragt werden. Als der
hessische Ministerpräsident Koch im Wahlkampf eine härtere Bestrafung von kriminellen Jugendlichen forderte, ließ sich
fast keine Zeitung, kein Magazin und keine politische Talkshow
finden, in der die populistischen Forderungen nicht kritisiert
wurden. Wieso erzeugt der Ruf nach Stasi-Neugründung und
staatlichen Enteignungen kein ebenso lautes Medienecho?

Ich kenne einige Wissenschaftler, die
in der ehemaligen DDR studiert und gearbeitet haben. Aus ihren
Schilderungen weiß ich, wie sehr einige von ihnen darunter
gelitten haben, sachlich korrekte Ergebnisse aufgrund politischer
Erwartungen immer wieder verbiegen, verändern und verfälschen
zu müssen. Wie groß die Angst war, auch nur mit dem
eigenen Vorgesetzten oder den Kollegen über Forschungsergebnisse
zu sprechen, wenn diese nicht „politisch korrekt“ waren. Wie tief
die Enttäuschung saß, als sich nach dem Mauerfall
herausstellte, wessen Student, wessen Kollege, wessen Freund oder
wessen Ehefrau monatlich Berichte über intimste Gespräche
und Belanglosigkeiten aller Art an eben jene Stasi geschickt hatte,
deren Wiedereinführung nun Frau Wegner fordert.

Wo ziehen wir als Gesellschaft die
Grenze, wenn es um die Ansichten von politischen Mandatsträgern
geht? Was sind wir bereit uns noch anzuhören, wenn uns schon die
Forderung nach der Wiedereinführung der Stasi nicht wachrüttelt?
Der Stasi, die jeden potenziellen Regimegegner überwachen ließ,
die Familien und Karrieren zerstört hat, Menschen foltern und
verschwinden ließ, die den Ehemann über die Ehefrau und
die Schwester über den Bruder bespitzelt hat. Was muss man
in diesem Land sagen, um ein politisches Mandat zu verlieren?

Und dann das: “Der Bau der Mauer
war in jedem Fall eine Maßnahme, um zu verhindern, dass
weiterhin Westdeutsche in die DDR konnten. Einmal die Wirtschaft
schädigen, indem sie billig eingekauft haben.” [Quelle]

Wenn es nach mir geht, kann gerne
jemand glauben, dass die Mondlandung nicht stattgefunden hat. Von mir
aus auch, dass der Mond aus grünem Käse besteht. Aber ist
es zuviel verlangt, wenn man von Abgeordneten, von der politischen
Elite dieses Landes minimale Kenntnisse der deutschen Geschichte und
der grundgesetzlich verbrieften Rechte der von ihm oder ihr vertretenen Bürger erwartet?

Verlange ich da zuviel oder sind die
Hürden für Mandatsträger nicht hoch genug?

Oder, um es mit Cicero zu formulieren:
Prinzipiis obsta – Wehret den Anfängen…

UPDATE vom 15. Februar: Das Panorama-Interview mit Christel Wegner

Wer sich den hervorragenden Bericht des ARD-Magazins Panorama über den Pro-Stasi-Flügel der Linkspartei in voller Länge ansehen möchte, findet den Videobeitrag bei YouTube:

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Kommentare (14)

  1. #1 zettmann
    15. Februar 2008

    Hallo Christian,

    ich bin da deutlich entspannter. Ich bin sogar recht froh, dass sich Frau Wegner zu so offenen Worten durchgerungen hat. Ausführlich stelle ich das in meinem Blog dar: Danke, Christel Wegner, Linke-DKP.

    An dieser Stelle nur soviel: Hier wird öffentlich, wo Gysi drauf steht, ist Frau Wegner drin. Jeder, der die Linke wählt, sollte sich das klar machen. Ansonsten: Entwarnung. Ich habe die DDR erlebt, ein bisschen Stasi, ein bisschen Absurdistan. Hier gewähre ich Einsicht in meine Stasi-Akte, inkl. eines Abhörprotokolls. Ich freue mich schon darauf, in Frau Wegners Welt zu den reaktionären Kräften zu gehören! No pasaran!

  2. #2 Arnd
    15. Februar 2008

    Ich denke mal dass die Linkspartei über das Zweckbündnis mit der DKP noch einmal ganz genau nachdenken wird. Insofern war das Gequatsche dieser Frau doch gut… dadurch verringern sich die Chancen der DKPler in Zukunft gewiss dramatisch. Ich glaube nicht dass die Linkspartei sich mit so einem Blödsinn belasten will.

  3. #3 Matyy
    15. Februar 2008

    naja, mit Koch zu vergleichen ist ja n bisschen weit hergeholt. Wenn diese Person auf Augenhöhe mit Koch wäre, würde sie binnen Sekunden von der Presse verheizt. Ist doch toll, sie labert so viel Müll und wir ignoriert. Eigentlich ist da doch jedes bisschen Aufmerksamkeit verschwendet, oder nich?

  4. #4 Christian Reinboth
    15. Februar 2008

    @Zettmann: Ich wünschte ich könnte Ihnen da zustimmen. Leider haben sich auch schon andere Politiker durch wahnwitzige Aussagen vollkommen diskreditiert (man denke nur an Herrn Apfel aus dem sächsischen Landtag), was aber weder zu deren Rauswurf noch zu einer Verringerung deren Wählerschaft geführt hätte. Sie gehen davon aus, dass die Aussagen von Frau Wegner noch weite Kreise ziehen werden, ich befürchte eher, dass das Thema in ein paar Tagen schon wieder vom Tisch und vergessen ist. Und das darf und sollte nicht passieren.

    In Ihre Abhörprotokolle habe ich tatsächlich mal einen Blick geworfen – da wird einem ja schlecht… Ich habe mal jemand kennengelernt, der von der eigenen Ehefrau als IM überwacht wurde und finde es immer wieder unbegreiflich, welche unmenschlichen Kräfte da am Werk gewesen sein müssen. Gerade daher ist es besonders stark zu verurteilen, wenn solches Gedankengut in unseren Parlamenten schon wieder offen ausgesprochen wird. Ihren letzten beiden Worten schließe ich mich daher uneingeschränkt an 🙂

    @Arnd: Das würde ich gerne glauben, muss aber leider auf den sehr gut geschriebenen Artikel in der WELT ONLINE verweisen, wo ein Mitarbeiter des Linken-Parteivorstands interviewt wurde, der wortwörtlich aussagt, sehr viele Mitglieder würden im Grunde genauso denken:

    “Ein anderes Bild der verschiedenen ideologischen Strömungen innerhalb der Partei “Die Linke” zeichnet hingegen Martin Harnack. Der Mitarbeiter des Parteivorstands sagte WELT ONLINE auf die Frage, ob es in der Partei Mitglieder, die wie Christel Wegner die Stasi zurückhaben wollen, gebe: “Davon gibt es in unserer Partei viele, aber nicht nur da.” Wegners Position sei “wohl nicht die der Partei”, die Partei sei aber ganz klar dagegen, “die Stasi pauschal zu verteufeln”, sagte Harnack WELT ONLINE.”

    Nachzulesen hier:

    https://www.welt.de/politik/article1674202/Politikerin_der_Linkspartei_fordert_neue_Stasi.html

    Eine glaubwürdige Distanzierung von solchen Äußerungen geht übrigens über ein “da stimme ich nicht zu” hinaus. Wenn die Linkspartei sich glaubhaft distanzieren wollte, würde sie jetzt die Konsequenzen ziehen, inklusive Parteiausschluss, Aufforderung zur Aufgabe des Mandats und Beendigung der Partnerschaft mit der DKP. Solange das nicht geschieht, bin ich nicht davon überzeugt, dass hier wirklich eine extreme Außenseiterin spricht und nicht die Stimme einer politischen Strömung innerhalb der Partei nach Außen dringt.

    @Matyy: Da kann grundsätzlich nur zustimmen – wenn es sich um eine einzelne “Verrückte” handeln würde, dann wäre zuviel Aufmerksamkeit übertrieben. Auch hier muss ich aber leider wieder auf den WELT ONLINE-Artikel verweisen (Link siehe weiter oben), in dem sich auch die folgende Aussage findet:

    “Bei der anstehenden Wahl zur Hamburger Bürgerschaft kandieren mehrere DKP-Mitglieder mit ähnlich radikalen Positionen auf der Liste der Linken.”

    In dem Moment, wo es nicht nur eine einzelne Abgeordnete ist, die solche Positionen vertritt, sondern eine ganze Gruppe, ist nicht auszuschließen, dass es sich um eine politische Strömung innerhalb der Partei handelt, die langsam Oberwasser gewinnt. Dafür sprechen auch die Aussagen von Martin Harnack vom Parteivorstand, dass es in der Partei “viele Mitglieder” gäbe, die inhaltlich auf einer Linie mit Frau Wegner sind.

    Also leider doch ein Thema, über das gesprochen werden muss….

  5. #5 Blob
    15. Februar 2008

    Wo waren die kritischen Worte gerade in der Mainstream-Presse als die Vorratsdatenspeicherung diskutiert wurde? Bis auf verreinzelte Berichte, die man auch noch suchen muss, wurde nichts darüber berichtet. Selbst in der Tagesschau nicht.

    Sich jetzt über jemanden herfallen und dann nicht über die tatsächlichen Versuche, eine Super-Stasi einzurichten durch diese und die Vorgängerregierungen einzurichten, zu berichten, ist debil.

    Und nein, es ist nicht nur die Vorratsdatenspeicherung. Es ist ein Puzzle-Teil davon.

  6. #6 Christian Reinboth
    15. Februar 2008

    @Bolb: Ich bin ein erklärter Gegner der Vorratsdatenspeicherung und habe mich schon oft genug dagegen ausgesprochen. Meines Erachtens nach sind der Einschnitt in die bürgerlichen Grundrechte und die Konsequenzen für die Arbeit bestimmter Berufsgruppen (Ärzte, Journalisten, Kandidaten für ein politisches Amt etc.) zu gravierend, als dass die Vorratsdatenspeicherung vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben könnte. Natürlich gibt es neben der Vorratsdatenspeicherung auch noch andere Bestrebungen (z.B. die Ausweitung der Videoüberwachung), die sich insgesamt zu einem unschönen Bild aufaddieren. Ich rechne aber fest damit, dass etliche dieser Vorstöße durch die Gerichte wieder revidiert werden. Für mich persönlich war der Abgesang auf die Vorratsdatenspeicherung in dem Moment gekommen, in dem kaum einen Monat nach Inkrafttreten schon darüber nachgedacht wurde, ob man neben Al-Quaida vielleicht auch noch nach Filesharern suchen sollte…

    Die Äußerungen von Frau Wegner gehen allerdings in eine ganz andere Richtung. Sie wünscht sich nicht nur die folternde und mordende Stasi in ihrer ursprünglichen Form zurück, sondern beleidigt auch die Angehörigen sämtlicher Maueropfer mit ihrer Aussage, die Mauer wäre nur als Schutzwall gegen Schnäppchenjäger aus dem Westen errichtet worden. Das sind Aussagen denen man sich – unabhängig von der Debatte um die Vorratsdatenspeicherung – entgegen stellen sollte.

    Im übrigen sind gerade Abgeordnete wie Frau Wegner das beste Argument gegen die Vorratsdatenspeicherung und ähnliche Kapriolen. Denn sie verkünden ja bereits öffentlich dass sie im Falle einer Regierungsmehrheit die geschaffenen Strukturen zur Überwachung praktisch sofort zur Unterdrückung von politischem Dissenz mißbrauchen würden.

    Von daher kann ich Ihnen zumindest in der Sache nur zustimmen: Die Vorratsdatenspeicherung muss wieder abgeschafft werden. Und Frau Wegner muss ihr Mandat verlieren. Beides wäre im Sinne der Demokratie.

  7. #7 Blob
    15. Februar 2008

    Ich rechne aber fest damit, dass etliche dieser Vorstöße durch die Gerichte wieder revidiert werden.

    Tja, leider wird sowas Jahre brauchen und mit der Geschwindigkeit, wie gerade das Grundgesetz attackiert wird, müsste man im Wochenrhythmus das BVerfG lahmlegen. Von daher wage ich zu bezweifeln, dass all diese Angriffe gekippt werden.

    Sie wünscht sich nicht nur die folternde und mordende Stasi in ihrer ursprünglichen Form zurück

    Hm, was fordert denn unter anderem unser Rollstuhl-Mielke? Folter legalisieren! Wo doch erwiesen ist, dass alles Vorgeworfene unter Folter gestanden wird. Denken wir nur an den Fall Kurnaz, wo dieser unschuldig jahrelang in Guantanamo festgehalten wurde.

    Siehe auch die Quasizusammenlegung der Polizei und Geheimdienste und dem Versuch, _heimliche_ Durchsuchungen einzuführen. Eignet sich sowas doch gut dafür, dass “Beweise” platziert werden können, um Missliebige entfernen zu können.

    Und die Todesstrafe wird quasi mit dem EU-Reformvertrag, basierend auf der EU-Verfassung, wieder eingeführt.

    Im übrigen sind gerade Abgeordnete wie Frau Wegner das beste Argument gegen die Vorratsdatenspeicherung und ähnliche Kapriolen. Denn sie verkünden ja bereits öffentlich dass sie im Falle einer Regierungsmehrheit die geschaffenen Strukturen zur Überwachung praktisch sofort zur Unterdrückung von politischem Dissenz mißbrauchen würden.

    Ja, denn da, wo Daten und Macht zusammenlaufen, ergibt sich immer ein Missbrauchspotential, welches auch genutzt wird. Und dabei ist es vollkommen egal, ob der Missbrauch von innen oder von außen durch Verlust der Informationen stattfindet.

    Siehe zum Beispiel auch die eine Volksbank, die zu Ermittlung des Täters der Verschmutzung die Videos UND die Transaktionen auswertete, anstatt das der Polizei zu übergeben.

    Die Vorratsdatenspeicherung muss wieder abgeschafft werden.

    Nicht nur die.

    Und Frau Wegner muss ihr Mandat verlieren. Beides wäre im Sinne der Demokratie.

    Und was ist zum Beispiel mit Monika Harms, die innerhalb eines Jahres insgesamt sechs Rüffel vom Bundesgerichtshofs kassierte, weil sie ihre Kompetenzen überschritten hatte? Diese Frau zu entlassen wäre auch im Sinne der Demokratie. Doch die SPD und Union weigern sich, Konsequenzen daraus zu schließen.

  8. #8 Christian Reinboth
    15. Februar 2008

    @Blob: Ich werde mich mal bemühen, Ihre Anmerkungen der Reihe nach zu beantworten. Dass die Gerichte nicht mit den vielen Vorstößen mithalten können ist leider wahr. Juristische Entscheidungsprozesse dauern nun mal ihre Zeit, das lässt sich wohl nicht ändern. Die größte Gefahr für die Informationsfreiheit geht aber meines Erachtens nach von der Vorratsdatenspeicherung aus, und über die wird ja nun bald verhandelt….

    Einen Ausdruck wie “Rollstuhl-Mielke” halte ich für unangebracht und anstößig. Mit solchen geradezu pubertär wirkenden Kraftausdrücken trägt man zudem nicht zur Versachlichung der wirklich wichtigen Debatte bei. Wenn Sie mit einem Befürworter der Vorratsdatenspeicherung auf diese Weise diskutieren, wird es Ihnen kaum gelingen, bis zu den Sachargumenten vorzudringen, da man sich vorher im unproduktiven “name-calling” verliert.

    Die Legalisierung von Folter hat meines Wissens nach noch niemand gefordert. Das Buch des Verfassungsrechtlers, auf den Sie wahrscheinlich anspielen, ist mir bekannt, dieser übt jedoch kein öffentliches Mandat aus und kann daher erst mal theoretisieren soviel er möchte. Dass solche Vorschläge jemals in geltendes Recht umgesetzt werden, halte ich für ausgeschlossen. Gleiches gilt auch für die Todesstrafe, die auch mit dem EU-Reformvertrag natürlich nicht wieder eingeführt wird. Man sollte die gegenwärtige gesellschaftliche Situation auch nicht schlechter reden als sie ist, denn noch leben wir in einem gut funktionierenden Rechtsstaat.

    Ansonsten stimme ich Ihnen zu: Wo viele Daten zusammenkommen werden sie auch genutzt und wo eine unkontrollierte Nutzung möglich ist, da wird ein Mißbrauch wahrscheinlich. Das Beispiel mit der Bank ist mir bekannt. Ich halte den Vorfall für einen klaren Mißbrauch der Videoüberwachung, die als Schutz gegen bewaffnete Überfälle notwendig ist, aber nicht zur Ermittlung der Adressaten von Reinigungsrechnungen dienen sollte. Einen ähnlichen Inkrementalismus erleben wir ja momentan bei der Vorratsdatenspeicherung, die im Grunde als Werkzeug für den Kampf gegen den internationalen Terrorismus geschaffen wurde, und nun auch zur Identifizierung von Britney-Spears-Downloadern dienen soll.

    Zu Frau Harms kann ich keine qualifizierten Aussagen machen. Aktuell ist mir da nur der Fall Andrej Holm bekannt, den ich persönlich immer noch sehr seltsam finde, da mir die konkreten Verdachtsmomente weiterhin unklar sind. Ich kann verstehen, dass hier an der Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft Kritik geübt wird, muss aber berücksichtigen, dass es möglicherweise auch Beweise geben könnte, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Ein Zusammenhang mit dem ursprünglichen Thema dieses Blogposts ist bei dieser Geschichte im Grunde aber nur noch dadurch gegeben, dass Holm sich seinerzeit freiwillig zum Dienst bei der Stasi gemeldet hat…

  9. #9 Blob
    16. Februar 2008

    Einen Ausdruck wie “Rollstuhl-Mielke” halte ich für unangebracht und anstößig. Mit solchen geradezu pubertär wirkenden Kraftausdrücken trägt man zudem nicht zur Versachlichung der wirklich wichtigen Debatte bei.

    Hm, wenn ich mir Schäuble, Zypries und andere Politiker so anhöre, dann muss ich sagen, dass sie schon lange die sachliche Diskussion verlassen haben. Eine Diskussion darüber ist nicht gewünscht. Es soll einfach gemacht werden. Siehe dazu auch den Vorstoß Bayern, obwohl das BVerfG einen ähnlichen Fall demnächst entscheiden will.

    Die Legalisierung von Folter hat meines Wissens nach noch niemand gefordert.

    Schäuble hat das Buch von Depenheuer empfohlen.
    https://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26953/1.html

    Schäuble am 01.12.2007 in der Tagesschau:
    “Diejenigen, die sagen, Guantanamo ist nicht die richtige Lösung, müssen bereit sein, darüber nachzudenken, was die bessere Lösung ist. Denn allein mit der Kritik ist kein Problem gelöst.”
    https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video242998_bcId-ts1600_ply-internal_res-real256_vChoice-video242998.html

    Und wie wir wissen, wird in Guantanamo gefoltert.

    Monika Harms Rüffelakte:
    https://www.taz.de/nc/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=a1&dig=2008%2F01%2F08%2Fa0006&cHash=45eb02618f

  10. #10 Blob
    16. Februar 2008

    Filmtip:

    Auch wenn der Titel ein wenig in die Irre führt:

    Quarks & Co: Die Waffen der Terrorfander vom 12.02.2008
    https://www.wdr.de/tv/quarks/sendungsbeitraege/2008/0212/000_terror.jsp

    Als Podcast unter https://medien.wdr.de/download/1202846400/quarks/wdr_fernsehen_quarks_und_co_20080212.mp4

  11. #11 Christian Reinboth
    19. Februar 2008

    @Blob: Bei allem Verständnis für den Ärger über Vorratsdatenspeicherung & Co. bin ich mir trotzdem sicher, dass nur eine ruhige und sachliche Diskussion dazu führen kann, dass die Problematik auch in der Öffentlichkeit wieder stärker wahrgenommen und hinterfragt wird. Eine Polemisierung führt nur dazu, dass man am Ende weder von den Entscheidungsträgern noch den vielen Bürgern, die sich ihre Meinung noch bilden möchten, ernstgenommen wird. Ein politischer – nicht aber ein polemischer – Diskurs muss in dieser Frage stattfinden.

    Das Buch von Depenheuer ist starker Tobak, spiegelt aber auch nachvollziehbare Befürchtungen wieder, die in Zusammenhang mit den furchtbaren Anschlägen des 11. September stehen. Die Demokratie sieht sich mit einer sehr barbarischen Form des Terrorismus konfrontiert, der die Offenheit und die Gesetze der Länder ausnutzt, in denen er zuschlägt. Dies führt zwangsläufig zu einer Diskussion um Bürgerrechte, diese Diskussion muss aber bei der Aberkennung von menschlichen Grundrechten enden, was bei Depenheuer leider nicht der Fall ist. Viele seiner Vorschläge lassen sich ja aber ohne schwere Veränderungen im Grundgesetz gar nicht umsetzen, weshalb hier eigentlich kaum eine Gefahr für den Rechtsstaat droht.

    Was Schäubles Kritik an den Guantanamo-Kritikern betrifft, so kann ich sie zumindest ansatzweise nachvollziehen. Dass in Guantanamo gefoltert wird, ist verwerflich, es reicht aber nicht, einfach die Abschaffung des Gefängnisses zu fordern ohne einen Lösungsvorschlag auf den Tisch zu legen, was mit den Gefangenen geschehen soll, da das Gerichtssystem (weder unseres noch das der USA) auf hunderte oder tausende Verhandlungen gegen einzelne Taliban-Anhänger etc. nicht vorbereitet ist. Im Grunde handelt es sich bei den meisten Gefangenen ja um Kriegsgefangene, denen sicher keine individuelle Schuld nachgewiesen werden kann, die aber gleichzeitig nicht so einfach freigelassen werden können. Dass man sich in den USA gerade in dieser schwierigen Situation nicht an die Genfer Konventionen hält, ist mir persönlich allerdings unverständlich.

    Der eigentliche Skandal um die verschiedenen neuen Gesetze, zu denen auch die Vorratsdatenspeicherung gehört (aber eben auch der Bundestrojaner), liegt eigentlich eher darin, dass man die Maßnahmen als wichtige Werkzeuge im Kampf gegen den Terrorismus “verkauft”, in Wirklichkeit aber kaum mit Fahndungserfolgen zu rechnen ist, da echte Terroristen in Zukunft einfach PrePaid-Handys verwenden, ihre E-Mails verschlüsseln oder sich einfach wieder Briefe schreiben werden. Das Ziel der neuen gesetzlichen Maßnahmen ist damit nicht mehr der Terrorist, sondern der gewöhnliche Kriminelle, wo auch immer man da die Grenze ziehen will – spekuliert wird ja schon über den Einsatz von Trojanern und Vorratsdatenspeicherung gegen Filesharer, was meines Erachtens nach maßlos übertrieben wäre.

    Am besten hat es wohl das SPD-Urgestein Dieter Wiefelspütz formuliert, der auf eine Frage zur Vorratsdatenspeicherung bei abgeordnetenwatch.de wörtlich zu Protokoll gab: “Vorratsdatenspeicherung hat mit Terrorismusbekämpfung relativ wenig zu tun. Ich wäre für die Vorratsdatenspeicherung auch dann, wenn es überhaupt keinen Terrorismus gäbe.”

    Quelle: https://www.abgeordnetenwatch.de/dr_dieter_wiefelspuetz-650-5785–f78879.html#frage78879

    Dies zeigt es deutlich: Die Vorratsdatenspeicherung zielt eben nicht auf Al Quaida ab, wird aber dem Bürger gegenüber so begründet – und eben das halte ich für verkehrt.

    Mit der Diskussion um Frau Wegner hat diese Thematik ja aber nur am Rande etwas zu tun. Inzwischen wurde die gute Frau ja sogar aus der eigenen Fraktion ausgeschlossen und man wird sehen, inwiefern sie ihr Mandat wird wahrnehmen können. In jedem Fall ist es schon mal erfreulich, dass eine mit solcher Passion geführte öffentliche Debatte zu einem schwierigen Thema stattgefunden hat, wie wir sie in den letzten Tagen zum Fall Wegner erleben durften – wenn jetzt noch ähnlich gehaltvoll über Sinn und Unsinn der Vorratsdatenspeicherung diskutiert werden würde, wären wir sicher wieder beide glücklich…

  12. #12 Ludwig Kamberlein
    25. März 2008

    Eine wirklich gefestigte Demokratie würde absurde Äußerungen vom Schlage Wegners locker wegstecken können.

  13. #13 markus
    8. Mai 2008

    Wundert ihr euch gar nicht wer da über die “böse Enteignung” spricht.
    Ein wunderschöner Diss Artikel gegen linke Positionen, aus dem Mund eines GmbH Mitbegründers. Das ist Klassenkampf von oben. So jemand wie der muss aufgrund seiner
    gesellschftlichen Stellung Angst vo Enteignungen haben. 🙂 Die “freie Marktwirtschaft”
    behält sich doch auch ganz gerne das Mittel der Enteignung offen, um zB. ein Gelände für gewisse Kraftwerkserweiterungen zu erhalten. So etwas ist dann ganz normal.
    Wenn man fordert das Schlüsselindustrien in öffentliche Hand gehören ist das
    Geschrei groß. Die Strompreise waren Jahrelang stabil, als die Konzerne staatlich waren,
    die Mitarbeiter wurden Gescheit entlohnt, es gab kein outsourcing und Personal aus “Service-Agenturen”. Starke Gewerkschaften gingen gegen Lohnraub und Überstunden vor. Ich spreche nicht davon dir deine nette GmbH wegzunehmen, weil Gesamtgesellschaftlich/wirtschaftlich eher unbedeutend ist. Aber auch du würdest von restriktiveren Eingriffen in die Wirtschaft profitieren.

    Aber ihr anderen Disskussionsteilnehmer tut mir nur noch leid. So wenig Klassenbewusstsein ist erbärmlich….

  14. #14 Christian Reinboth
    8. Mai 2008

    @Markus: Glauben Sie mir – wenn Sie das Recht hätten, mich zu enteignen, hätten Sie nicht viel Freude daran. Als Unternehmensgründer sitze ich um die 80 Stunden in der Woche im Büro und bin dafür zwei Jahre lang mit einem Monatseinkommen nach Hause gegangen, dass wirklich nur knapp über dem eines Arbeitslosen lag – schlicht und ergreifend deshalb, weil man sich Profitabilität und große Gewinne erst mal erkämpfen muss. Inzwischen hat sich das Unternehmen etabliert, trotzdem geht jeder von meinen Vollzeit-Angestellten immer noch mit mehr Geld in der Tasche nach Hause (und das mit deutlich weniger Arbeitsstunden als ihr Chef). Auf einen Unfug wie “Klassenkampf von oben” lasse ich mich daher gar nicht erst ein. Wenn Sie allen ernstes glauben, dass in diesem Land ausgerechnet Forscher und Wissenschaftler zur einer alles dominierenden Elite gehören, sind Sie einem gewaltigen Irrtum verfallen.

    Gegen Frau Wegner wende ich mich insbesondere deshalb weil sie (a) die Stasi verharmlost, deren Verbrechen viele Menschen in tiefes Unglück gestürzt haben, (b) sogar die Wiedereinführung der Stasi fordert “wenn die Revolution vorbei ist” und (c) Geschichtsrevisionismus der übelsten Sorte betreibt, wenn sie die Mauer, an der viele unschuldige Menschen durch die Hand eines Unrechtsstaates ihr Leben verloren haben, als Schutzwall gegen “Shopper aus dem Westen” bezeichnet.

    Dass die Erhöhung der Strompreise bisweilen an unverschämte Abzocke grenzt – keine Frage. Aber ist das wirklich Motivation genug, um eine Abgeordnete zu unterstützen, die von der Wiedereinführung der DDR und dem Wiederaufbau der Mauer träumt? Also ich spare lieber ein wenig Strom (wir verbrauchen ohnehin zuviel) oder ärgere mich beim Griff in den Geldbeutel als nachts mit Gewehrfeuer im Rücken durch ein Mienenfeld zu stolpern, im Stasi-Gefängnis psychisch und physisch gefoltert zu werden oder aber bei jedem Satz dreimal nachdenken zu müssen, ob vielleicht gerade jemand mithört. Alles Probleme, denen man sich natürlich nur dann gegenübersieht, wenn man in der Diktatur nicht zum meinungslosen Mitläufer mutiert – denn dann hat man selbstverständlich seine Ruhe und kann sich am sicheren Arbeitsplatz und am billigen Strom erfreuen…..