Da ärgert man sich über alte Stasi-Agenten, die gegen die Offenlegung ihrer Vergangenheit klagen, während gleichzeitig ein Konzern mitten in Deutschland still und leise Stasi-Methoden wiedereinführt, um die eigenen Mitarbeiter zu überwachen. Unkommentierte Zitate aus den Lidl-Protokollen.

Samstag, 10.46 Uhr

Frau N. ist an beiden Unterarmen tätowiert, diese sehen jedoch mehr nach Marke “Eigenbau” aus, für, insbesondere ältere Kunden, können diese auch als Gefängnis-Tätowierungen gedeutet werden. Man sollte Frau N. anweisen, die Unterarme während der Arbeitszeit, insbesondere an der Kasse, bedeckt zu halten.

Freitag, 12.00 Uhr

Frau P. kommt mit einer Kundin in den Pausenraum. Die Kräfte Frau N. und Frau C. sind ebenfalls anwesend und machen gerade ihre tägliche mehrfache Zigarettenpause. Die Kundin reklamiert Hackfleisch, Mindesthaltbarkeitsdatum 16.06.2007; in dem Hackfleisch befinden sich Fliegen und Larven.

Mittwoch, 14.15 Uhr

Frau C. und Frau S. verlassen die Filiale um zu einer Schulung nach Braunschweig zu fahren. Beide äußern sich negativ über die anberaumte Schulung. Sinn und Zweck werden nicht verstanden; beide hoffen, dass die Zeit schnell rum geht, aktive Mitarbeit an der Schulung lehnen sie bereits beide im Vorfeld ab.

Donnerstag, 14.50 Uhr

Frau T. telefoniert mit ihrem Freund, es geht um das gemeinsame Abendessen. Obwohl sie weiß, dass der Markt gut besucht ist und noch diverse Arbeiten zu erledigen sind, verspricht sie ihm, pünktlich Feierabend zu machen, was sie dann um 15 Uhr tut.

Montag, 13.40 Uhr

Die Kräfte Frau E. und Frau F. unterhalten sich, auch vor Kunden, auf polnisch miteinander!

Montag, 06.00 Uhr

Um die Stromkabel usw. für die Miniaturkameras zu verlegen, begebe ich mich im Lager auf die Suche nach der Dachluke.

Mittwoch, 14.05 Uhr

Frau M. möchte in ihrer Pause ein Telefonat mit ihrem Handy führen, es erfolgt die automatische Ansage, dass das Guthaben auf dem Prepaid-Handy nur noch 85 Cent beträgt. Schließlich erreicht sie eine Freundin, mit welcher sie heute Abend gerne gemeinsam kochen würde, dieses setzt aber voraus, so Frau M., dass ihr Gehalt bereits gutgeschrieben wurde, da sie ansonsten kein Geld mehr hätte, um einzukaufen.

(mehr Zitate aus dem Schattenreich finden sich im Stern Online)

Kann man hierzu überhaupt noch einen zivilisierten Kommentar abgeben? Vielleicht einen: Es ist un-fass-bar, wie hier auf eine Art und Weise die Privatsphäre der Mitarbeiter verletzt wurde – und das mit Methoden, die den Methoden der Stasi in nichts nachstehen. Die einzige wirklich für einen Lidl-Manager wissenswerte Information ist die, dass Hackfleisch mit Fliegen und Maden sich schlecht verkauft (igitt). Alles andere ist nichts weiter als eine gewissenlose Bespitzelung der eigenen Angestellten, die sich durch absolut gar nichts rechtfertigen lässt.

Als Konsumenten haben wir nur eine Möglichkeit, unser Missfallen zu äußern – wir können mit der Brieftasche und dem Scheckbuch abstimmen. In diesem Sinne hoffe ich, dass diese widerwärtige Episode nicht so schnell in Vergessenheit gerät….

Kommentare (3)

  1. #1 Zwittel H.
    13. April 2008

    Bei aller Aufregung, ich halte die grundsätzliche Fragestellung für wichtig: Unternehmen MÜSSEN überwachen und kontrollieren. Allerdings nicht ohne Bekanntgabe der Überwachung.

    Gruss, Hans

    https://www.westaflex-forum.de/2008/04/13/heimlich-schon-gar-nicht/

  2. #2 Christian Reinboth
    14. April 2008

    @Hans Zwittel: Richtig – Unternehmen müssen kontrollieren, beispielsweise ob in einer Filiale geklaut wird oder aber auch ob Angestellte vielleicht ständig Privatgespräche mit dem Diensttelefon tätigen. Kein Unternehmen aber muss kontrollieren, wer mit wem befreundet ist, wer wen abends zum Essen einlädt, wer noch wieviel Geld auf dem privaten Konto oder der privaten Telefonkarte hat etc. Es gibt da schlicht und ergreifend eine sittliche Grenze, die im Lidl-Fall meilenweit überschritten wurde.

    Ich habe als Unternehmer keinesfalls das Recht, das Privatleben meiner Angestellten bis ins Detail zu kennen. Die massiven Eingriffe in die Privatsphäre der Lidl-Mitarbeiter sind daher nicht nur beschämend, sie sagen auch ganz generell etwas über das Vertrauen aus, das die Unternehmensleitung zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat.

  3. #3 Venti
    7. Mai 2008

    ich finde auch, kein Arbeitgeber hat das Recht in meinem Privatleben rumzustöbern. Solange ich meine Arbeit zufriedenstellend mache, sollte diese Big Brother Überwachung endlich aufhören!!!