Im Nobel-Blog tobt seit Tagen eine hitzige Diskussion um die Frage, ob es peer-reviewte Quellen gibt, die Zweifel am antrophogenen Klimawandel nahelegen würden.
Die bekannteste Untersuchung zur Frage des wissenschaftlichen Konsens in Sachen Klimawandel stammt sicherlich von Prof. Oreskes von der University of California in San Diego. 2004 analysierte sie für das Science Magazine 923 Abstracts von peer-reviewed Papers, die zwischen 1993 und 2003 in wissenschaftlichen Magazinen veröffentlicht wurden und unter dem Keyword „Global Climate Change” gelistet waren. Ihre Untersuchung führte zu dem Ergebnis, dass keiner der Autoren dem wissenschaftlichen Konsens widersprach, dass zumindest ein großer Teil der beobachteten Erwärmung antrophogener Natur ist („Most of the observed warming over the last 50 years is likely to have been due to the increase in greenhouse gas concentrations”), und dass dieser Erwärmungstrend ein Problem darstellt:
This analysis shows that scientists publishing in the peer-reviewed literature agree with IPCC, the National Academy of Sciences, and the public statements of their professional societies. Politicians, economists, journalists, and others may have the impression of confusion, disagreement, or discord among climate scientists, but that impression is incorrect.
Der letzte Abschnitt ihres Artikels zeigt klar auf, welche Konsequenzen aus diesem Konsens ihrer Ansicht nach gezogen werden sollten:
The scientific consensus might, of course, be wrong. If the history of science teaches anything, it is humility, and no one can be faulted for failing to act on what is not known. But our grandchildren will surely blame us if they find that we understood the reality of anthropogenic climate change and failed to do anything about it.
Many details about climate interactions are not well understood, and there are ample grounds for continued research to provide a better basis for understanding climate dynamics. The question of what to do about climate change is also still open. But there is a scientific consensus on the reality of anthropogenic climate change. Climate scientists have repeatedly tried to make this clear. It is time for the rest of us to listen.
Quelle: https://www.sciencemag.org/cgi/content/full/306/5702/1686
Besser kann man es im Grunde nicht ausdrücken – und eigentlich wäre damit zum Streitpunkt des wissenschaftlichen Konsens auch schon alles gesagt. Da das Themenfeld jedoch aus vollkommen nachvollziehbaren Gründen stark emotional belastet ist (schließlich geht jede „Gegenmaßnahme” auch mit einer Veränderung oft persönlicher Konsum- oder Lebensweisen einher), tobt sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Blogosphäre weiterhin die Meinungsschlacht.
Mitunter wird diese wissenschaftlich-sachlich geführt und ist damit eine willkommene Ergänzung, oft werden aber auch abstruse Verschwörungstheorien verbreitet, häufig begleitet von „ad hominem”-Argumenten und teilweise (leider) auch unschönen Beleidigungen. Die Agitation geht dabei von beiden Seiten aus – mal will ein „Klimaskeptiker” mit dem Kopf durch die Wand, mal ist ein Vertreter des wissenschaftlichen Mainstreams verärgert über immer wieder hochkochende und längst widerlegte Debatten.
Bei längeren Diskussionen kommt dann häufig der Zeitpunkt, an dem plötzlich nicht mehr über die Wissenschaft an sich, sondern über die „Verschwörung der Klimaforscher” diskutiert wird, also die angebliche Absprache zwischen weltweit führenden Institutionen und Wissenschaftlern, mit Hilfe gefälschter Klimadaten die globale Wirtschaft in die Knie zu zwingen und die Klimatologie zum bedeutensten (und bestfinanzierten) Wissenschaftszweig aller Zeiten zu machen. In der Regel ist dieses Argument der Tod jeder sachlichen Diskussion und führt zu einem rapiden Absinken des Diskussionsniveaus.
Es ist außerdem – mit Verlaub gesagt – großer Blödsinn. Wer ernsthaft der Meinung ist, dass hinter den Kulissen der Weltbühne ausgerechnet die Naturwissenschaftler die Strippen ziehen und Politik und Industrie nach ihrer Pfeife tanzen lassen, der möge sich mal mit den harten Fakten der Finanzierung von Wissenschaft und Forschung auseinandersetzen. Da läuft nämlich (vor allem hierzulande) ohne das Wohlwollen von Politik und/oder Industrie kaum etwas.
Nun wird ja von Seiten der Klimaskeptiker häufig behauptet, der von Oreskes beschriebene Konsens existiere in Wirklichkeit gar nicht, denn es gäbe etliche (auch namhafte) Wissenschaftler, die eine gegenteilige Auffassung vertreten, wie beispielsweise den MIT-Professor Richard Lindzen, der in den USA als bekanntester Fürsprecher der Klimaskeptiker gilt. In der Tat haben eine ganze Reihe von Wissenschaftlern (häufig allerdings fachfremde) Op-Eds, Kolumnen, Thesenpapiere und auch Bücher verfasst, in denen ein Zusammenhang zwischen Erwärmungstrends und menschlichem Handeln bestritten wird. Gibt es aber auch den wissenschaftlichen Standards entsprechende, peer-reviewte Veröffentlichungen, in denen ebenfalls diese kritische Meinung zum Ausdruck kommt?
Nun habe ich weder die Zeit noch die Ressourcen, um die Oreskes-Studie zu wiederholen, dennoch habe ich mir am Wochenende einmal über google.scholar knapp 100 Paper bzw. Abstracts besorgt und zudem in einschlägigen Foren nach entsprechenden Hinweisen auf abweichende Expertenmeinungen gefahndet. Es gelang mir dabei nicht, ein Paper zu finden, dessen Autoren tatsächlich in Frage stellen, dass der Klimawandel (a) zumindest teilweise durch den Menschen verursacht wird und dass es sich (b) um ein großes Problem handelt. Bezüglich mancher in den Medien häufig als klare Fakten dargestellten Teilaspekte besteht, wie meine Suche ergab, allerdings noch Diskussionsbedarf.
So weisen Landsea und Knaff darauf hin, dass die vermeintlichen Erfolge bei der Vorhersage von El Niños keinesfalls als Argument für die Sicherheit von Modellen zur Klimaprognose herangezogen werden sollten. Reiter et al. zeigen dagegen auf, dass die häufig zu hörende Theorie, durch die globale Erwärmung könnten malariatragende Mücken in ganz neue Gebiete vordringen, möglicherweise falsch sein könnte. Und auch die Eisschmelze auf dem Kilimanjaro, die in den Medien gern als Beispiel für die Folgen des Klimawandels genannt wird, könnte in Wirklichkeit andere Ursachen haben, wie Kaser et al. nahelegen.
Landsea / Knaff
Also disturbing is that others are using the supposed success in dynamical El Niño forecasting to support other agendas. As an example, an overview paper by Ledley et al. (1999) to support the American Geophysical Union’s ‘Position Statement on Climate Change and Greenhouse Gases’ said the following:
‘Confidence in [comprehensive coupled] models [for anthropogenic global warming scenarios] is also gained from their emerging predictive capability. An example of this capability is the development of a hierarchy of models to study the El Niño-Southern Oscillation (ENSO) phenomena. . . . These models can predict the lower frequency responses of the climate system, such as anomalies in monthly and season averages of the sea surface temperatures in the tropical Pacific.’
On the contrary, with the results of this study, one could even have less confidence in anthropogenic global warming studies because of the lack of skill in predicting El Niño (or, alternatively, the inability of dynamical models to outperform relatively simple statistical schemes). The bottom line is that the successes in ENSO forecasting have been overstated (sometimes drastically) and misapplied in other arenas.
Landsea, Christopher W. and Knaff, John A.: „How much skill was there in Forecasting the very strong 1997-98 El Niño?”, in: Bulletin of the American Meteorological Society 81, No. 9, 2000, P. 2107-2119.
Quelle: https://sciencepolicy.colorado.edu/extremes/papers/landsea.pdf
Reiter et al.
For more than a decade, malaria has held a prominent place in speculations on the impacts of global climate change. Mathematical models that “predict” increases in the geographic distribution of malaria vectors and the prevalence of the disease have received wide publicity. Efforts to put the issue into perspective are rarely quoted and have had little influence on the political debate. The model proposed by Frank C Tanser and colleagues in The Lancet and the accompanying Commentary by Simon Hales and Alistair Woodward are typically misleading examples. The relation between climate and malaria transmission is complex and varies according to location, yet Tanser et al base their projections on thresholds derived from a mere 15 African locations. Slight adjustments of values assigned to such thresholds and rules can influence spatial predictions strongly.
Reiter, P.; Thomas, C.J.; Atkinson, P.M.; Hay, S.I. and Randolph, S.E.: „Global Warming and Malaria: A Call for Accuracy”, in: Lancet 4, No. 1, June 2004, P. 323-324.
Quelle: https://www.popline.org/docs/1502/193325.html
Kaser et al.
In recent years, Kilimanjaro and its vanishing glaciers have become an icon of global warming, attracting broad interest. In this paper, a synopsis of (a) field observations made by the authors and (b) climatic data as reported in the literature (proxy and long-term instrumental data) is presented to develop a new concept for investigating the retreat of Kilimanjaro’s glaciers, based on the physical understanding of glacier-climate interactions. The concept considers the peculiarities of the mountain and implies that climatological processes other than air temperature control the ice recession in a direct manner. A drastic drop in atmospheric moisture at the end of the 19th century and the ensuing drier climatic conditions are likely forcing glacier retreat on Kilimanjaro.
Kaser, Georg; Hardy, Douglas; Mölg, Thomas; Bradley, Raymond S. and Hydera, Tharsis M.: „Modern Glacier Retreat on Kilimanjaro as Evidence of Climate Change: Observations and Facts”, in: International Journey of Climatology, Volume 24, Issue 3, March 2004, P. 329-339.
Quelle: https://www3.interscience.wiley.com/journal/107630666/abstract?CRETRY=1&SRETRY=0
Der grundsätzliche Konsens wird durch diese Veröffentlichungen natürlich nicht erschüttert. Was man allerdings erkennt ist der große Unterschied zwischen der Welt der Medien und der Welt der Wissenschaft. Dass beispielsweise die Eisschmelze am Kilimanjaro auch andere Ursachen als den Klimawandel haben könnte, auf diesen Hinweis wird man in einer populärwissenschaftlichen Sendung oder einem Nachrichtenbericht lange warten können. Mit globalen Verschwörungen hat das natürlich wenig zu tun, sondern eher mit der Tatsache, dass echter Wissenschaftsjournalismus ein mühsames Geschäft ist, mit dem nicht jeder Journalist seine Zeit „verschwenden” möchte.
Kommentare (49)