Letzten Monat durfte ich mich gleich über zwei Veröffentlichungen freuen. Aber was bringen eigentlich Veröffentlichungen für die akademische Karriere? Und wieviele Paper sind genug?

Schwierige Fragen, die jeden Nachwuchswissenschaftler umtreiben, die aber für Menschen außerhalb des Wissenschaftsbetriebs kaum nachvollziehbar sind. Tatsächlich sind die Zahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen und die Frage, in wie vielen anderen wissenschaftlichen Veröffentlichungen diese wiederum zitiert werden, ganz entscheidend für Hochschulkarrieren. Feste Regeln gibt es dabei nicht, denn die Berufungskommissionen entscheiden nach eigenem Ermessen – und natürlich sind auch noch etliche andere Faktoren ausschlaggebend für eine Berufung (Gute didaktische Kenntnisse – soviel sei verraten – gehören aber nicht unbedingt dazu).

Ein Bekannter von mir, der schon an etlichen Berufungskommissionen beteiligt war, hat mir sein persönliches System der Kandidatenbewertung einmal so erklärt: „Punkte” gibt es für akademische Veröffentlichungen, die einen Peer Review durchlaufen haben, außerdem für Bücher und für die Teilnahme an internationalen Forschungsprogrammen. Wichtig ist, dass bis zum 30sten Lebensjahr mindestens 20 Veröffentlichungen vorgewiesen werden können, darunter mindestens zwei oder drei Veröffentlichungen mit einem hohen SCI-Wert, d.h. Veröffentlichungen, die wiederum in anderen Schriften als Quellen angeführt werden.

Für andere Forschungsprojekte (solange sie nicht außergewöhnlich sind) und Veröffentlichungen außerhalb des Peer-Review-Systems gibt es dagegen kaum Punkte, ebenso wenig für politisches Engagement – während soziales Engagement dagegen durchaus gewürdigt werden kann. Letzteres halte ich übrigens für einen Kardinalfehler meines Bekannten, da die deutsche Forschungs- und Hochschullandschaft Wissenschaftler mit guten politischen Verbindungen durchaus gebrauchen könnte…

Im letzten Monat durfte ich mich nun gleich über zwei Veröffentlichungen freuen:

  • U.H.P. Fischer, J. Just & C. Reinboth: Konzeption eines optischen Übertragungssystems mit Wellenlängenmultiplex-Technologie und polymeren Lichtwellenleitern als Lehr- und Laborsystem, in: U. Fischer-Hirchert (Hrsg.): Arbeiten aus dem Kommunikationstechnik-Labor der HS Harz, S. 3-13, Cuvillier-Verlag, Göttingen, 2008 (Zweitveröffentlichung von der ORT 2007), ISBN: 978-3-86727-580-4.
  • U.H.P. Fischer-Hirchert, J. Just, C. Reinboth, M. Haupt & T. Windel: Zukunftsorientierte Forschung im Bereich der optischen Nachrichtentechnik am Fachbereich AI, in: A. Willingmann (Hrsg.): Festschrift 15 Jahre Hochschule Harz, S. 52-59, KOCH-Verlag, Halberstadt, 2008, ISBN: 978-3-00-022117-0.

Bringt mir dies nun zwei Punkte? Nicht wirklich, denn die Mitarbeit an der Festschrift ist zwar eine große Auszeichnung, die Beiträge haben aber keinen Peer Review durchlaufen. Das Paper zum Thema Wellenlängenmultiplex-Technologie hat zwar den Peer Review passiert – allerdings bereits 2007 anlässlich der ORT-Tagung an der Uni Hagen. Die aktuelle Veröffentlichung ist „lediglich” eine Zweitveröffentlichung in einem Sammelband ausgewählter Paper unseres Hochschullabors aus den letzten Jahren.

Also im Grunde null Punkte. Mal sehen, wie gross meine Chancen auf eine universitäre Karriere nach den Kriterien meines Bekannten tatsächlich sind:

Insgesamt dreizehn Veröffentlichungen, darunter ein Buch, acht Veröffentlichungen, die einen Peer Review durchlaufen haben sowie vier Veröffentlichungen ohne Peer Review. Leitende Mitarbeit in einem internationalen Forschungsprojekt (AutoOptics, 2007-2008).

Macht insgesamt etwa 10 Punkte. Mit 27 Jahren verbleiben mir damit noch ganze drei Jahre, um weitere 10 Punkte zu sammeln – eine knappe Sache. Ein Glück für mich, dass man an An-Instituten auch ganz ohne Berufungskommissionen arbeiten und forschen kann – zumal, wenn man auch noch zum Gründerteam gehört. Den Druck, unter dem meine Kollegen an den Hochschulen manchmal stehen, kann ich dennoch nachvollziehen. Publish or perish – veröffentliche oder vergehe – ist und bleibt eines der obersten Gesetze der wissenschaftlichen Landschaft. Und auch wenn Außenstehende das manchmal anders sehen – dieser Teil der wissenschaftlichen Arbeit ist hartes Brot, denn für einen wissenschaftlichen Text, der den Peer Review passieren soll, gelten andere und sehr viel strengere Regeln als beispielsweise für einen journalistischen Artikel.

Mein momentaner Chef beispielsweise hat es – das habe ich auf seiner Webseite mal eben überflogen – in seinen 20 Jahren wissenschaftlicher Arbeit auf über 100 Veröffentlichungen gebracht, darunter zwei Fachbücher, fünf Herausgeberbände und 21 Artikel in wissenschaftlichen Fachzeitschriften wie dem Journal of Optical Communications, Optical Engineering, dem Journal of Lightwave Technology und den Photonics Technology Letters. In so viel Material steckt schon eine Menge Arbeit – und sicher auch einiges an Herzblut.

Kommentare (5)

  1. #1 Nathan Schwenklar
    19. August 2008

    Wie kommt man denn eigentlich an so ein Peer-Review? (bin kein Wissenschaftler, aber mich interessiert es generell mal).

  2. #2 florian
    19. August 2008

    Das ist eigentlich nicht schwer: einfach einen wissenschaftlichen Artikel schreiben und an eine passende Fachzeitschrift schicken (da gibts tausende). Dann wird begutachtet und im Erfolgsfall veröffentlicht (und bei den meisten Zeitschriften kostet das nichtmal was)

  3. #3 Christian
    20. August 2008

    Da war Florian deutlich schneller als ich. Eine gute Zusammenfassung zum Peer Review, die unter anderem den “Matthäus-Effekt” erläutert (“Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden”. Matthäus-Evangelium, 25; 29) findet sich übrigens hier:

    https://www.forschungsinfo.de/iq/agora/Peer%20Review/peer_review.html

  4. #4 Nathan Schwenklar
    20. August 2008

    Kann man eigentlich auch als Unabhängiger (so wie ich) etwas publizieren, was dann Beachtung findet (sagen wir, nach so einem Peer-Review) oder fällt man ohne namenhaftes Institut od. ä. durch?

    PS. Vielen Dank schonmal für die sehr interessanten Kommentare!

  5. #5 Christian
    20. August 2008

    @Nathan Schwenklar: Theoretisch kann man natürlich auch als “wissenschaftlicher Zivilist” eine Arbeit zum Peer Review einreichen, wobei der oben erwähnte “Matthäus-Effekt” ja nahelegt, dass man als namhafter Wissenschaftler oder mit einem namhaften Institut im Hintergrund vermutlich besser Karten hat.

    Das größte Problem für einen Nicht-Wissenschaftler, der einen Artikel durch den Peer Review bringen möchte, dürfte wahrscheinlich die fehlende wissenschaftliche Arbeitsweise sein. Ein für den Peer Review geschriebener Fachartikel unterscheidet sich in Form und Inhalt erheblich von einem Artikel für, sagen wir mal, ein politisches Magazin oder eine Tageszeitung. Insbesondere die Vorschriften hinsichtlich des Sourcing, d.h. der Angabe von Quellen und der richtige Umgang mit empirischen Daten (so denn welche benötigt werden) wird im Rahmen einer wissenschaftlichen Ausbildung vermittelt, unter anderem auch um den Nachwuchswissenschaftlern das nötige Rüstzeug an die Hand zu geben, um selbst veröffentlichen zu können.

    Wer mit dieser Arbeitsweise nicht vertraut ist, wird es vermutlich sehr schwer haben, die inhaltlichen und formalen Anforderungen an ein e solche Arbeit erfüllen zu können, d.h. vermutlich ist die Chance recht groß, dass ein von einem Laien geschriebenes Paper den Peer Review nicht bestehen würde. Wer sich allerdings die Mühe macht, sich in die wissenschaftliche Arbeitsweise einzuarbeiten und zugleich genügend Expertise auf einem Fachgebiet zu sammeln, um erfolgreich publizieren zu können, könnte es sicher auch durch den Peer Review schaffen. Ich stelle es mir allerdings ziemlich schwierig vor…