Seit etwa drei Jahren befassen wir uns bei HarzOptics mit der Selektion von LEDs nach Intensität und Farbort, eine Dienstleistung, die wir seit kurzem sogar automatisiert anbieten. Was aber ist ein Farbort – und warum ist es so wichtig, ihn zu bestimmen?

Zum Thema LED-Selektion wollte ich eigentlich schon länger mal etwas schreiben, genauer gesagt seit der offiziellen ScienceBlogs-Arbeitsplatzvorstellung, in deren Rahmen ich schon mal ein Foto unseres LED-Handmessplatzes gepostet hatte. Inzwischen haben wir diesen Messplatz durch ein automatisiertes LED-Messsystem ergänzt und arbeiten hierzu aktuell an einen White Paper. Da ich mich also ohnehin gerade mit der Thematik befasse, und mein Kollege Jens-Uwe mir zudem am Wochenende einiges Material hat zukommen lassen, dachte ich mir, es wäre mal wieder Zeit für einen längeren technischen Artikel – und ganz ohne Pseudowissenschaften (Tobias hatte das ja erst letzte Woche eindringlich angemahnt…).

Wozu sind LED-Farbortmessungen gut?

Aufgrund der vielen Vorteile (Energieeffizienz, einfaches Handling, Insektenfreundlichkeit etc. pp.) gelten LEDs heutzutage als das Leuchtmittel der Zukunft. Wie Kim & Schubert [1] zeigen, ließen sich bei einem weltweiten Austausch herkömmlicher Leuchtmittel durch LEDs in den nächsten 10 Jahren knapp 10,68 Gigatonnen CO2 (!) einsparen – von den finanziellen Entlastungen gar nicht zu sprechen. Der verstärkte Einsatz von LEDs lohnt sich daher ökologisch wie ökonomisch – wäre da nicht das Problem der Farbort-Differenzen.

i-791b7cbf701e5413a13a539550e8f503-led_gruen-thumb-512x340.jpg

Das Objekt der Begierde unserer Arbeit: eine LED

Tatsächlich ist es nämlich so, dass man bei einem der Hersteller zwar “gelbe LEDs” bestellen kann, diese sich aber sowohl in der Intensität als auch im Farbort mehr oder weniger stark voneinander unterscheiden werden. Dies bedeutet, dass zwar alle LEDs gelb leuchten, dabei jedoch in der Helligkeit sowie im genauen Gelbton marginale Unterschiede aufweisen.

Setzt man die LEDs für die direkte Beleuchtung ein, beispielsweise in LED-Straßenlampen oder in LED-Scheinwerfern, stellen diese Differenzen im Grunde kein Problem dar, da solche Systeme als reine Punktstrahler zu betrachten sind, bei denen eine Durchmischung des von den einzelnen LEDs abgegebenen Lichts stattfindet. Dadurch kommt es zu einer Mittlung der Farben und Intensitäten, aufgrund derer selbst größere Differenzen zwischen einzelnen LEDs nicht mehr wahrgenommen werden können – ganz abgesehen davon, dass ohnehin niemand mit einem halbwegs gesunden (Augen-)Schmerzempfinden direkt in eine Straßenlampe oder einen Scheinwerfer schauen sollte…

Für die indirekte Beleuchtung sind die Differenzen jedoch ein Problem. Setzt man die LEDs z.B. in Reihen zur Ausleuchtung von Treppenstufen-Konturen oder zur Beleuchtung von Handlaufleisten in Flugzeugen oder Schiffen ein, haben wir es nicht mehr mit einem Punkt-, sondern einem Flächenstrahler zu tun. Unterscheiden sich die in Reihe geschalteten LEDs zu stark voneinander, kann das visuelle Erscheinungsbild der Konturbeleuchtung hiervon stark beeinträchtigt werden.

i-36ef2420b69f68d418ed08c8edbdc85b-seitenlichtfasern-thumb-512x384.jpg

Auch eine Form der indirekten Beleuchtung mit LEDs: POF-Seitenlichtfasern

Das ist vor allem dann ein Problem, wenn das LED-Licht auch Werbezwecken dienen soll. Als typisches Beispiel herfür kann man sich eine Flugzeug-Innenraumbeleuchtung vorstellen, die exakt den Image-Farbton der Airline treffen soll. Das Lufthansa-Gelb sowie das Telekom-Magenta sind gute Beispiele für Farben, die sehr eng mit der Werbelinie des Unternehmens verknüpft sind. Wird diese Farbe aufgrund der Farborts- und Intensitätsdifferenzen nicht “sauber” dargestellt, ist die Beleuchtung selbstverständlich gleich sehr viel weniger wert…

i-66a890bd8bcca5a0aab57229fd241758-feinbinning-thumb-512x396.jpg

Beispiel für die Feinunterteilung eines LED-Binnings nach Farbbereichen

Den LED-Herstellern ist dieses Problem natürlich bekannt, die meisten von ihnen bieten aus diesem Grund sogenannte Binnings an, eine Vorsortierung in bestimmte Helligkeitsklassen und Farbbereiche. Für viele Anwendungen sind die angebotenen Binnings jedoch noch zu grob, so dass eine zusätzliche Nachsortierung erforderlich ist, will man nicht zu viele der produzierten LED-Elemente nachträglich aussortieren. Genau diese Nachsortierung bietet HarzOptics als Dienstleistung an, wobei wir über einen manuellen und einen automatischen Messplatz verfügen, mit denen wir LEDs nach Intensität und Farbort vermessen können.

Was genau ist eigentlich ein Farbort?

Wie schon geschrieben, unterscheiden sich LEDs auch innerhalb eines Binnings in Intensität und Farbort voneinander. Während mit dem Begriff der Intensität sicher noch jeder etwas anfangen kann, ist der Farbort-Begriff ein wenig erklärungsbedürftig. Einfach ausgedrückt handelt es sich beim Farbort um eine Koordinate im sogenannten CIE-Normenvalenzsystem. Die Abkürzung CIE steht für die Commission Internationale de l’Eclargie – die Internationale Beleuchtungskommission, die über weltweite Normen im Bereich der Lichttechnik wacht.

i-0a15b7c1911455a7b3e04b09fc375bea-normfarbtafel_torge_anders-thumb-512x565.jpg

Zweidimensionale Darstellung des CIE-Normenvalenzsystems
(erstellt von Torge Anders, gefunden in der Wikipedia)

Das auch als Farbdreieck bekannte Normenvalenzsystem bildet die Gesamtheit aller vom Menschen wahrnehmbaren Farben ab, d.h. den sichtbaren Teil des elektromagnetischen Spektrums. Innerhalb des Dreiecks ist jede Farbe durch drei Koordinaten (x, y, z) definiert, wobei man zur “Bestimmung” einer Farbe lediglich zwei Koordinaten benötigt, da deren Summe stets Eins ergibt, weshalb sich z via x + y + z = 1 bzw. z = 1 – x – y leicht berechnen lässt. Aus diesem Grund ist eine 2D-Darstellung wie im obigen Bild auch völlig ausreichend.

Der Begriff des Farborts, mit dem ich in diesem Post nun schon mehrfach um mich geworfen habe, ist anhand des CIE-Farbdreiecks nun also leicht erklärt: Ein Farbort ist eine “Farb-Koordinate”, bestehend aus x, y und z, d.h. eine genau definierte Farbe im CIE-Farbraum.

Das Farbdreieck ist übrigens nicht neu: Bereits 1931 entstand es auf der Basis eines 2°-Sichtfeldes des sogenannten “Normalbeobachters” und wird daher auch als “CIE 1931” bezeichnet. Seit 1964 existiert noch ein weiteres Normenvalenzsystem, welches auf einem breiteren 10°-Sichtfeld basiert. Die drei Grundwerte x, y und z werden auch “Tristimulus” genannt und können als die Anteile der drei Grundfarben an der durch die Koordinaten bestimmten Normfarbe (dem Farbort) verstanden werden.

Das Problem mit dem Farbdreieck besteht nun darin, dass es die menschliche Wahrnehmung nur ungenau wiedergibt. Tatsächlich werden exakt gleich große Bereiche im Farbdreieck vom Menschen recht unterschiedlich wahrgenommen, wie MacAdam [2] bereits im Jahre 1940 nachweisen konnte. Die Bereiche, in denen der Mensch keine Farbunterschiede mehr wahrnehmen kann, werden nach ihrem Entdecker als MacAdams-Ellipsen bezeichnet.

i-62adc10379bb49ee9d2543fb3075ba7f-macadams_torge_anders-thumb-512x565.jpg

Lage der MacAdams-Ellipsen im XYZ-Farbraum
(ebenfalls erstellt von Torge Anders, gefunden in der Wikipedia)

Wie man an der schicken Grafik von Torge Anders erkennen kann, sind die MacAdams-Ellipsen im grünen und gelben Bereich wesentlich größer als im blauen Bereich. Dies bedeutet, dass das menschliche Auge auf Farbdifferenzen zwischen blauen LEDs deutlich sensibler reagiert als auf Farbdifferenzen zwischen grünen LEDs. Eine Farbort-Nachselektion wird daher bei grünen oder gelben LEDs wesentlich seltener benötigt als bei blauen Dioden.

Und wie vermessen wir nun die Farborte?

Vor etwa zwei Jahren haben wir in unseren Laborräumen im Wernigeröder IGZ einen manuellen Messplatz eingerichtet, mit dem sich kleinere Mengen an LEDs (etwa 120 pro Stunde) vermessen lassen. Die LED wird dabei mit einer Vakuumpinzette vorsichtig in die Messhalterung eingebracht, was eine ganz erhebliche und bisweilen ziemlich frustrierende Fummelei darstellt – letzten Sommer habe ich auf diese Weise zigtausend LEDs innerhalb von zwei Monaten vermessen müssen und erinnere mich noch gut an die Hantiererei.

Ist die LED endlich in der Messvorrichtung plaziert, wird sie bestromt und der Messvorgang gestartet. Das verwendete Spektrometer – ein Ando AQ 8351 – liefert Messwerte mit einer Genauigkeit von +/- 0,5nm, die im angeschlossenen PC mittels einer selbstgeschriebenen LabVIEW-Software weiterverarbeitet werden.

i-1aec28501ae5038f6a4608b1f515ddfa-schema_hand-thumb-512x186.jpg

Schematischer Aufbau des Handmessplatzes

Bei LabVIEW handelt es sich übrigens um ein im Messtechnik-Bereich häufig verwendetes Software-Tool (Laboratory Virtual Instrument Workbench), mit dem man Messdaten aus einer Vielzahl von Laborsystemen abfassen kann. Der HarzOptics-In-House-Experte für LabVIEW ist unser Geschäftsführer Prof. Fischer-Hirchert, der an der HS Harz LabVIEW-Programmierung unterrichtet. Ich hatte mit LabVIEW dagegen bislang eher wenig zu tun, weshalb ich mich an dieser Stelle mal lieber auf einen einfachen Screenshot der Oberfläche unserer LED-Selektionssoftware beschränken will, bevor ich noch was falsches schreibe…

i-5e76a12807515b05bf95b878a0f41e1a-labview_maschine-thumb-512x324.jpg

Oberfläche unserer LabVIEW-Farbort-Messsoftware

Unser neuster Stolz: Die LED-Messmaschine

Um den während der letzten zwei Jahre stetig steigenden Bedarf an solchen Vermessungen decken zu können, haben wir uns bereits vor einiger Zeit dazu entschieden, uns an einer Messautomatik zu versuchen, die nun Anfang des Jahres offiziell in Betrieb genommen werden konnte. Da es bei HarzOptics zwar einige gute Ingenieure, aber keine großen Automatisierer gibt, haben die Experten der RG Elektrotechnologie GmbH aus dem benachbarten Gernrode den Großteil der Technik nach unseren Vorgaben entworfen.

Das Ganze sieht dann so aus – und nimmt einen ganzen Raum in Beschlag:

i-02e35ca19fd02a104370adba573d9be3-selektionsapparat-thumb-512x384.jpg

Foto unseres automatisierten LED-Messplatzes

In die Ausbuchtung an der Seite lässt sich ein LED-Gurt einsetzen, der dann im Inneren von einem Blister abgerollt wird. Ein Greifer entnimmt dabei die LEDs und plaziert sie in der Messvorrichtung, die Messung startet anschließend automatisch. Das CAS 140 CT Array-Spektrometer misst wesentlich schneller (<50ms) und genauer (+/- 0,002nm) als das Ando-Spektrometer des manuellen Messplatzes. Durch die Geschwindigkeit der Messung sowie des Greifers, der der Fummelei per Hand deutlich überlegen ist, steigt der Durchsatz der Maschine im Vergleich zum Handmessplatz auf das vierfache, d.h. 400 LEDs pro Stunde.

i-eafb4c4fe839ea775252dbffe53b8f92-schema_apparat-thumb-512x335.jpg

Schematischer Aufbau des automatisierten LED-Messplatzes

Farbortmessungen und die Wirtschaftskrise

Ein so umfangreiches Automatisierungs-Projekt ist für uns – wie man sich leicht vorstellen kann – natürlich mit gewissen Risiken verbunden, da die Investitionskosten für unser kleines An-Institut vergleichsweise hoch ausfallen – und nun die Wirtschaftskrise dafür gesorgt hat, dass die Maschine im Nebenraum leider die meiste Zeit über stillsteht. Die Nachfrage an selektierten LEDs, die in Autos, Flugzeugen und Gebäuden verbaut werden, ist seit Februar um gut zwei Drittel eingebrochen, so dass von einer Vollauslastung aktuell keine Rede ist.

i-8d8445daf71610e654ff71217d6996c8-selektionskarussell-thumb-512x384.jpg

Dieses Selektionskarussell nimmt die automatisch vermessenen LEDs auf

Zur Zeit bin ich noch vergleichsweise zuversichtlich, dass der Spuk – zumindest soweit es die Luftfahrt- und Gebäudetechnik betrifft – schon in den nächsten 12 Monaten enden könnte. Im Automobil-Bereich dagegen dürfte der wirkliche Einbruch aufgrund der Vorverlagerung des Konsums durch die unsägliche “Umweltprämie” vermutlich erst noch bevorstehen – da wir für die Branche bislang allerdings kaum selektiert haben, trifft uns das glücklicherweise weniger hart als der aktuelle Einbruch in den anderen beiden Bereichen.

So bleibt uns momentan nichts anderes übrig als die Luft anzuhalten und zu hoffen, dass sich die Krise zum Jahresende wieder abschwächt, damit die teure Messtechnik vielleicht irgendwann doch mal voll ausgelastet werden kann. Ein Problem übrigens, das sehr schön den Unterschied zwischen universitärer Forschung und der Forschung an einem privat geführten An-Institut verdeutlicht: Während man am An-Institut häufig größere Freiheiten genießt und weniger von der ständigen Beantragung und Neu-Beantragung von Geldern und dem “publish or perish” abhängig ist, ist man auf der anderen Seite auch Teil der Wirtschaft und damit von entsprechenden Krisen und anderen Marktentwicklungen direkt betroffen…


[1] Kim, J.K. & Schubert, E.F.: Transcending the replacement paradigm of solid-state lighting, in: Optics Express Vol. 16, No. 26., New York, 2008.

[2] MacAdam, David Lewis (May 1942): Visual sensitivities to color differences in daylight; JOSA 32 (5): 247 – 274.