Heute komme ich endlich dazu, den zweiten Teil der versprochenen Wahlprogramm-Vergleiche zu posten: Wie positionieren sich die Parteien zum Atomausstieg?
Das Thema Atomkraft hat im Wahlkampf der letzten Wochen – zumindest gefühlt – stark an Bedeutung zugenommen. Erst gestern sorgten diverse Medienberichte über ein Gutachten zum Thema Energieforschung im Auftrag von Bundesforschungsministerin Schavan für viel Wirbel, in dem angeblich der Neubau von AKW empfohlen wird. Die Ministerin dementierte diese Darstellungsweise inzwischen und verwies auf das Wahlprogramm der Union, in dem sich ein klares Nein zum Bau neuer Kernkraftwerke findet.
Nun kursiert zwar seit gestern eine vermeintliche Kopie des Berichts durchs Netz, da die Authentizität des Dokuments aber (verständlicherweise) nicht bestätigt ist und es zudem einen Sperrvermerk trägt, werde ich (vorerst) auf eine Besprechung verzichten. Statt dessen habe ich mal in den Wahlprogrammen der Parteien recherchiert, wie sie sich zur Bundestagswahl zum Thema Atomausstieg positionieren. Wie schon im letzten Beitrag zur Forschungspolitik bemühe ich mich dabei um inhaltliche Neutralität und freue mich dafür umso mehr über lebhafte inhaltliche Diskussionen in den Kommentaren.
Christlich-Demokratische Union (CDU)
Christlich-Soziale Union (CSU)
- Kein Neubau von Kernkraftwerken
- Kernenergie gehört (noch) zu einem ausgewogenen Energiemix
- Laufzeitverlängerung für diejenigen deutschen AKWs, die als sicher gelten
- Sofortige Aufhebung des Moratoriums zur Erkundung des Standorts Gorleben
- Investition des Gewinns aus der Laufzeitverlängerung in erneuerbare Energien
- Kernenergie als reine Brückentechnologie bis bessere Alternativen verfügbar sind
Money Quote:
Wir verstehen den Beitrag der Kernenergie zur Stromversorgung als Brückentechnologie, weil heute klimafreundliche und kostengünstige Alternativen noch nicht in ausreichendem Maße verfügbar sind. Daher streben wir eine Laufzeitverlängerung der sicheren deutschen Anlagen an. Einen Neubau von Kernkraftwerken lehnen wir ab.
Bemerkenswert an dieser Aussage finde ich vor allem (um mir doch noch einen kleinen inhaltlichen Kommentar zu erlauben), dass damit im Wahlprogramm der Union explizit festgeschrieben wird, dass die Kernenergie nicht zu den klimafreundlichen Technologien gehört. Weniger gelungen finde ich dagegen die Formulierung “sichere Kernkraftwerke”, die sich auch im FDP-Programm findet. Da keine Kriterien benannt werden bleibt unklar, wie zwischen sicheren Kraftwerken (die eine Laufzeitverlängerung erhalten) und unsicheren Kraftwerken (die früher stillgelegt werden) unterschieden werden soll.
https://cdu.de/doc/pdfc/090628-beschluss-regierungsprogramm-cducsu.pdf
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)
- Vollständiger Ausstieg aus der Atomkraft bis 2021
- Bis zum Ausstieg Pflicht zur sicherheitstechnischen Nachrüstung
- Keine politische Vorentscheidung für den Endlager-Standort Gorleben
- Beteiligung der Atomwirtschaft an der Sanierung von Asse II und Morsleben
- Neues Auswahlverfahren zur Auffindung eines alternativen Endlager-Standorts
Money Quote:
Die Nutzung der Atomenergie birgt zu große Risiken. Nicht zuletzt ist die Frage der Endlagerung des Atommülls bis heute ungelöst. Der im Atomgesetz geregelte Ausstieg wird durchgesetzt. Wir steigen bis 2021 komplett aus der Atomenergie aus.
Freie Demokratische Partei (FDP)
- Laufzeiten sicherer Kernkraftwerke müssen verlängert werden
- Höchstmöglicher Sicherheit der deutschen AKWs gewährleisten
- Ausstieg aus der Kernenergie ist ökonomisch wie ökologisch falsch
- Sofortige Aufhebung des Moratoriums zur Erkundung des Standorts Gorleben
- Abführung von Teilen des Gewinns der Atomwirtschaft in die Energieforschung
Money Quote:
Der Ausstieg aus der Kernenergie ist zum jetzigen Zeitpunkt ökonomisch und ökologisch falsch. Wir brauchen die Kernenergie als Übergangstechnologie, bis erneuerbare Energien in ausreichendem Umfang grundlastfähigen Strom erzeugen können oder die CO2-Abscheidung und -Einlagerung für Kohlekraft- werke im großtechnischen Maßstab zur Verfügung steht. Die Laufzeiten sicherer Kernkraftwerke müssen daher in diesem Sinne verlängert werden.
https://www.deutschlandprogramm.de/files/653/Deutschlandprogramm09_Endfassung.PDF
Bündnis 90 / Die Grünen
- Keine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke
- Fortsetzung des Atomausstiegs ohne Änderungen
- Sofortige Abschaltung aller AKW bei Anschlagsgefahr
- Abschaffung aller Subventionen für die Atomwirtschaft
- Einberufung eines Untersuchungsausschusses zur Asse II
- Ergebnisoffene Suche nach einer geeigneten Endlagerstätte
- Aufhebung der Haftpflichtbegrenzung für Kraftwerksbetreiber
- Überführung der betrieblichen Rückstellungen in einen öffentlichen Fonds
- Beteiligung der Atomwirtschaft an der Entsorgung über eine Brennelementesteuer
Money Quote:
Der Atomausstieg ist nur gesichert, wenn die Grünen in der nächsten Regierung vertreten sind. Wir setzen den Atomausstieg ohne Wenn und Aber fort. Nach dem Atomausstiegsgesetz werden in der kommenden Legislaturperiode bis zu sieben
Atomkraftwerke abgeschaltet. Alte, besonders riskante Meiler wollen wir vorzeitig vom Netz nehmen.
https://www.gruene-partei.de/cms/files/dokbin/295/295495.wahlprogramm_komplett_2009.pdf
Die Linke
- Verbot für den Export von Atomtechnik
- Überführung der Energiekonzerne in öffentliches Eigentum
- Sofortige und unumkehrbare Stillegung aller Atomkraftwerke
- Aussetzung aller Atommülltransporte bis zur Lösung des Endlagerproblems
Money Quote:
Der rot-grüne Atomkonsens von 2000 ist Nonsens, denn die garantierten Restlaufzeiten dienen zuallererst den Profitinteressen der Atomindustrie. […] DIE LINKE fordert darum die unverzügliche und unumkehrbare Stilllegung aller Atomanlagen sowie ein Verbot für den Export von Atomtechnik.
Hier kann ich mir eine kurze Anmerkung nicht verkneifen. Selbst wer den Atomausstieg – wie ich – befürwortet dürfte wissen, dass eine sofortige Abschaltung aller Kraftwerke in der Tat nicht umsetzbar wäre – von der Überführung ausländischer Unternehmen wie Vattenfall in deutsches Staatseigentum ganz abgesehen. Auch die Forderung nach einer Aussetzung der Transporte scheint mir hanebüchen – immerhin kann es durchaus noch Jahrzehnte dauern, bis das Endlagerproblem einigermaßen sicher gelöst ist…
https://die-linke.de/fileadmin/download/wahlen/pdf/485516_LinkePV_LWP_BTW09.pdf
Soweit die Standpunkte der im aktuellen und vermutlich auch nächsten Bundestag vertretenen Parteien. In die Programme der kleineren Parteien habe ich wie schon beim letzten Mal auch einen Blick geworfen, allein schon um mir von den Piraten keine Vorwürfe machen lassen zu müssen. Mit denen steige ich dann auch gleich ein…
Piratenpartei
Ich gebe zu, das war polemisch. Tatsächlich findet sich aber im Piraten-Wahlprogramm keine Aussage zur Kernenergie (oder überhaupt zur Energiepolitik). Anfangs fand ich es ja durchaus bewundernswert, dass die Piraten darauf bestanden haben, sich zu Fragen, die außerhalb ihrer Kernkompetenz liegen, nicht äußern zu wollen. Da sie nun aber mittlerweile in Stadträten vertreten sind, bei der Europawahl gut abgeschnitten haben und für den Bundestag antreten kann man ihnen nur raten: Sucht euch Experten. Mal abgesehen davon, dass ich Jens Seipenbusch als Physiker durchaus eine Meinung zur Thema zutraue…
https://www.piratenpartei.de/tmp/Wahlprogramm_Bundestagswahl2009.pdf
Ökologisch-demokratische Partei (ödp)
- Verbot für den Export von Atomtechnik
- Streichung aller Subventionen für die Atomwirtschaft
- Unverzüglicher, weltweiter Ausstieg aus der Atomenergie
- Bezugsverbot ausländischen Atomstroms für deutsche Versorger
Auf ein Zitat aus dem Programm verzichte ich. Die ödp ist tatsächlich die einzige Partei, die ein geschützes Wahlprogramm ins Internet gestellt hat – vermutlich um es allen an der Verbreitung ihres Programms Interessierten so schwer wie möglich zu machen…
https://oedp.de/files/pdf/programme/BundespolitischesProgramm.pdf
Die Tierschutzpartei
Im Jahr 2009, nachdem durch die skandalösen Vorkommnisse im Atommüll-Lager »Asse II« bewiesen wurde, dass eine risikolose Endlagerung der strahlenden Abfallprodukte nicht gewährleistet werden kann, ist die Forderung nach dem sofortigen Ausstieg aus dieser hochgefährlichen Energiegewinnung umso mehr berechtigt.
https://www.tierschutzpartei.de/pdf/Wahlprogramm_Bund09.pdf
Und nicht vergessen: Wer nicht zur Wahl geht, darf hinterher auch nicht meckern!
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