Da ich das Kernthema meines Blogs – die regenerative Energie – in den letzten Wochen sträflich vernachlässigt habe, widme ich mich heute mal wieder einer Frage aus dem Windenergie-Bereich – der Berechnung der höhenabhängigen Windgeschwindigkeit.
Wie man sich leicht vorstellen kann, ist die durchschnittliche Windgeschwindigkeit einer der entscheidenden Faktoren bei der Suche nach geeigneten Standorten für Windräder. Die wird normalerweise in „Meter pro Sekunde” (m/s) gemessen, wobei auch „Kilometer pro Stunde” (km/h) nicht unüblich sind. Um eine Windkraftanlage mittlerer Größe wirtschaftlich zu betreiben, muss die Windgeschwindigkeit in Höhe der Nabe bei etwa 5m/s liegen.
Die Messung der Windgeschwindigkeit erfolgt meist mit einem Anemometer, wobei man zwischen Schalensternanemometern, Staurohranemometern und Hitzedrahtanemometern unterscheidet. Daneben gibt es akustische (SODAR = Sound Detection and Ranging) und optische (LIDAR = Light Detection and Ranging) Verfahren, die technisch um einiges aufwändiger sind, dafür aber auch genauere Messdaten liefern.
Aus praktischen Gründen wird die Windgeschwindigkeit üblicherweise in einer Höhe von 10m gemessen, d.h. unterhalb der typischen Nabenhöhe (~40m – 60m). Um die durchschnittliche Windgeschwindigkeit in Höhe der Nabe zu ermitteln, bedient man sich einer einfachen Formel, die auf dem sogenannten “Grenzschichtprofil” bzw. der “Rauhigkeitslänge” basiert.
Die Idee dahinter ist, dass die Windgeschwindigkeit in der Nähe des Bodens aufgrund von Reibung immer weiter abnimmt, je größer die “Rauhigkeit” des Geländes ist, d.h. die Anzahl und Form der sich dem Wind bietenden Hindernisse. In Abhängigkeit von dieser Rauhigkeit lässt sich für jedes Gelände ein spezifisches, logarithmisches Grenzschichtprofil berechnen. Als Messgröße dient die Rauhigkeitslänge z0, die angibt, in welcher Höhe über dem Boden die Windgeschwindigkeit durch Hindernisse (d.h. die Rauhigkeit) auf Null verringert wird. Umso größer also die Rauhigkeitslänge ist, umso stärker wird der Wind abgebremst.
Zur Bestimmung der Rauhigkeitslänge benötigt man zwei gemessene Windgeschwindigkeiten v1 und v2 in den Höhen h1 und h2 sowie die Dicke der Grenzschicht d:
Für verschiedene Geländeklassen existieren Schätzwerte der Rauhigkeitslänge nach Davenport. So beträgt die Rauhigkeitslänge auf offener See beispielsweise 0,0002m, d.h. der Wind weht bis direkt über der Wasseroberfläche. In einem Park mit Büschen und kleinen Bäumen liegt die Rauhigkeitslänge bereits bei 0,5m, d.h. die Hindernisse bremsen den Wind so stark ab, dass die Windgeschwindigkeit bereits einen halben Meter über dem Boden bei Null liegt. Maximale Werte von mehreren Metern werden in Wäldern oder Städten erreicht.
Eine vereinfachte Form der Berechnung lautet:
Für den Exponenten g existiert eine Richtwerttabelle nach Kleemann und Meliß:
- Offenes Gelände (Wasser, Gras- oder Ackerland, Küsten, Wüsten etc.): 0,16
- Gelände mit Hindernissen bis 15m (Wälder, Siedlungen, Städte etc.): 0,28
- Gelände mit großen Hindernissen (große Städte etc.): 0,40
Existieren keine größeren Hindernisse, ist die Windgeschwindigkeit in Messhöhe (also etwa 10m über dem Boden) deutlich geringer als auf Höhe der Nabe. Die Umrechnung der Werte auf die ungefähre Windgeschwindigkeit auf Nabenhöhe erfolgt mittels dieser Formel:
Dabei gilt:
- g = Exponent
- h = gewünschte Höhe
- vh = Windgeschwindigkeit in gewünschter Höhe
- v10 = Windgeschwindigkeit in 10m Höhe (Messwert)
Um das Ganze mal an konkreten Werten durchspielen zu können, betrachten wir einen fiktiven Ort, in dessen Nähe ein Windpark errichtet werden soll. Nach Kleemann und Meliß wäre in diesem Fall ein Näherungswert von 0,28 für den Exponenten angemessen. Nehmen wir weiterhin an, dass die Windgeschwindigkeit in 10m Höhe mit Hilfe eines Anemometers gemessen wird und am Tag X 3m/s beträgt. Die für den Betrieb der Anlagen erforderliche Windgeschwindigkeit liegt dagegen bei 5m/s in Höhe der Nabe auf 50m.
Damit lässt sich die Windgeschwindigkeit in Nabenhöhe näherungsweise bestimmen:
Wie man sieht, landet man knapp unter der benötigten Geschwindigkeit. Nun handelt es sich natürlich nur um eine Tagesmessung, aus der sich noch keine Empfehlung ableiten lässt, da die Windgeschwindigkeit an einem Standort bisweilen starken Schwankungen unterworfen sein kann – ein Mittelwert muss also her. Angenommen eine Messreihe über einen längeren Zeitraum hätte ein Mittel von 4,15m/s auf 10m Höhe ergeben, dann würde die Berechnung so aussehen:
Das Windangebot würde in diesem Beispiel also einen wirtschaftlichen Betrieb erlauben. Neben der durchschnittlichen Windgeschwindigkeit spielen natürlich noch andere Fakotren eine Rolle bei der Standortsuche, wie beispielsweise die Beeinflussung des Landschaftsbilds durch die Anlagen oder die Effekte von sich in der Nähe befindlichen Windrädern.
Jede Menge Stoff also für weitere Blogposts. Auch die Messung der Windgeschwindigkeit über Anemometer, SODAR und LIDAR oder die Bestimmung des Wirkungsgrads einer Windkraftanlage (d.h. welcher Teil der Windenergie sich in elektrisch nutzbare Energie umsetzen lässt) wären spannende Themen – mal sehen, wie viel Zeit ich in den nächsten Wochen für ein “Back to the Roots” aufbringen kann.
Quellen:
(1) Quaschning, Volker: Regenerative Energiesysteme, Hanser-Verlag, München, 2007
(2) Jensen, Nora & Friedrich, Ralf: Grundlagen der Windenergienutzung, Unterlagen zum Fernlehrgang Regenerative Energiequellen, Fernschule Weber, Ausgabestand 2.1
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