Der “Ausschuss für Wissenschaft und Technologie” des britischen Unterhauses sprach sich am Montag überraschend dafür aus, homöopathische Behandlungen aus dem öffentlichen Leistungskatalog zu streichen. Begründung: Es wirke lediglich ein Placebo-Effekt.


Unter Berufung auf einen 275-seitigen Untersuchungsbericht kam das “Science and Technology Committee” zu folgendem Schluss:

In a report published today, the Science and Technology Committee concludes that the NHS should cease funding homeopathy. It also concludes that the Medicines and Healthcare products Regulatory Agency (MHRA) should not allow homeopathic product labels to make medical claims without evidence of efficacy. As they are not medicines, homeopathic products should no longer be licensed by the MHRA.

Kritisiert wurde insbesondere die vom britischen Gesundheitsministerium im Jahr 2006 eingeführte Regel, dass homöopathische Mittel ohne einen wissenschaftlich anerkannten Nachweis – wie beispielsweise eine Doppelblind-Studie – allein auf der Basis sogenannter Provings eine Medikamentenzulassung erhalten können:

The report also examines the MHRA licensing regime for homeopathic products. The Committee is particularly concerned over the introduction of the National Rules Scheme (NRS) in 2006, as it allows medical indications on the basis of study reports, literature and homeopathic provings and not on the basis of randomised controlled trials (RCTs) – the normal requirement for medicines that make medical claims.

Besonders deutliche Worte fand Ausschussvorsitzender Phil Willis:

“It sets an unfortunate precedent for the Department of Health to consider that the existence of a community which believes that homeopathy works is ‘evidence’ enough to continue spending public money on it. This also sends out a confused message, and has potentially harmful consequences. We await the Government’s response to our report with interest.”

Auch der Untersuchungsbericht lässt keine Deutlichkeit vermissen:

7. We conclude that the principle of like-cures-like is theoretically weak. It fails to provide a credible physiological mode of action for homeopathic products. We note that this is the settled view of medical science.

8. We consider the notion that ultra-dilutions can maintain an imprint of substances previously dissolved in them to be scientifically implausible.

9. Research funding is limited and highly competitive. The Government should continue its policy of funding the highest quality applications for important scientific research determined on the basis of peer review.

11. In our view, the systematic reviews and meta-analyses conclusively demonstrate that homeopathic products perform no better than placebos.

16. We do not doubt that homeopathy makes some patients feel better. However, patient satisfaction can occur through a placebo effect alone and therefore does not prove the efficacy of homeopathic interventions.

Die Wahrscheinlichkeit, dass es tatsächlich zu einer Streichung homöopathischer Mittel aus dem Leistungskatalog kommt – für die laut BBC jährlich etwa 4 Millionen britische Pfund aufgewendet werden – ist jedoch eher gering. Immerhin ließ das Gesundheitsministerum noch am Tag der Berichtsveröffentlichung verlauten, man wolle die Entscheidung, ob der Einsatz homöopathischer Mittel angebracht sei oder nicht, lieber den behandelnden Ärzten überlassen und nicht per Regierungsbeschluss vorschreiben:

“Our view is that the local NHS and clinicians, rather than Whitehall, are best placed to make decisions on what treatment is appropriate for their patients – this includes complementary or alternative treatments such as homeopathy.”

Auch die British Association of Homeopathic Manufacturers hat – verständlicherweise – bereits Protest eingelegt und verweist auf den – gefühlt auch auf den ScienceBlogs bereits zwei dutzend Mal diskutierten und erläuterten – Effekt der vermeintlichen Wirksamkeit homöopathischer Mittel bei Haustieren und Kleinkindern:

“There is good evidence that homeopathy works, for example in animals and babies, neither of which experience placebo effects.”

Eine Videoaufzeichnung der Ausschussitzung findet sich übrigens auf youTube – den ersten Teil habe ich unten eingebunden. Der vom Ausschussvorsitzenden befragte Vertreter eines britischen Pharma-Unternehmens, das homöopathische Mittel herstellt, unternimmt einen wirklich sehenswerten Versuch, irgendwie um die Frage nach Beweisen für die Wirksamkeit homöopathische Mittel herumzukommen…

Kommentare (13)

  1. #1 Rolf
    24. Februar 2010

    Schöner Artikel, dank dir, vor allem das YT-Video vom Ausschuss ist selbstentlarvend.

    Hatte heute Morgen schon bei bei Orac darüber gelesen.

    Deutlicher und guter Untersuchungsbericht der hoffentlich eine breite Öffentlichkeit erreicht. Die Reaktionen darauf leider zu erwarten.

  2. #2 wolfgang
    24. Februar 2010

    Recht professionell der Untersuchungsausschuss.
    Hut ab.

    Sollte man in Strassburg auch machen- das müßte dann für die ganze EU Anstoß sein.

    400 Mio € Umsatz jeweils in DE und F- da ist eine Menge Geld drinnen.

  3. #3 Ulrich Berger
    24. Februar 2010

    Hatte grad angefangen, etwas darüber zu schreiben. Kann ich mir jetzt sparen, auch gut!
    Warum meinst du eigentlich, das wäre “überraschend” gekommen? Ich meine, wenn der Wissenschaftsausschuss einen evidence check durchführt und irgendetwas anderes rauskommt als eben rauskam – das wäre überraschend!

  4. #4 paranoid android
    24. Februar 2010

    Wie bitte? Saubere und logische wissenschaftliche Argumentation in einem politischen Dokument? *Hirn explodiert*

  5. #5 Christian Reinboth
    24. Februar 2010

    @Ulrich:

    Kann ich mir jetzt sparen, auch gut!

    Sorry, ich hatte ausnahmsweise mal ein paar Minuten Zeit und fand das Ergebnis so interessant, dass ich mir einen Post nicht verkneifen konnte. Du bzw. ein anderer SBler könntest das Thema ja noch vertiefen – von dem 275 Seiten habe ich nämlich bislang auch nur die Einleitung und das Fazit gelesen, sicher wäre es spannend, mal den Bericht als Ganzes zu bewerten – dafür fehlt mir dann aber wieder die Zeit…

    Warum meinst du eigentlich, das wäre “überraschend” gekommen? Ich meine, wenn der Wissenschaftsausschuss einen evidence check durchführt und irgendetwas anderes rauskommt als eben rauskam – das wäre überraschend!

    Ich meine schon, das es überraschend ist, wenn Mandatsträger, von denen einige sicher die Wiederwahl anstreben, so offen und einmütig in ihre Ablehnung einer Lehre erklären, die ein nicht unbeträchtlicher Teil der Bevölkerung entweder unterstützt oder doch zumindest als positiv wahrnimmt. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass sich ein deutscher Politiker – egal welcher Partei – zu einem so deutlichen Negativ-Urteil in Sachen Homöopathie hinreißen ließe. Ein wesentlich “diplomatischer” formuliertes Ergebnis, das neben den fehlenden medizinischen Belegen auch die vielen positiven Erfahrungen etc. pp. betont, hätte mich sehr viel weniger überrascht.

  6. #6 wolfgang
    25. Februar 2010

    Auf der HP des British Medical J findet sich eine Abstimmung bislang sind 43% dafür, dass der NHS Homöopathika zahlt 57% sind dagegen. Gesamt 569 Stimmen.

    https://polldaddy.com/community/poll/2744087/?view=results

    Über Wissenschaft abzustimmen ist zwar irgendwie komisch- aber ein Stimmungsbild ergibt sich schon.

  7. #7 Sim
    25. Februar 2010

    Yeah Ben Goldacre! Hab ja letztens sein Buch gelesen (Danke an Florian dafür). Wenn er mitmischt kann ja nichts schief gehen.

  8. #8 Adromir
    2. März 2010

    Ich habs mir gerade angeschaut. Göttlich!

    “And I think its worth showing that in France it is a 400 Million Euro Business and in Germany it’s the same”
    “So is Prostitution!”

    Ich hab mich weggeschmissen!

  9. #9 Claus Fritzsche
    10. März 2010

    Tach’chen Herr Reinboth,

    tja, leider gibt es rund um das seltsame Gutachten des britischen Unterhauses noch die eine oder andere Frage, auf die nur jene Personen kommen, die über ein fachspezifisches Hintergrundwissen verfügen.

    Ich erlaube mir, hierzu auf ein Interview des Portals Heilpraxisnet.de zu verlinken, das mich in der Sache befragte:

    https://bit.ly/bw0zdd

    Die meines Erachtens vier wichtigsten offenen Fragen lauten:

    1. Warum zitiert Edzard Ernst im Rahmen des „Gutachtens“ die Arbeit von Shang et al. 2005 (O-Ton THE LANCET: “Das Ende der Homöopathie”) und verschweigt gleichzeitig die Kontroll-Studien von Rutten, Stolper und Lüdtke, welche Shang et al. unwidersprochen grobe Fehler nachwiesen?

    2. Warum weichen die Bewertungs-Kriterien (Priorisierung von RCTs, ohne Beachtung der bekannten Schwachstellen von RCTs wie z. B. niedrige externe Validität) von den Bewertungs-Kriterien des im Auftrag des Schweizer Bundesamts für Gesundheit 2005 publizierten „Konkurrenz“-Gutachtens (HTA-Bericht zur Homöopathie) ab?

    3. Warum hat sich die Schweiz im Rahmen ihres Homöopathie-HTAs 7 Jahre Zeit gelassen, während Teilnehmer der öffentlichen Anhörung des britischen Unterhauses genau 17 Tage Zeit hatten, um ihre Argumente einzureichen?

    4. Wer ist für die wissenschaftliche Expertise des britischen „Gutachtens“ verantwortlich bzw. wer hat bestimmte Argumente der Anhörung berücksichtigt (jene von Edzard Ernst) und andere Argumente kommentarlos ignoriert (jene von Lewith und Walach)?

    Wenn Sie diesen Fragen etwas genauer nachgehen, dann werden Sie feststellen, dass es hier um viel POLITIK und wenig WISSENSCHAFT ging. Das ist zuminest meine Meinung.

    Sonnige Grüße 😉

    Claus Fritzsche

    P.S. Jetzt hoffe ich nur, dass diesem Kommentar nicht das Schicksal wiederfährt, welches meiner letzten Wortmeldung bei Marcus Anhäuser wiederfahren ist.

  10. #10 Rolf U.
    16. März 2010

    @ Fritzsche

    Wie sagte ein Bekannter von mir so schön: “Wenn diese Quacksalber selbst mal ernsthaft krank werden, dann sieht man sie nicht zum Heilpraktiker gehen. Dann stehen Sie alle Schlange an der Notaufnahme vom Krankenhaus.”

    Egger-Studie:
    Verschwiegen wurde gar nichts. Es konnten keinen Fehler nachgewiesen werden. Ganz im Gegenteil. Bei genauerer Betrachtung unterstützen Rutten, Stolper und Lüdtke sogar unfreiwillig die Egger-Studie. Ist ein alter Hut. Wurde alles bereits diskutiert:
    https://www.scienceblogs.de/kritisch-gedacht/2008/12/neue-evidenz.php

    Es ist übrigens lustig, wenngleich auch lächerlich, dass ausgerechnet Sie so tun, als läge Ihnen Wissenschaft am Herzen, wenn Sie hier rein politische Interessen des britischen Unterhauses vermuten. Gerade Sie, der offenbar nichts anderes im Sinn hat als Profit. Ich verweise an dieser Stelle auf ihr Profil auf folgender Internetseite:
    https://www.sales-and-marketing.biz/html/ueber.html
    Dort heißt es:

    Der Fokus von Claus Fritzsche liegt im Bereich Text, Beratung & Service rund um die Vermarktung von erklärungsbedürftigen Produkten an Geschäftskunden.

    “Ich spreche die Sprache Ihrer Kunden”

    Immer mehr Agenturen wechseln vom »Allround- Texter« hin zum Spezialisten. Warum? Wer Menschen durch Sprache gewinnen will, der muss zunächst ihre Sprache sprechen.

    Vermarkten Sie Technologie und erklärungsbedürftige Produkte an Geschäftskunden, dann spreche ich die Sprache Ihrer Kunden. Ich beginne mit der Entwicklung von Texten erst dann, wenn ich Produkt, Kunde und Markt tatsächlich verstanden habe.

    Zur Person

    Claus Fritzsche (geb. 1964) studierte BWL mit einem Stipendium der Karstadt AG und einem Abschluss als Dipl.-Betriebswirt (BA). Er verfügt über langjährige Berufserfahrung in der B-to-B-Vermarktung von erklärungsbedürftigen Industrieprodukten (Smart Cards, Secure Identification, Maschinenbau).

    Sie sind also BWLer. Marketing ist ihr Geschäftsfeld, nicht Wissenschaft. Besonders der Begriff “erklärungsbedürftige Produkte” war mir hier eine Hervorhebung wert. Das sagt eigentlich schon alles über Sie. In meinen Augen sind Sie nichts anderes als einer, der gegen Honorar lügt. Für Leute wie Sie empfinde ich nur Verachtung. Leute wie Sie, die skrupellos sind, wenn es darum geht, Geschäfte mit der Diskreditierung seriöser Wissenschaft zu machen, um naive Menschen auszubeuten. Leute wie Sie, die nicht davor zurückschrecken, wissentlich falschen Unfug zu verbreiten, um daraus Profit zu schlagen. Meine Großmutter sagt zu so Leuten wie Sie es sind: “Der soll sich was schämen!”.

  11. #11 Christian Reinboth
    16. März 2010

    @Rolf:

    In meinen Augen sind Sie nichts anderes als einer, der gegen Honorar lügt. Für Leute wie Sie empfinde ich nur Verachtung.

    Da ich mir vorgenommen habe, im neuen Jahr besser zu moderieren, gibt es dafür eine kleine Verwarnung. Erstens weil ich es viel zu pauschal finde, jede Aktivität, die irgendwas mit Marketing zu tun hat, grundsätzlich in Bausch und Bogen zu verdammen. Gerade die Wissenschaft (als gewissermaßen “erklärungsbedürftiges Produkt”) könnte ein wenig besseres Marketing manchmal sehr gut gebrauchen – im Grunde ist das, was auf den ScienceBlogs abläuft ja auch nichts anderes. Zweitens muss es nicht sein, dass hier Leute persönlich angegriffen werden, auch wenn einem die immer gleichen Argumente noch so sehr auf die Nerven fallen. Was man sich zu sagen hat, kann man sich auch sagen, ohne dabei persönlich zu werden…

    Also bitte. Das gilt natürlich nicht nur für CF sondern generell 🙂

  12. #12 Claus Fritzsche
    17. März 2010

    @ Rolf U.:

    SIE SCHREIBEN:

    Egger-Studie:
    Verschwiegen wurde gar nichts.

    DIESE AUSSAGE IST FALSCH!

    1. VERSCHWIEGEN WURDE ALLES:
    Auf Seite 22 des Gutachtens wird Prof. Edzard Ernst mit folgenden Worten zitiert:

    „Professor Ernst pointed out that: … 5. Shang et al very clearly arrived at a devastatingly negative overall conclusion.“

    Edzard Ernst versäumte es hier, Rutten, Stolper und Lüdtke auch nur zu erwähnen. Es steht ihm frei, die Argumente von Rutten, Stolper und Lüdtke nach eigenem Ermessen zu bewerten. Er muss die Arbeiten jedoch zumindest zitieren. Das hat er jedoch nicht gemacht. Und genau dies ist UNSERIÖS.

    2. ZUR LOGIK VON ULRICH BERGER:
    Wenn sich Mathematiker Ulrich Berger für fachkompetent hält, an dieser Kontroverse innerhalb der Scientific Community teilzunehmen, dann sollte er seine Gedanken zu Rutten, Stolper und Lüdtke bei einem themennahen peer-review-geprüften Journal einreichen.

    (Ich gehe davon aus, dass seine hier bei ScienceBlogs vorgetragenen Gedanken – weil fachlich unqualifiziert und unzumutbar – nicht angenommen werden. Ulrich Berger ist jedoch herzlich eingeladen, diese meine Einschätzung zu widerlegen.)

    AD HOMINEM:

    SIE SCHREIBEN:
    Für Leute wie Sie empfinde ich nur Verachtung.

    Es steht mir nicht zu, über Ihre Gefühle mir gegenüber zu richten. (Sie sind mir ehrlich gesagt auch egal.) Ich erlaube mir jedoch die Feststellung, dass die von mir im Interview gegenüber Heilpraxisnet.de zum Evicence Check 2: Homeopathy vorgetragenen Argumente sich nur durch QUALIFIZIERTE ARGUMENTE entkräften lassen.

    @ Christian Reinboth: Danke für die faire Moderation!

  13. #13 Christian Reinboth
    17. März 2010

    @Claus Fritzsche:

    Er muss die Arbeiten jedoch zumindest zitieren.

    Wieso eigentlich? Es gibt x Studien die sich mit Homöopathe befassen – sicher werden die nicht alle von Ernst zitiert oder bewertet. Ist jetzt die ganze Meta-Studie nicht aussagekräftig, weil eine von Ihnen bevorzugte Studie nicht aufgenommen wurde?

    Wenn sich Mathematiker Ulrich Berger für fachkompetent hält, an dieser Kontroverse innerhalb der Scientific Community teilzunehmen, dann sollte er seine Gedanken zu Rutten, Stolper und Lüdtke bei einem themennahen peer-review-geprüften Journal einreichen.

    Das ist nun wirklich Unfug – gerade erst gestern habe ich noch die Ansicht verteidigt, dass eine Aussage zur Homöopathie nicht allein deswegen ungültig sein muss, weil sie von einem BWLer stammt. Mit gleichem Recht müssen Sie selbstverständlich auch einem Mathematik-Professor eine fachkompetente Aussage zubilligen. Oder anders formuliert: Wenn Sie tatsächlich der Ansicht sind, Ulrich Berger stehe es nicht zu, sich öffentlich über Homöopathie zu äußern, weil er Mathematiker ist, dann müssten Sie sich konsequenterweise auch aus der Debatte verabschieden…

    Davon einmal abgesehen hält Sie ja auch nichts davon ab, Ihre Gedanken zu Ernst & Co. bei einem themennahen, peer-review-geprüften Journal einzureichen…