Mit einem der ersten großangelegten staatlichen Wohnbauprojekte der USA sollten in den 60er Jahren bezahlbare Wohnungen für Arbeitslose und Geringverdiener bereitgestellt werden. Die Mustersiedlung Puitt-Igoe in St. Louis versank jedoch nach kurzer Zeit in Gewalt und Vandalismus. Noch 40 Jahre später wird über die Ursachen diskutiert…

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In einem Skript zum Thema “Nachhaltige Stadtplanung”, durch dass ich mich derzeit im Rahmen meines Fernstudiums arbeite, bin ich in einem Nebensatz über das Pruitt-Igoe-Projekt als eine Art Paradebeispiel für städtebauliche Fehlplanung gestolpert. Aus reiner Neugier habe ich mich mit der Geschichte hinter dem Projekt befasst, die mich enorm fasziniert hat – und da ich im “Frischen Wind” neben der Umwelt öfter schon historische Themen wie Neuschwabenland und den Great Smog of London behandelt habe, hoffe ich heute, den einen oder anderen Leser mit viel Zeit zu einem Ausflug ins St. Louis der 60er überreden zu können…

Die Vorgeschichte: Schwarze Slums und weiße Vorstädte

Als der Demokrat Joseph Darst 1949 zum Bürgermeister der US-Großstadt St. Louis im Bundesstaat Missouri gewählt wurde, hatte die Stadtverwaltung mit zahlreichen Problemen zu kämpfen: Viele der traditionellen Industriebetriebe gingen in Konkurs und mehr und mehr Einwohner aus der Mittelschicht kehrten St. Louis den Rücken oder verzogen sich zumindest in die Vorstädte, während die Innenstädte nach und nach verkamen. Als die allerschlimmste Wohngegend im St. Louis der Nachkriegszeit galt das Armenviertel DeSoto-Carr – und genau hier wollte Darst ansetzen, um das Ruder wieder herumzureißen.

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Straßenszene in DeSoto-Carr (Quelle: Flickr)

Seine Vorgehensweise unterschied sich dabei kaum von dem, was in anderen US-Städten geschah, die mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatten: Das Gelände, auf dem sich die Quasi-Slums befinden, wird von der Stadt aufgekauft (notfalls enteignet), geräumt und hinterher verbilligt auf den Markt geworfen, um Industrielle und Wohnbauunternehmer anzulocken. Parallel dazu errichtet man günstige Sozialwohnungen (public housing), um die ehemaligen Bewohner des Armenviertels aufzufangen und ihnen verbesserte Wohn- und Lebensmöglichkeiten zu bieten. Die US-Regierung unterstützte seit der Verabschiedung des American Housing Acts von 1949 den Bau derartiger Wohnungen mit finanziellen Mitteln, wodurch solche Vorhaben auch für weniger wohlhabende Städte bezahlbar wurden.

Darst selbst war kurz nach seiner Wahl bei seinem Amtskollegen William O’Dwyer in New York City vorstellig geworden, und hatte dort neue, vielstöckige Sozialbauten besichtigt – ein Wohnkonzept, das nach der Überzeugung Darsts auch in St. Louis aufgehen würde. Beflügelt von dem Gedanken an ein “Manhattan am Missisippi”, erging im Jahr 1951 der Planungsauftrag an Minoru Yamasaki – der erste Großauftrag für einen jungen Architekten, der viele Jahre später das World Trade Center in New York entwerfen sollte.

Dessen Entwurf orientierte sich an den Vorstellungen des Schweizer Architekten Le Corbusier, der die Zukunft des Städtebaus in hohen Wohngebäuden inmitten grüner Parkanlagen sah. Yamasakis Entwurf für insgesamt 33 elfstöckige Gebäude mit 2.870 Wohneinheiten, deren Bau 36 Millionen US-Dollar kosten sollte, wurde 1951 durch die Fachzeitschrift “Architectural Forum” als “bester Gebäudeentwurf des Jahres” geadelt.

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Luftaufnahme von Pruitt-Igoe (Quelle: USGS, gefunden in der Wikipedia)

Benannt werden sollte das neue Wohnviertel nach Wendell O. Pruitt – einem (schwarzen) Kampfpiloten des zweiten Weltkriegs – und William L. Igoe – einem langjährigen (weißen) Kongressabgeordneten des Staates Missouri. Diese Benennung erfolgte nicht ohne Grund, denn tatsächlich hatten die Stadtväter geplant, in Pruitt ausschließlich schwarze, in Igoe dagegen weiße Familien anzusiedeln. Nachdem der US Supreme Court noch während der Planungsphase im berühmten Fall “Brown vs. Board of Education” die unmenschliche Rassentrennung für verfassungswidrig erklärt hatte, rückte man von der Idee ab.

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Obwohl Pruitt-Igoe 1955 also als “integriertes” Wohnviertel eröffnet wurde, verschwanden die wenigen weißen Familien innheralb weniger Jahre, nachdem sich die Lebensverhältnisse bereits nach kürzester Zeit rapide verschlechtert hatten.

Hellbrück und Fischer fassen die Entwicklung so zusammen:

Binnen weniger Jahre war sie (die Siedlung) von ihren Bewohnern in einen menschenunwürdigen Zustand versetzt worden. Zersplitterte Fensterschei- ben, als Toiletten benutzte Aufzüge, Spielplätze voller Müll und demolierte Kraftfahrzeuge beherrschten das Bild. Immer mehr Mieter zogen aus, so
dass die Häuser schließlich leer standen und zu Beginn der siebziger Jahre abgerissen wurden.

Der Niedergang: “Wir haben dort jeden Tag Leichen gesehen”

Der Niedergang von Pruitt-Igoe begann schleichend, nahm aber schnell immer mehr an Fahrt auf. Bereits 1963 – acht Jahre nach der Einweihung des Viertels – hatten Verwahrlosung und Verbrechen derartige Ausmaße angenommen, dass man 45 Sozialarbeiter dauerhaft nach Pruitt-Igoe entsandte, zudem nahmen sich Soziologen der Universität von St. Louis der Untersuchung der extremen Zustände an.

Ende der 60er waren alle Familien, die einen Umzug bezahlen konnten, aus der Gegend geflohen, 1971 lebten nur noch 600 Menschen in 17 Gebäuden, während 16 völlig leerstanden [Schlüter]. Pruitt-Igoe wurde zum Schauplatz zahlreicher Morde und Bandenkriege, wobei die Opfer nicht selten in den Aufzugsschächten der Gebäude “entsorgt” wurden.

“I saw my first murdered person when I was 10 or 11. I actually saw her. She had been decaying at the bottom of the elavator shaft of the third or fourth building on Ofallon, we lived in the second one. I remember seeing people carrying a stretcher, covered with a white sheet. Just as they were passing me the wind blew the sheet. I saw her. I had already known of a lot of us dieing but the vision of what was under that sheet still haunts me.”

– Erinnerungen von Victoria, die in Pruitt-Igoe aufwuchs

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Zerbrochene Fensterscheiben eines Pruitt-Igoe-Gebäudes (Quelle: KMOX-TV)

Der ortsansässige Dozent Oscar Newman – von dem später noch ausführlich die Rede sein wird – beschreibt den desolaten Zustand des Wohnviertels: Im Erdgeschoss der Gebäude waren so gut wie sämtliche Briefkästen zerstört, die Korridore waren ebenso mit Abfall und Grafitti übersät wie die Wege zwischen den Wohnblöcken. Sämtliche Gemeinschaftsräume wie Waschküchen und Aufenthaltsräume waren dem Vandalismus anheim gefallen, Fenster waren eingeschlagen, Rohrleitungen zerstört. Drogendealer und Gangs beherrschten die Szenerie, so dass die Frauen von Pruitt-Igoe sich nur noch in größeren Gruppen über das Gelände bewegten, um zur Arbeit oder zum Einkaufen zu gelangen.

Im “Architectural Forum” vom Dezember 1965 – 14 Jahre, nachdem die Zeitschrift den Entwurf Yamasakis zum besten des Jahres kürte – findet sich folgende Beschreibung der Zustände in Pruitt-Igoe:

Today, ten years after its completion, Pruitt-Igoe bears little resemblance to the architects’ early sketches. […] Its buildings loom formidably over broad expanses of scrubby grass, broken glass and litter, and they contain hundreds of shattered windows. The undersized elevators are brutally battered, and they reek of urine from children who judge the time it takes to reach their apartments. By stopping only on every third floor, elevators offer convenient settings for crime.

Ever so often assailants will jam the elevators while they rob, mug and rape victims, then stop at one of the floors and send the elevator on with the victims inside. The stairwells, the only means of access to almost the apartments, are scrawled with obscenities; their meager lighting fixtures and fire hoses are ripped out; and they provide handy sites for predators.

In den Folgejahren scheiterten sämtliche Versuche, dem Problem Herr zu werden. So hatte zum Beispiel die Installation einer helleren Beleuchtung keine erkennbaren Auswirkungen auf die Verbrechensrate – was wenig überrascht wenn man bedenkt, dass der Zusammenhang zwischen Beleuchtung und öffentlicher Sicherheit eher ein gefühlsmäßiger ist.

Auch die Sozialarbeiter und zwei Mietstreiks, mit denen gegen die menschenunwürdigen Zustände protestiert werden sollte, konnten das Ruder nicht mehr herumreißen. 1968 rief die Stadtverwaltung die noch in Pruitt-Igoe verbliebenen Mieter dazu auf, den Komplex zu verlassen, damit ein Teil der Gebäude abgerissen werden konnte, da man sich von einer Verringerung der Siedlungsdichte einen letzten Umschwung erhoffte.

I never thought people were that destructive. As an architect, I doubt if I would think about it now. I suppose we should have quit the job. It’s a job I wish I hadn’t done.”

– Architekt Minoru Yamasaki, 1965

Dieser blieb jedoch aus, und so folgten auf die erste Sprengung im Jahre 1972 bald weitere, bis 1976 das letzte Gebäude des einstigen Musterviertels abgerissen wurde. Der bekannte Autor Charles Jencks verewigte das Ende des Projekts in seinem 1976 erschienenen Buch “Die Sprache der postmodernen Architektur”, in dem er ein Bild einer Sprengung mit dem Satz versah: “This is the day, Modern Architecture died”. Jencks hatte zuvor vergeblich versucht, die Ruinen unter Denkmalschutz stellen zu lassen. Der Regisseur Godfrey Reggio griff die Abrissbilder in seinem gemeinsam mit dem Komponisten Phillip Glass produzierten Film “Koyaanisqatsi” auf, der 1982 in die Kinos kam.

Damit war Pruitt-Igoe endgültig zum Sinnbild des Scheiterns geworden, wobei jedoch die Frage offen blieb, was genau denn eigentlich gescheitert war? Die Politik, die Architektur, die Bewohner selbst oder gar der Modernismus? Hat das Projekt die These wiederlegt, dass Menschen sich positiv verhalten, wenn man nur für gute Rahmenbedingungen sorgt? Eine Frage, die noch heute Gegenstand kontroverser Diskussionen ist…

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Sprengung eines Pruitt-Igoe-Wohngebäudes (Quelle: US Department of Housing and Urban Development, gefunden in der Wikipedia)

Die Aufarbeitung: Warum scheiterte Pruitt-Igoe?

Wer nach den Gründen für das Scheitern des Pruitt-Igoe-Projekts sucht, stößt schnell auf eine große Vielzahl von Erklärungsansätzen – von denkbar simplistischen (“Das hat man davon, wenn man Asozialen einen millionenteuren Bau zur Verfügung stellt”) bis hin zu komplexen soziologischen und architektonischen Ansätzen. Noch heute wird in Fachkreisen über die Ursachen des Desasters diskutiert, wobei ein Großteil der Kommentatoren die Schuld bei den Architekten sieht – ein eher einseitiger Erklärungsansatz, den Autoren wie Mary Comerio zugunsten einer multikausalen Ursachenforschung klar ablehnen.

Unstrittig ist, dass Fehler im architektonischen Entwurf ihren Teil zu den Problemen beigetragen haben. Aufgrund der modernistischen Bauweise hoben sich die Gebäude visuell überdeutlich von ihrer Umgebung ab, wie das untenstehende Foto zeigt. Dies führte zu einer sozialen Stigmatisierung der Bewohner von Pruitt-Igoe, die sich wiederum negativ auf deren Einstellung gegenüber ihrem eigenen Wohnviertel auswirkte und eine stärkere Identifikation mit selbigem verhinderte [Schlüter].

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Diese Luftaufnahme von Pruitt-Igoe zeigt deutlich, wie sehr sich die Siedlung von den sie umgebenden Gebäuden abhob (Quelle: USGS, gefunden in der Wikipedia)

Einer der Kardinalfehler des Designs war, dass man versuchte, die soziale Funktion von Bürgersteigen und Höfen in den oberen Etagen nachzubilden, indem man begrünte Korridore schuf und die Bewohner durch die Anlage von Treppen und Aufzügen dazu zwang, sich in diesen zu bewegen. Man folgte damit der Idee von Le Crobusier und anderen Architekten des frühen 20. Jahrhunderts, dass sich Strukturen “am Boden” (Höfe, Spielplätze etc.) in hohen Gebäuden auf höheren Ebenen replizieren lassen (“vertical neighborhoods”).

Die “skip-stop elevators” hielten deshalb – sozusagen aus erzieherischen Gründen – nur auf bestimmten Stockwerken, so dass die Bewohner die Treppen verwenden mussten. Man hoffte, es würden sich auf diese Weise stabilisierende nachbarschaftliche Beziehungen entwickeln [von Hoffmann].

Tatsächlich wurden solche “open spaces” jedoch schnell zum gefährlichen Niemandsland und boten ein ideales Betätigungsfeld für Kriminelle, denen sich die Bewohner nicht entziehen konnten. Da sich zudem niemand für die Gemeinschaftsareale zuständig fühlte, setzte bald der “Broken Windows”-Effekt ein. Hinzu kommt, dass derartige Hochhäuser nicht zu den damaligen Lebens- und Wertevorstellungen der Amerikaner an sich passten – vor dem II. Weltkrieg waren Sozialwohnungen typischerweise höchstens drei Stockwerke hoch.

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Vision und Wirklichkeit: Links die Vorstellung eines der Architekten von einem mit grünen Pflanzen und spielenden Kindern belebten Korridor, rechts die brutale Wirklichkeit (Quelle: Creating Defensible Space)

Solche Gebäude waren zwar im Sinne der Flächennutzung weniger effizient und boten auch architektonisch weniger Gestaltungsspielraum, die Bewohner waren jedoch weniger anonym und hatten häufiger Kontakt untereinander [von Hoffmann]. So kann man aus dem dritten Stock noch den Hof gut überblicken und seine Kinder beaufsichtigen. In Pruitt-Igoe dagegen spielten die Kinder in den Gängen, wobei es zu mindestens drei Stürzen mit Todesfolge kam. Die daraufhin eingebauten Gitter hatten jedoch eher Gefängnischarakter und verstärkten die angesprochene Stigmatisierung der Bewohner noch weiter [Schlüter].

Neben diesen und weiteren planerischen Fehlern dürfen bei der Ursachenforschung jedoch auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht vergessen werden. So sorgte der Rückgang der Bevölkerung von St. Louis um mehr als 200.000 Menschen während der 50er und 60er Jahre für eine erhebliche Erosion der Steuerbasis und wirkte sich negativ auf die Möglichkeiten der Stadt aus, die 33 Gebäude vernünftig bewirtschaften und vor allem instandhalten zu können.

Dort hatte man zwar nicht mit großen Gewinnen aus dem Pruitt-Igoe-Projekt gerechnet, wohl aber mit einer Kostendeckung durch Mieteinahmen, die jedoch wegen der sinkenden Belegung nicht realisiert werden konnte. Als Folge der ausbleibenden Einnahmen begann die Stadt, an allen Ecken und Enden zu sparen, was sich erheblich auf die Lebensqualität der Bewohner auswirkte, wie dieser Bericht des Senders KMOX-TV aus dem Jahr 1968 über die Reparatur geplatzer Wasserleitungen in Pruitt-Igoe verdeutlicht.

Eine weitere Sparmaßnahme der Stadtverwaltung bestand darin, die Wege zwischen den Gebäuden zu Privatwegen zu erklären, um nicht mehr für die Beseitigung des Abfalls zuständig zu sein, womit die Gegend quasi zur Vermüllung freigegeben war [Schlüter].

Hinzu kamen problematische Interventionen auf Bundesebene wie das Brooke Amendment zum Public Housing Act von 1968, mit dem eine Deckelung der maximalen Mietpreise für mindestens 25% der Bewohner pro Block erfolgte, wodurch die Einnahmen weiter sanken und Ausgaben für Sicherheit, Sauberkeit und Instandhaltung gekürzt werden mussten.

Konservative Kräfte im Kongress setzen zudem durch, dass Bewohner von Sozialwohnungen diese zu verlassen hatten, sobald ihr Einkommen minimal oberhalb der Armutsgrenze lag. Die Maßnahme, die eigentlich dafür sorgen sollte, dass Sozialleistungen nicht unberechtigt in Anspruch genommen werden, führte im Endeffekt dazu, dass stabilisierende, arbeitende Personen aus den Siedlungen verschwanden und mittel- bis langfristig der Anteil an sozial schwer integrierbaren Personen pro Block stieg [von Hoffmann].

Das Spektrum der Erklärungsmodelle ist damit noch lange nicht ausgeschöpft: Folgt man
den Ausführungen von Sabine Horlitz, sind zahlreiche Aspekte des Desasters noch immer unerforscht. So wurden die historischen Planungsunterlagen von Pruitt-Igoe nie wirklich wissenschaftlich ausgewertet, der Lebensalltag der Bewohner und deren Sicht auf das Wohnviertel nie systematisch untersucht. Auch Professor Joseph Heathcott von der Saint Louis University sieht in Sachen Pruitt-Igoe noch Forschungsbedarf:

“The shocking thing is that much of what we think we know about Pruitt-Igoe is based on materials written by pundits and interested parties over 30 years ago and subsequently repeated as truth. Nobody has ever gone back actually to do primary research, look at the archival records, talk to former tenants and try to untangle myth from reality.”

Obwohl die Geschichte von Pruitt-Igoe also nach wie vor Fragen aufwirft, führte das Scheitern des Musterprojekts zu einer Reihe interessanter Erkenntnisse, die heute im Bereich der Stadtplanung und -entwicklung breite Anwendung finden.

Zu verdanken ist dies unter anderem einem jungen Dozenten von der Washington University in St. Loius, der in den 60er Jahren ganz in der Nähe von Pruitt-Igoe und einem weiteren Sozialprojekt namens Carr Square wohnte. Während Pruitt-Igoe zusehends verfiel, gedieh Carr Square gut – und das, obwohl dort das gleiche Klientel lebte und die Gelder für die Instandhaltung ähnlich knapp waren. Dieses auf den ersten Blick nur schwer erklärbare Phänomen inspirierte den Dozenten – den bereits erwähnten Oscar Newman – dazu, einer spannenden Frage nachzugehen: Kann Architektur Vebrechen und Verwahrlosung verhindern?

Defensible Space: Wo endet mein Lebensbereich?

Im Gegensatz zu anderen Wissenschaftlern, die sich mit dem Niedergang von Pruitt-Igoe befasst haben, war Newman während der Hochzeit des Verbrechens tatsächlich vor Ort – und machte auf einem seiner zahlreichen Gänge durch Pruitt-Igoe eine erstaunliche Entdeckung. Während nämlich die Wege, Flure und Gemeinschaftsareale vollkommen heruntergekommen waren, war es in den eigentlichen Wohnungen sauber und ordentlich. Newman konnte sich das zunächst nicht erklären – wieso ließen Menschen, die doch ganz offenbar Wert auf ihre persönliche Umgebung legten, ihr Viertel so dermaßen herunterkommen?

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Innenansicht einer Pruitt-Igoe-Wohnung (Quelle: Wikipedia)

Offenbar kümmerten sich die Leute nur um die Bereiche, die sie als “ihr Territorium” wahrnehmen. So waren Korridore, in denen nur zwei oder drei Familien wohnten, relativ gut gepflegt, während Korridore mit 20 Familien deutlich heruntergekommener waren. Aufzüge und Hauseingänge, die von mehreren 100 Familien gleichzeitig genutzt wurden, befanden sich in einem noch erbärmlicheren Zustand.

Newman fragte sich, wie dieses Modell (“This is my turf”) angewandt werden könnte, um soziale Wohnbauprojekte vor dem Verfall zu bewahren, womit die Idee des “Defensible Space” geboren war, auf die sich noch heute Stadtplaner und Architekten stützen: Die Einwohner sollen in die Lage versetzt werden, das Gelände um ihren Wohnort als “ihr Territorium” zu begreifen und zu kontrollieren, was dort geschieht.

So konnte Newman beispielsweise statistisch belegen, dass die Verbrechensrate umso größer ist, je mehr Familien einen gemeinsamen Eingang verwenden müssen und schlug als Abhilfe vor, Wohngebäude mit mehreren Eingängen zu versehen, die exklusiv in bestimmte Trakte führen. Auch der Austausch von großen Müllcontainern gegen kleinere Mülltonnen für jede Familie bewirkt einen besseren Umgang mit Abfällen – schließlich ist es mir wichtiger, wie “meine” Mülltonne ausschaut als “der” Müllcontainer, für den ich nicht zuständig bin…

Verallgemeinernd ausgedrückt nehmen Verbrechen und Vandalismus in einer Gegend in dem Maße ab, in dem Einzelpersonen oder Familien sich für bestimmte, eigentlich öffentliche Lebensbereiche verantwortlich fühlen. Wer sich für die Erkenntnisse Newmans interessiert (die im Detail vorzustellen den Rahmen dieses ohnehin schon viel zu langen Blogposts sprengen würde), kann sich “Creating Defensible Space” hier kostenfrei herunterladen.

Epilog: Ein Wald mitten in St. Louis

Obwohl Pruitt-Igoe noch heute als Paradebeispiel für die Fehlplanung von Sozialbauten gilt, ist es bei weitem nicht das einzige derart gescheiterte Projekt. Ähnliche Erfahrungen machte man unter anderem in Chicago im US-Bundesstaat Illinois, wo das Viertel Cabrini-Green lange Zeit als Hort von Verbrechen und Gewalt galt.

1981 bezog die damalige Bürgermeisterin Jane Byrne ein Appartment in Cabrini-Green, um ein Zeichen gegen die ausufernde Gang-Kriminalität zu setzen. Obwohl sie Tag und Nacht von Polizisten bewacht wurde, brach sie das Experiment nach nur drei Wochen ab. Um ihre Sicherheit zu gewährleisten, verschweißte die Polizei alle bis auf eine Eingangstüren des Wohnkomplexes. Eine Strategie mit Spätfolgen – wegen der verschweißten Türen wurde das Gebäude nach ihrem Auszug zum Hauptquartier einer Gang – und bereits wenige Jahre später wiesen zahlreiche Gebäude in Cabrini-Green verschweißte Türen auf.

Cabrini-Green ist übrigens ein wunderbares Beispiel dafür, wie radikal sich die öffentliche und mediale Wahrnehmung eines Stadtviertels in kurzer Zeit ändern kann: Während in den 70ern die fröhliche Familien-Sitcom “Good Times” in den netten, sauberen Appartments von Cabrini-Green spielte, wurden die abgewirtschafteten Wohnblocks in den frühen 90ern zum Schauplatz der Slasher-Serie “Candyman”.

Viele der ehemaligen Bewohner von Pruitt-Igoe sind heute übrigens überraschenderweise voll des Lobes für ihr ehemaliges Wohnquartier – eine Tatsache, die die von vielen Autoren zum Thema geäußerte Vermutung unterstreicht, dass die Vorgänge in Pruitt-Igoe insbesondere soziologisch noch längst nicht ausreichend erforscht wurden. Noch heute treffen sich über 1000 ehemalige Bewohner von Pruitt-Igoe jährlich in St. Louis, um gemeinsam zu feiern
und sich an gute Zeiten zu erinnern.

“I loved it. There was something very unique and special about the relationships we had. Even though there were many, many fights,
there is still something unique. It was like a very huge family.”

– Barbara West, ehemalige Einwohnerin von Pruitt-Igoe

Das Gelände, auf dem sich Pruitt-Igoe befand, ist noch heute zum Großteil unbebaut, sieht man von der dort errichteten Gateway Middle School for Science and Technology ab. Über die Jahre hat sich dort – mitten im Herzen der Stadt – ein wildwachsender Wald entwickelt, den man sogar aus der Luft klar erkennen kann.


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Ende der 90er Jahre sollte auf dem Gelände eine Luxus-Golfanlage errichtet werden. Das Vorhaben wurde aufgrund massiver öffentlicher Proteste nicht umgesetzt.

Die Fundamente der 33 Wohngebäude wurden nie entfernt.

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Wer sich näher mit der Geschichte von Pruitt-Igoe befassen möchte, findet neben einiger Literatur (siehe weiter unten) im Web noch diesen interessanten Flickr-Account sowie die Webseite eines Dokumentarfilm-Projekts, dessen Macher unter @PruittIgoe auch twittern…

Hauptquelle

Newman, Oscar (1996). Creating Defensible Spac Center for Urban Policy Research, Rutgers University
https://www.huduser.org/publications/pdf/def.pdf

Weitere verwendete Quellen

Comerio, Mary: Pruitt Igoe and Other Stories, JAE, Vol. 34, No. 4, pp. 26-31, 1981
https://www.jstor.org/stable/1424663

Fischer, Manfred: Nachhaltige Stadtentwicklung. Skript zum Studienfach “Lokale Agenda 21” an der FernUni Hagen, Hagen, 2008

Hellbrück, Jürgen. & Fischer, Manfred.: Umweltpsychologie. Ein Lehrbuch. Göttingen: Hogrefe-Verlag, 1999

Horlitz, Sabine: Pruitt-Igoe: Ikone des Scheiterns, Vortrag beim Transatlantischen Graduiertenkolleg, 2008
https://userpage.fu-berlin.de/~jfkpolhk/mm/Teaching/PastCourses/SS08/Horlitz.Expose%20Pruitt-Igoe.kolloq.pdf

von Hoffmann, Alexander: Why They Built the Pruitt-Igoe Project, Joint Center for Housing Studies, Harvard University
https://www.soc.iastate.edu/sapp/PruittIgoe.html

Schlüter, Gottfried: Pruitt-Igoe – Die Dritte, in: Wolkenkuckucksheim, Internationale Zeitschrift für Theorie und Wissenschaft der Architektur, 2. Jg., Heft 1, 1997
https://www.tu-cottbus.de/theoriederarchitektur/wolke/deu/Themen/971/Schlueter/schlueter_t.html

Kommentare (28)

  1. #1 Bernd W.
    7. Juni 2010

    @ Christian Reinboth:

    Da sich zudem niemand für die Gemeinschaftsareale zuständig fühlte, setzte bald der “Broken Windows”-Effekt ein.

    Ist das Deine Interpretation? Gibt es dafür belastbare empirische Belege? Soweit ich weiß, ist der “broken-windows”-Effekt nicht ganz unumstritten (siehe auch den verlinkten Krimpedia-Artikel).

  2. #2 Christian Reinboth
    7. Juni 2010

    @Bernd W: Belastbare Belege könnte ich dafür nicht beibringen, was unter anderem natürlich daran liegt, dass die “Broken Windows”-Theorie mehr als 20 Jahre nach dem Abriss von Pruitt-Igoe veröffentlicht wurde und somit “zu Lebzeiten” des Viertels keine diesbezüglichen Untersuchungen stattfinden konnten…

    Natürlich ist richtig, dass der Effekt an sich umstritten ist. Geht man jedoch von der Richtigkeit der Annahmen Kellings und Coles aus, dürfte es nicht verkehrt sein, die Zustände in Pruitt-Igoe mit dem Effekt in Verbindung zu bringen – der Schluss ist zumindest so naheliegend, dass auch in der Wikipedia Bilder auf Pruitt-Igoe als Illustration für den “Broken Windows”-Effekt herangezogen werden, siehe z.B.:

    https://en.wikipedia.org/wiki/Fixing_Broken_Windows
    https://de.wikipedia.org/wiki/Broken-Windows-Theorie

    Dieser Architekt schlägt in seinem Blog ebenfalls eine Brücke von Pruitt-Igoe über das “Defensible Space”-Konzept hin zum “Broken Windows”-Effekt:

    https://tessellarsociety.blogspot.com/2007/05/protection-from-crime.html

    Wobei die “Broken Windows”-Theorie hier ja nur am Rand erwähnt wird – und eigentlich ein gutes Thema für einen eigenständigen Blogpost hergeben würde. Wenn bloß die Zeit dafür da wäre…

  3. #3 Christian Reinboth
    7. Juni 2010

    Belastbare Belege könnte ich dafür nicht beibringen, was unter anderem natürlich daran liegt, dass die “Broken Windows”-Theorie mehr als 20 Jahre nach dem Abriss von Pruitt-Igoe veröffentlicht wurde und somit “zu Lebzeiten” des Viertels keine diesbezüglichen Untersuchungen stattfinden konnten…

    Selbstkorrektur: Gemeint waren natürlich 10 Jahre…

  4. #4 Ludmila
    7. Juni 2010

    Spannende Sache. Wobei es mich echt wundern würde, ob es DIE Patentlösung für sozialen Wohnungsbau gibt. Ich könnte mir vorstellen, dass so etwas von sehr vielen Dingen abhängt. Z.B. die Plattenbauten in Ost-Berlin. Lange Zeit galten die als Synonym für Prekariat. Ich meine aber gelesen zu haben, dass der Zeitgeist sich gedreht und die restaurierten Wohnungen wieder schick sind.

    Ein anderes Beispiel für eine “moderne” Wohnanlage, die wohl zwischendurch auch auf Kipp stand, wohl aber wieder funktioniert ist das Edificio Copan in Sao Paulo. DAS nenne ich mal ein Wohnhaus. Aber wie man auch im Beitrag sieht funktioniert es nur, durch eine restriktive Überwachung der Gemeinschaftsbereiche. Wobei ich mich frage, wo da die Kinder spielen sollen. Grünflächen hab ich auch nicht gesehen.

    Interessant ist hier der Ansatz, das Gebäude von einem eigenen “Manager” wie ein Unternehmen zu führen.

  5. #5 Christian Reinboth
    7. Juni 2010

    @Ludmila: DIE Patentlösung für den sozialen Wohnungsbau gibt es unter Garantie nicht, eines der Erfolgsprinzipien scheint aber darin zu bestehen, den Bewohnern möglichst viel Verantwortung für ihren Lebensbereich zu übertragen – zumindest dann, wenn keine finanziellen Mittel für Sicherheit, Instandhaltung etc. zur Verfügung stehen. Das Sao Paulo-Gebäude ist quasi ein Gegenbeispiel – mit 200 Sicherheitsleuten, Technikern und Reinigungskräften hätte vielleicht auch Pruitt-Igoe überlebt. Obwohl ja die 45 Sozialarbeiter am Ende auch wenig ausrichten konnten…

    Die Manager-Idee erinnert mich ein wenig an das Prinzip, eine Person pro Block für das Recycling verantwortlich zu machen, das angeblich auch gut funktionieren soll…

  6. #6 engywuck
    8. Juni 2010

    gerade wenn diese eine “verantwortliche” Person dann aber “Weisungsbefugnis” gegenüber den Mitbewohnern bekommt besteht die Gefahr, dass das Ganze Richtung “Blockwart” abdriftet – oder?
    Auch nicht ganz ideal…

  7. #7 Andrea N.D.
    8. Juni 2010

    Christian Reinboth:
    Toller, interessanter Artikel, gerne gelesen, viel gelernt.

  8. #8 miesepeter3
    8. Juni 2010

    Architekten, Stadtplaner usw. wollen genau so gerne wie ein Künstler etwas neues, noch nie dagewesenens, modernes schaffen. Den Murks, den der Künstler fabriziert, kann man notfalls auch verkehrt herum an die Museumswand pinnen, ohne dass es jemand merkt. Mit dem Murks derArchitekten aber müssen Menschen leben. Und an deren Bedürfnisse vorbei wird gerne geplant und gebaut, Hauptsache es gibt einen Preis dafür. Ein Beispiel, das man gerdezu in jeder beliebigen Stadt in Deutschland finden kann, sind die Zu- und Abfahrten zu den Gewerbegebieten. Dort werden die Kurven so eng geführt, dass man mit einem ganz normalen LKW mit Hänger oder Sattelauflieger nicht um die Kurve kommt, ohne entweder in den Gegenverkeht zu kommen, oder mit den hinteren Rädern der Hänger über den Fußweg zu walzen.
    Offensichtlich macht sich kein Planer irgendwelche Gedanken über die doch etwas größeren Radien der Wendekreise von LKW. Sie selbst kommen mit ihren PKW`s gut um die Kurven, dass muss reichen! Die Abflachung der Kurven um läppische 50 cm ist offensichtlich kein planerisches Muß, obwohl es keinerlei Mehrkosten verursachen würde. Solche “Nichterfasung” von Planungsbedarf gibt es auch bei den tollen im Stück geplanten Stadtvierteln. Jetzt könnte man also meinen, dass die Menschen eben sich in solchen “Ameisenhügeln” nicht wohlfühlen würden und deshalb solche Siedlungen zum Scheitern verurteilt sein müßten. Dagegen spricht die gesamte spanische Mittelmeerküste: ein Hochhaushotel neben demselben und die Urlauber fühlen sich trotzdem wohl, egal welcher Nationalität. Aber die wissen auch, dass sie nach drei Wochen wieder raus dürfen.

  9. #9 Ludmila
    8. Juni 2010

    @Christian: Ja klar, aber auch im Beitrag wird erwähnt, dass COPAN zwischenzeitlich das Schicksal von Pruitt-Igoe drohte. Irgendwann hat irgendwer aber dann den Willen und die Mittel aufgebracht, da massiv zu investieren, um das Ruder rumzureißen. Aber Sao Paulo, eine der größten und reichsten Städte des Landes, ist da natürlich nicht mit St. Louis zu vergleichen. Du erwähnst auch im Artikel, dass da schlicht weder die Mittel noch der entsprechende politische Druck dahinter stand. In Chicago oder New York wäre es vielleicht anders gelaufen.

    Übrigens, es wird auch erwähnt, dass es im COPAN eine 2-Klassen-Gesellschaft gibt. Es gibt “gute” und “schlechte” Bereiche. Was wohl ein bisschen der Idee des Ursprungskonzeptes widerspricht. Die Idee hinter solchen Großbauten war ja auch eine bisschen eine halbwegs egalitäre Gesellschaft auf einem menschenwürdigen Niveau zu errichten. Das war ja die Idee hinter dem Bauhaus-Konzept, die dem ganzen zugrunde lag und die spätestens in den 70ern beerdigt wurde. Da stand auch ein Gutteil Ideologie dahinter.

    Bauten sind eben mehr als nur Wohnfläche sondern spiegeln auch die Ideale und Vorstellungen der jeweiligen Gesellschaft wieder. Schon spannend. Aber wie das Beispiel Pruitt-Igoe zeigt, kann man damit auch grandios scheitern, wenn die Menschen und die Gesellschaft drumherum sich nicht so verhält, wie man sich das vorgestellt hat.

  10. #10 Ludmila
    8. Juni 2010

    @miesepeter3: Ich weiß ja nicht, ob Du es mitgekriegt hast. Aber wir leben in etwas, was sich Demokratie nennt. Und gerade im kommunalen Bereich ist es vergleichsweise einfach, da reinzukommen und das zu ändern, was Dich so stört. Wenn die also alles Luschen sind und Du den vollen Durchblick hast und es Dich so sehr stört, dann würde ich einfach vorschlagen, dass Du was gegen unternimmst.

  11. #11 miesepeter3
    8. Juni 2010

    @Ludmila

    Ich weiß ja nicht, ob Du es mitgekriegt hast, aber das öffentliche Baurecht ist nicht Gesetz (demokratisch), sondern kommunale Satzung (also ziemlich despotisch, darf nur nicht gegen Gesetze verstoßen). Mit einfach reinkommen und ändern ist da nix. Ich war 10 Jahre lang Geschäftsführer einer Baubetreuungesellschaft mit eigener Grundstücksentwicklungabteilung. Wenn ich dem zuständigen Sachbearbeiter im Bauamt ein solches Problem vortrug, erntete ich meist völlig verständnislose Blicke:
    ” Wieso, das steht so im Bebauungsplan, das kann man nicht so einfach ändern. Und das ist doch auch völlig egal.” Nun , wir haben dann die Einfahrten so gebaut wie wir es für richtig hielten, damit gegen den Bebauungsplan verstoßen, kleine Strafe gezahlt, aber die LKW, die aus unseren Gewerbegebieten rausfuhren, mußten nicht den fließenden Verkehr gefährden, weil die Kurven zu eng waren. Und das gab`s in vielen anderen Bereichen genauso. Einfach so ändern? Manchmal glaube ich doch noch an den Elfenbeinturm.

  12. #12 Christian Reinboth
    8. Juni 2010

    @Andrea N.D: Vielen Dank für die Blumen 🙂

    @engywuck: Ich habe genau aus diesem Grund auch immer so meine Probleme mit derartigen Konzepten. Auf der anderen Seite ist ja aber auch ein Systemversagen nichts, was man sich wünschen würde…

    @Ludmila: Auch aus Chicago gibt es ein Negativ-Beispiel:

    https://en.wikipedia.org/wiki/Cabrini-Green

    Bauten sind eben mehr als nur Wohnfläche sondern spiegeln auch die Ideale und Vorstellungen der jeweiligen Gesellschaft wieder. Schon spannend. Aber wie das Beispiel Pruitt-Igoe zeigt, kann man damit auch grandios scheitern, wenn die Menschen und die Gesellschaft drumherum sich nicht so verhält, wie man sich das vorgestellt hat.

    Volle Zustimmung. Wobei ich mich frage, inwiefern diese Erkenntnis bei öffentlichen Projekten tatsächlich Beachtung findet. Das Menschen sich nicht so verhalten, wie vom wohlmeinenden Planer vorgesehen, ist ja in vielen Bereichen ein Problem…

  13. #13 Christian Reinboth
    8. Juni 2010

    @miesepeter3:

    “Wieso, das steht so im Bebauungsplan, das kann man nicht so einfach ändern.”

    Das stimmt allerdings, wenn es erst mal im Bebauungsplan steht, muss es unter Umständen auch dann umgesetzt werden, wenn die Beteiligten sich einig sind, dass es bessere Lösungen gibt. Der Bebauungsplan aber muss ja vom Kommunalparlament erst mal beschlossen werden (zumindest ist das bei uns so) und zumindest auf der Ebene bestünde für eine parlamentarische Fraktion durchaus die Möglichkeit, für Änderungen einzutreten (oder gar die Zustimmung zu verweigern und die ganze Beschlussvorlage platzen zu lassen, was vermutlich in einem Neuentwurf enden würde). Das Problem ist eher, dass die entsprechenden Vertreter die B-Pläne gar nicht so genau lesen (“Bin eh kein Experte” “Wird schon richtig sein, was die Verwaltung da in Auftrag gegeben hat” etc.). Hier kann sich der Hinweis auf Fehler zumindest manchmal lohnen – oder hast Du da gänzlich andere Erfahrungen gemacht?

  14. #14 Ludmila
    8. Juni 2010

    @miesepeter3: Ich wohne im Rheinland. Vor ein paar Jahren hatten die die neue Ausfahrt Troisdorf-Spich derart eng gemacht, dass die LKWs stecken blieben. Daraufhin haben einige Bürger das dem ADAC gesteckt, die der Stadt Troisdorf dann in einer Ausgabe ihres Blattes einen wenig schmeichelhaften Artikel widmete. Ja auch das geht, wenn alle Stricke reißen und die Kommunalverwaltung einen auf doof macht. Auch das heißt Demokratie. Was meinste wie schnell der Kreisel entschärft wurde?

    Und in unserer Stadt hier haben die Bürger sehr wohl ein Mitspracherecht in Sachen Bebauung. Muss man eben nur hingehen. Das ist natürlich begrenzt, aber es ist vorhanden. Immerhin hat das hier in der Umgebung dazu geführt, dass nach massiven Beschwerden die “Drempels” wieder zurück gebaut wurden. Etc. Etc. pp. Also aus meiner Kommune kenne ich zig Beispiel, in denen Bürger was gemacht und bewirkt haben.

    Und das ist was völlig anderes als als Kunde da aufzuschlagen, einen auf “Ich bin so wichtig, ich bin Unternehmer” zu machen und den armen Sachbearbeiter anzuranzen, der da wenig ändern kann. Keine Ahnung, was bei Euch speziell schief geht.

    Ach und es wäre echt toll, wenn Du Dir für einen Augenblick vorstellen könntest, dass nicht alle Voll-Idioten sind, die andere Ansichten und Erfahrungen gemacht haben als Du.

  15. #15 miesepeter3
    8. Juni 2010

    @Christian Reinboth

    Wenn ein ganz neuer Bebauungsplan erstellt wird, so kann man als Interessierter
    (Anwohner, Unternehmer oder späterer Mieter usw.) durchaus seine Anmerkungen und Wünsche vorbringen. Wenn diese dann auch sinnvoll und machbar sind, werden sie in der Regel auch berücksichtigt. Aber meist sind Bebauungspläne schon mal gut 50 oder 60 Jahre alt. Seinerzeit optimistisch geplant, kein Geld in der Kasse, eingeschlafen. Nun wiedererweckt, aber gerne mal änderungsresistent, da sowas bekanntlich Arbeit macht. Beispiel : Bauplan auf 500 m langen Grundstück : zwei Häuser hintereinander im Abstand von 15 m. Der Wunsch nach Abstand 30 m ging nicht. Begründung : Wegen einem ändern wir doch nicht den Bauplan. Wenn Sie noch zwei andere bringen, die auf den Nachbargrundstücken auch…. dann vielleicht.
    Also, bei alten Bebauungsplänen kostet die Änderung… äh, viel Mühe.
    @Ludmila
    Ich stelle mir nie vor, dass andere Deppen sind, das wäre unhöflich. Find ich toll, dass da Bürger dem ADAC was gesteckt haben und dieser das dann auch veröffentlich hat und die Kommune darauf auch noch richtig reagierte. Aber was meinst Du, wie dick jede monatliche Ausgabe der ADAC Zeitung sein müßte, wenn sie jeden verkehrspoltischen Quatsch anprangern würden? So dick wie das Telefonbuch von Berlin? Das ist auf die Dauer keine Lösung. Es bleibt, so fürchte ich, unvermeidbar, sich bei vielen öffentlichen Unsinn mit jedem Einzelfall persönlich auseinanderzusetzen und letztendlich entscheiden da dann die Kosten, wie weit man die Auseinandersetzung betreiben will und kann. Was meinst Du, wie viele private Bauherren gegen die Kommunen resignieren müssen, weil sie keine Zeit haben sich acht Monate zu streiten. Da läuft ihnen die Finanzierung davon und die finanzierende Bank zieht sich ganz schnell zurück. Solche Probleme in welcher Weise auch immer zu
    lösen bleibt nun mal dem persönlichen Geschick und Möglichkeiten vorbehalten und das hat nichts mit einen auf “wichtigen Unternehmer machen zu tun und arme unterbezahlte Sachbearbeiter anzuranzen.” Da ist man Vermittler zwischen Verwaltung
    und Kunden. Mit den von Dir angedeuteten Verhaltensweisen ist da kein Blumentopf zu gewinnen. Manchmal ist die Sache eben so fest zementiert, dass man nur noch gegen die (veralteten/falschen)Vorschriften verstoßen kann , um ein besseres Ergebnis zu erzielen. Die Geldbußen sind dann eben sonstige Kosten und alle Beteiligten sind zufrieden. Das nennt man Praxis. Für Theoretiker wohl eher ein Unwort.

  16. #16 Christian Reinboth
    8. Juni 2010

    @miesepeter3:

    Aber meist sind Bebauungspläne schon mal gut 50 oder 60 Jahre alt. Seinerzeit optimistisch geplant, kein Geld in der Kasse, eingeschlafen.

    Oha. Das Problem 60 Jahre alter Baupläne haben wir hier im Osten der Republik zum Glück nicht, von daher komme ich meist nur mit eher jungen Bauplänen in Berührung, an denen sich häufig noch was ändern lässt. Wobei ich mich – Kosteneinsparungen hin oder her – schon frage, wie man denn einen 60 Jahre alten Bauplan (der dann ja notwendigerweise auch auf bereits 60 Jahre vergangene Verkehrsbedingungen optimiert sein sollte) ohne Änderungen reaktivieren kann. Eigentlich ja ein ziemliches Unding…

  17. #17 Ludmila
    8. Juni 2010

    @miesepeter3:
    Ich hab Dir eben lang und breit erklärt und auch der Christian, warum es manchmal doch funktioniert. Mit Beispielen. Aus der Praxis aus unserem Umkreis. Auch nachdem die Sachen schon umgesetzt waren.

    Die Sache mit dem Kreisel und dem ADAC war nur ein Beispiel.

    Das zweite konkrete Beispiel hast Du wohl überlesen. Es gab hier für wenige Jahre diese Hubbel mitten auf der Straße, um die Geschwindigkeit herauszunehmen. Hat so einigen den Unterboden gekostet und war vor allem für Krankenwagen und Feuerwehr ein Verkehrshindernis. Das wurde mit Hilfe von Bürgerbeschwerden, Diskussionen in den entsprechenden Gremien und Berichterstattung der Lokalpresse gelöst. Es muss nicht immer ADAC sein und in der Lokalpresse ist für verkehrstechnischen Murks immer Platz. Weil dafür ist sie auch da.

    Darauf antwortest Du mit dem ersten Satz.

    Ich stelle mir nie vor, dass andere Deppen sind, das wäre unhöflich.

    Hey, schon mal vielversprechend.

    Und dann kommt ne lange Tirade, über die man durchaus diskutieren und überlegen kann, was man da besser machen kann. Und dann endest Du damit.

    Das nennt man Praxis. Für Theoretiker wohl eher ein Unwort.

    Mit anderen Worten: “Im Übrigen bist Du total doof. Ätsch!”

    *Seufz*

    Ich kann dazu nur sagen, dass da wohl irgendwo zwischen dem ersten und dem letzten Wort irgendwas bei Dir aber mal gehörig schief gegangen ist. Das eine widerspricht mal völlig dem anderen. Du behauptest, dass Du uns nicht für doof hältst. Verhalten tust Du dich aber anders. Das nennt sich übrigens der kleine feine Unterschied zwischen “Anspruch” und “Taten”.

    Wenn Du mit der Einstellung der Kommunalverwaltung gegenüber auftrittst, dann wundert es mich echt nicht, dass da keiner was tut.

    Und damit endet leider, leider der x-te Versuch mit Dir irgendeine Form der vernünftigen Diskussion anzufangen bereits im Ansatz.

  18. #18 miesepeter3
    8. Juni 2010

    @Christian Reinboth
    Man sollte es kaum glauben, aber auch diese alten Pläne sind durchaus in den meisten Bereichen noch aktuell. Einige Einzelheiten jedoch….
    Die Pläne sind auch nach dem “einfachen Änderungsverfahren” ganz unkompliziert zu ändern : neu zeichnen, Vermerk “hab ich geändert” Unterschrift des Verantwortlichen und das war`s. Aber den Verantwortlichen zu überzeugen, dass er über den Dienst nach Vorschrift hinaus mal was tun sollte und dafür auch noch die Verantwortung zu übernehmen… eher geht das berühmte Kamel durch das Nadelöhr.
    Wegen einem…. bringen Sie doch noch ein paar… usw. usw. sind da so die Standardausflüchte. Der Eigentümer des Nachbargrundstückes will vielleicht gar nicht bauen, also wie es machen? Verstoßen, Strafe bezahlen und fertig. Der Verantwortliche ist froh, er hat nun keine Verantwortung mehr für die Änderung. Er verhängt eine (kleine) Strafe für den Verstoß und genehmigt im Nachhinein wegen “Sachzwang”. Kann ihm keiner was. Fertig. Anhängern von Gesetz und Ordnung stehen die Haare zu Berge, aber hier kommt Gesetzestreue dem Stillstand gleich. Und der ist nicht gewollt, weder von der Wirtschaft, noch von der Verwaltung.
    Freut mich, wenn Ihr keine Probleme mit alten Bebauungsplänen habt. Aber aus eigener Erfahrung weiß ich, es gibt doch noch ein paar Horrorprobleme, wenn alte Verwaltung sich gegen neue Verwaltung auflehnt, untere Landschaftsschutzbehörde anders entscheidet als obere Landschaftsschutzbehörde etc pp.
    Aber das macht das Leben auch irgendwie interessanter. Einfach kann jeder.

  19. #19 Ludmila
    8. Juni 2010

    @Christian: Mal ganz, ganz ehrlich. Findest Du das nicht merkwürdig? Mit den 50-60 Jahre alten Bebauungsplänen? Dann gäbe es keine Fußgängerzonen, dann würde nie irgendwo etwas saniert und an bestehende Gegebenheiten angepasst. Kurz! Hier im Westen wäre der Autoverkehr schon längst zusammengebrochen.

    Hier im Rhein-Sieg-Kreis wurde mal eben in Siegburg die komplette Innenstadt umgestellt, nachdem der ICE-Bahnhof da eingesetzt wurde. Der Plan war definitiv niemals 50-60 Jahre alt. Nach der Behauptung würden nirgendwo neue Ausfahrten für neue Gewerbegebiete erstellt oder niemals bestehende erweitert. Aber auch das hab ich schon z.B. in Köln-Junkersdorf gesehen, wo auch die Autobahnbrücke für den Mehrverkehr und die Verlängerung der Straßenbahnlinie in die Außenbezirke erweitert wird. Besonders gerne werden auch mal hier verkehrstechnische Experimente aus Holland, die sich dort bewährt haben, hier eingesetzt. Das wäre alles nicht möglich, wenn die Baupläne wirklich so alt wären.

    Was für ein komischer Ort soll das also bitte sein, in dem alles 50-60 Jahre zu spät kommt und sich nie was ändert?

  20. #20 miesepeter3
    8. Juni 2010

    @Ludmila

    “Mit anderen Worten: “Im Übrigen bist Du total doof. Ätsch!” ” Unterstellung!

    Mit dem “Für Theoretiker wohl eher ein Unwort” meine ich, dass derjenige, der sich mit solchen Problemen nicht sehr oft herumschlägt, keine Vorstellungen macht, wie vertrackt es in der Praxis sein kann und, das ist meine persönliche Erfahrung, es auch gar nicht wissen will. Sehr schön, dass da die Hubbel aufgrund des Zusammenschlusses von Bürgern, Presse und Notdiensten wieder entfernts wurden.
    Wie lange hat das gedauert? Bei öffentlichen Geldern (Einbau von Hubbel, wieder Ausbau von Hubbel) mag das keiner so richtig merken, was sowas kostet. Meine Aufgabe war, gar nicht erst solche Hubbel entstehen zu lassen. Denn da standen Privatleute dahinter, die sich solche Verzögerungen nicht leisten konnten, da sie mit geliehenem Geld das Risiko von Neu- und ausbauten eingegangen sind. Da tut schon eine Woche Verzögerung richtig weh. Aber offensichtlich gehört es bei manchen zum guten Ton, alle Unternehmer als Buhmänner für alles mögliche zu machen. Bei dem einen oder anderen stimmt das schon, aber die meisten wollen auch bloß in Frieden ihren Job machen. Und Berichtigung, ich arbeite in dieser Branche seit 15 Jahren nicht mehr.

  21. #21 Christian Reinboth
    8. Juni 2010

    @Ludmila:

    Mal ganz, ganz ehrlich. Findest Du das nicht merkwürdig? Mit den 50-60 Jahre alten Bebauungsplänen?

    Merkwürdig finde ich das allemal, würde aber nicht ausschließen wollen, dass es irgendwo tatsächlich so praktiziert wird, dafür sind mir selbst in meinen bislang noch relativ wenigen Jahren, in denen ich mich kommunalpolitisch betätige, zu viele ebenfalls recht merkwürdige Entscheidungen untergekommen. Allein wenn man mal ins Schwarzbuch des BdSt für 2009 schaut, wird leider schnell klar, dass nicht überall wirklich rational geplant wird…

    https://www.steuerzahler.de/Das-Schwarzbuch-zum-Download/15735c22845i475/index.html

  22. #22 miesepeter3
    8. Juni 2010

    @Ludmila

    “Das wäre alles nicht möglich, wenn die Baupläne wirklich so alt wären.

    Was für ein komischer Ort soll das also bitte sein, in dem alles 50-60 Jahre zu spät kommt und sich nie was ändert?”

    Ich wage mal ne Antwort, auch wenn die Frage nicht mir gestellt wurde:

    Vor langer Zeit wurden in und um Ortschaften nach Schätzungen von Bedarf in der Zukunft Bebauungspläne erstellt, für Bauvorhaben auf der grünen Wiese. Diese Arbeiten waren auch durchaus langfristig angelegt und nur um solche geht es in meinen Ausführungen.
    Selbstverständlich gibt es auch noch Flächen, für die es keine Bebauungspläne gab (man kann ja nicht alles voraussehen). Wenn denn dafür vor z.B. 5 Jahren ein Plan erstellt wurde, war darin das Bauvorhaben von gestern oder heute schon geplant.
    Wenn die Entscheidung von der Politik gefällt wird, alte Bebauungspläne neuen Bedürfnisseen anzupassen, d a n n arbeitet die Verwaltung schon ein wenig schneller und die Pläne sind dann schon viel näher am Bedarf.
    Ich hatte das Pech, alte Bebauungspläne, die aus Geldmangel immer noch für lange Zeit von der Verwaltung aufs Eis gelegt waren, ändern zu müssen. Die ganze Erschließung eines Geländes wurde von der Kommune auf die Grundstücksinteressenten abgewälzt. Wir haben dann z.B. neue Techniken und Materialien verwenden wollen, die es bei der Entstehung dr Pläne noch gar nicht gab
    z.B. gab es noch nicht so lange LKW Gespanne mit so hohen Achsgewichten wie heutzutage üblich. Das heißt nicht nur Kurven flacher gestalten, sondern auch den Straßenuntergrund für die höheren Gewichtsbelastungen auslegen. Man sollte nicht glauben, wie schwer einem das gemacht wurde, obwohl der Bebauungsplan, Vorsehung der Ersteller, ganz einfach zu ändern gewesen wäre. Aus aktueller Berichterstattung weiß man, dass bei der Ostseeautobahn (öffentliche Planung!!) an vielen Stellen der Untergrund für LKW nicht tragfähig genug ist.
    Für den Fall, dass es Dich interessiert, geh mal ins Bauamt und lass Dir die noch nicht verwirklichten Baupläne für Deine nähere Umgebung zeigen. Du wirst staunen, wie viele es gibt und wo überall die Gegend verplant ist.

  23. #23 Ludmila
    8. Juni 2010

    @miesepeter3: Das mit den Drempels hat ungefähr 5 Jahre gedauert, bis die wieder weg waren. Und den Privatleuten hat das rein gar nix gemacht. Im Gegenteil. Für diese waren die Drempels toll. Denn die wurden in dicht besiedelten Gebieten mit Kindern gesetzt. LKWs hatten da sowieso nix zu suchen. Die Idee dahinter war, dass man so billig und dauerhaft die Raser davon abhält mit 60 und mehr durch Wohnsiedlungen zu brausen. Hat auch funktioniert. Natürlich fanden es die Deppen, die sich mit ihren tiefergelegten Autos bei überhöhter Geschwindigkeit den Wagen geschrottet haben, nicht so doll.

    Weggemacht wurden die aber letztendlich wegen der Krankenwagen und der Feuerwehr. War halt nicht so toll, wenn einem ein Schwerverletzter auf der Trage entgegenkam. Das hat man nicht bedacht bzw. unterschätzt.

    Tja und das mit den Kosten. Ja nu, das passiert eben in einer normalen Stadt, die sich nicht auf 50-60jährige Bebauungspläne beruft und auch mal versucht neue Wege zu gehen. Kann passieren. Wer gar nix tut, macht zwar anfangs keine Fehler aber hinterher alles falsch.

    Ein weiteres Beispiel für eine sinnvolle verkehrstechnische Maßnahme in Zusammenarbeit mit der Bevölkerung, die in Zusammenarbeit mit dem ADAC in Troisdorf entstand. Gerade mal 2 Jahre her und war ein Feldversuch. Es wurden alle Schilder, bei denen man sich uneins war, ob die was bringen, in gelbe Säcke gehüllt. Dann wurde ein paar Monate abgewartet. Und geschaut wer das Schild vermisste. Dadurch ist der Schilderwald um einiges ausgedünnt worden. Zumindest hier scheinen die nicht alle Voll-Idioten zu sein.

    Ne, ne, ne. Da ist mir unsere Art hier lieber. Ehrlich, keine Ahnung, was das bei Euch für’n Quark abgeht.

  24. #24 Ludmila
    8. Juni 2010

    Nachtrag: Ich hab meinen Kommentar abgeschickt, bevor ich Deinen gesehen habe. Ok, jetzt mit konkreten Beispielen kann ich schon eher nachvollziehen, was Du meinst. Gut, ich kann nachvollziehen, wenn aus Kostengründen, die Pläne nicht neu gefertigt werden. Das würde bedeuten, dass das vor allem notorisch klamme Kommunen betrifft. In der Hinsicht ist der Rhein-Sieg-Kreis tatsächlich besser aufgestellt als andere Gegenden Deutschlands.

    Ändert aber nix am springenden Punkt, dass man so etwas bei uns nicht gottergeben hinnehmen muss. Es gibt Möglichkeiten zumindest begrenzt einzugreifen. Man muss sie aber auch nutzen.

    So und damit will ich es auch gut sein lassen.

  25. #25 miesepeter3
    8. Juni 2010

    @Ludmila

    Um bei Deinem Beispiel mit dem Drempel zu bleiben, wäre es nicht schön gewesen, wenn das Problem Krankenwagen und schwebender Kranke schon v o r dem Einbau bedacht worden wäre? Und wäre eine Frist von einem halben Jahr für den Rückbau nach Erkennen des Problemes nicht angenehmer gewesen? War offensichtlich genau so zäh im Ablauf, wie meine Beispiele.
    Und das können wir nun wieder prima auf den Eingangsartikel ummünzen. Offensichtlich sind bei den Planern viele Probleme gar nicht mit in die Planung eingebunden worden.
    Das läuft heute meist viel besser, man arbeitet mit Medizinern, Soziologen und was weiß ich für Fachleuten zusammen bei der Planung von Gebäuden wie auch ganzen Neubauvierteln. Aber trotzdem kann mal was vergessen worden sein oder eine Erkenntnis sich ändern. Da wäre dann geistige Beweglichkeit gefordert. Aber darüber entscheiden dann nicht mehr die Planer, sondern die Verwalter. Und die haben eben ein anderes Tempo. Dass in der näheren Vergangenheit falsche Planungen berichtigt werden, sieht man immer mal wieder, wenn Wohnungsbaugesellschaften ihre nun unbewohnten Blocks abreißen und Grünanlagen dort erstellen, oder kleinere Wohneinheiten. Aber das sind wieder Privatunternehmen. Die Verwaltung läßt sowas eben mal 10 Jahre leerstehen und verwahrlosen. Kostet ja Geld, das man dafür nicht hat. Und manchmal wirklich nicht hat. Das Grundproblem isteben auch bei der Wohnraumgestaltung für viele, dass man auch bei noch so gut gemeinter Planung nicht alles voraussehen kann. Und manchmal die eigenen Ansichten der Planer gegen jede andere Erkenntnis durchgesetzt werden. Da hat man ja auch seinen Stolz.

  26. #26 Ludmila
    8. Juni 2010

    @miesepeter3 Also ich fand die 5 Jahre jetzt gar nicht zäh. Find ich als Reaktionszeit auf Kommunalebene völlig in Ordnung. Und wie Du selbst sagst. So etwas passiert halt manchmal. Irgendwas übersieht man immer im Vorfeld.

    Eine halbjährige Einspruchsfrist find ich wiederum bei dem teilweise konservativen Klientel hier eher problematisch. Außerdem ist es finanztechnisch nicht umsetzbar. Welche Kommune hat es schon so dicke, dass sie sofort mal eben Geld für solche unerwarteten Ausgaben hat? Und im Vorhinein ein Polster einplanen, um Nachbesserungen zu ermöglichen? Welche Kommune hat es wirklich so dicke, dass das drin und den Bürgern gegenüber zu vertreten ist? Es ist doch eher so, dass zuwenig Geld für alle nötigen Vorhaben da sind.

    “Hey, dann bauen wir erst einmal keinen neuen Kindergarten, weil wir das Geld als Puffer für Nachbesserungen in Projekt xyz brauchen.” Da brauchste hier nicht mit anzukommen.

    Ein halbes Jahr und dann alles wieder umschmeißen? Klingt für mich wiederum nach blindem Aktionismus. Würde auch dazu verleiten, das Geld unnütz auszugeben, weil irgendner Lobby-Gruppe siedendheiß einfällt, dass sie aber unbedingt “beliebiges einsetzen, was nicht dringend nötig und auch nicht für alle sinnvoll ist” braucht. So kann man schon mal eher die Begehrlichkeit mit einem “sorry ist nicht” abtun. Sooo schlecht find ich unser Verwaltungssystem auch wieder nicht.

    Aber natürlich, wenn es an dringend benötigten Geldern fehlt, dann ändert auch die beste Verwaltung daran nix mehr. Ist im Moment sowieso schwierig. Es gärt ja schon länger in den Kommunen, weil sie immer mehr Lasten zu tragen haben, aber kaum Mehreinnahmen vorweisen können. Das wird sich vermutlich in absehbarer Zeit ändern müssen.

  27. #27 Daniel Pisano
    Darmstadt
    30. April 2019

    Pruitt Igoe birgt noch ein kleines, dreckiges Geheimnis:
    https://www.heise.de/tp/features/Gruener-Nebel-Rote-Wolke-Schnelle-Braeune-3395903.html

    Wurde vielleicht wegen der daraus vermuteten Schadstoffbelastung ein Neubau des Viertels zunächst vermieden?

  28. #28 Ursula Schneider
    Amberg
    24. Februar 2021

    Eine Schnapsidee, die Mieter mit dem Fahrstuhl zu ,,besseren” Menschen erziehen zu wollen. Von sowas profitieren nur Asoziale und Gangster. Der ,,Normalo” wird so zum Wutbuerger. In Deutschland würden sich die Mieter beschweren; vielleicht wäre so etwas auch wegen dem Brandschutz verboten. Ebenso das Zuschweissen von Haustüren in Gabrini Green in Chicago. Die Schikanen liessen beide Projekte schneidern, nichts Anderes!