Wer regelmäßig im “Frischen Wind” mitliest, weiß, dass ich mich schon seit einigen Jahren kommunalpolitisch in der CDU engagiere, auch wenn ich politische Themen nur sehr selten verblogge (aus naheliegenden Gründen, schließlich sind wir hier die ScienceBlogs und nicht die CDUBlogs). Da ich aber weiß, dass hier auch etliche CDU-Mitglieder mitlesen, erlaube ich mir heute mal einen kleinen “parteipolitischen Ausreißer” um alle mitlesenden CDUler darum zu bitten, zwei Themen auf die CDU-Agenda zu hieven, die viele von uns tangieren: Die Förderung von Open Access in der Wissenschaft und die Verbesserung der oft prekären Arbeitsverhältnisse vieler Nachwuchswissenschaftler.

Bildungsrepublik Deutschland.jpg

Zum Hintergrund: Für den diesjährigen CDU-Bundesparteitag, der im November in Leipzig stattfinden wird, ist die Verabschiedung eines neuen bildungspolitischen Konzepts geplant, welches unter dem Titel “Bildungsrepublik Deutschland” seit Mai diesen Jahres in einer vorläufigen Fassung vorliegt. Noch bis zum Antragsschluss am 17. Oktober haben alle CDU-Mitglieder (und nur die) nun noch die Möglichkeit, sich über ein eigens dafür eingerichtetes Online-Portal an der Gestaltung des finalen Antrags zu beteiligen und Formulierungs- sowie inhaltliche Vorschläge einzubringen. Wie das funktioniert, wird in diesem Video erläutert:

Dem Vernehmen nach sollen die fünf bestbewerteten und meistdiskutierten Vorschläge jedes Kapitels (insgesamt also 40 Einzelvorschläge) in die finale Beratung der Antragskommission eingehen, über deren Empfehlungen dann wiederum der Parteitag im November beschließen wird. Wer – so wie ich – schon eine Weile dabei ist, weiß, dass eine so offensive Form der Mitgliederbeteiligung vergleichsweise unüblich ist – und auch wenn ich mit Ausrichtung und Programm der Piratenpartei so meine Probleme habe, muss ich an dieser Stelle mal neidlos einräumen, dass es schon ein toller Verdienst wäre, würde deren Rühren an Fragen der innerparteilichen Partizipation am Ende dazu führen, dass auch die beiden Volksparteien diese Thematik endlich ernster nehmen; ähnlich wie es ja auch den Grünen gelungen ist, den Umweltschutz als Thema über das gesamte Parteienspektrum hinweg zu verankern…

Um diese Chance möglichst gut zu nutzen, habe ich gleich zwei Vorschläge zu Themen eingebracht, die auf den ScienceBlogs (und auch den Scilogs) regelmäßig Gegenstand von Diskussionen sind: Open Access in der Wissenschaft (siehe etwa hier, hier, hier, hier oder hier) und die prekären Arbeitsverhältnisse von Nachwuchswissenschaftlern (siehe etwa hier, hier, hier, hier oder hier). Meinen Vorschlag zum Thema Open Access findet ihr (nach dem Einloggen) in Kapitel VIII unter der Vorschlagsnummer 00238:

Damit die Ergebnisse von in Deutschland staatlich geförderter wissenschaftlicher Forschung möglichst vielen Studierenden, Wissen- schaftlern und anderen Interessenten – national wie international – zur Verfügung stehen, setzt sich die CDU für eine konsequente Umsetzung
des Open Access-Prinzips in der öffentlich geförderten Forschung ein. Dies bedeutet, dass es Wissenschaftlern künftig in stärkerem Umfang ermöglicht werden muss, in wissenschaftlichen Fachzeitschriften erschienene For- schungsergebnisse, die aus staatlich geförderter Forschung hervorgegangen sind, auch der interessierten Öffentlichkeit kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Die deutschen Steuerzahler gehören zu den großzügigsten Förderern wissenschaftlicher Forschung weltweit und dürfen zu Recht erwarten, freien Einblick in die Ergebnisse der von ihnen finanzierten Forschung zu erhalten, so diesem Einblick im Einzelfall keine bedeutsamen Gründe entgegenstehen.

Aus der Begründung: Dieser Vorschlag orientiert sich Inhaltlich am Artikel “Open Access: konsequent oder unverschämt?” von Michael Kretschmer MdB im Blog der CDU-Bundestagsfraktion sowie an den Forderungen der sehr erfolgreichen Petition zum Thema Open Access von Lars Fischer aus dem vergangenen Jahr. […] Zuerst finanziert [der Steuerzahler] die Forschung von Prof. X an der Universität A, anschließend müssen die Kollegen an den Universitäten B, C und D die Ergebnisse käuflich erwerben, was ja ebenfalls mit Steuermitteln geschieht – eine gerade in Zeiten knapper Kassen unhalt- bare Situation. Will man sich als Bürger am Ende gar noch selbst mit den Ergebnissen befassen, muss sogar ein drittes Mal in den Geldbeutel gegriffen werden – das ist wirklich schwer vermittelbar.

Den zweiten Vorschlag zur Verbesserung der prekären Lebens- und Arbeitssituation von Nachwuchswissenschaftlern findet ihr in Kapitel III unter der Vorschlagsnummer 00223:

Damit der Wissenschaftsstandort Deutschland in einer globalisierten akademischen Welt seine hohe Attraktivität behält und wissenschaftliche Talente nicht ins Ausland abwandern, sind die Arbeitsbedingungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs an deutschen Hochschulen – insbesondere im Hinblick auf die oft prekären Arbeitsverhältnisse – nachhaltig zu verbessern.

Aus der Begründung: Zahlreiche Doktoranden und Nachwuchswissenschaftler hangeln sich derzeit in der Praxis von einem befristeten Teilzeit-Vertrag zum nächsten, bis entweder die Förderkette abreißt oder der Frust so groß wird, dass die Wissenschaft oder eben der Standort Deutschland verlassen wird. Über 80% unseres wissenschaftlichen Nachwuchses sind nur befristet beschäftigt, ein Großteil davon lediglich in Teilzeit. In der zukünftigen Bildungsrepublik sollten gerade für Hoch- und Höchstqualifizierte in öffentlichen Beschäftigungsverhältnissen bessere Konditionen darstellbar sein, um auch dem wissenschaftlichen Nachwuchs die Möglichkeit der Karriere-; Familien- und persönlichen Lebensplanung zu eröffnen.

(Hinweis zur Form: Die kursiven Begründungstexte dienen natürlich nur der inhaltlichen Diskussion auf der Plattform und werden selbst in keinem Fall Teil des Bildungspapiers.)

Wer diese Ziele unterstützen möchte, ist herzlich zum Abstimmen und Kommentieren eingeladen – oder auch dazu, eigene Vorschläge einzureichen, wenn ihr meint, dass sich etwas prägnanter oder überzeugender formulieren lässt. Hauptsache, ihr bringt euch ein und tragt auf diesem Weg dazu bei, dass sich interaktive Formen der Mitgliederbeteiligung auch in anderen Parteien als den Grünen und Piraten durchsetzen…

Kommentare (5)

  1. #1 maxfoxim
    30. September 2011

    Gute Idee, auf jeden Fall dir und der CDU viel Erfolg dabei.

  2. #2 wotz
    1. Oktober 2011

    Am besten gleich noch:
    – Open Data (auch sehr wichtig für die Wissenschaft)
    – Open Source
    – Open Hardware
    – Open Government
    – Offene Standards
    – Open Society
    und das Jedermannsrecht und ein bedingungsloses Grundeinkommen und und und…

    Ähm, welche Partei war gemeint?

  3. #3 Gelmir
    1. Oktober 2011

    Vielleicht solltet Du in Deinen Antrag auch noch irgendwie die Bibel mit reinpacken.
    Dann hättet Du bei unserer Bundestheologieministerin Schavan sicher sogar etwas mehr als nur eine klitzekleine Chance auf Erfolg.

    Klingt sicher sehr sarkastisch. Aber mein Eindruck der letzten Jahre ist nun mal, das Bildung bei der CDU nicht unbedingt hoch im Kurs steht.

  4. #4 Fluch
    13. Oktober 2011

    Ich kann den Vorschlag nur begrüßen, den mir wird nicht klar, warum man Verlagsmodelle, die nicht OA publizieren wollen, weiterhin unterstützen soll!

    Beispiel: Wissenschaftler/in XY (kurz Wis) ist Angestellte/r an einem von der öffentlichen Hand (Bund, Land) finanzierten Institut (universitär oder Forschungsgesellschaft, das ist jetzt gleichgültig). D.h. das Institut zahlt das Gehalt und Wis kann am Institut forschen (Disseration, Projekte für EU, Bund, Länder, Stiftungen etc.). Natürlich benötigt Wis. Publikationen zum zitieren. Diese Quellen kauft das Institut in der Regel über die Bibliothek und stellt sie Wis zur Verfügung.

    In Zeiten knapper Kassen können aufgrund von Preissteigerungen (Vgl. Zeitschriftenkrise) nicht mehr alle Quellen zur Verfügung gestellt werden, man muss sich diese anderwertig beschaffen. Das geht so weit, dass in verschiedenen Bereichen ganze Reihen gestrichen werden, weil die öffentliche Hand kein Geld mehr hat.

    Problem: Wis braucht diese Informationen! Nur was man sieht, kann man zitieren, die Umwege sind teilweise umständlich und hinderlich in der Arbeit.

    Kommt Wis zum Ende der Arbeit, werden die Forschungsergebnisse bei einem kommerziellen Verlag veröffentlicht. Das Layout bzw. das Lektorat werden oftmals direkt vom Institut übernommen. In der Regel gibt es auch ein internes Peer-Review-Verfahren. Bis die Ergebnisse akzepziert und veröffentlicht werden, vergehen allerdings weiter 2-3 Jahre. Und danach muss die Bibliothek des Instituts die staatlich geflörderten Projektergebnisse wieder zurückkaufen, weil die vertragliche Regelung mit dem Verlag das Gesetz aussticht. Ist z.B. ein Buch bei einem Verlag “out of print”, gibt es nur noch den Umweg über die Fernleihe, ein Forschungsergebnis zu begutachten. Auch die Fernleihe ist ein System, welches aus Steuergeldern bezahlt werden muss.

    Das ist insgesamt gesehen Irrsinn und nur ein grob skizziertes Beispiel für die Unzulänglichkeiten und die Argumente hier im Blog-Beitrag unterstreichen das Vorhaben, dass etwas geschehen muss. Wissenschaft, und das sage ich aus politisch völlig unmotivierter Grundausrichtung, darf nicht durch Geschäftsmodelle gebremst werden. Es gibt Lösungen, wie sich kommerzielle Verlage (die in den letzten Jahren bis zu 30% Dividende eingenommen haben) an OA-Lösungen beteiligen können (Vgl. Springer und PudMedCentral) und ich glaube nicht, dass sich der Staat weiter ausnehmen lassen sollte, nur damit die Wissenschaft weitere Schranken ins Kauf nehmen muss.