Zerstört die Standardisierung von Schulunterricht und Schulprüfungen das Wesen der sprachlichen und künstlerischen Fächer? Maßt sich die Politik über die Definition von Förderkriterien zu viel Einfluss auf die Entwicklung der Geisteswissenschaften an? Und erleben wir gegenwärtig die Geburt eines neuen Wissenschaftler-Typus, bei dem die intrinsische Motivation nach der Erweiterung des eigenen Wissens hinter allgemeinen gesellschaftlichen Nutzenerwartungen zurücksteht?

Dank einer großzügigen Bücherspende der Konrad-Adenauer-Stiftung beim Landestag der Jungen Union, dem ich vor zwei Wochen als Delegierter in Dessau beiwohnen durfte (das dortige Hugo-Junkers-Technikmuseum ist übrigens absolut großartig), liegen auf meinem Nachtisch nun einige neue Schmöker, darunter das großartige „Schaut endlich hin!” von Margalith Kleijwegt, das ich bei ausreichend Zeit demnächst auf jeden Fall mal rezensieren werde, sowie auch ein dickerSammelband mit dem vielversprechenden Titel „Warum die Geisteswissenschaften Zukunft haben” aus dem Herder-Verlag, den gründlich zu lesen mir derzeit ob des 600seitigen Umfangs leider die Zeit fehlt. Nachdem ich gestern Abend beim Reinschnuppern ins Inhaltsverzeichnis über ein Essay mit dem kuriosen Titel „Der Club der toten Dichter macht Zentralabitur und entscheidet sich für einen Bachelor-Studiengang” gestolpert bin, kam ich dann aber doch nicht umhin, zumindest einige der Beiträge zu studieren. Drei aus meiner Sicht ganz besonders bemerkenswerte Aussagen stelle ich nachfolgend mal für alle Freunde der Geisteswissenschaften zur Diskussion ein.

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Im schon benannten „Der Club der toten Dichter macht Zentralabitur und entscheidet sich für einen Bachelor-Studiengang” wütet Burkhard Spinnen über die Standardisierung von Schulunterricht und Prüfungen in den sprachlichen und künstlerischen Fächern sowie die zunehmende Verschulung der Studiengänge (die dabei aufgegriffene Anekdote mit den Studenten in der Sprechstunde, die gleich nach der ersten Vorlesung die ganz genauen Anforderungen für bestimmte Noten auszuloten versuchen, habe ich übrigens selbst schonmal in beinahe identischer Form erlebt):

„[…] Die Praxis der Vermittlung des Geistigen orientiert sich in einer fortgeschrittenen Demokratie wie der unseren nun einmal zunehmend nicht an der Individualität, sondern an der Kompatibilität von Lerninhalten sowie insbesondere an der Kompatibilität der Lernergebnisse. Anders ausgedrückt: Der Oberstufenschüler im demokratischen Staat hat ein Recht darauf, auch im Deutschunterricht kein Genie sein zu müssen. Er darf nicht einmal dazu ermuntert werden. Was einzigartig ist an ihm, das muss – besser: das darf – hinter dem zurückstehen, was ihn und seine Hervorbringungen mit anderen dergestalt vergleichen lässt, dass die Ergebnisse dieses Vergleichs auch von zuständigen Gerichten beurteilt und gutgeheißen werden können. Und auch der Lehrer im demokratischen Staat muss aus der Bredouille genommen werden. Es ist unbedingt zu vermeiden, dass irgendwer in die Gefahr kommt, Äpfel mit Birnen vergleichen zu müssen.”

Dürfte ja eh jeder kennen: Die “reißt sie raus”-Szene aus “Club der toten Dichter”

In „Zur Gefangenschaft der Geisteswissenschaften im Nutzen- und Leistungsdenken” greift die Literaturprofessorin Elisabeth von Erdmann die aktuelle Praxis der Fördermittelvergabe im geisteswissenschaftlichen Bereich an – wobei vieles von dem, was sie schreibt, sicher auch für die Natur- und Ingenieurswissenschaften Gültigkeit besitzt (die recht einseitige Ausrichtung auf den wirtschaftlichen Nutzen ist jedenfalls auch in meinem Arbeitsbereich zu spüren). Die Frage, welchen (bzw. ob überhaupt!) gesamtgesellschaftlichen Nutzen die geisteswissenschaftliche Forschung erbringen muss, um förderwürdig zu sein, und inwiefern die letztlich ja fachfremde Politik die inhaltliche Ausrichtung der Geisteswissenschaften über die Definition von Förderkriterien und das Nutzendiktat (in ihrem Sinne?) steuern kann, darf und sollte, finde ich jedenfalls hochspannend…

„Sie [die Geisteswissenschaften] dürfen nicht mehr ihren eigenen Wegen folgen […], weil sie sonst nichts nützten und das Geld nicht wert seien, das in sie gesteckt würde. Akteure ohne geisteswissenschaftliche Kompetenz und Ahnung davon, worin die geisteswissenschaftlichen Interessen und Stärken liegen könnten, aber mit Geld und Einfluss und diesen Werten verpflichteten Interessen, halten sich seit dieser herbeigeführten Krise für autorisiert, die Geisteswissenschaften auf ihre eigenen Wege zu manövrieren und dort zu Dienstleisterinnen des gesellschaftlichen Nutzens, wie sie ihn verstehen, zu machen. Geld und Förderung gibt es für die Geisteswissenschaften, doch müssen sie von Fall zu Fall erneut verdient werden, indem geisteswissen- schaftliche Forschung und Lehre unter Überschriften und in Programme gestellt werden, die zum Teil wenig mit Wissenschaft, aber viel mit […] gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Interessen zu tun haben.”

Entgegen dem optimistischen Buchtitel beschwört Clemens Albrecht in „Vom Aufstieg und Niedergang der Geisteswissenschaften” dann auch (zumindest fast) noch das Aus für die geisteswissenschaftliche Forschung – oder doch wenigstens einen so erheblichen Umbruch, dass von freier Forschung im Sinne des Grundgesetzes im Grunde keine Rede mehr sein kann. Diese – zugegebenermaßen recht steile – These macht Albrecht an der Ausrichtung der Forschung an den Vorgaben bestimmter Fördermittelprogramme fest, die allerdings – und hier kann ich meine Anmerkung zum Text von Elisabeth von Erdmann eigentlich nur noch einmal wiederholen – auch außerhalb der Geisteswissenschaften zu beobachten ist. Den „neuen Typus des Wissenschaftlers” sehe ich persönlich zwar noch nicht, wohl aber den schleichenden Autonomieverlust durch die zunehmende Bedeutung von all den Akkreditierern, CHE-Ratern und Exzellenzauszeichnern.

„Während früher die Freiheit des Wissenschaftlers in der autonomen Wahl seines Gegenstandes bestand, dominieren heute die sozialen Zwänge der Forschungsprogramme, Drittmittelverbünde, Graduiertenkollegs und Exzellenzcluster. […] Damit entsteht ein neuer Typus in der Wissenschaft, der außengeleitete Charakter, der sich immer beweglich an die jeweils dominierenden Interessen anhängt, auf die Ausschreibungen von Forschungsprogrammen reagiert und sich selbst in die Anträge von Kollegen einbinden läßt, die er selbst nie initiiert hätte. Intrinsische Motivation, Beharren auf den eigenen Interessen, wird in dieser Forschung dysfunktional. […] Die ‚Autonomie’, die die Universität gegenüber den Ministerien erhalten hat, wird doppelt eingeschränkt durch ein dichtes Netz sozialer Kontrolle, mit dem ausgelagerte Institutionen (Akkreditierungsagenturen, Evaluations- und Qualitätssicherungsorganisationen) die Wissenschaft überziehen.”

Mal sehen…wenn bei uns am Institut wieder mehr Ruhe eingekehrt ist, finde ich sicher mal die Zeit sämtliche 27 Essays des Sammelwerks zu lesen und eine vernünftige Rezension zu verfassen. Bis dahin kann ich nur feststellen, dass das Werk für jeden, der sich Sorgen oder Gedanken über den aktuellen wie auch den zukünftigen Stand der Geisteswissenschaften in der deutschen Wissenschaftslandschaft macht, sicher kein Fehlgriff ist…

Jörg-Dieter Gauger & Günther Rüther (Hrsg.): Warum die Geisteswissenschaften Zukunft haben! Ein Beitrag zum Wissenschaftsjahr 2007, erschienen im Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau, 2007 (ISBN 978-3-451-29822-6). Die einzelnen Essays lassen sich hier kostenfrei im PDF-Format herunterladen.

Kommentare (79)

  1. #1 Dr. Webbaer
    16. November 2011

    Welche drei Thesen genau?

    Ansonsten: So isses halt seit einigen Jahrzehnten.

    MFG
    Wb

    PS: Es gibt ja auch zuviel Personal in den Humanities, da kann ja fast jeder kommen, eine gewisse Konformität vorausgesetzt.

  2. #2 Christian Reinboth
    16. November 2011

    @Dr. Webbär:

    Welche drei Thesen genau?

    (1) Durch die zunehmende Standardisierung des Schulunterrichts wird der Charakter der sprachlichen und musischen Fächer zerstört, die eigentlichen Lernziele treten im Sinne der Vergleichbarkeit in den Hintergrund.

    (2) Die Politik übt über den Hebel der Mittelvergabe einen zunehmenden Einfluss auf die inhaltliche Ausrichtung der Geisteswissenschaften in Deutschland aus.

    (3) Die gegenwärtigen Förderpolitiken sorgen für die Umorientierung der Wissenschaft von der intrinsisch motivierten Erkenntnissuche auf eine Art von staatlich geförderter Auftragsforschung unter der Maxime der Maximierung gesellschaftlichen Nutzens.

    Zumindest soweit ich die Autoren richtig verstanden habe…

  3. #3 CM
    16. November 2011

    ad 1) Was genau bedeutet das in der Ausprägung? Ich kann mich aus meiner Schulzeit daran erinnern, dass man mit einem Standardsatz von Wörtern Textinterpretation in den sprachlichen Fächern machen mußte – mit der Konsequenz, dass viele Leute letztendlich nicht in der Lage waren komplexe Texte inhaltlich zu verarbeiten. Ein Umstand, der auch in den empirischen Erhebungen der letzten Jahre zum deutschen Schulsystem z. T. bemängelt wurde. Wenn jetzt Struktur in diese Fächer käme? Was bedeutet das? Und: Ist das irgendwie schlimm? Verstärkt es möglicherweise den von mir beschriebenen Effekt, dass Schablonen eingeführt werden, die das Verständnis verringern?

    ad 2) Das betrifft auch andere Fächer. Und auch hier: Was ist schlimm daran? Prinzipiell kann ich das Unbehangen verstehen, doch irgendwie hätte ich das gerne mal konkret gehört: Was bedeutet das im Alltag (Schule oder Hochschule)?

    ad 3) Auch das betrifft andere Fächer. Und ich finde das manchmal sogar schade. Aber: Bedeutete intrinsisch motivierte Erkenntnissuche ohne Evaluation in der Vergangenheit nicht sehr häufig unproduktives Arbeiten (jedenfalls was die Geisteswissenschaften an den Hochschulen betrifft)? Und hat deshalb der Staat nicht sogar eine Pflicht seine Mittel gezielter einzusetzen? Ob dieses u. U. in einer dysfunktionalen Weise geschieht ist ein anderer Aspekt, doch ist es IMHO prinzipiell nicht verwerflich von Geisteswissenschaftlern einen “gesellschaftlichen Nutzen” einzufordern. Der ist allerdings schwer messbar …. Also: Wie wirkt sich das konkret aus?

    PS Aus mir spricht offen gestanden der Naturwissenschaftler, den Geisteswissenschaften oft befremden. Deshalb sollte mein Beitrag nicht als Kritik an die “andere Seite des Grabens” verstanden werden – es wäre schön, wenn ich aufklärende Einschätzungen zu meinen Fragen lesen würde.

    PPS Wo gibt es eigentlich eine Erläuterung zur Syntax (Links, Zitate, etc.) für diese Webseite? Ich möchte schließlich nicht immer im Ungefähren argumentieren.

  4. #4 Dr. Webbaer
    16. November 2011

    Müssen’S andere Gesinnung durchsetzen, ansonsten ist schon alles nachvollziehbar, “eigentliche Lernziele” sind gesellschaftlich definiert bspw., was die allgemein festzustellende Mittelmäßigkeit der Humanities in D betrifft, muss oder müsste man natürlich ausdünnen.

    Nutzen oder gesellschaftliche Bestimmtheit ist hier kaum zu umgehen.

    Oder man käme eben mit privater Finanzierung…

    MFG
    Wb

  5. #5 Christian Reinboth
    16. November 2011

    @CM:

    (1) Spinnen sieht das Problem darin (und ich bin geneigt, ihm da zuzustimmen), dass man etwa die Interpretation eines Gedichts nur bis zu einem gewissen Grad sinnvoll standardisieren kann. Er beschreibt (der Volltext lässt sich ja auf der verlinkten Seite einsehen) etwa eine Begebenheit aus der Schule seines Sohnes, in dem die Interpretation eines literarischen Texts anhand einer Schablone bewertet und quasi abgestrichen wurde, welche Schlüsselbegriffe der Schüler genannt hat und wo er von der gewünschten Interpretation abweicht. Dies widerspricht Spinners Ansicht nach dem Wesen schulischer Literaturstudien, die stärker auf Selbstdenken und Selbsterkennen als das Abkauen vorgegebener Pfade setzen sollte…

    (2) Die gleichen Effekte gibt es natürlich in den Naturwissenschaften auch, hier fallen sie allerdings nicht ganz so drastisch aus, da es kaum ein politisches Interesse daran geben könnte, etwa die inhaltliche Ausrichtung zu beeinflussen, in die sich die Chemie oder die Mathematik entwickeln. Bei Geisteswissenschaften sieht das naturgegeben anders aus (Politikwissenschaft, Gesellschaftswissenschaft, Soziologie etc. pp.), von daher kann ich das geäußerte Unbehagen schon nachvollziehen, auch wenn ich die von der Autorin in die Welt gesetzte Theorie von der “künstlichen Krise” der Geisteswissenschaften zum Zwecke der politischen Einflussnahme für überzogen halte.

    (3) Das wirkt sich meiner Erfahrung nach vor allem so aus, dass man bei der Frage, wo Gelder gekürzt werden könnten, erst mal nach dem monetären Nutzen der jeweiligen Disziplin schaut, da diese vielfach mit dem gesellschaftlichen Nutzen gleichgestellt wird. Wie viel neue Produkte, wie viele neue Arbeitsplätze schafft etwa die Ägyptologie? Oder die Astronomie? Im Vergleich etwa zur Chemie oder zu den Ingenieurswissenschaften sieht es da natürlich eher mau aus – wenn man dieses Prinzip, das sich bei uns nach und nach einschleicht, bis zum bitteren Ende durchhalten würde, müsste man langfristig auf bestimmte Geisteswissenschaften und damit deren Erkenntnisgewinn gänzlich verzichten, der sich nun mal nur schwer in monetären Nutzenkategorien abbilden lässt. Wie das aussehen kann, kann man derzeit in Florida beobachten, wo der Gouverneur kürzlich öffentlich bekundet hat, dass seiner Ansicht nach etwa die Anthropologie keinen brauchbaren Beitrag für die Wirtschaft des US-Bundesstaates leistet (exakt das war tatsächlich das Kriterium), weshalb er sie ab 2012 aus den Universitäten verbannen möchte:

    https://htpolitics.com/2011/10/10/rick-scott-wants-to-shift-university-funding-away-from-some-majors/

    So schnell kann das gehen. Und natürlich passt sich die Wissenschaft derartigen auch hier erlebbaren Strömungen an, weshalb bei einigen Projekten (habe ich selbst schon so erlebt) geradezu krampfhaft nach einem “Nutzen für die Wirtschaft” gesucht wird, obgleich genügend andere Gründe für das Projekt sprächen. Der entstehende “neue Typus des Wissenschaftlers”, den Albrecht hier postuliert, zielt meinem Erachten nach ein wenig in diese Richtung…

  6. #6 CM
    16. November 2011

    Hm. Gute Argumente. Danke. Einzig zwei Dinge lassen mich doch antworten:

    – Die “Schablonensache” hat mir, wie gesagt, schon als Schüler mißfallen (inzwischen Gott-sei-dank gut 15 Jahre her). Es hat sich wenig geändert (nicht-empirische Wahrnehmung im Bekanntenkreis und offenbar – Dein Spinnen-Zitat Christian – auch anderswo). Notengebung in diesem Bereich ist nach wie vor schauderhaft subjektiv (woran leider die “Quantifizierung” durch das Vorkommen von Schlüsselwörten in Prüfungstexten (Klausuren) nichts ändert). Wenn jetzt neue Kriterien, die als Standardisierung empfunden werden, in den Unterricht Einzug halten: Ist das tatsächlich eine Standardisierung, die die Qualität schlechter als den Ist- oder Vorherigen-Zustand macht? Auch ich finde das Spinnen-Zitat sehr sympatisch. Ich lese es aber als Kritik am Ist-Zustand, während Du in Deinem ersten Kommentar die erste These als Gefahr durch zunehmende Standardisierung beschreibst. Ok, das ist zugegebenermaßen Haarspalterei, weshalb ich vermute Dich einfach etwas mißverstanden zu haben. Im Grunde kann ich dem Spinnen-Zitat zustimmen.
    – Punkt 3 aber ärgert mich schon ein bißchen: Im gesellschaftlichen Diskurs der letzten Jahre (u. a. https://www.zeit.de/jobletter/html_jl_45_01 ( – wie kann man Links gleich besser formatieren?) ) kann man schon feststellen, daß viele denken, dass gerade deutsche Geisteswissenschaftler mau publizieren. Und im “innergesistenwissenschaftlichen” internationalen Vergleich auch wenig. Daran gemessen zu werden ist nicht verwerflich. Gesellschaftlicher Nutzen ist schwer zu quantifizieren, aber Beiträge zu diversen Debatten, publiziert u. a. in Fachzeitschriften, sind eine Möglichkeit seinen Arbeit zur Disposition zu stellen – eine bessere als das nicht zu tun oder in Form von kaum verständlichen Monographien (SCNR) allemal. Insofern ist der Hinweis auf eine Übersprungshandlung, motiviert aus dem vergifteten polit. Klima der USA, kein guter Vergleich. – Um aber ehrlich zu sein: Ich kenne auch viel Filz in den Naturwissenschaften, wo man durch konsequente Anforderung von Rechenschaft auch ausmisten könnte. Das ist kein Privileg von Geisteswissenschaften.

  7. #7 BreitSide
    16. November 2011

    xxx

  8. #8 Dr. Webbaer
    16. November 2011

    Er beschreibt (der Volltext lässt sich ja auf der verlinkten Seite einsehen) etwa eine Begebenheit aus der Schule seines Sohnes, in dem die Interpretation eines literarischen Texts anhand einer Schablone bewertet und quasi abgestrichen wurde, welche Schlüsselbegriffe der Schüler genannt hat und wo er von der gewünschten Interpretation abweicht.

    So ein Wahnsinn hat ohnehin nichts in den Bildungssystmen zu suchen. Oder hätte dort nichts zu suchen, wenn Dr. W ein Wort mitreden dürfte. Grausame und grausamste Brecht, Grass oder Böll-Texte bspw. sollten schön draußen bleiben. Aber der einzige Zweck des Ganzen ist ja gerade die Ausrichtung und Einpflege der nachwachsenden Kraft – in bewährte Meinung.

    Im Ausbau greift dieses Prinzis idT bei den Geisteswissenschaften regelmäßig und bei den Naturwissenschaften zunehmend.

  9. #9 rolak
    16. November 2011

    ..liegen auf meinem Nachtisch nun einige neue Schmöker

    ^^der schöne Pudding…

    Das Ausloten bzgl Notenrelevanz ist mir aus meiner Zeit als Übungsgruppen- bzw Seminar-Hilfsdrillsergeant noch gut in Erinnerung in Form eines gebetsmühlenartig wiederholten “Kommt sowas in der Klausur?”. Ab dem zweiten Monat hatte ich eine Karte dabei, analog zu diesen Punktrichtern mit Ziffernpaddeln: “Kann sein, kann auch nicht sein” 😉

  10. #10 Matthias
    16. November 2011

    Eine Frage mit der ich mich als angehender Historiker auch gern befasse. Klingt nach einem interessanten Buch.

    > “Geisteswissenschaftlern einen “gesellschaftlichen Nutzen” einzufordern”

    Ich finde, die Frage ist vielmehr was gesellschaftlicher Nutzen sein soll – ein wirtschaftlicher Nutzen erfüllen GeWis in der Regel ja kaum weniger, zumindest unmittelbar. Andererseits sind manche Forschungen, häufig m.E. in der Literaturwissenschaft ;-), nicht direkt von “Nutzen”, weil es mittlerweile extrem spezialisierte Forschungsfelder sind. Jedoch ist es irgendwo auch eine Arbeit, die gemacht werden muss: Wenn man sich als Hochkultur versteht, gehören ebenso Leute dazu, die sich damit professionell und wissenschaftlich befassen – ein Historiker sagte zu mir mal, dass GeWis manchmal ein Luxus sind, den sich eine Gesellschaft leisten sollte (muss?). Das klingt natürlich etwas nach einem Ausweichargument – ich denke jedoch, ein wenig ist schon dran!

    Auf der anderen Seite habe ich bei einigen Geisteswissenschaftlern das Gefühl, dass sie nicht sonderlich gut darin sind, die Relevanz ihrer Forschung zu verdeutlichen. Da lässt sich sicherlich noch viel dran tun. (Am Rande: Ich finde z.B., dem Cluster “Religion und Politik” in Münster gelingt es ganz gut, die Bedeutung der Arbeit zu verdeutlichen…)

    Standardisierung von Inhalten halte ich ebenfalls für ziemlich problematisch. Um es mal etwas “romantisch” auszudrücken sind für mich Geisteswissenschaften eben auch mit “Persönlichkeitsbildung” 😉 verbunden und lebt letztlich auch von solchen. Insofern würde ich schon sagen, zwar nicht so pauschal, dass Standardisierung hier auch kontraproduktiv sein kann. Wenn man sich ansieht, dass die meisten studierten Geisteswissenschaftler letztlich Fachfremd arbeiten – von der Wirtschaft bis hin zu …sonst was – , liegt der “Nutzen” von diesem Fach schließlich auch in einem anderen Feld.

  11. #11 grätsche
    17. November 2011

    Interessante Beiträge. Die Geisteswissenschaften haben offenbar z.Zt. einen schweren Stand. Vor allem hier im naturwissenschaftlich dominierten Lager. Für Szientisten ist es aber auch manchmal unterträglich, wie in den Geisteswissenschaften argumentiert wird – das kann ich schon nachvollziehen. Meiner Meinung nach haben aber auch die Naturwissenschaftler ein Problem: Vordergründig arbeiten sie sehr sauber, alles muss mit seriösen Quellen belegt werden, die Argumentation muss schlüssig und logisch einwandfrei sein etc … aber alles basiert auf Grundannahmen (Axiomen). Und die meisten Naturwissenschaftler arbeiten mit einem Werkzeug, das sie nicht verstehen (ihren Verstand). In der Astronomie werden Entfernungen zu Sternen in Milliarden Lichtjahren gemessen (geschätzt) und die Mechanismen des Universums erklärt, aber der Abstand Erde-Mond-Sonne wird als “zufällig” akzeptiert. Dass Naturwissenschaftler den Zufall als Erklärung akzeptieren ist verwunderlich. Mit Naturwissenschaftler die Frage “Wer bin ich?” oder “Wer ist ich?” zu diskutieren ist nahezu unmöglich, weil die Belege im inneren Erleben zu finden sind – in der “Lebens-Erfahrung”. Und genau deswegen braucht es unbedingt geisteswissenschaftliche Disziplinen! Hier ist noch Gedankenfreiheit gestattet, hier muss nicht jeder Gedanke mit einer historischen Quelle belegt werde um Akzeptanz zu finden. Hier ist Menschlichkeit erlaubt.

  12. #12 miesepeter3
    17. November 2011

    @grätsche

    “Hier ist Menschlichkeit erlaubt”

    Nicht nur erlaubt, sondern als Voraussetzung zwingend notwendig.

    In den Naturwissenschaften k a n n man denken, ist aber nicht unbedingt notwendig, solange man irgendwelche Skalen ablesen und Vergleiche mit irgendwas anstellen kann.
    In den Geisteswissenschaften m u ß man denken. So haben schon die ollen Griechen nur durch Denken (Phantasie gepaart mit Logik) unsere Welt erklärt:
    “Ganz viel Zwischenraum zwischen fast nichts”.
    Es hat schon ganz schön lange gedauert, bis die Naturwissenschaft das ebenso sehen konnte.

  13. #13 CM
    17. November 2011

    @grätsche: Mal abgesehen davon, dass “Zufall” im wissenschaftlichen Kontext nicht dasselbe wie “Zufall” im gesellschaftlichen ist … Wieso ist Zufall als Erklärung verwunderlich? Kurz: Im Beispiel handelt es nicht einfach um Zufall, sondern um eine außreichend große bedingte Wahrscheinlichkeit. Um ehrlich zu sein: Ich bin Biophysiker – im Gegensatz zu unserem Spezi Broers ein Echter 😉 – und kenne mich da wesentlich besser aus. Zum Beispiel kann ich wenig sagen, doch für Naturwissenschaftler allgemein ist eine plausible Erklärung auf Basis eines nicht zu unwahrscheinlichen Ereignisse aber durchaus akzeptabel.

    Deine Schlußformulierungen lassen mich an https://www.phdcomics.com/comics/archive.php?comicid=908 denken.

    Offengestanden habe ich z. Zt. auch oft das Problem meine Problemstellungen und Resultate allgemeinverständlich zu formulieren – ein Schicksal, das eigentlich alle Wissenschaftler früher oder später ereilt (umso schöner, daß es hier so viele gute Blogs gibt). Das Ding ist – Matthias hat es auf den Punkt gebracht – Geisteswissenschaftler sind oft nicht gut darin Dinge auf den Punkt zu bringen, bzw. “die Relevanz ihrer Forschung zu verdeutlichen”. Wenn ich – dazu kommt es aufgrund meiner sehr interessierten Frau oft – wieder mal stundenlange Diskussionen von Geisteswissenschaftlern angehört habe, nagt die Frage: Kann man nicht besser formulieren, schlicht nicht liefern oder bin ich zu doof? (Option Nr. 3 ist ehrlicherweise nicht auszuschließen.)

  14. #14 CM
    17. November 2011

    @miesepeter: Ist das ernst gemeint? Oder möchtest Du Öl ins Feuer der Diskussion giessen? Also, ganz im Ernst: Das ich zu dumm bin etwas zu verstehen, kann ich ohne Weiteres akzeptieren – doch sooo dumm nicht zu denken, wenn ich “Vergleiche mit irgendwas anstelle” bin ich nicht – und die meisten Kollegen wohl auch nicht.

    Das Schöne an Scienceblogs ist: Wissenschaft, gleich welcher Coleur, wird nicht nur als Karrikatur, wie in anderen Medien, dargestellt. Also: Argumente von Geisteswissenschaftlern kann ich gerne diskutieren, wenn ich sie verstehe, diesen Beitrag zum nicht notwendigem Denken in der Naturwissenschaft, wohl eher nicht.

  15. #15 Dr. Webbaer
    17. November 2011

    Man kann in den Naturwissenschaften an bewährten Theoriegebilden bleiben, hier und da ein wenig messen, das Gebilde ausbauen; aber an der Sache, an der Welt (“Natur”, “Physik”, “Das, was ist”, “Realität”, “Sachlichkeit”, “Wirklichkeit” etc.) “vorbeiarbeiten”, weil die Voraussetzungen falsch sind. – Hierfür scheint Miese “Nichtdenken” nahezulegen, der Geisteswissenschaftler kann zwar genau so vorgehen, wird aber von Miese exkulpiert. Vermutlich eine Polemik. Schwierig zu schreiben, ob hilfreich, die Beschulung & Forschung, also zurück zum Thema, muss oder müsste aber denkend bleiben.

    Was aber alles nichts daran ändert, dass das, was die “Drei Thesen” bemühen, gesellschaftlich vorgegeben bleiben muss. ‘Alternativlos!’, würde eine bestimmte doitsche Dame vielleicht dazu sagen.

  16. #16 libertador
    17. November 2011

    @CM

    Ich werde jetzt ein wenig andeuten, was Geisteswissenschaftliche Argumentation bedeuten kann:

    Du und grätsche haben eine andere Art der Erklärung verlangt. Du eine nomologisch(d.h. gesetzmäßige) Erklärung und grätsche wollte einen anderen Typ von Erklärung. Welchen genau kann ich aus dem von ihm geschriebenen nicht sagen, aber ich mal er sucht eine Erklärung in Form von einem Zweck oder eine kausale Erklärung.

    Eine solche Untersuchung, die hier angedeutet ist, über verschiedene Formen der Erklärung und ihre Adäqautheit für verschiedene Kontexte ist wohl nicht naturwissenschaftlich möglich, wenn man über die Datenerhebung der Verwendung hinaus will.
    Ich hoffe das war zu verstehen.

  17. #17 miesepeter3
    17. November 2011

    @CM

    “…diesen Beitrag zum nicht notwendigem Denken in der Naturwissenschaft, wohl eher nicht.”

    Natürlich ist ein gewisses Maß an Intelligenz und Denkvermögen auch in den Naturwissenschaften unverzichtbare Voraussetzung. Aber es gibt Qualitätsunterschiede zu den Geisteswissenschaften. Mit Qualität meine ich nicht “besser oder schlechter”, sondern “anders”.
    Der Geisteswissenschaftler hat “nur” sein Hirn für die Erkenntnisgewinnung und kann die diversen Hilfsmittel der Naturwissenschaftler nicht nutzen. Oder hat man schon mal von einem Skalpell für Gedichtssezierung oder einem Meßgerät für den Abstand zwischen zwei Gedanken gehört?
    Im Übrigen verweise ich auf meinen Nickname.

  18. #18 grätsche
    17. November 2011

    @CM:
    Also ich finde, Du bist sehr gut im formulieren (das sieht Deine Frau vielleicht anders *lach*). Das mit dem “Zufall” lässt mich irgendwie nicht los … Ich bin in dem Fall vielleicht auch zu doof oder übersehe irgendwas. Das Beispiel mit dem Mond habe ich gewählt, weil es für jeden sichtbar ist. Zufälligerweise ist der Abstand Erde-Mond-Sonne genau in der extrem kurzen Zeit der Menschheit genauso groß, dass er scheinbar die Größe der Sonne hat und Sonnenfinsternisse möglich sind. Das ist ein im wahrsten Sinn des Wortes naheliegendes Phänomen. Hier akzeptiert der NaWi die geringe Wahrscheinlichkeit ohne weiter zu forschen, ob es vielleicht doch kein Zufall ist? Ich bin jedenfalls sehr froh darüber, dass es beide Richtungen gibt (NaWi und GeWi) – sonst wären viele Diskussionen bald sehr langweilig.

  19. #19 Dr. Webbaer
    17. November 2011

    Der Geisteswissenschaftler hat “nur” sein Hirn für die Erkenntnisgewinnung und kann die diversen Hilfsmittel der Naturwissenschaftler nicht nutzen.

    Der GW kann sich “eingraben” und aus dem Elfenbeinturm herabtheoretisieren, wobei seine Nützlichkeit und sein Realitätsbezug sehr dünn werden können.

    Man kann den “Drei Thesen” entgegensetzen, dass die Nützlichkeit ein wichtiges Kriterium bleiben muss bei der Mittelvergabe und der Reglementierung, Everything goes und der Relativismus wären das Kontrastprogramm. – D.h. das was geschieht, geschieht aus gutem Grund oder zumindest gesellschaftlich legitimiert, selbstverständlich ist das, was geschieht, oft ablehnenswert. Für’s Ablehnen hat man dann die Politik. Also, alle schnell in die CDU eintreten, die ist prinzipientreu, tretet dort ein und Ihr könnt etwas ändern!

  20. #20 grätsche
    17. November 2011

    @libertador:
    Ich glaube Dich verstanden zu haben. Möchte nur darauf hinweisen, dass ich keine andere Erklärung von Phänomenen verlange, sondern auf keinen der beiden Ansätze verzichten möchte. Mit sind übrigens da einige Hirnforscher sehr sympathisch, weil sie genau diese Gegensätze (Physik und Philosophie) versuchen zu vereinen. Bei der Frage “Gibt es einen freien Willen?” ist man sich nicht einig. Und beide Lager haben schwer widerlegbare Argumente auf ihrer Seite. Das finde ich super-interessant zu verfolgen.

  21. #21 CM
    17. November 2011

    @grätsche: Ah, das meinst Du. Vielleicht hilft Dir eine Analogie aus der Statistik (multiples Testen) weiter: Wenn Du genügend viele Phänomene anschaust, wird schon eines davon mit “Signifikanz” mit einem anderen korrelieren. Deshalb fordert die (saubere) Statistik die Größe des Datensatzes und die Art seiner Erhebung zu nennen – und vor allem für die Zahl der Tests zu korrigieren (als Einfühurung nicht schlecht: https://en.wikipedia.org/wiki/Multiple_comparisons). Um auf Dein Beispiel zurückzukommen: Das Mond-Erde-Sonne-System unterliegt den sog. Eulerschen Gesetzen. Die schränken die Zahl der möglichen Bahnen schon gehörig ein. Darüber hinaus gibt es Forschungen zur Planetenentstehung, die auch längst nicht abgeschlossen, mit einem Haken versehen und in der Schublade verschwunden sind. (Mir scheint alle Wissenschaften haben das Problem, daß Fachfremde oft dem Fehlschluß unterliegen andere Wissenschaften seien auf dem gerade in bevorzugten Medium geschilderten Stand.)
    Und die Frage, warum wir ein so schönes, “dem Leben zugeneigtes” (eigene Hervorhebung) Sonnensystem/Universum haben ist durchaus Gegenstand naturwissenschaftlicher Forschung. Die “Kunst” in der Naturwissenschaft ist es die richtigen Fragen zu picken und dabei nicht anthropozentrisch arguemntieren zu müssen. Das ist ein weites Feld. Zu weit für diesen Thread, fürchte ich (abgesehen davon, daß wir dann vollends neben dem Thema liegen). Über die genauen Größenrelationen der Planeten und Monde in unserem Sonnensystem kann ich nichts Qualifiziertes Beitragen (zu fachfremd) – ich kann schlicht nichts über die Zufälligkeit des beschriebenen sagen, doch denke ich, daß man schlecht irgendein Phänomen und seine Korrelation mit einem anderen herausgreifen kann und auf der Basis argumentieren kann – das führt häufig zu dem Phänomen, daß die Blogger hier wieder mal esoterische Scheinargumente auseinanderklamüsern müssen. Damit will ich Dich nicht angreifen, sondern nur illustrieren, dass Naturwissenschaftler eben manchmal recht vorsichtig bei der Erklärung von Phänomenen sein müssen, die sie (in dem Fall ich) nicht in Gänze verstehen und warum “Zufall” manchmal ein Argument sein kann und manchmal eben nicht.

    PS Danke fürs Kompliment. Meine Frau (selber Naturwissenschaftlerin) versteht mich ausreichend oft – meine Chefs weniger ;-).

  22. #22 segeln141
    17. November 2011

    M.E. liegt die Bevorzugung/Überbewertung der Geistesewissenschaften an den Lehrplänen,die in den Kultusministerien verfasst werden.

    Dort sind die Geisteswisenschaftler deutlich überrepräsentiert und haben eine natürliche Abneigung gegen Naturwissenschaften,da sie davon und von deren Bedeutung wenig Ahnung haben

  23. #23 Spoing
    17. November 2011

    Zu Punkt 1 will ich noch hinzufügen:
    Wir brauchen einfach eine Bewertung von Tätigkeiten, da sich ja sonst jeder als literarisches Genie feiern lassen könnte, wenn er von der Schule abgeht. Diese muss halbwegs objektiv sein. Was natürlich im Bereich der “schönheit” der Dinge schwachsinn ist.
    Bei meiner Deutschlehrerin war es zu Beispiel so, dass es keine falschen Antworten gab, sondern nur skurile und nicht genügend begründete. Weshalb mir Deutsch in der Oberstufe sogar wieder spass gemacht hat!
    Bei meinem Politik-LK lehrer sah das schon anders aus. Für ihn waren Antworten, welche dem SPD-Parteiprogramm entgegengesetzt waren falsch.

    Ganz krass könnte man sagen, die Geisteswissenschaften fordern hier (zurecht) subjektivität zu fördern, sind aber nicht in der Lage die daraus folgende Willkür einzudämmen.

    Zu Geisteswissenschaften vs. Naturwissenschaften fällt mir immer wieder gerne ein spruch ein:
    “Wer die Wahrheit sucht soll in den Philosophie gehen, wir sind hier in der Physik wir wollen die Realität verstehen!”

  24. #24 Dr. Webbaer
    17. November 2011

    Bei meinem Politik-LK lehrer sah das schon anders aus. Für ihn waren Antworten, welche dem SPD-Parteiprogramm entgegengesetzt waren falsch.

    In einer vorwiegend linken Gesellschaft wie der doitschen ist das die logische Konsequenz, es ist dann eben auch ‘falsch’.

    Die Interpretationen literarischer Texte aus dem Hause Böll, Brecht und Grass können dann auch nicht falscher ausfallen, wenn bspw. linksradikales freiheitsfeindliches Gedankengut festgestellt würde.

    Das was Christian Reinboth dbzgl. anmängelt, ist eben auch auf dem Haufen der Union gewachsen und von ihr durchgewinkt worden. Das sind mittlerweile allgemein – im doitschen Raum! – gültige Sichten, Frankfurter Schule, Kritische Theorie, man bekommt’s halt in D. auch als Schüler, wie man’s braucht, bzw. wie von den Altvorderen geisteswissenschaftlich vorgesehen.

    Hier haben die Bürgerlichen versagt, wenn man sich bspw. das Wirken der neubürgerlichen Kraft CR exemplarisch für die Minderleistungen der letzten Jahrzehnte anschaut, auch zurecht im Misserfolg gefunden.

    MFG
    Wb

  25. #25 grätsche
    17. November 2011

    @spoing:
    Der Spruch ist gut 🙂 … “Wahrheit finden vs Realität verstehen”
    Beides ein gleichermaßen unmögliches Unterfangen. Klasse!

  26. #26 nihil jie
    17. November 2011

    @miesepeter3

    die Geisteswissenschaften haben vielleicht heutzutage kein geeignetes Werkzeug wie z.b ein Physiker oder Biologe um da mit zu halten, aber es gibt wissenschaftliche Disziplinen in denen sich Geisteswissenschaften bis heute auch ohne solches Werkzeug gut halten können/könnten… z.B. in der Soziologie.

  27. #27 BreitSide
    17. November 2011

    @cm: lass doch den Miese, der ist auch nur ein Drückertrainer (hat Verkäufer ausgebildet). Daher hat er auch für alles eine Worthülse. Irgendeinen Sinn suchst Du bei ihm meist vergebens, außer brutalstliberaler Ideologie.

  28. #28 BreitSide
    17. November 2011

    Muss der WebBarsch wieder seine braunen Häufchen absetzen. Naja, wir sind ein freies Land. Auch wenn das seine Spießgesellen noch weiter “befreien” wollen. Einige solche Zonen haben sie ja auch in MeckPomm o.ä. schon umgesetzt.

  29. #29 BreitSide
    17. November 2011

    @grätsche: das Abstands-Radius-Verhältnis Mond-Erde-Sonne ist tatsächlich “zufällig” in dem Sinne, dass der Mond sich ja immer weiter entfernt von der Erde und früher viel näher war. Wir leben halt zufällig in einer Zeit, in der es fast genau passt.

    Nicht ganz zufällig ist es, dass wir überhaupt einen so großen Mond haben. Zufall natürlich in dem Sinne, dass die Entstehung dieses Mondes so unglaublich unwahrscheinlich war. Aber erst dadurch konnte die Erde dies starke Magnetfeld ausbilden, das für die Entstehung von Leben – und eben auch menschlichem – notwendig war.

    Und nur weil dies – zufällig – passierte, gibt es uns, die sich über diese Zufälle wundern können. Insofern wieder kein Zufall?

  30. #30 MoritzT
    17. November 2011

    Spannendes Detail: ich war grad bei der öffentlichen Anhörung der Technischen Universität München im Rahmen der nächsten Runde der Exzellenzinitiative. Die Gutachter haben sich fast dreißig Minuten (von insgesamt 90) mit einem einzigen Projekt aufgehalten: dem im Erfolgsfall neu zu gründenden Munich Centre of Technology in Society, das die Aufgabe hat, die sozialwissenschaftlichen Grundlagen und Grundströmungen einer technikorientierten Gesellschaft zu erforschen.

    Selbstverständlich liegt der Verdacht nahe, es gehe darum, die Absatzchancen der Produkte besser zu erkennen und auch hier die Sozialwissenschaften lediglich produktivitätssteigernd als Hilfswissenschaften zu den technisch-naturwissenschaftlichen Fächern hinzuzuziehen.

    Ich glaube aber – und das ging aus dem Gespräch mit den beteiligten Wissenschaftlern auch hervor – dass es viel eher darum geht, ein besseres Verständnis für die Akzeptanz und den Einfluss moderner Technologien auf unsere Gesellschaft zu entwickeln und die Ingenieur- und Naturwissenschaftlerausbildung nicht im Elfenbeintum neben der gesellschaftlichen Entwicklung herlaufen zu lassen.

    Also: meiner Meinung nach gibt es sehr wohl Bedarf nach geisteswissenschaftlicher Forschung. Man muss sie halt richtig machen.

  31. #31 grätsche
    17. November 2011

    @BreitSide:
    Ja, das ist schon faszinierend – finde ich auch 🙂
    Vielleicht gibt es daher doch immer wieder Wissenschaftler, die das Konzept “Gott” in Spiel bringen. Natürlich immer nur als private Meinung. Neulich hat z.B. irgendwer in einem dieser Blogs den Physiker Hans-Peter Dürr als “Eso” bezeichnet, der in seinen Augen zwar als ehrenhafter Wissenschaftler, aber mit seiner Privatmeinung als Volldepp gilt. Mir ist übrigens schleierhaft, wie man seine Persönlichkeit so in beruflich und privat aufspalten können soll. Kann man wirklich persönliche Überzeugungen so aus dem beruflichen heraushalten und umgekehrt? Na ok … meine letzten Sätze entfernen sich zu weit vom Thema.

  32. #32 grätsche
    17. November 2011

    @MoritzT
    Ah, das ist interessant. Finde ich wirklich bemerkenswert. Also reicht euch die Hand NaWis und GeWis! 🙂

  33. #33 rolak
    17. November 2011

    Es gibt ja nicht nur das eine vergleichende Päärchen (Suche nach Wahrheit|Verstehen der Realität) sondern auch noch die beiden internen: Das systemimmanente NW-(Verstehen|­RealityCheck) und das leider des öfteren zu kurz kommende GW-(Suchen|RealityCheck) 😉

  34. #34 Matthias
    17. November 2011

    Zumindest hier in Münster kann ich aber nicht sagen, dass die Geisteswissenschaften einen schweren Stand haben. Diverse SFBs, der Cluster und recht viele Lehrstühle. Die Diskussionen um dessen Sinn & Nutzen sind ja eigentlich nicht neu.

    Naja – Philosophie ist nun ja nur eine der Geisteswissenschaften 😉 Ich finde auch das Gegensatzpaar “Wahrheit finden vs Realität verstehen” nicht sooo toll. Wenn ich als Historiker etwas erforsche, dann tue ich das letztlich auch um die / eine Realität besser zu verstehen und um zu sehen, warum die Gegenwart so ist wie sie ist und gleichzeitig eine andere Perspektive auf diese zu bekommen. Aber nicht einfach um die “Wahrheit” zu finden, sofern es sich nicht um Aussagen, wie “Hitler starb dann und dann” geht.

    Zitat von MoritzT: “Man muss sie halt richtig machen.”:
    Naja! Was heißt richtig machen? Wenn man sich mit der Geschichte des Mittelalters / Frühen Neuzeit befasst und dann womöglich noch mit einem Spezialthema wie “Lutherische Kirchen- und Universalgeschichtsschreibung” oder so, ist es einfach etwas schwieriger hier den Wert der Forschung an sich für die Gesellschaft herauszustellen, der erschließt sich jedenfalls nicht unmittelbar.

    Was ich ganz interessant finde: Zwar sind geisteswissenschaftliche Themen in der Schule sehr präsent, wie die Forschung dort aber aussieht, so mein Gefühl, dass wissen außenstehende kaum, wohingegen die Arbeitsweise eines Naturwissenschaftlers eher bekannt ist. Liegt dann nicht nur an den nicht-kommunizieren-könnenden GeWis 😉

  35. #35 CM
    17. November 2011

    Eine interessante Frage: Geht die Zahl der Lehrstühle zurück? Schwer zu beantworten, aber ein gewisser Druck scheint schon gespürt zu werden, sonst würden Geisteswissenschaftler nicht in die beschriebene Abwehrhaltung gehen und z. B. zwanghaft wirtschaftliche oder sonstige Relevanz in ihrer Arbeit suchen.

    @all/Breitside: dem miesepeter habe ich hier 1x geantwortet und dem Netzbären gar nicht. Das ist das Schöne: Man kann wählen, welche Argumente beachtenswert sind ;-).

  36. #36 Roman
    17. November 2011

    hmm, was ich mich als von Wissenschaften unbeleckter Mitleser immer mal wieder frage, was haben die Geisteswissenschaften Wertvolles hervorgebracht. Bei den Naturwissenschaften fällt mir die Beantwortung extrem einfach, ich sitze vor einem Produkt eben dieser Naturwissenschaften, bin nur dank den Naturwissenschaften überhaupt noch am Leben und friere nicht dank neuer Bekleidungstechnologie hervorgebracht durch Naturwissenschaften… wenn ich mir dagegen dass Programm von beispielsweise https://www.uni-due.de/geisteswissenschaften/forschung.php der Universität Duisburg anschaue, entdecke ich aus meiner Sicht nur relativ wertlose Laberfächer..aus Anglistik… Eighteenth- Century English ja, dass hat für mich und in dem Sinn für meine Steuergelder einen Nutzen….
    Daher meine Frage, die ich mir bisher nicht beantworten konnte, wie rechtfertigen die Geisteswissenschaften Ihre Existenz? Oder Anders gefragt, warum sollte sich eine Gesellschaft den Luxus erlauben absolut unproduktive Lehrstellen aufrecht zu erhalten?

  37. #37 Dr. Webbaer
    17. November 2011

    @CM
    Da gabs auch nicht viel zu antworten, so ist die Datenlage eben. Selbstverständlich ist bei den GW einiges aus dem Ruder gelaufen und man wird die Esoterik beizeiten angehen müssen. Es ist bedauerlich, dass auch wissenschaftsnahe Blogs die Esoterik an den Unis so unzureichend bearbeiten…

    Schwierig zu sagen, ob die “Drei Thesen” hier eingreifen sollten, eher nicht, gell?, war eher eine Fürsprache.

    MFG
    Wb

  38. #38 PhD Comic
    17. November 2011

    Bitte bedenkt:

    https://www.phdcomics.com/comics/archive.php?comicid=908

    “Look at me! I sit in a room with some books! Give me a PhD!”

  39. #39 Dr. Webbaer
    17. November 2011

    Daher meine Frage, die ich mir bisher nicht beantworten konnte, wie rechtfertigen die Geisteswissenschaften Ihre Existenz? Oder Anders gefragt, warum sollte sich eine Gesellschaft den Luxus erlauben absolut unproduktive Lehrstellen aufrecht zu erhalten?

    Die zweite Frage ist im von Ihnen nahegelegten Sinne zu beantworten, die erste Frage ist vglw. einfach zu beantworten: Am Anfang war die Philosophie, aus dieser wurden nach und nach die Naturwissenschaften herausgelöst, die Philosophie ist sozusagen der Mantel und wird auch immer benötigt bleiben. Epistemologie, Beweistheorie, Logik (“Sprachlichkeit”) als Stichwörter.

  40. #40 Roman
    17. November 2011

    @Dr.Webbaer: Ok, zu den Themen Epistemologie, Beweistheorie, Logik kann ich zuwenig sagen, als dass ich beurteilen könnte, ob die Philosophie für die Naturwissenschaften nötig ist. Ich muss nur ehrlich gestehn, dass Bild dass ich von Geistes- und Naturwissenschaften habe, ist dass, dass a in den Medien transportiert wird und was auch in den Medien breitgetreten wird. Bei Nachrichten über Naturwissenschaften lese ich da so Sachen wie “neuer Impfstoff gegen XXX” oder “technologischer durchbruch bei Xyz. Bei Berichterstattung über Geisteswissenschaften habe ich aktuell leider keine Beispiele. Eventuell kann mir einer der mitlesenden hier ein paar beispiele aufzeigen.

  41. #41 Matthias
    17. November 2011

    @CM:
    Ich kann nur für Münster sprechen: Hier soll demnächst ein neuer, sowie recht viele Junior-Prof. Stellen eingerichtet werden.

    @Roman:
    Ich schätze mal, mir gelingt es nun nicht, Dich zu überzeugen – wirkt bei der Wortwahl ein wenig so, als wäre deine Meinung schon relativ fest, wenn Du schon von “Laberfächern” sprichst 😉

    Ich kann nun am besten für Historiker sprechen, die Antwort fällt logischerweise jeweils etwas anders aus. Wertvolles? Naja! Nichts was Du in die Hand nehmen kannst, außer natürlich die Bücher, Ausstellungen und naja ganz banal: Wissen!
    Bei Geschichte könnte man zu dem noch anführen, dass ihr insofern auch die Aufgabe zukomme Identität zu stiften, z.B. eben “Woher kommen wir ‘Deutschen'”? Wer sind “wir”? etc. Schließlich bleibt dann noch die in Deutschland ja so beliebte Vergangenheitsaufarbeitung: DDR, Nationalsozialismus usw. Ganz zuletzt: Geschichte an sich “boomt” seit längerem, so sagt man – Wer soll denn die Informationen für die zahlreichen Fernsehsendungen etc. liefern und die Neugier der Leute befriedigen? Könnte man ganz banal sagen: Es interessiert viele Menschen.

    Und wie gesagt, schau Dir mal an wo Geisteswissenschaftler bzw. die, die das studiert haben, arbeiten: Die Arbeiten praktisch überall – Wirtschaft, Medien, Politik, Bildung, Kultur usf. Ein bekannter Informatiker meinte zu mir mal, dass sie bei sich in der Firma durchaus auch Historiker einstellen würden, dann natürlich nicht in ihrer Funktion als Historiker, sondern eben aufgrund der Kompetenzen, die sie im Studium erworben haben: Kommunikation, Wissensorganisation, Textkompetenz, Recherche usw., aber auch den spezifischen Blick den man im Laufe des Studiums auf viele Aspekte des “Lebens” erwirbt – ein Dozent brachte es auf den Begriff “Gegenwartskompetenz”, finde ich recht eingängig. Dies wäre zunächst der erste Grund, warum man schonmal nicht einfach so von Unproduktivität sprechen kann. Zum anderen: Wir haben nunmal eine Kultur und allein daher ist es irgendwie zwangsläufig, dass es auch Menschen gibt, die diese professionell Erforschen – besonders wenn man Kultur im weiten Sinne als das Zusammenleben insgesamt versteht!

    Hier ist z.B. auch ein gutes Beispiel zum Thema Relevanz der Forschung:

    Letztlich könnte ich auch fragen: Wofür brauche ich Astronomie? Was ist denn hier der konkrete Nutzen und was haben die Wertvolles hervorgebracht? (Ich will damit nun nicht die Astronomie in Frage stellen ;-)) Abgesehen von möglichen “Nebenprodukten” dieser Forschung, hab ich das Gefühl, ist die Lage hier recht ähnlich.

    Btw: “friere nicht dank neuer Bekleidungstechnologie hervorgebracht durch Naturwissenschaften” – ‘nen Bärenfell erfüllte den gleichen Zweck (SCNR)

  42. #42 Matthias
    17. November 2011

    Zum PhD-Comic:

    “Für ne Doktorarbeit in Medizin kriegen sie in der Germanistik nichtmal einen Proseminar schein” – Volker Pispere 😉

  43. #43 Dr. Webbaer
    17. November 2011

    @Roman
    Sollten Sie eine grundsätzliche Minderleistung der Geisteswissenschaften erkennen wollen, und Ihre bisherigen Nachrichten deuten darauf hin, wäre der Webbaer ganz bei Ihnen. – Allerdings sind die GW eben grundsätzlich erforderlich, zumindest die Philosophie. Damit keiner denkt, es wäre gut die mal eben so “wegzubomben”. 🙂

    MFG
    Wb

  44. #44 Dr. Webbaer
    17. November 2011

    Und wie gesagt, schau Dir mal an wo Geisteswissenschaftler bzw. die, die das studiert haben, arbeiten: Die Arbeiten praktisch überall – Wirtschaft, Medien, Politik, Bildung, Kultur (…)

    Aber weniger in der Produktion, inkl. Entwicklung, weniger dort, wo kognitive Höchstleistung angefordert ist, und weniger im Management. – Aber ansonsten überall dort, wo gelabert werden kann, korrekt!

  45. #45 Roman
    17. November 2011

    @cm Ja, ich muss zugeben ich habe da eine etwas vorgefertigte Meinung, ich versuche aber durchaus dazuzulernen. Ok, Geschichte hatte ich jetzt nicht bedacht. Hier sehe ich ( für mich privat) durchaus einen Nutzen, ist insgesamt sicher auch ein interessantes Thema. Aber, rein von dem gesellschaftlichen Nutzen her halte ich einen Astronomen für deutlich wertvoller als einen Historiker, und sei es nur, dass der Astronom das Wissen über neue Planeten oder auch Himmelsmechanik erforscht. Hier sehe ich in Zukunft durchaus einen potentiellen Nutzen für die Raumfahrt und damit für die Gesellschaft an sich. Was aber nutzt es einer Gesellschaft wenn ein (meiner Meinung nach ) relativ begrenzter Kreis an Historikern Bescheid weiss, warum Ereignis X passiert ist. Oder um bei meinem Beispiel der Universität Duisburg zu bleiben, ich denke ein beliebiges naturwissenschaftliches Thema bringt der Gesellschaft mehr als ein Studium mit Inhalten wie “Romanistik” Titel des Projekts: Die zeitgenössischen Kommentare zu Goyas Caprichos – Edition, Übersetzung, Deutung”.

  46. #46 Roman
    17. November 2011

    Sorry, ich muss noch etwas hinzufügen, “mit Laberfächern” meinte ich die klassischen schulischen Fächer wie z.b. Religion ( respektive ethik), Deutsch ( wo Interpretation wie schon beschrieben darin bestand möglichst viele der vom Lehrplan gewünschten Buzzwords in einen halbwegs stimmigen Text zu verpacken) Musik ( siehe interpretation möglichst viele buzzwords über Mozart, je nach Präferenz der entsprechenden Lehrkraft auch mal Schubert oder Haydn) bildende Kunst ( möglichst viele Buzzwords über Dalhi, Komposition jadajadajada) im gegensatz zu Mahematik, wo es darum ging Gleichungen lösen zu können, Integralberechnung etc. oder auch Physik oder Chemie, alles Dinge die für mich im realen Leben eine Bedeutung haben und die mir und vielen Anderen das Alltagsleben erleichtern und dazu geführt haben, dass es zumindest den Menschen in Mitteleuropa so gut geht wie nie zuvor…
    zum Bärenfell, ja wärmt auch. Hat nur Meines Wissens nach weder die Wasserabweisende Funkion von Kunststoff, noch ist winddicht…

  47. #47 Dr. Webbaer
    17. November 2011

    @Roman
    Ergänzen könnte man vielleicht noch, dass es mit den modernen gesellschaftlichen Systemen eine Infrastruktur gibt, die für Sie auch eine sehr reale Bedeutung hat.
    Und die muss ja irgendwer erdacht haben.
    Stichworte: Europäische Aufklärung, Popper, Wirtschaftswissenschaften, Eucken, amer. Verfassung, Kant & Co.

  48. #48 Matthias
    17. November 2011

    @Roman:
    “Hier sehe ich in Zukunft durchaus einen potentiellen Nutzen für die Raumfahrt und damit für die Gesellschaft an sich.”
    Wäre die Frage: Wozu Raumfahrt? 😉 – Das soll nun aber eher als rhetorische Frage stehen bleiben.

    “Aber, rein von dem gesellschaftlichen Nutzen her halte ich einen Astronomen für deutlich wertvoller als einen Historiker, und sei es nur, dass der Astronom das Wissen über neue Planeten oder auch Himmelsmechanik erforscht.”
    So betrachtet wirkt es für mich eben als reine Ansichtssache: Ich könnte auch sagen “Und sei es eben wenn der Historiker / Literaturwissenschaftler XYZ über X herausgefunden hat”

    “Was aber nutzt es einer Gesellschaft wenn ein (meiner Meinung nach ) relativ begrenzter Kreis an Historikern Bescheid weiss, warum Ereignis X passiert ist.”
    Ich denke, es ließe sich recht viel nennen. Für mich geht’s bei Geschichte auch immer um mehr als nur eben die Geschichte an sich. Durch die Auseinandersetzung mit Geschichte kriegt man m.W. ein Gefühl für Zusammenhänge, gesellschaftliche Strukturen usw. und ich habe für mich das Gefühl die Gesellschaft, wie sie funktioniert etc., besser zu verstehen, und eben zu Wissen, warum Sachen so sind wie sie sind. Davon kann man in vielerlei Hinsicht profitieren.

    Und wie gesagt: Dieses Wissen wird nunmal auch von der Öffentlichkeit gern genutzt – siehe eben die Frage “Wo kommen wir her?”. Nicht zuletzt stellt jede Generation andere Fragen an die Vergangenheit, die beantwortet werden wollen.

    Und wie gesagt: Wenn man nach dem Nutzen fragt, gilt es eben auch zu beachten, was die Studierten eben hinterher machen, m.E. – da ist dann eben schon gesellschaftlicher Nutzen.

    @Dr. Webbaer:
    “Kognitive Höchstleistungen” Soso! 😉

  49. #49 Roman
    17. November 2011

    @Matthias “Was aber nutzt es einer Gesellschaft wenn ein (meiner Meinung nach ) relativ begrenzter Kreis an Historikern Bescheid weiss, warum Ereignis X passiert ist.”
    Ich denke, es ließe sich recht viel nennen.” Könntest Du mir eventuell ein, zwei Beispiele nennen, ich kann mir den Nutzen ehrlich gesagt nicht vorstellen. Zu der Gesellschaft die Deiner Meinung nach fragt, wo kommen wir her…wenn ich jetzt mal böse sein darf, fragt die Gesellschaft ( auch durch die gwählten Politiker ) immer mehr ähnlich Fragen wie ich, nämlich, was bringt es mir monetär gesehen…letztendlich waren die eingangs gestellten Fragen ja “Zerstört die Standardisierung von Schulunterricht und Schulprüfungen das Wesen der sprachlichen und künstlerischen Fächer? Maßt sich die Politik über die Definition von Förderkriterien zu viel Einfluss auf die Entwicklung der Geisteswissenschaften an? Und erleben wir gegenwärtig die Geburt eines neuen Wissenschaftler-Typus, bei dem die intrinsische Motivation nach der Erweiterung des eigenen Wissens hinter allgemeinen gesellschaftlichen Nutzenerwartungen zurücksteht?” Mir ist eben nicht klar, mit welchem Anspruch die Geisteswissenschaften fordern dass ein Geisteswissenschaftler ( oder Wissenschaftler im allgemeinen) sich nicht an “allgemeinen gesellschaftlichen Nutzenerwartungen” messen lassen muss. Ich sage es mal ganz bewusst plump, wer die Musik bezahlt bestimmt was gespielt wird…. Ich sehe hier auch die Geisteswissenschaften stark im Zugzwang, der Gesellschaft aufzuzeigen, inwiefern es wichtig ist sie notwendigerweise frei von “Erfolgskontrollen” arbeiten zu lassen. Wenn die Geisteswissenschaften es nicht schaffen der Gesellschaft aufzuzeigen warum Sie wichtig sind, gehen Sie ,meiner Meinung nach unter. Auch Naturwissenschaften stehen meines Wissens nach vor diesem Problem, nur scheint hier die “Nutzenkommunikation” eher zu funktionieren.
    Ich persönlich sehe leider in Wissen nur um des Wissens willen keinen Grund dafür Geld auszugeben.

  50. #50 Dr. Webbaer
    17. November 2011

    @Roman

    Könntest Du mir eventuell ein, zwei Beispiele nennen, ich kann mir den Nutzen ehrlich gesagt nicht vorstellen.

    Mannomann, die modernen gesellschaftlichen Systeme sind ein klares und unübersehbares wichtiges Argument für die Existenzberechtigung der Geisteswissenschaften.

    Die müssen doch auch gewartet, gepflegt & weiterentwickelt werden…

    Oder ist man mittlerweile im Schulsystem gänzlich dem Relativismus und Multikulturalismus verfallen, alles geht, alles irgendwie OK, Meinungen sind Vorurteile und Vorurteile sind per se dringend abzulehnen?

    Könnte ja sein, man trifft regelmäßig so gebildete Nachwuchskräfte im doitschsprachigen Raum. Geben Sie mal ein Zeichen, Roman.

    MFG
    Wb

  51. #51 Roman
    17. November 2011

    @ Dr. Webbaer: Sorry ich kann Dir nicht ganz folgen, für was soll ich ein Zeichen geben?
    Und was meinst Du mit Relativismus und Multikulturalismus? Ich bin in der Schule (allgemeinbildendes Gymnasium dann Berufschule) häufig eher angeeckt, weil ich meine Meinung über die Sinnhaftigkeit der “allgemeinbildenden Fächer ” sehr deutlich kommuniziert habe und meistens auch sehr disjussionsfreudig war. Die offizielle Linie bzw. Antwort auf die Frage warum beispielsweise Religion in der Berufschule oder an einem allgemienbildenden Gymnasioum einen Wert hat war “Ist so….” Was an Multikuluralismus (ich verstehe dass jetzt mal im Sinne von “eine multikulturell geprägte Gesellschaft fördern) schlecht sein soll erschliesst sich mir leider nicht.

  52. #52 Roman
    17. November 2011

    btw, an alle, ich bitte meine Rechtschreibefehler zu entschuldigen, leider habe ich derzeit einen Arm im Gips und kann daher nur schlecht die einzelnen Tasten meiner Tastatur treffen.

  53. #53 Dr. Webbaer
    17. November 2011

    @Roman
    Was ist denn unklar an der Aussage, dass alleine das Vorhandensein der modernen freien gesellschaftlichen Systeme die Geisteswissenschaften in ihrer Existenz dringend bestätigt. [1]

    Den Historiker und alles was da noch kreuch und fleucht. Das wirkliche Problem ist, dass es viele nutzlose Arbeit an den Unis gibt. Beispiele kennen Sie.

    MFG
    Wb

    [1] Bei Marx, Adolf, Kim Yong oder Allah könnte man hier streiten. 🙂

  54. #54 Matthias
    17. November 2011

    @Roman:
    ich würde mal sagen der liebe Doktor möchte Dir sagen: GeWis haben keinen Sinn 😉

    “Könntest Du mir eventuell ein, zwei Beispiele nennen, ich kann mir den Nutzen ehrlich gesagt nicht vorstellen.”
    Danach habe ich m.E. erwähnt, wo ich persönlich den größten Nutzen in diesem Wissen sehe.

    Aber gerade eben habe ich ein Beispiel aus der Literaturwissenschaft gefunden. Eine Dissertation zum Thema: “Poetik des Terrors. Darstellungen politisch motivierter Gewalt in deutscher Gegenwartsliteratur”. Im ersten Moment: “Schön…und?” Im Abstract taucht aber eine Frage, die ich durchaus für wichtig halte: “Welche Positionen werden im stark politisch-moralisch gefärbten Diskurs eingenommen?” – Das ist m.E. kein Elfenbeinturmthema.

    “wenn ich jetzt mal böse sein darf, fragt die Gesellschaft ( auch durch die gwählten Politiker ) immer mehr ähnlich Fragen wie ich, nämlich, was bringt es mir monetär gesehen”

    Dem kann ich entgegenhalten: Es gibt immer mehr Menschen, die sich für Geschichte etc. interessieren, es wird immer Leute geben die sich für Literatur interessieren etc. und da vielleicht dann sagen: Das ist es mir wert. Klar, dass natürlich in solchen Zeiten, wo Geld mal wieder knapper wird, dass dann eben diese Frage wieder verstärkt aufkommt und ja auch gerechtfertigt ist.

    “Ich persönlich sehe leider in Wissen nur um des Wissens willen keinen Grund dafür Geld auszugeben.” Hm: “dass der Astronom das Wissen über neue Planeten” 😉

    Das bleibt aber ja letztlich Ansichtssache. Aber wie gesagt: Es geht ja nicht nur einfach um historisches Wissen, sondern ebenso gleichzeitig auch um ein besseres Verständnis der Gesellschaft. Das ist schon wichtig meines Erachtens.

    “Wenn die Geisteswissenschaften es nicht schaffen der Gesellschaft aufzuzeigen warum Sie wichtig sind, gehen Sie ,meiner Meinung nach unter. ”
    Wie gesagt: Ja, Geisteswissenschaftler müssen lernen etwas besser sich zu verkaufen. Andererseits muss man aber auch sagen: Wenn die Fächer von vornherein als Laberwissenschaften abgestempelt sind, ist das natürlich ein schwieriges Unterfangen. Hier würde ich auch etwas mehr Interesse einfordern wollen. Oder mal so gesagt: Es ja irgendwo verständlich, dass es auf dauer – mal doof gesagt – keinen Spaß macht, ständig gegen diese Vorurteile “GeWis sind doch Nutzlos” andiskutieren zu müssen. Da ist natürlich auch der Schulunterricht etwas schuld dran, bei dem ja nie darüber gesprochen wird, wozu nun Gedichtinterpretationen gut sein sollen, sondern das wird einfach gemacht.

    Andererseits ist es ja auch nicht so, als würde keiner außer den GeWis den Sinn der Fächer sehen.

    “Mir ist eben nicht klar, mit welchem Anspruch die Geisteswissenschaften fordern dass ein Geisteswissenschaftler ( oder Wissenschaftler im allgemeinen) sich nicht an “allgemeinen gesellschaftlichen Nutzenerwartungen” messen lassen muss. ”

    Das ist denke ich so pauschal auch nicht richtig. Es ist ja nicht so, als würden GeWis sich diese Frage nicht stelle, ganz im Gegenteil: Der Nutzen ihrer Disziplinen wird m.E. dort so diskutiert wir kaum an anderer Stelle. Aber hier ist ja von Nutzungserwartungen die Rede: Hier würde ich auf den Abschnitt davor verweisen.

    Zum anderen hat sowas aber könnte ich mir vorstellen auch historische Gründe: Allzuhäufig wurde Geschichte instrumentalisiert und durfte als Legitimierung für

  55. #55 Matthias
    17. November 2011

    Achja: Simples Beispiel, wäre die Frage: “Wie konnte so etwas wie der Nationalsozialismus, Massenmord usw. entstehen?”

  56. #56 BreitSide
    17. November 2011

    @roman: hast Du schon mehr mit dem braunen Petz zu tun gehabt?

    Der setzt hier immer nur seine braunen Ekelhäufchen ab. In einigen Blos hier ist er schon persona non grata, man hat ihm also erfolgreich die Gräten gezogen.

    Klar, dass der reaktionäre Pseudo-Doc vehement gegen Multikulti ist.

  57. #57 Roman
    17. November 2011

    @ Matthias, okay, eine Untersuchung aktueller politischer Zustände muss sogar ich einen Nutzen zugestehen… zwar keinen konkret monetär bewertbaren, aber Nutzen durchaus. Ich will auch auf keinen Fall allen Geisteswissenschaftlern oder Geisteswissenschaften unterstellen komplett nutzlos zu sein. Nur ist mein Problem ( und diese Meinung herrscht auch in meinem Bekanntenkreis vor) dass Geisteswissenschaften teilweise unter einer starken Subjektivierung der zugrundeliegenden Daten leiden beispielsweise Poetik des Terrors. “Darstellungen politisch motivierter Gewalt in deutscher Gegenwartsliteratur”. Ich denke hier fängt schon ein subjektiver Auswahlprozess an, was man als Gegenwartsliteratur bezeichnet…. Wegen dem konkreten Nutzen, nach Deinem Einwand den Astronomen betreffend, muss ich zugeben, dass auch die Entdeckung neuer Planeten derzeit erstmal keinen konkreten Nutzen hat.
    Ich kann mir auch vorstellen, dass alle Geisteswissenschaftler es schwer finden, den Sinn “Ihres” Forschungsgebietes immer wieder erklären zu müssen und immer wider als “Laberfächer ” dargestellt zu werden. Nur, wenn Philosophen, Theologen, Germanisten etc ( Ich nenne jetzt mal stellvertretend einige Fächer die meiner Meinung nach viel mit Sprache und Kommunikation zu tun haben) es nicht schaffen den Nutzen der jeweiligen Fachgebiete in der Gesellschaft zu kommunizieren und sich gegen das Label Laberfächer zu verteidigen, dann haben eben die mit diesen Fächern befasste Ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Stichwort Elfenbeinturm, ich muss zugeben, dass mir dieses Wort leider immer im Zusammenhang mit Artikeln einfällt die in etwa so anfangen “der bekannte Philosph Xyz äussert sich zur Problematik der “hier neue naturwissenschaftliche Erkenntnis einfügen” ich will sicher nicht von mir (und meinem naturgemäß beschränkten Bekanntenkreis) auf die Gesamtgesellschaft schliessen, aber ich merke da eher ein abflachendes bzw. gleichbleibend niedriges Interesse an den “Allgemeinbildenden Themen” und ein eher starkes Interesse an naturwissenschaftlichen Themen.

    Ich denke, um die Frage nach dem Sinn der Geisteswissenschaften für mich befriedigend beantworten zu können, werde ich mich doch über meine Vorurteile hinaus etwas mehr damit beschäftigen müssen. Jetzt ist meine Frage nur, gibt es dazu empfehlenswerte Literatur, in der eben auch auf die Frage der Sinnhaftigkeit eingegangen wird und in der (wenn das mögllich ist) auch darauf eingegangen wird, wie die konkreten Auswirkungen auf die Gesellschaft waren? z.B. erwähnte Dr.Webbaer Karl Popper, da ist so ein Wikipediartikel ja ganz nett, nur was ich bräuchte wäre eine Einordnung der tatsächlichen “realen Bedeutung” von dessen Arbeit… Oder anders gefragt, gibt es Literatur zum Thema “Geisteswissenschaftler, Bedeutung für die Gesellschaft, real bemerkbare Folgen…
    (Sorry wenn dass irgendwie so klingt als wollte ich mich darüber lustig machen, ich habe nur keine Ahnung wie ich dass ausdrücken sollte)

  58. #58 BreitSide
    17. November 2011

    @Matthias: richtig, gerade Geschichte ist eminent wichtig, um zu verstehen, wie Menschen ticken und was alles Schlimmes passieren kann, wenn Einige nicht richtig ticken.

    Für ein richtiges Verständnis – und die Nutzung dieses Verständnisses für unsere Gegenwart – brauche ich dann aber auch eben sehr viele Völker und sehr lange Zeiten. Und das kann eben nur die Geschichtswissenschaft.

    Und damit sind wir gleich bei der Soziologie. Dem Verständnis der Interaktionen der Menschen, deren Verhalten über die Psychologie beschrieben wird.

    Und so weiter und so fort.

  59. #59 grätsche
    17. November 2011

    @Roman
    Also ohne groß Nachdenken zu müssen, fällt mir DIE Revolution schlechthin ein: Die Aufklärung. Mit ausgelöst durch Descartes, Voltaire, Rousseau, Hume, Kant, Hobbes, Lock usw. …Die Aufklärung hat den Weg erst freigemacht für die Naturwissenschaften wie wir sie heute kennen. Das dürfte niemand, auch kein Naturwissenschaftler anzweifeln können. Alles im Leben ist doch immer ein Auf und ab, das Pendel schlägt mal auf die eine, mal auf die andere Seite aus. Es könnte durchaus sein, dass irgendwann die Naturwissenschaften in eine große Krise kommen und man bei den Geisteswissenschaftlern einen Aufschwung erlebt. Warum nicht? Nur man angenommen, die Menschheit geräte in eine existenzielle Krise … könnte man da auf GeWis verzichten? Meiner Meinung nach befindet sich weder die NaWi noch die GeWi in der Situation sich als die “wertvollere” Disziplin zu sehen.

  60. #60 Matthias
    17. November 2011

    Nein, so direkt kenne ich keine Literatur, wollte mich aber immer mal auf die Suche begeben. Zu Geschichte an sich kenne ich ein wenig was, aber nichts was wirklich “eingängig” ist. Vielleicht in dem Buch, um das es im Artikel ging? 😉 Ich habe aber das Gefühl, dass sie in der Fragestellung nicht so ausführlich behandelt wurde – könnte man ja mal schließen, die Lücke 😉

    “dass Geisteswissenschaften teilweise unter einer starken Subjektivierung der zugrundeliegenden Daten leiden”
    Ja, das liegt letztlich eben aber auch daran, dass es in diesen Fächern eben stärker als bei NaWis um die (persönliches) Interessen des jeweiligen Forschers geht – ich hätte das nun aber nicht als “leiden” beschrieben.

    Der Verweis auf Gegenwartsliteratur: In einer solchen Arbeit sollte natürlich die Auswahl der Daten begründet werden. Andererseits ist es aber auch so, dass es letztlich eine Auswahl bleiben muss, weils sonst manchmal etwas ausufern kann, was die Menge des Materials angeht 😉 Aber das wird in der Regel mitbedacht und reflektiert – sollte es zumindest. In der Geschichtsforschung steht man manchmal auch vor dem Problem, dass man z.B. mehrere tausend Akten vor sich haben kann – da ist es praktisch unmöglich alle gleichermaßen zu berücksichtigen.

  61. #61 Roman
    17. November 2011

    @Grätsche, hmm, okay die Aufklärung ist natürlich so ein Fall. Ist halt nur die Frage, kann man da den EInfluss irgendwie quantifizieren, oder klar sagen ohne “im weiteren Sinne Geisteswissenschaften” (btw, wie würde man die heute einordnen) hätte es dass nicht gegeben?
    Ich meine, wenn ich heute einen PC betrachte kann ich klar sagen, dass es so etwas ohne Naturwissenschaften nicht gegeben hätte. ( Physik,Chemie,Mathematik…etc…etc)
    Wenn ich lustig bin kann ich sogar einzeln ausführen welche naturwissenschaftliche Arbeit für welches Teil unbeding notwendig war. Ist so etwas auch bei den Geisteswissenschaften möglich?
    Zum Thema existenzielle Krise, ich denke in so einem Fall wären die Geisteswissenschaften eher Luxus. ( Extremfall, globale Katastrophe durch Krieg,Meteor was auch immer, da denke ich wären konkrete Lösungen wie man die Überlebenden auch weiterhin am Leben erhält (Naturwissenschaften) wichtiger als Überlegungen zu politischen Systemen oder Gesellschaftsbetrachtungen….) Aber, sehe ich das richtig, dass die Aufklärung ein guter Punkt ist um mal in Geisteswissenaschaften einen Blick zu werfen?

  62. #62 grätsche
    18. November 2011

    @Roman
    Verstehe schon, was Du meinst. Es ist m.E. nicht möglich das zu quantifizieren. Aber dennoch ist es richtig – oder? Es gibt im Berufsleben auch Projekte, die zwar keinen seriös quantifizierbaren Nutzen erwirtschaften, aber dennoch mit dem “gesunden Menschenverstand” beurteilt unverzichtbar sind.

    Und “Luxus” in einer existenzielle Krise? Woher kämen denn die Impulse für politische, soziale und wirtschaftliche Neuformierungen? Von den NaWis? Nee … da denke ich müssten schon Menschen ran, denen es gelingt eine ganze Gesellschaft wieder in Bewegung zu bringen. Die GeWis müssten den Weg weisen / die Vision aufzeigen und die NaWis müssten die Schneise schlagen / die Kraft auf die Strasse bringen. Wenn ich das mal so blumig formulieren darf. So sehe ich das.

  63. #63 grätsche
    18. November 2011

    Nachtrag:
    Aus der geistestwissenschaftliche Richtung könnte z.B. die Gesellschaft davon überzeugt werden, dass man künftig mit einer Kreislaufwirtschaft arbeiten möchte. Um diese Vision umzusetzen braucht man aber die naturwissenschaftliche Forschung. Fällt mir nur gerade so ein, weil ein Bekannter von mir auf dem Gebiet der Kreislaufwirtschaft sehr erfolgreich ein Unternehmen umgekrempelt hat (mit Hilfe genialer Ingenieure). Aber um das in einer ganzen Gesellschaft durchzusetzen, müsste der Wille dazu erstmal verankert werden (ähnlich der Ökostrom-Bewegung).

  64. #64 Matthias
    18. November 2011

    Naja – die Sache ist aber ja die: GeWis haben das “Problem”, dass sie ihren Gegenstand nicht für sich pachten können. Während man einem Naturwissenschaftler als Laie wohl nur selten sagen würde, dass man das total anders sieht, ist bei GeWis ja eher das Gegenteil der Fall: Jeder kann, darf und soll philosophieren oder sonst was. Also: Man muss natürlich kein studierter Geisteswissenschaftler sein um “eine ganze Gesellschaft wieder in Bewegung zu bringen” 😉

  65. #65 grätsche
    18. November 2011

    @Matthias:
    Dem könnte man entgegensetzen, dass man kein studierter Naturwissenschaftler sein muss um geniale Erfindungen zu machen. Ich denke Du hast schon verstanden, was ich meinte.

    (Ach und … jeder kann sich auch Naturwissenschaftler nennen. Das gibt’s ja hier beliebte Beispiele *hihi*. Wissenschaftler ist keine geschützte Berufsbezeichnung.)

  66. #66 Matthias
    18. November 2011

    @grätsche: Ja natürlich. Ich meinte ja auch nicht, unbedingt die Befähigung. Was ich meine ist, dass einem als Naturwissenschaftler prinzipiell größere Autorität zuteil wird, weil er sich mit etwas befasst, über das man als Laie nichts weis. Über Geschichte oder Literatur etc. kann aber jeder etwas sagen und sich eine – mehr oder weniger – fundierte Meinung bilden.

  67. #67 Roman
    18. November 2011

    @Matthias und @ Grätsche, Ich sehe schon meine Vorliebe für klar quantifizierbare Vorgänge werde ich in den Geisteswissenschafte nicht zu 100 % befriedigen können 🙂 Ich hätte noch eine Frage, gibt es dann zumindest eine Art Grundgerüst für die Geisteswissenschaften, oder zumindest, geisteswissenschaftliche Werke, die ein jeder Geisteswissenschaftler kennen “muss”? (Bei den Naturwissenschaften sehe ich in der Rolle des Grundgerüsts Mathemathik, und die Quantifizierbarkeit)
    Da ich jetzt das Gespräch für heute ruhen lassen muss, wünsche ich schon mal allen eine gute Nacht und danke für die Antworten….

  68. #68 Matthias
    18. November 2011

    “Ich hätte noch eine Frage, gibt es dann zumindest eine Art Grundgerüst für die Geisteswissenschaften, oder zumindest, geisteswissenschaftliche Werke, die ein jeder Geisteswissenschaftler kennen “muss”?”

    Das Problem ist dabei m.E., dass die Kategorie Geisteswissenschaft ‘nen bissal schwammig ist. Darunter fallen ja ne ganze Reihe höchst unterschiedlicher Disziplinen, die sich denke ich zur Zeit auch sehr weit ausdifferenzieren. Klar bedienen sie sich ähnlicher Methoden und Theorien, aber einen theoretischen Rahmen, der sie verbindet gibt es m.W. nicht.

    Was ich spontan sagen würde: Etwas umdefinieren und von Kulturwissenschaften sprechen, worunter dann z.B. Literatur- und Geschichtswissenschaften fallen würden: Da gibt’s zahlreiche Einführungen zu 😉

  69. #69 grätsche
    18. November 2011

    @Matthias:
    Also Deinen letzten Satz das wage ich zu bezweifeln. Oder anders gesagt: Schön’ wärs! Und die NaWis beklagen auch, dass so viele Pseudos herumlaufen. Im übrigen schließe ich mich jetzt @Roman an und wünsche allen eine guten Nacht 🙂
    Danke Dir und allen anderen für die kultivierten und interessanten Kommentare!

  70. #70 Dr. Webbaer
    18. November 2011

    @Roman

    Jetzt ist meine Frage nur, gibt es dazu empfehlenswerte Literatur

    Lesen Sie sich mal philosophisch ein, Dr. W empfiehlt hier Sekundärliteratur zu den großen Aufklärern, dazu vielleicht später oder dann ergänzend wirtschaftswissenschaftliche Arbeiten, Eucken wurde schon genannt, dosiert dürfen auch Hayek und Mieses zK genommen werden…
    Rothbard für die ganz Feinen, Finger weg von linken Texten natürlich, sind Zeitfresser und weitgehend tradiert.

    Man findet dann alles in den laufenden gesellschaftlichen Systemen wieder, der Liberalismus bzw. die Ideen der Aufklärung haben ja gesiegt; wenn dann alles fit ist, darf die Gegenbewegung betrachtet werden, die Horschte und Antiaufklärer, die Sozialisten und natürlich auch relig. irrende Kräfte. Ischt ja alles Geisteswissenschaft. Sozusagen, als allerletztes kann man auch auf die antike Philosophie zurückschauen.

    HTH
    Dr. Webbaer

    PS: Alles günstig, alles Wiki oder Google-Books…

  71. #71 BreitSide
    18. November 2011

    @Matthias: auch eine gute Nacht und Dank für die klugen Gedanken. Hier ein Vorschlag zur Präzisierung:

    “Über Geschichte oder Literatur etc. kann aber jeder etwas sagen und sich eine – mehr oder weniger – fundierte Meinung bilden.”

    Der Abstand dieser Laienmeinungen zu den Erkenntnissen der Wissenschaft ist aber gleich bei Na- und GeWis. Nur merkt man es bei NaWis leichter.

  72. #72 Dr. Webbaer
    18. November 2011

    @Matthias

    @Roman:
    ich würde mal sagen der liebe Doktor möchte Dir sagen: GeWis haben keinen Sinn 😉

    Da kann man ja zusammen mit Werner Herzog und Rainer Werner Fassbinder sagen: “Ich bin nicht verstanden worden.” LOL

    -> https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kino/berlinale-sandalen-und-kurze-hosen-1516199.html

    MFG + GN8
    Dr. Webbaer

  73. #73 CM
    18. November 2011

    Puh, da ist in der letzten Nacht Einiges zusammengelaufen. Ich bitte um Verständnis, wenn ich es heute und fürs WE bei diesem einem, kurzen Kommentar lassen muß. Also, ein lose paar Gedanken zum gerade Gelesenem:

    Zwischen Sein und (medial reflektiertem) Schein, das vorab, gibt es auch in den Naturwissenschaften einen ernormen Widerspruch. “Gen für X entdeckt”, “Gottesteilchen” und Co, haben nichts, aber auch gar nichts mit der Natur der Naturwissenschaft zu tun, sondern schlicht mit dem Ego handelnder Personen (in Wissenschaft und Presse). Es ist müssig auf der Basis überhaupt zu argumentieren.

    Ob Naturwissenschaftler Philosophie zum erkenntnistheoretischem Unterfüttern ihrer Arbeit benötigen wage ich zu bezweifeln. Der Kritische Rationalismus ist ganz nett, aber bevor ich persönlich das erste Mal von Popper & Co. hörte, hatten meine ersten Paper schon Staub angesetzt. Also: Praktischen Nutzen kann ich nicht direkt erkennen.

    Was med. Dissertationen und med. Forschung in Deutschland angeht bin ich fast auf einer Linie mit der Ansicht Martin Spiewaks ( https://www.zeit.de/2011/35/Doktorarbeit-Medizin-Forschung/ ), außer das nicht-medizinische Institute in den medizinischen Fakultäten zusätzliche positive Ausnahmen darstellen. Das führt mich zwanglos zur Frage: Ist Medizin eine Naturwissenschaft? Gibt es überhaupt nur eine Dichotomie der Wissenschaften? Wir dürften uns einig sein: In der Diskussion kann man manchmal so denken – ein ander Mal dürfen Gesellschaftswissenschaften nicht in einen Topf mit der Philosophie, und Medizin nicht in einen Topf mit “Naturwissenschaft” geworfen werden – womit sich bei mir jedenfalls auch keinerlei Wertung verbindet.

    Die Finanzierung durch die DFG (partiell @Martin) hat nicht unbedingt etwas mit der Qualität der Begünstigten zu tun, denn da hat das Proporzdenken einen ganz ganz großen Stellenwert. 😉

    Mein Fazit: Die Geisteswissenschaften in Deutschland müssen sich in den kommenden Jahren argumentativ wappnen (und dabei nicht der Versuchung erliegen wirtschaftsnah sein zu wollen), international öffnen und und den Schwaflern in den eigenen Reihen Einhalt gebieten – dann haben sie weiterhin eine gute Zukunft.

  74. #74 Gustav K.
    22. November 2011

    In den Naturwissenschaften ist es ja üblich, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Diesem löblichen Beispiel möchte ich jetzt mal folgen und darum sagen (auf das es auch noch der letzte versteht):
    1. Die Geisteswissenschaften* sind der größte Bullshit seit Anbeginn der Menschheit (mit Ausnahme von Mathematik, Logik, Geschichte, Kunst und Musik)

    2. Die Naturwissenschaften sind der größte Segen seit Anbeginn der Menschheit.

    *Besonders großer Bullshit sind Politische “Wissenschaft”, Theologie, Germanistik, Literatur”wissenschaft”

    Es falle einem jeden Leser auf, dass sich praktisch jeder Depp über “Theorien” der o.g. “Gebiete” äußern kann – ein klares Schema Wahres von Unwahrem zu trennen, fehlt diesen Feldern völlig.
    Da fällt es dem Laien doch erheblich schwerer, über Quantenchromodynamik, Dichtefunktionaltheorie oder evolutionäre Spieltheorie zu sprechen. Unkenntnis dieser Felder fällt dem Experten hier schnell auf und der sich dazu äußernde Laie läuft schnell Gefahr, sich komplett lächerlich zu machen. In den Geistes”wissenschaften” ist es gar nicht möglich, sich lächerlich zu machen, da hier noch nicht mal ein gemeinsamer Grundkonsens unter den “Forschern” vorherrscht. Manch böser Fink könnte argumentieren, man könne sich in den Geistes”wissenschaften” nicht selbst lächerlich machen, da diese selbst schon lächerlich genug seien.

  75. #75 BreitSide
    23. November 2011

    @Gustav K: ganz schön arrogant.

    In den Geistes”wissenschaften” ist es gar nicht möglich, sich lächerlich zu machen, da hier noch nicht mal ein gemeinsamer Grundkonsens unter den “Forschern” vorherrscht.

    Unkenntnis in einem Gebiet fördern die Urteilsschärfe. Hat hier jemand grad “Dunning-Kruger” gerufen?

  76. #76 Matthias
    23. November 2011

    Warum ist Kunst denn dann bitte kein Bullshit? 😉

  77. #77 Dr. Webbaer
    24. November 2011

    Die Naturwissenschaften sind der größte Segen seit Anbeginn der Menschheit.

    Wobei die N-Wissenschaften aus den Geisteswissenschaften hervorgingen…

    Die Weichheit der Geiseswissenschaften ergibt sich aus den wissenschaftlichen Grenzen, die diese angehen und aus der Komplexität der Vorhaben. [1] Es ist immer noch leichter einem noch nicht gefundenen Teilchen hinterherzujagen, als bspw. die evolutionäre Spieltheorie, metaphorisch ein klassisch soziologisches Thema, oder die Klimaprognostik aufzubauen und zu ergründen. Die Klimaprognostik gelangt bspw. mit einem sogenannten Institut für Klimafolgenforschung wieder in Teilen in den geisteswissenschaftlichen Bereich zurück…

    [1] Vieles ist nicht wissenschaftlich greifbar und wer hätte bspw. die Systeme der Aufklärung erdenken sollen, N-Wissenschaftler?

  78. #78 dominique blickenstorfer
    13. Dezember 2011

    Sehr geehrte Damen und Herren!

    Ich bin ebenfalls ganz der Ueberzeugung, dass der heutige Schulunterricht zu sehr und zu einseitig von den wirtschaftlichen und studienmässigen Lernanforderung statt deren Vernetzung mit den individuellen Interessen, Begabungen etc. ausgeht. Das müsste sich dringend ändern zugunsten des letztgenannten Weges. Wer hat sich darüber ebenfalls schon Gedanken gemacht? D.Blickenstorfer

  79. #79 dominique blickenstorfer
    13. Dezember 2011

    Sehr geehrte Damen und Herren!

    Ich bin ebenfalls ganz der Ueberzeugung, dass der heutige Schulunterricht zu sehr und zu einseitig von den wirtschaftlichen und studienmässigen Lernanforderung statt deren Vernetzung mit den individuellen Interessen, Begabungen etc. ausgeht. Das müsste sich dringend ändern zugunsten des letztgenannten Weges. Wer hat sich darüber ebenfalls schon Gedanken gemacht? D.Blickenstorfer