Während Joachim Gauck vor zwei Jahren nicht nur als “Kandidat der Herzen”, sondern auch als “Kandidat der Netzgemeinde” gehandelt wurde, begann nach dessen zweiter Nominierung am Sonntag ein bis heute andauernder Sturm der Gauck-Kritik bei Facebook, Twitter sowie in der Blogosphäre.

Kern der Kritik sind Aussagen Gaucks zur Occupy-Bewegung, der er – vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen in der DDR – vorhält, dass ein durch den Staat gelenktes Bankwesen keineswegs besser funktioniert (dem kann man eigentlich nur zustimmen) sowie ein kritischer Kommentar seinerseits zur Übernahme des Begriffs “Montagsdemonstrationen” durch Anti-Hartz-IV-Protestler im Jahr 2004 – auch dies dürfte vor dem Hintergrund von Gaucks Erfahrungen in einer Diktatur nachvollziehbar sein, schließlich ist eine genehmigte Demonstration in einer Demokratie kaum mit einer illegalen Demonstration in einer Diktatur zu vergleichen, in der politischen Gegnern nicht nur die psychologische “Zersetzung” durch den Geheimdienst, sondern auch Folter und Mord drohten.

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Das größte Echo fand allerdings ein einzelner, aus dem Kontext gerissener Satz Gaucks aus einem zwei Jahre zurückliegenden SZ-Interview, in dem er Thilo Sarrazin “Mut” attestiert. Liest man sich das gesamte Interview einmal durch, wird jedoch schnell klar, dass Gauck das umstrittene Sarrazin-Buch gar nicht gelesen hat, dessen Biologismen grundsätzlich ablehnt und den “Mut” ganz sicher nicht darin sieht, populistische Thesen zu verbreiten, sondern vielmehr darin, ein schwieriges Thema anzusprechen, das zu oft aus der Angst heraus, falsch verstanden werden zu können, nicht angerührt wird. Von meiner – eher kommunalpolitisch geprägten – Warte aus gesehen, halte ich diesen Ansatz für durchaus richtig. Wenn “heiße Eisen” von vernünftigen Demokraten zu sehr gemieden werden, überlässt man wichtige Themen wie die Integration automatisch den Spinnern, den Radikalen, den Unruhestiftern, den Neonazis und den Populisten wie Sarrazin.

Dass man Gauck die geistige Nähe zu Sarrazin zu Unrecht attestiert, lässt sich sehr schön anhand seiner 2010 im Deutschen Theater gehaltenen Grundsatzrede demonstrieren. Der (kurze – die bisherigen Schwerpunkte Gaucks lagen ja auch in anderen Themenbereichen) Part zum Thema Integration und Zuwanderung findet sich im eingebetteten Video ab Minute 31 (obwohl natürlich die ganze Rede definitiv hörenswert ist und ich jedem Leser daher nur empfehlen kann, sich die 50 Minuten Zeit bei passender Gelegenheit zu nehmen). An das Video schließt sich ein von mir verfasstes Transkript an.

Wir wollen eine solidarische Gemeinschaft sein, so sagte ich. Das gilt natürlich auch in den Bereichen, wo viele von uns Ängste haben. Ängste etwa, wie sie in Berlin mit Händen zu greifen sind, wenn wir an Areale denken, wo allzuviele Zugewanderte und allzuwenig Altdeutsche leben.

Sie kennen doch das Problem, wenn die Kinder plötzlich aus der Schule abgemeldet werden. Also das ist uns allen sehr vertraut – und ständig werden Ressentiments gepflegt und werden auch neu wieder ins Leben gebracht und wieder andere rackern sich ab, sie zu minimieren.

Das ist ein langwieriger Prozess. Wir werden noch lange mit diesen Ressentiments zu kämpfen haben – aber das kann uns doch nicht daran hindern, eine aufnehmende und einladende Gesellschaft zu werden. Jeder weiß doch, dass schon die bloße Vernunft uns sagt – wenn schon nicht die Neigung – dass wir unsere Zuwanderer brauchen, schon allein aus demografischen Gründen. Könnten nicht die, wenigstens, die keine Neigung haben, sich dem Fremden anzuschließen – könnten sie nicht wenigstens die Vernunft benutzen, um einen Weg zu ihnen zu finden?

Vor kurzem, meine Damen und Herren, war ich in einer Begegnung tief bewegt als ich die mangelnde Beheimatung spürte, die viele von ihnen noch immer verspüren, selbst wenn sie hier geboren wurden. Ich dachte kurz an meine Begegnung mit verschiedenen Zugewanderten in den USA; ich habe [dort] immer wieder Leute getroffen, die ein, zwei Jahre dort waren, aus Asien und Afrika kommend und die mich anschauten und anstrahlten:

“Yes, that’s my country and I like it.”

Dieses Lachen im Gesicht: Ich bin hier, ich bin hier zu Hause. Ich war fremd, aber ich bin hier. Und nun kam ich zurück und mir begegnet eine junge Frau, die als Tochter türkischer Eltern hier zur Schule ging; sie ist akademisch ausgebildet und ist in führender Position in unserem Gemeinwesen tätig.

Sie ist politisch aktiv, sie ist “on the top”. Und als ich mich vorstelle in einer unserer Bundestagsfraktionen sitzt sie nun neben mir und schaut mich an und sagt zu mir mit ihrem offenen Gesicht:

“Sie haben davon gesprochen, dass wir das Volk sind und dass wir ein Volk sind. Und – bin ich denn auch dabei wenn Sie so sprechen?”

Es war eine Minute die dann kam, in der keiner von uns sprechen konnte. Und ich merkte plötzlich im Herzen was mein Kopf schon wusste: Wie weit wir noch entfernt sind von einer Gesellschaft in der die, die hier sein wollen, auch in der Nähe dessen sind, was wir schätzen – auch in unserer Nähe sind. Und wie auch immer wir über die Probleme der Zuwanderung denken – an diesem Punkt könnte ein wenig mehr “Vereinigte Staaten” in das Gemüt dieser Nation tropfen.

Ich weiß, das Ressentiments nicht nur auf der Seite derer sind, die hier schon immer waren. Ist auch ganz klar. Ich gehöre nun nicht zu denen, die in absoluter Reinheit die Vokabeln der Political Correctnes aufsagen wollen.

Also: Natürlich muss man auch Herrn Buschkowsky zuhören hier in Berlin. Er spricht Gefühle aus, die ausgesprochen werden müssen. Und wir erinnern uns daran, dass wenn eine Seite sich schützt mit Ressentiments und Abgrenzung, die andere Seite natürlich nur dazu angeregt wird, das zu tun, was sie ohnehin schon kann: sich ihrerseits abzugrenzen, Kulturen der Abgrenzung und Abschottung zu bilden. Und das kann uns nicht gefallen. Wir werden also auch in diese Richtung sprechen: Leute, Mitbewohner, Mitbürger: Wenn ihr wollt, dass eure Kinder mitspielen als Anwalt, als Kaufmann, als Journalistin und als Abgeordnete – dann sorgt dafür, dass sie rechtzeitigt Deutsch lernen. Nicht schlecht wäre es, ihr würdet es auch lernen. Diese Dinge müssen wir doch auch [aus]sprechen: Verantwortung gehört in alle Teile der Gesellschaft.

Auf die 140 Zeichen eines Tweets verkürzt lautet die Botschaft dieser Rede “WTF? #Gauck findet, es gibt in Berlin zuwenig “Altdeutsche”! #Sarrazin #notmypresident”. Dass sich die Realität etwas anders darstellt, erschließt sich bei diesem (künftigen) Präsidenten nur dann, wenn man bereit ist, sich die nötige Zeit für seine oft eher umfangreichen Ausführungen zu nehmen. Es mag in Zeiten von Web 2.0 und 5-Minuten-Newsclips im TV unüblich sein – aber für diesen Präsidenten werden wir das aufmerksame Zuhören wohl wieder lernen müssen.

Schaden wird uns dies sicher nicht.

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Kommentare (89)

  1. #1 Ludger
    22. Februar 2012
  2. #2 Walter
    22. Februar 2012

    Ich bin bezüglich der Sarrazin-Äußerung leider etwas unduldsamer. Zum Zeitpunkt des Interviews im Dezember 2010 konnte man – wenn man wollte – als auch nur oberflächlicher Verfolger der Debatte zwei Dinge wissen:

    1.) Sarrazins These ist nicht, dass es in einigen Großstädten Probleme mit der Integration gibt. Sondern: “Deutschland schafft sich ab”, weil die Muslime “uns” qua Geburtenrate übernehmen, was “uns” außerdem verdummen lässt.

    2.) Zur Stützung seiner These hat Sarrazin nach eigener Aussage Daten frei erfunden.

    Ich weiß nicht, wie man sowas “mutig” finden kann. Ich verstehe auch nicht, wo man da ein “reales Problem” identifizieren will.

    Von daher sind Gaucks Äußerungen wirklich unterirdisch.

    Andererseits denke ich nicht, dass Gauck wirklich mit Sarrazin sympathisiert. Ich vermute eher, dass das so ein typisches Einerseits-Andererseits-Gerede ist, wo man halt keinem auf die Füße treten will. Das ist sicher legitim für einen Politiker, aber etwa konträr zu Gaucks Image.

  3. #3 Stephan
    22. Februar 2012

    Ja, sehe ich auch so, dass man Gauck hier Unrecht tut und ihn schlecht/falsch zitiert.

    Mich stört bei der ganzen Präsidenten-Kür eher dies hier:

    https://hpd.de/node/12950
    oder auch dies hier:
    https://hpd.de/node/12942
    oder dies hier:
    https://hpd.de/node/12947

    Mir ist auch etwas übel…

  4. #4 Klaus
    22. Februar 2012

    Gauck ist ein neoliberaler Schwätzer der sicher seine Verdienste hat wenn es um die Aufarbeitung der DDR Geschichte geht. Aber damit hat sichs.
    Zu den drängenden ökonomischen Zukunftsfragen wird der Herr Pfarrer wenig zu melden haben!
    Aber seit glücklich mit ihm. Er ist ja nicht mein Präsi.

  5. #6 Marc Scheloske
    22. Februar 2012

    Danke Christian, für dieses Posting, das Transkript der Passage und Deine Einschätzung.

    Ich habe mir die letzten 3-4 Tage mehrmals verkniffen auch noch in der Sache Stellung zu beziehen, weil ich auch keine Lust hatte in die Gauck-Jubel-Fraktion eingeordnet zu werden. Dabei sind mir die doch arg verkürzten Statements, die man Gauck vorhielt (egal ob aus Mutwillig- und/oder Gedankenlosigkeit) und damit glaubte argumentativ Punkte machen zu können, doch sehr negativ aufgefallen. Insofern, nochmals: Danke für Deinen Beitrag.

  6. #7 cydonia
    22. Februar 2012

    Guter Beitrag, Dank dafür!
    Das Einzige, was ich ihm ankreiden würde, war, dass er sich sehr einseitig für Religionsunterricht in Schulen eingesetzt hat. Ich vermute, dass es an seiner Prägung und seiner Ausbildung liegt, dass er dort eine gewisse Differenzierung vermissen ließ.

  7. #8 John
    22. Februar 2012
  8. #9 Christian Reinboth
    22. Februar 2012

    @Walter: So wie ich Joachim Gauck einschätze – aber das kann natürlich auch ein Irrtum sein – dürfte der sich mit der Sarrazin-Debatte nicht mal oberflächlich befasst haben. So eine populistische Debatte um Kopftuchmädchen, Gemüsehändler und genetisch bedingte “Verdummung” dürfte an so jemandem wie Gauck komplett vorübergehen. Was er zu Sarrazin zu sagen hatte, steht klar im Interview: Er findet es gut, wenn das Thema Einwanderung und Integration öffentlich disktuiert wird, er findet es aber falsch, wenn biologistischer Blödsinn in die Welt gesetzt und populistische Thesen verbreitet werden. Tiefer muss man, glaube ich, als Autor und Publizist, dessen Schwerpunkt immerhin auf der Aufarbeitung der DDR-Geschichte liegt, in so einer Debatte nicht wirklich drinstecken. Als Bundespräsident wird Gauck sich natürlich sehr viel intensiver auch mit solchen Themen auseinandersetzen, und dann werden wir ja sehen, was dabei herauskommt. Die oben transkribierte Passage lässt jedenfalls Gutes hoffen.

    Im übrigen halte ich es für durchaus vorstellbar, dass Gauck sich – im Gegensatz etwa zu unserer Kanzlerin – schlicht und ergreifend weder besonders positiv noch besonders negativ zu einem Buch äußern wollte, dass er überhaupt nicht gelesen hat. Meinem Eindruck von ihm als Person würde das jedenfalls entsprechen.

  9. #10 Walter
    22. Februar 2012

    Hmm, der Herr Stefanowitsch kann das viel besser sagen als ich: https://www.scilogs.de/wblogs/blog/sprachlog/kultur/2012-02-21/der-boese-gauck-und-das-netz

  10. #11 Spoing
    22. Februar 2012

    Interessant finde ich auch, dass er der Liebling der Medien war, solange er nur von der Opposition kam, sobald er von der regierenden Partei unterstützt wird, werden auf einmal Fehler gefunden.
    Auch wenn die Journalisten eher Rot/Grün geprägt sind (Sofern man überhaupt in den Lagern denken will) glaube ich jedoch eher dass es eher der Antipathie gegen die Regierenden geschuldet ist , als das es daran liegt, dass es daran liegt, dass es Schwarz/Gelb ist.

    Ich finde es ansonsten eh beunruhigend wie sich die etablierten Medien gewandelt haben. Anstatt das Bollwerk gegen den im Internet durch Schnelligkeit verursachten Qualitätsverlust zu sein für dass sie sich gerne ausgeben, haben sie sich alle in Richtung Boulevard verschoben.

    Ich fand es schon schon bei unseren vorletzten Bundespräsidenten (wenn man das so sagt, hört es sich an als wäre ich alt 🙂 ) Beängstigend wie seine Zitate aus dem Zusammenhang gerissen wurden. Die einfache Erkenntnis, dass der hohe Spritpreis in Deutschland zu sparsamen Automodellen geführt hat, und uns der Spritpreis eher geholfen als geschadet hat, führte da zu einem Aufschrei seitens der Bildzeitung.
    Auch ist der Rücktrittsgrund, den Köhler genannt hat nochmal in Erinnerung zu rufen: Er meinte dem Amt wird nicht mehr der Notwendige Respekt entgegengebracht. (Eigentlich eine Medienschelte sondergleichen, besonders wenn man sich das Verhalten der Bild mit den weitergeben Diekmanns Mailboxnachricht von Christian Wulff an eine andere Zeitung ansieht)

    Besonders schlimm finde ich im Fall Wulff das Fazit welches ein Politiker daraus ziehen muss. OK, der könnte sich sagen “ich mach einfach nichts falsches mehr” aber das ist wohl etwas naiv. Oder aber er sagt sich: ” Wer sich mit der Bild einlässt kommt darin um”, aber das stimmt nicht. Andere Politiker wurden von der Bild in ähnlicher Weise versucht abzusägen, ohne das es von Erfolg gekrönt war. Die Erkenntnis muss leider sein, wenn ein Konservativer Politiker von der Bild zum Abschuss freigegeben wird, kann er auf Seiten der anderen Medien nicht auf ausgewogene Berichterstattung hoffen.
    Denn Objektiv wurden schon viel schlimmere Sachen einfach aus gesessen (Nur eben zur Klarstellung der Rücktritt Wulffs war notwendig, aber wenn wir das Prinzip der Gleichbehandlung anwenden würden, hätten wir bald nur noch die Hälfte unserer Politiker)

    Ich bin weder ein Freund Wulffs noch Gaucks (Köhler fand ich eigentlich ganz gut)
    aber ich beobachte mit sorge, wie manche Medien sich immer mehr als alleinige Gewalt, denn als vierte verstehen.

    Ich würde mir wünschen, dass es Pflicht werden würde einen Kasten auf jeglichen “Newsseiten” zu haben auf denen die Anzahl der Rügen etc. abgebildet wird und bei denen man nach anklicken eine einfache Auflistung der gerügten Artikel sehen kann.
    Daraus könnte man dann schön und einfach die Sorgfalt der einzelnen Seiten ableiten.

    Hmm, viel mehr geworden als ich ursprünglich vorhatte, sorry.

  11. #12 Christian Reinboth
    22. Februar 2012

    @Stephan:

    Michael Schmidt Salomon, Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, sprach von einem künftigen „Bundeskirchenpräsident“ Gauck und beurteilte es als ein „religiotisches Syndrom“ der deutschen Politik, „in der rhetorische Phrasendrescherei an die Stelle politischen Sachverstands getreten ist“.

    Die sonstige Arbeit von Schmidt-Salomon in allen Ehren, im Fall Gauck ist es ja aber offensichtlich, dass ihm jede Objektivität fehlt. Weil der Mann Theologie studiert hat und – als Theologe, welch eine Überraschung – Religionsunterricht an Schulen gut findet, ist er als Bundespräsident automatisch nicht qualifiziert. Dass er als Bürgerrechtler in der DDR, Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde, Abgeordneter der letzten Volkskammer, Publizist, Buchautor etc. pp. noch ganz andere Facetten hat, spielt keine Rolle: Ein “Religiot” darf für Schmidt-Salomon eben kein hohes Amt bekleiden. Im Grunde also ein ziemlich undemokratisches Berufsverbot, würde man diese Forderung politisch umsetzen…

    Im Fall Gauck und angesichts des überwältigenden Zuspruchs aus allen Parteien und der Bevölkerung sind mir Schmidt-Salomons Tiraden daher ehrlich gesagt herzlich egal…

  12. #13 cohen
    22. Februar 2012

    Er hat ja nur Theologie studiert, weil er in der DDR kein Journalist werden durfte.

    Ein Jahr nach dem Abitur heirateten Gauck und seine Schulfreundin Gerhild „Hansi“ Radtke. Die kirchliche Trauung vollzog 1959 sein Onkel, der damalige Güstrower Domprediger Gerhard Schmitt. Gaucks Berufschancen waren in der DDR beschränkt. Seine Wunschprofession Journalismus schied unter DDR-Bedingungen für ihn von vornherein aus. Er sah sich vor die Wahl gestellt, eine Lehre anzufangen oder Theologie zu studieren. Er votierte, von seinem Onkel bestärkt, für Letzteres und studierte von 1958 bis 1965 in Rostock. Bei der Entscheidung für die Theologie ging es ihm nach eigenem Bekunden anfänglich nicht um die Qualifizierung für eine Pfarrstelle, sondern vornehmlich um philosophischen Erkenntniszuwachs und Argumente gegen den obrigkeitlich verordneten Marxismus-Leninismus. Dafür boten die theologischen Fakultäten in der DDR einen Freiraum.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Joachim_Gauck#Studium_und_Pastorenamt_.281958.E2.80.931989.29

  13. #14 maxfoxim
    22. Februar 2012

    Egal was irgendwelche (linken) Medien behaupten. Ich freue mich auf Joachim Gauck als Bundespräsidenten.
    Er ist ein kluger, mutiger, integrer Mann der auch bei schwierigen Themen die richtigen Worte finden wird.

    PS: Und wenn Leute wie Ströbele gegen ihn sind, zeigt das nur noch mehr wie gut der Mann eigentlich ist 🙂

    @Walter, ich hatte den Beitrag schon früher gelesen. Stefanowitsch hat eher seine Meinung vertreten, als objektive Kritik angebracht.

  14. #15 Walter
    22. Februar 2012

    @Christian: Ja, kann gut sein, dass er sich damit nicht mal oberflächlich beschäftigt hat. Mir wäre es dann aber lieber gewesen, er hätte das dann auch gesagt, statt so butterweich daherzureden.

    Denn dieses “Irgendwas wird schon dran sein”, “Er benennt ja schon ein richtiges Problem” ist ja genau der Trick mit dem sich Sarrazins krude Weltsicht anschlussfähig machen will.

    Allerdings steht Gauck da natürlich nicht alleine, ähnliche Positionen fanden sich ja über alle Feuilltons verteilt. Ich tät mir halt wüschen, es gäbe da etwas mehr Gegenwehr.

  15. #16 Christian Reinboth
    22. Februar 2012

    @Marc: Ich wollte eigentlich nichts zur Causa Gauck bloggen, da ich hier ohnehin viel zu häufig politische Themen auf der Agenda habe (früher war das ja mal ein Umweltblog…), nachdem ich mir gestern aber – zum ersten Mal, Schande über mich – die Rede aus dem Berliner Theater in voller Länge angehört habe, konnte ich mich dann aber doch nicht mehr zurückhalten. Ich persönlich hätte mich über einen Bundespräsidenten Töpfer (Klimapolitik) oder Huber (Sozialpolitik) im ersten Moment sicher mehr gefreut, als über die erneute Gauck-Nominierung, finde es aber ein Unding sondergleichen, wie man den Mann mit einzelnen Satzfetzen gedanklich in die Nähe von Nazis und sogar Holocaust-Verharmlosern (siehe dazu die Ausführungen hier weiter unten, ein wirklich starkes Stück) gerückt hat.

    Ganz ehrlich: Wenn wir mit einem Intellektuellen, der Gauck zweifelsohne ist, so umspringen, dass wir uns aus einem riesigen Pool von Reden, Büchern, Predigten und Interviews genau drei oder vier Sätze rauspicken und die dann endlos durchspulen, dann wären wir als Volk mit einem Dummbeutel besser bedient, der eh nicht mehr als drei oder vier vernünftige Kernthesen auf die Reihe bekommt. Ich finde es toll, nun einmal einen offenkundig philosophisch und historisch geschulten Menschen an der Spitze des Staates zu sehen und bin schon gespannt, was da kommt. Der letzte Präsident fiel rückblickend betrachtet ja leider definitiv in eine andere Kategorie.

  16. #17 Gunnar
    22. Februar 2012

    Mich hat vor 2 Jahren das bediungungslose bejubeln von Gauck im Internet ebenso irritiert, wie die Kritik im Internet jetzt. Mir kommt es fgast so vor, als hätten wir es mit 2 Gaucks zu tun. Haben manche damals wirklich nicht bemerken können/wollen, dass Gauck eine eigene Meinung vertritt? Sind manche wirklich so schwach, dass sie dringend einen Präsidenten benötigen, der ihnen nach dem Mund redet? Ich muss nicht allem zustimmen, was Gauck sagt. Ich kann, darf und muss ihm in manchen, vielleicht auch in vielen Dingen widersprechen. Aber ich finde auch, dass es genau dieser Widerspruch ist, von dem die Demokratie lebt. Ich brauche keinen Präsidenten zum kuscheln, der mir das Meinungshändchen hält.

  17. #18 maxfoxim
    22. Februar 2012

    @ Walter
    “Allerdings steht Gauck da natürlich nicht alleine, ähnliche Positionen fanden sich ja über alle Feuilltons verteilt. Ich tät mir halt wüschen, es gäbe da etwas mehr Gegenwehr.”
    Vielleicht könnte es ja auch sein, dass Herr Sarrazin nicht mit allem unrecht hat, und es deswegen vielleicht nicht so viel Gegenwehr gibt. Er hat ja auch nicht nur über Integration geschrieben… Ihr Kommentar klingt fast schon so, als wenn er komplett unrecht haben “muss”.

    @ Gunnar
    “Ich brauche keinen Präsidenten zum kuscheln, der mir das Meinungshändchen hält.”
    Das Gefühl, dass manche es so lieber hätten, habe ich aber bei so manchem Kommentator…

    @Christian
    “Ganz ehrlich: Wenn wir mit einem Intellektuellen, der Gauck zweifelsohne ist, so umspringen, dass wir uns aus einem riesigen Pool von Reden, Büchern, Predigten und Interviews genau drei oder vier Sätze rauspicken und die dann endlos durchspulen, dann wären wir als Volk mit einem Dummbeutel besser bedient, der eh nicht mehr als drei oder vier vernünftige Kernthesen auf die Reihe bekommt.”
    Volle Zustimmung.

  18. #19 fx
    22. Februar 2012

    Den oben zitierten(?) Tweet gibt es anscheinend gar nicht, zumindest ist er über Twitter-Suche nicht mehr auffindbar. Was es aber dagegen hundertfach gibt, sind Tweets mit dem Aufbau:

    Und an diesen gibt es rein gar nichts auszusetzen, sie verkörpern das Grundprinzip von Mikroblogging.

    Ich sehe in diesem ganzen, von Cicero angeschobenen Twitter-Bashing nichts als einen Versuch der konservativen Leitmedien, ihre Deutungshoheit (und natürlich auch den rechten Neoliberalen Gauck) mit Counter-PR-Mitteln zu verteidigen – schade, dass so viele Blogger auf diesen Zug aufspringen.

  19. #20 fx
    22. Februar 2012

    Den oben zitierten(?) Tweet gibt es anscheinend gar nicht, zumindest ist er über Twitter-Suche nicht mehr auffindbar. Was es aber dagegen hundertfach gibt, sind Tweets mit dem Aufbau:

    [pointierte Zusammenfassung] [Url zu ausführlichem Zeitungs/Blog-Artikel] [Hashtags]

    Und an diesen gibt es rein gar nichts auszusetzen, sie verkörpern das Grundprinzip von Mikroblogging.

    Ich sehe in diesem ganzen, von Cicero angeschobenen Twitter-Bashing nichts als einen Versuch der konservativen Leitmedien, ihre Deutungshoheit (und natürlich auch den rechten Neoliberalen Gauck) mit Counter-PR-Mitteln zu verteidigen – schade, dass so viele Blogger auf diesen Zug aufspringen.

  20. #21 Nekrassow
    22. Februar 2012

    Noch einer von den vielen Pastoren und Pastorentöchtern, was soll man da schon erwarten. Mein Bundespräsident wird er jedenfalls nich!

  21. #22 Christian Reinboth
    22. Februar 2012

    @Nekrassow:

    Mein Bundespräsident wird er jedenfalls nich!

    Doch, wird er. Das ist ja das Wunderbare an der Demokratie: Dass ein Mandatsträger sein Amt eben nicht nur für seine Klientel, sondern auch für die Bürgerinnen und Bürger ausübt, die ihn oder sie nicht gewollt bzw. gewählt haben. Alles andere wäre auch fatal.

  22. #23 maxfoxim
    22. Februar 2012

    @fx
    “Ich sehe in diesem ganzen, von Cicero angeschobenen Twitter-Bashing nichts als einen Versuch der konservativen Leitmedien, ihre Deutungshoheit (und natürlich auch den rechten Neoliberalen Gauck) mit Counter-PR-Mitteln zu verteidigen – schade, dass so viele Blogger auf diesen Zug aufspringen.”

    Es wird ja aber noch erlaubt sein, linkes Gauck-Bashing zu wiederlegen. Und selbst wenn er neoliberal und rechts wäre, würde ihn das nicht schlechter machen…
    Und auf welchen Zug springen die Blogger denn auf? Aus dem Kontext gerissene Zitate zu kritisiern? Was müssen das für böse Blogger sein! Einfach mal den ganzen Zusammenhang darstellen. So was geht ja mal gar nicht.

  23. #24 cydonia
    22. Februar 2012

    Es könnte ja durchaus sein, dass nicht alle Kommentatoren auf deutschem Territorium leben, und/oder deutsche Staatsbürger sind. Europa- oder Weltpräsident ist er meines Wissens ja dann doch nicht geworden.

  24. #25 Christian Reinboth
    22. Februar 2012

    @cydonia: Könnte sein. Der Bundespräsident dieser Kommentatoren wäre Gauck ja aber auch dann nie geworden, wenn er ihre Ansichten vollumfänglich geteilt hätte, von daher wäre es dann doch eigentlich überflüssig, das extra zu erwähnen…

  25. #26 Nekrassow
    22. Februar 2012

    @Christian Reinboth
    Wenn der Bundespräsident direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt würde, könnte man von Demokratie sprechen, so aber wird er wohl doch nur die Interessen eines bestimmtes Klientel vertreten. Ich fühle mich nicht von ihm vertreten, interessieren wir das natürlich keinen.

  26. #27 Christian Reinboth
    22. Februar 2012

    @Nekrassow: Der Bundespräsident wird von der Bundesversammlung gewählt, deren Zusammensetzung wiederum von den hierfür per demokratischer Wahl legitimierten Parlamentariern bestimmt wird. Insofern ist die Wahl alles andere als undemokratisch, auch wenn es sich nicht um eine Direktwahl handelt. Auch Kanzler und Bundesminister werden nicht direkt gewählt. Gäbe es eine Direktwahl für den Bundespräsidenten bekäme das Amt dadurch übrigens eine ganz andere Bedeutung – die Väter der bundesdeutschen Demokratie haben hierauf aus guten, historischen Gründen verzichtet, außerdem wollte man kein exekutives Gegengewicht zu Kanzler und Bundesregierung schaffen. Zu diesem Punkt lohnt sich im übrigen die oben eingebundene Rede Gaucks, da er auf die Frage “Direktwahl oder nicht?” gleich zu Beginn eingeht.

  27. #28 maxfoxim
    22. Februar 2012

    @Nekrassow
    “Wenn der Bundespräsident direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt würde, könnte man von Demokratie sprechen,”
    da gebe ich dir Recht, das wäre vielleicht besser. Allerdings wären in diesem Fall, zumindest nach den meisten Umfragen, Gauck auch BP geworden. Das Ergebnis ist also (fast) das gleiche.

  28. #29 Stephan
    22. Februar 2012

    @ Christian Reinboth

    Die sonstige Arbeit von Schmidt-Salomon in allen Ehren, im Fall Gauck ist es ja aber offensichtlich, dass ihm jede Objektivität fehlt. Weil der Mann Theologie studiert hat und – als Theologe, welch eine Überraschung – Religionsunterricht an Schulen gut findet, ist er als Bundespräsident automatisch nicht qualifiziert. Dass er als Bürgerrechtler in der DDR, Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde, Abgeordneter der letzten Volkskammer, Publizist, Buchautor etc. pp. noch ganz andere Facetten hat, spielt keine Rolle: Ein “Religiot” darf für Schmidt-Salomon eben kein hohes Amt bekleiden. Im Grunde also ein ziemlich undemokratisches Berufsverbot, würde man diese Forderung politisch umsetzen…

    Nur damit du mich nicht falsch verstehst, ich persönlich finde Gauck grundsätzlich relativ gut und habe wenige Probleme mit Ihm.

    Ich denke auch nicht, dass es darum geht, ob „qualifiziert“ oder nicht. Man könnte jetzt lange darüber reden, ob so ein Amt, wie das des Bundespräsidenten überhaupt notwendig ist oder überflüssig. Ebenfalls könnte man darüber reden, ob ein Politiker überhaupt für irgendein Amt (Finanzminister, Verteidigungsminister, Umweltminister, etc.) „qualifiziert“ sein muss, so fleißig, wie da durch gewechselt wird.

    Es geht um den Prozess der Auswahl, um die Leute, die angeblich zur Wahl standen (Bischof Wolfgang Huber, Margot Käßman, etc. pp.). Selbstverständlich kritisiert Schmidt-Salomon diese Auswahl. Und übrigens nicht nur er, siehe stern-Artikel oder andere…

    Du persönlich findest einen Theologen vielleicht nicht suspekt, sondern angesehen und achtbar. Leider macht ein Theologe auf mich ungefähr den Eindruck eines Astrologen, Heilpraktikers oder sonstigen Esoterikers, der etwas nicht existentes, irrationales und moralisch abartiges , interessant findet. Sorry für diese harte Ausdrucksweise, aber ich weiß nicht, wie ich das viel freundlicher beschreiben soll.

    Sicherlich ist Herr Gauck ein sehr netter Mensch, hat viele honorige Ansichten und ich könnte vielleicht ein tolles Gespräch mit ihm führen. Völlig klar. Ich würde ihn nicht pauschal ablehnen, WEIL er ein Theologe ist, aber ich wäre zumindest skeptisch und abwartend.

    Das liegt einfach daran, wenn ein Mensch total irre Ansichten (in einem Bereich) vertritt, also z.B. völlig überzeugt ist, dass die Sterne sein Schicksal bestimmen, weshalb sollte ich dann annehmen, dass er in anderen Bereichen nicht ebenfalls so „denkt“?
    Für dich mögen „theologische Ansichten“ nicht irre sein, aber es gibt eben Menschen, die halten die gängigen „theologischen Ansichten“ für irre und völlig unmoralisch. Vielleicht liegt es auch daran, dass dir überhaupt nicht mehr bewusst ist, wie irre der christliche Glaube mit Kannibalismus, Blut trinken, Opfergaben, Sünde, Hölle und vieler anderer Dinge ist, weil du es gewohnt bist.

    Und ich denke, dass du zu weit gehst, wenn du Schmidt-Salomon unterstellst, dass er dies als Berufsverbot fordert. Er kritisiert die Auswahl der Leute in einer Hinsicht, nämlich dass quasi alle „gläubig“ sein müssen(?). Diese Kritik teilst du vielleicht nicht, aber es ist legitim dies einfach mal zu erwähnen. Aber Schmidt-Salomon fordert kein Bundespräsidentenberufsverbot für „Gläubige“ und es ist nicht fair von dir, ihm dies zu unterstellen.

  29. #30 Walter
    22. Februar 2012

    @maxfoxim: Ich meine, dass er Unrecht hat, nicht dass er muss 🙂

    Nach meiner Beobachtung haben viele in der Sarrazin-Debatte zwei Dinge vermischt: Einerseits Sarrazin’s Thesen (“Deutschland schafft sich ab”), andererseits den großen Komplex Integration. Das führt dann zu Aussagen wie die, Sarrazin habe ja schon den Finger auf eine Wunde gelegt, illustriert mit einem illustren Beispiel misslungener Integration.

    Nicht dass die Debatte über Integration illegtim wäre, aber Sarrazin sagt ja etwas ganz anderes: Deutsche werden aussterben, weil muslimische Zuwanderer qua Geburtenrate das Land übernehmen. Leider sind diese auch noch genetisch strunzdumm, also wird Deutschland verblöden. Daran ändert aber offensichtlich auch eine gelungene Integration nichts.

    Indem man aber Sarrazin als Schlüssel für diese Debatten benutzt, wertet man ihn auf, und eben auch seine unhaltbaren Thesen.

    Das ist, was ich beklage.

  30. #31 Stephan
    22. Februar 2012

    @Christian Reinboth

    Einen weiteren Punkt möchte ich erwähnen, der mir sauer aufgestoßen ist.

    Die öffentliche Aufforderung von Norbert Geis aus der CSU an Herrn Gauck, seine persönlichen Verhältnisse so schnell wie möglich zu ordnen, ist unterirdisch!

    Ich werde jetzt nicht breit ausführen, warum ich dies für unterirdisch halte und welche Weltanschauung Herr Geis wohl hat, um so eine „Aufforderung“ öffentlich zu äußern.

    Das darf sich jeder selbst überlegen.

    https://www.morgenpost.de/printarchiv/politik/article1910341/Wilde-Ehe-irritiert-die-CSU.html

  31. #32 Christian Reinboth
    22. Februar 2012

    @Stephan:

    Für dich mögen „theologische Ansichten“ nicht irre sein, aber es gibt eben Menschen, die halten die gängigen „theologischen Ansichten“ für irre und völlig unmoralisch.

    Ich halte es beispielsweise für vollkommen irre zu glauben, dass der Sozialismus als gesellschaftliches und wirtschaftliches System je besser funktionieren könnte als die freie Marktwirtschaft. Folgt daraus jetzt, dass kein Vertreter des linken SPD-Flügels oder der Linkspartei je Bundespräsident oder Bundeskanzler werden dürfte, auch wenn die demokratischen Mehrheiten eindeutig sind und die Mehrheit der Bevölkerung dies wünscht? Für mich nicht. Und ich erwarte natürlich auch von überzeugten Atheisten, dass derartige demokratische Selbstverständlichkeiten nicht immer wieder in Frage gestellt werden. Es kann doch nicht sein, das nur derjenige für ein öffentliches Amt qualifiziert ist, der die eigene Weltanschauung vertritt (ähnlich äußerten sich ja z.B. auch schon Vertreter der Occupy-Bewegung). Davon müssen wir runterkommen. Als konservativer Protestant habe ich jedenfalls keine Zweifel daran, dass auch ein linker Atheist ein guter Bundespräsident sein könnte, wenn er die hierfür notwendige persönliche Integrität und Charakterstärke, die Lebenserfahrung und die hundertprozentige Hingabe zur FDGO mitbringt.

    Und ich denke, dass du zu weit gehst, wenn du Schmidt-Salomon unterstellst, dass er dies als Berufsverbot fordert.

    Ich verstehe Schmidt-Salomon so, dass ein Theologe seiner Ansicht nach für ein hohes Staatsamt nicht geeignet ist. Wenn man das konsequent weiterdenkt, ist es ein Quasi-Berufsverbot. Oder nicht? Und wenn nein, warum nicht?

    Die Fokussierung auf Gaucks Theologie-Studium ist im übrigen ziemlich unsinnig. Erstens hat der Mann viel mehr Facetten zu bieten, als “nur” den Theologen, zweitens ist er schon vor über 20 Jahren aus dem Kirchendienst ausgeschieden und drittens erkennt man, wenn man sich mit seiner Biografie befasst, schnell, dass Gauck nicht deshalb Theologie studiert hat, weil er sich als 150%igen Missionar sieht, sondern weil die Theologie zu DDR-Zeiten praktisch das einzige Studium war, in dem junge Menschen auch mal offen kritisch denken konnten, ohne dafür gleich von der Universität zu fliegen (siehe auch Kommentar von cohen weiter oben). Ursprünglich wollte Gauck ja offenbar Journalismus studieren, was aber nicht ging, da man ihn erstens sein gesamtes Leben lang quasi in Sippenhaft für seinen Vater nahm und er deshalb ohnehin keinen Platz bekommen hätte und man ja zweitens als Journalismusstudent in der DDR keinesfalls kritisch Gedanken hätte äußern dürfen…

  32. #33 Christian Reinboth
    22. Februar 2012

    @Walter:

    Indem man aber Sarrazin als Schlüssel für diese Debatten benutzt, wertet man ihn auf, und eben auch seine unhaltbaren Thesen.

    Ich finde das auch sehr schade – nur leider war Sarrazin aber auch der einzige, der sich prominent zu dem ganzen Problemkomplex geäußert hat, während sehr viele andere Vertreter des politischen Establishments die ganze Thematik vollständig meiden oder sich an Allgemeinplätzen abarbeiten um nur ja nirgendwo anzuecken. Dass im Sarrazin-Buch viel Mist steht, ist ein ganz anderes Thema – dadurch, dass sich sonst keiner dazu äußern wollte, hat er es aber natürlich geschafft, sich irgendwie als “Meinungsmacher” im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. Würden andere, die zu dem Thema viel sinnvollere Sachen zu sagen haben, nicht so einen Eiertanz vollführen, wäre Sarrazins Buch in der allgemeinen Debatte mehr oder weniger untergegangen.

    Genau das meinte ich, als ich oben schrieb: Man darf wichtige Themen nicht aus lauter Angst vor Kritik den Radikalen und Sektierern überlassen.

  33. #34 Christian Reinboth
    22. Februar 2012

    @Stephan: Zu Geis fällt mir ehrlich gesagt nichts Vernünftiges ein. Ich frage mich, wie er es in einer Partei aushält, deren Vorsitzender seine außereheliche Affäre, mit der er ja immerhin auch ein Kind in die Welt gesetzt hat, ebenfalls nicht heiratet. Wenn Geis unbedingt den Moralapostel spielen will, sollte er sich meiner Ansicht nach daran abarbeiten. Besser wäre es natürlich noch, er würde sich zu dem Thema überhaupt nicht äußern. Ob man die Äußerungen von Geis nun allerdings unbedingt in Bezug zu seiner Kirchenmitgliedschaft setzen sollte weiß ich nicht, immerhin haben sich ja die prominenten Vertreter des katholischen Glaubens in Deutschland allesamt positiv zur Kandidatur Gaucks geäußert. Auch innerhalb der Kirche dürfte Geis also nicht viel Beifall bekommen…

  34. #35 Stephan
    22. Februar 2012

    @Christian Reinboth

    @Stephan: Zu Geis fällt mir ehrlich gesagt nichts Vernünftiges ein.

    Mir eigentlich auch nicht, aber ich wollte es hier einmal erwähnen. Ich finde es im Prinzip schon unverschämt, dass Herr Geis öffentlich Ratschläge äußert, wie jemand anderes sein Privatleben doch bitte zu führen habe.

    Nun ja, mir fallen da auch einige Vorurteile zu Herrn Geis ein, warum er sowas sagt, die da wären, sein Alter, seine Parteimitgliedschaft, sein katholischer Glaube, sein Konservatismus und vieles mehr. Manches Vorurteil wird mehr oder weniger zutreffen.

    Der wichtigste Punkt ist wahrscheinlich einfach das Alter. Er ist in einer anderen Zeit groß geworden und dadurch sind seine Ansichten natürlich von dem damals vorherrschenden Umfeld geprägt.

    Das gleiche gilt wahrscheinlich für mich, wenn ich irgendwann 60 oder 70 sein sollte und ein 30 jähriger findet meine Ansichten dann lächerlich. Wer weiß?

    Traurig finde ich seine Ansicht trotzdem. Es gibt auch 60 oder 70 jährige, die etwas oder viel modernere Ansichten haben.

  35. #36 schak
    22. Februar 2012

    @Christian

    Kritik ist nicht gleich ein Berufsverbot sondern eher einen Art Zweifel und eine persönliche Meinung.

    Ein Grund für Kritk könnte ja sein, dass euer neuer Präsident auf Grund diktatorisch entstandener Regeln (Vorgaben in der Bibel oder vom Papst) seine Entscheidungen trifft und nicht auf Grund von demokratischen Erkenntnissen und Abstimmungen.

    Wär das wirklich ok für dich wenn ein Astrologe Bundespräsident wäre der seine Entscheidungen auf Grund von Sternkonstellationen trifft ?

    Dass er damals Theologe wurde um dem Zugriff des DDR Regimes zu entkommen würde ich ja durchaus verstehen nur positioniert er sich auch jetzt im religiösen Eck und somit geht das Argument ins Leere. Er könnte ja jetzt eine neutrale Position einnehmen.

    Wäre noch ein interessante Frage ob es nicht eine Diskriminierung aller anderen Glaubensrichtungen darstellt wenn der Präsident einen bestimmten Glauben bevorzugt. Was zählt da mehr, Religionsfreiheit oder Diskriminierung 🙂

  36. #37 Klaus
    22. Februar 2012

    Ist doch egal. Die Deutschen hätten auf jeden Fall einen richtigen Präsidenten verdient. Sie haben demnächst einen der nicht die geringste Ahnung von Ökonomie und den sich daraus entwickelnden dringlichen Zukunftsthemen hat. Der daher schwafelt und sich in seiner eigenen Biografie als Opfer des DDR Regimes sieht.
    In USA wäre er sicher ein geeigneter Kandidat der rechts konservativen Reps.
    Nun hat er als Grüßaugust ja nicht allzu viel zu sagen. Von daher ist es Wurscht.
    Mich wundert allerdings in diesem Land überhaupt nichts mehr!
    In Deutschen Fernsehstudios gerät das Volk bereits in Verzückung wenn es Johann Lafer gelingt, eine Zwiebel in Stück schneiden.
    Sei s drum!
    Narhallamarsch

  37. #38 murks
    22. Februar 2012

    Ich finde es interessant, dass Gauck die USA als Vorbild für Integrationspolitik sieht. Ein Land in dem der Rassismus noch viel breiter in der Gesellschaft vertreten ist als hier.

  38. #39 Stephan
    22. Februar 2012

    @Christian Reinboth

    Erstens hat der Mann viel mehr Facetten zu bieten, als “nur” den Theologen, zweitens ist er schon vor über 20 Jahren aus dem Kirchendienst ausgeschieden und drittens erkennt man, wenn man sich mit seiner Biografie befasst, schnell, dass Gauck nicht deshalb Theologie studiert hat, weil er sich als 150%igen Missionar sieht, sondern weil die Theologie zu DDR-Zeiten praktisch das einzige Studium war, in dem junge Menschen auch mal offen kritisch denken konnten, ohne dafür gleich von der Universität zu fliegen (siehe auch Kommentar von cohen weiter oben). Ursprünglich wollte Gauck ja offenbar Journalismus studieren, was aber nicht ging, da man ihn erstens sein gesamtes Leben lang quasi in Sippenhaft für seinen Vater nahm und er deshalb ohnehin keinen Platz bekommen hätte und man ja zweitens als Journalismusstudent in der DDR keinesfalls kritisch Gedanken hätte äußern dürfen…

    Ja, das mag alles so sein. Ja, Herr Gauck ist mehr als „nur“ ein Theologe, völlig klar. Darum geht es doch gar nicht.

    Deshalb habe ich doch schon geschrieben, dass ich persönlich Herrn Gauck ganz gut finde.

    Es geht darum, dass (angeblich) noch viele andere TheologInnen zur Auswahl standen (was vielleicht gar nicht stimmt, ich war nicht dabei, keine Ahnung), so wie Wolfgang Huber, Käßman oder Göring-Eckardt.

    Sollte dies stimmen, dann bin ich sehr froh, dass Gauck hier „gewählt“ wurde. 😉
    Wenn ich an die anderen 3 denke, dann bekomme ich Gänsehaut, und ich verrate nicht zu viel, wenn ich sage, nicht vor Freude oder aus anderen positiven Gründen…

    Ich verstehe Schmidt-Salomon so, dass ein Theologe seiner Ansicht nach für ein hohes Staatsamt nicht geeignet ist.

    Ja, so kann man ihn verstehen.

    Ich würde einen Astrologen, einen Scientologen oder einen Verschwörungstheoretiker ebenfalls nicht für geeignet halten, und nicht nur für das Amt des Bundespräsidenten.

    Weißt du warum ich solche Leute nicht für geeignet halten würde? Nein, nicht, weil ich ihr Recht beschneiden wollen würde, zu „glauben“, was sie wollen, sondern weil ich starke Zweifel hätte, dass sie ihre Ansichten überhaupt und in allen anderen Bereichen auf rationale Weise finden können.

    Vielleicht bin ich nicht gut genug darin, meine Ansicht in Worte zu fassen und Matt Damon macht es hier besser.
    Er erklärt sehr schön, warum er Sarah Palin nicht wählen kann, wenn sie bestimmte Ansichten hat:

    https://www.dennis-stolze.de/weblog/84-Matt-Damon-geht-im-Interview-auf-Sarah-Palin-los-mit-UEbersetzung.html

    https://www.youtube.com/watch?v=C6urw_PWHYk

    Wenn man das konsequent weiterdenkt, ist es ein Quasi-Berufsverbot. Oder nicht? Und wenn nein, warum nicht?

    Ähm… nein.

    Nur weil man etwas kritisiert und skeptisch ist, bedeutet das noch lange nicht, dass man etwas verbieten will.

    So nach dem Motto: “Ich verachte Ihre Meinung, aber ich gäbe mein Leben dafür, dass Sie sie sagen dürfen.” (Evelyn Beatrice Hall)

    Einmal ernsthaft, ich persönlich halte Religion(en) für eine Krankheit, die Pest der Menschheit, nenn es wie du willst. Bertrand Russell hat eigentlich alles nötige dazu schon 1927 gesagt: https://www.bfg-bayern.de/ethik/Personen/Russell_Bertrand.htm
    Würde ich die Bibel, den Koran, allgemein Religionen verbieten, wenn ich es könnte? Nein, natürlich nicht.

    Ich verstehe daher nicht, wie du den Schritt machst, von „Kritik“ => „Verbot“.

    Wenn ich Walddorfschulen kritisiere (oder das Konzept davon), dann will ich doch nicht automatisch, dass sie verboten werden.

  39. #40 Sven Türpe
    22. Februar 2012

    Ein Shitstorm darüber, dass sich einer shitstormresistent zeigt. Das ist süß.

  40. #41 Christian Reinboth
    22. Februar 2012

    @Stephan: Das führt uns jetzt zwar off topic, aber: Allein das Urteil, jemand sei aufgrund seiner Religionszugehörigkeit für ein bestimmtes öffentliches Amt ungeeignet, ist doch aber schon ein Problem. Wenn es etwa heißen würde, Juden seien grundsätzlich [als Bundesminister | als Professoren | als Richter] ungeeignet, würden wir doch auch sofort erkennen, dass dies kein in einer pluralistischen Demokratie akzeptabler Standpunkt ist – selbst wenn daraus nicht unbedingt eine Forderung erwächst. Und warum sollte das im Hinblick auf den christlichen Glauben anders bewertet werden?

    Vielleicht bin ich nicht gut genug darin, meine Ansicht in Worte zu fassen und Matt Damon macht es hier besser.

    Das überzeugt mich wenig. Fast alles, was Damon da sagt erweist sich doch rückblickend betrachtet als Fehleinschätzung.

    Ich denke, die Wahrscheinlichkeit das Sarah Palin Präsidentin wird, ist sehr groß.

    Fehleinschätzung.

    Und ich denke, das ist eine sehr furchteinflößende Sache, denn ich weiß rein gar nichts über sie. Ich glaube auch nicht, dass ich in 8 Wochen irgendetwas über sie wissen werde.

    Das ist ja wohl sein Problem. Nur weil ich nichts über einen Kandidaten “weiß”, ist dieser ja wohl kaum ungeeignet für ein bestimmtes Amt. Das Internet gibt eine Menge her, als mündiger Bürger muss man sich selbst informieren. Und acht Wochen sind eine lange Zeit.

    Wenn man einen Blick auf eine versicherungsstatistische Tabelle zur Lebenserwartung wirft, sieht man das eine Chance von 1:3 besteht, dass McCain seine erste Amtsperiode nicht überlebt.

    Rückblickend betrachtet ebenfalls eine Fehleinschätzung, schließlich lebt McCain noch.

    Du weißt schon – die Hockey-Mom. “Oh ich bin nur eine Hockey-Mom aus Alaska”. Und sie ist die Präsidentin! Und sie soll dann einem Wladimir Putin gegenüber stehen? Und dabei macht sie einen auf volkstümlich, so wie sie es in der (Eis)sporthalle gelernt hat?

    Was soll damit ausgesagt werden? Das nur jemand mit bestimmten Wurzeln für ein hohes Staatsamt geeignet ist? Gerhard Schröder kam aus bescheidensten, wie er selbst sagt geradezu asozialen Verhältnissen und war lange Zeit vor allem dafür bekannt, dass er gut Fußball spielen konnte. Was sagt das jetzt über seine Eignung für die Kanzlerschaft aus? Mit Putin ist er ja trotzdem gut zurechtgekommen…

    Verrückt – ich will wirklich wissen, ob sie denkt, dass vor 4000 Jahren Dinosaurier hier gelebt haben? Das ist wichtig. Ich will das wissen. Ich will es wirklich wissen, denn sie wird die Codes für die Nuklearwaffen haben. Ich will wissen, ob sie denkt, dass es vor 4000 Jahren hier Dinosaurier gegeben hat.

    Auch hier: Was soll damit ausgesagt werden? Die akademische Karriere Damons besteht aus einem nach zwei Semestern abgebrochenen Englischstudium, Palin verfügt immerhin schon mal über einen B.Sc. Wie kommt Damon zu der Annahme, Palin würde glauben, vor 4.000 Jahren hätte es in den USA Dinosaurier gegeben? Wenn man der Geschichte mal hinterherrecherchiert stößt man auf einen Musiklehrer, der sich angeblich erinnern kann, dass Palin im das in den 90er Jahren mal so erzählt hat. Eingefallen ist ihm das allerdings erst wieder während des Wahlkampfes. Abgesehen davon findet man – zumindest in erster Näherung – über Google nur dümmliche Witze über Palin. Bei noch näherem Hinschauen sieht es für mich eher so aus, als sei Damon einem gefakten Palin-Interview aufgesessen, das 2007 im Internet kursierte. Die Mühe, seine Quelle für einen öffentlichen Angriff im TV zu prüfen, hat er sich offensichtlich nicht gemacht. Die Geschichte sagt am Ende vermutlich mehr über Damons Medienkompetenz als über Palin selbst aus….

  41. #42 Stephan
    22. Februar 2012

    @Christian Reinboth

    @Stephan: Das führt uns jetzt zwar off topic, aber: Allein das Urteil, jemand sei aufgrund seiner Religionszugehörigkeit für ein bestimmtes öffentliches Amt ungeeignet, ist doch aber schon ein Problem. Wenn es etwa heißen würde, Juden seien grundsätzlich [als Bundesminister | als Professoren | als Richter] ungeeignet, würden wir doch auch sofort erkennen, dass dies kein in einer pluralistischen Demokratie akzeptabler Standpunkt ist – selbst wenn daraus nicht unbedingt eine Forderung erwächst. Und warum sollte das im Hinblick auf den christlichen Glauben anders bewertet werden?

    Es geht nicht darum, dass jemand aufgrund seiner „Religionszugehörigkeit“ (Jude, Moslem, Christ etc.), seines Geschlechtes, seiner Haar- oder Hautfarbe für etwas (ein Amt oder sonstiges) geeignet oder ungeeignet ist.

    Es geht darum, dass für mich jemand ungeeignet (für fast alles) ist, der die Erde für eine Scheibe oder den Mittelpunkt der Welt hält. Du magst es für diskriminierend halten, wenn ich jemanden, der behauptet, dass die Erde eine Scheibe ist, nicht wählen würde bzw. für ungeeignet halten würde, ich nicht.

    Ich betone, dass ich Herrn Gauck nicht so sehe, aber mit diesem Extrembeispiel versuche ich jetzt nochmal, dir zu erklären, was ich meine. Würdest du einen Menschen, der ernsthaft behauptet, dass die Erde eine Scheibe ist (oder 6.000 Jahre jung ist) für geeignet halten?

    Und nun versuche dir vorzustellen, dass für mich Theologie mehr oder weniger das gleiche ist, wie die Erde für eine Scheibe zu halten. Oder pass auf, vergessen wir das Thema „Religion/Theologie“!

    Würdest du jemanden wählen, der ernsthaft von sich behauptet Napoleon zu sein. Oder könnte ich jemanden wählen (oder für geeignet halten), der ernsthaft davon überzeugt ist, das ausgelegte Kristalle in seiner Wohnung ihn heilen? Würde ich jemanden für geeignet halten, der behauptet, dass die Mondlandung 1969 Schwindel war?
    Sorry, würde ich nicht. Ist das diskriminierend? Ist das eine Art „Vernunftrassismus“?

    Kurz zusammengefasst, es geht darum, dass wenn ein Mensch eine irrationale Meinung/Ansicht in einem Bereich hat, dann frage ich mich, wie er sich seine Meinung in anderen Bereichen bildet. Ich halte dies für eine legitime Frage und nicht unbedingt für diskriminierend.

  42. #43 cydonia
    22. Februar 2012

    Ich neige dazu, Stephan zuzustimmen, weil das Christentum keine unter Naturschutz stehende Ideologie ist, und Ideologen immer mit Vorsicht zu genießen sind.
    Viele dem Atheismus zuneigende Menschen halten Herrn Gauck für intelligent genug, der Vernunft den Vorrang vor dem Glauben zu gewähren, wenn es in seiner Amtszeit Position zu Dingen zu beziehen gilt, die von der christlichen Ideologie her auf eine bestimmte Weise zu bewerten wären.
    Und ich bin auch froh, dass die Hubers und Konsorten kein Thema mehr sind.
    Es geht also nicht darum, dass jemand wegen seiner Religionszugehörigkeit als ungeeignet erscheint, sondern dass jemand die ideologie stecken lässt, wenn es um wichtige Themen geht. Und das traue ich Gauck zu, und Stefan, wenn ich ihn richtig verstanden habe, auch.

  43. #44 jitpleecheep
    22. Februar 2012

    @Christian Reinboth:

    “Während Joachim Gauck vor zwei Jahren nicht nur als “Kandidat der Herzen”, sondern auch als “Kandidat der Netzgemeinde” gehandelt wurde, begann nach dessen zweiter Nominierung am Sonntag ein bis heute andauernder Sturm der Gauck-Kritik bei Facebook, Twitter sowie in der Blogosphäre.”

    Das Gauck vor zwei Jahren in “der Netzgemeinde” unumstritten war, ist nicht richtig, wie Publikative.org aufzeigt.

    Dann ist mir völlig schleierhaft, warum du für den Shitstorm in “der Blogosphäre” ausgerechnet den Artikel von Stefanowitsch rausgreifst, der sich ausführlich eben mit genau diesem aus-dem-Kontext-reissen von Gaucks Äusserungen beschäftigt. Er geht dort präzise auf genau die Dinge ein, die du hier ansprichst. Er kommt (in meinen Augen gut begründet) zu völlig anderen Ansichten als du.

    Das mit den Worten “Auf die 140 Zeichen eines Tweets verkürzt lautet die Botschaft dieser Rede “WTF? #Gauck findet, es gibt in Berlin zuwenig “Altdeutsche”! #Sarrazin #notmypresident”” zu quittieren legt doch irgendwie den Verdacht nahe, dass du selber den Artikel mehr “so Web-2.0-mässig” quergelesen zu haben scheinst…

    Dann schreibst du hier:
    “So wie ich Joachim Gauck einschätze – aber das kann natürlich auch ein Irrtum sein – dürfte der sich mit der Sarrazin-Debatte nicht mal oberflächlich befasst haben.”

    Ja dann tut es mir ganz schrecklich Leid, aber dann ist er halt nicht als BP geeignet. Von einem BP wird erwartet, dass er in moralischen Fragen klar Stellung beziehen kann. Und dann ist es einfach ein absolutes no-go, wenn er das in dem SZ-Interview aufgrund offensichlichen Desinteresses nicht leisten kann.

    Nochmal die Zeitleiste: Gaucks erste Nominierung war am 30.06.10, Sarrazins Buch erschien am 30.08., das SZ-Interview am 01.10.
    Er war also zu diesem Zeitpunkt schon bereit, sich zum BP wählen zu lassen, und hatte einen Monat Zeit, sich über die Thesen des Herrn Sarrazin zu informieren.
    Und zu seinen biologistischen Thesen, die Sarrazin übrigens auch schon im Juni abgesondert hatte, fällt Gauck in diesem Interview nichts anderes ein als: “Wenn er das so behauptet, dann würde ich das auch kritisieren”?! Es war hinlänglich bekannt, dass er das genau so behauptet.

    Dass er (Gauck) zum Thema Einwanderung und Integration doch was zu sagen hat, zeigt er dann einige Tage später recht deutlich im NZZ-Interview, wo er davon schwadroniert, dass er Überfremdung “ganz bewusst” verwendet, denn auch in “älteren Zivilgesellschaften als Deutschland es ist, etwa in den städtischen Milieus von Rotterdam und Amsterdam oder Kopenhagen, wo wirklich die Menschen unverdächtig sind, Rassisten zu sein” findet er “dieses tiefe Unbehagen”.

    Also die Punkte und den Schluss muss mir jemand mal erklären: Städtische Millieus älterer Zivilgesellschaften sind unverdächtig Rassisten zu sein*, und daher darf er den Begriff Überfremdung ganz bewusst benutzen.

    Nee, ist klar.
    O_o

    *) Gerade die Niederlande haben überhaupt kein Problem mit Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Nie gehabt. Nee, klar.

  44. #45 Christian Reinboth
    22. Februar 2012

    @Stephan & cydonia: Wenn es euch letztendlich nur darum geht, mental augenscheinlich nicht stabile Personen von öffentlichen Ämtern abzuhalten, in denen sie großen Schaden anrichten könnten, sind wir uns doch vollkommen einig. Ein gutes Beispiel hierfür wäre Rick Santorum – zumindest wenn dieser Bericht zutreffend sein sollte. Von Santorum zu Gauck ist es ja nun aber wirklich ein verdammt weiter Weg – und Schmidt-Salomon führt in seiner Beschwerde ja auch keine spezifischen Bedenken an, die gegen Gauck sprechen könnten, sondern wirft ihm im Grunde nur den “Theologen” und “Pfarrer” vor – und das scheint mir dann doch unangemessen.

    Zu mehr komme ich heute Abend nicht mehr. Vielleicht morgen.

  45. #46 Dr. Webbaer
    22. Februar 2012

    Gauck wird vermutlich der beste Politiker, den D in den letzten Jahrzehnten hatte, oder kann sich noch jemand an doitsche Politiker erinnern, die reden konnten und intellektuell waren?

    MFG
    Dr. Webbaer (dem hier ad hoc eigentlich nur Willy Brandt einfällt, auch wenn der politisch nicht ganz seinem Geschmack entsprach)

  46. #47 Dr. Webbaer
    22. Februar 2012
  47. #48 Stephan
    23. Februar 2012

    @Christian Reinboth

    Weil du gerade Rick Santorum ansprichst:
    Ehrlich gesagt, ich tue mich wirklich schwer, die republikanischen Präsidentschaftskandidaten nach steigendem Wahnsinn zu sortieren. Da ist einer irrer als der andere.

    Rick Santorum: Der hat eine absolute Vollmeise, siehe hier:

    https://blasphemieblog2.wordpress.com/2012/01/26/rick-santorum-schwanger-nach-vergewaltigung-ist-ein-gottesgeschenk/

    Oder hier: https://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,814181,00.html

    Mitt Romney: Einmal abgesehen davon, dass er Mitglied in einer irren Sekte (Mormonen) ist, kein Mitleid mit armen Menschen hat (Arme werden laut ihm sehr gut aufgefangen in den USA), ist das fast noch der „normalste“ Bewerber.

    Newt Gingrich: Ohne Worte…

    https://www.taz.de/!86665/ und https://hpd.de/node/12152

    Aber nun trotz dieser harten Konkurrenz, mein absoluter Favorit des WAHNSINNS:

    Rick Perry:
    https://blog.esowatch.com/?p=5734
    Das ist schon gut:

    I’m not ashamed to admit that I’m a Christian, but you don’t need to be in the pew every Sunday to know there’s something wrong in this country when gays can serve openly in the military but our kids can’t openly celebrate Christmas or pray in school.
    As President, I’ll end Obama’s war on religion. And I’ll fight against liberal attacks on our religious heritage.
    Faith made America strong. It can make her strong again.
    I’m Rick Perry and I approve this message.

    Die Satire dazu auch:

    Hi, I’m Voldemort, and I’m not ashamed to admit I’m the Dark Lord. But you don’t need to be a Pureblood to know there is something wrong with the Wizarding world when Mudbloods can live among the worthy as equals, but our own children cannot openly practice the Dark Arts.

    Aber damit schießt er wirklich den Vogel ab und ist für mich der absolute Gewinner dieses nicht gerade schmeichelhaften Wettbewerbs der Irren.

    I think it’s time for us to just hand it over to God, and say, “God: You’re going to have to fix this”.

    So ein Statement macht mich echt eine Weile sprachlos. Und jedesmal, wenn ich es wieder lese, haut es mir alle Synapsen aus meinem Hirn raus…

  48. #49 Stephan
    23. Februar 2012

    Wenn man George W. Bush mit denen vergleicht, dann erscheint dieser ja fast als intellektuell, vernünftig und gemäßigt. Aber wirklich nur fast!

    Man kann sich natürlich auch fragen, was es über die amerikanische Bevölkerung aussagt, wenn Kandidaten denken, sie müssten solche Statements abgeben, bzw. würden wegen solcher Statements gewählt. Zumindest gehen die Kandidaten nicht davon aus, dass solche Statements ihnen im Durchschnitt schaden würden. Diese Gedanken finde ich schon erschreckend genug.

    Also ich finde den Gedanken, dass ein gewisser Prozentsatz der Amerikaner so denkt, wie es diese Irren in ihren Statements ausdrücken, absolut erschreckend. Da muss ich überhaupt nicht in tiefen Antiamerikanismus abtauchen und das noch weiter ausführen, ich bekomme da wirklich einfach Angst.

  49. #50 Dr. Webbaer
    23. Februar 2012

    Die Amis mögen zwar blöde sein, aber sie sind effizient, auch weil sie noch zwischen ‘gut’ und ‘nicht so gut’ unterscheiden.

    Gauck wird hier sicherlich ein Zurückkommen auf Werte anstoßen, und genau das wird in D nicht so gut ankommen bei denjenigen, die ihn an den Start gebracht haben – außer den doitschen Parteiliberalen natürlich.
    Insofern ist die Gauck-Nominierung in der Tat ein ganz merkwürdiges Eigentor der SPD und des angeblichen “Gauck-Erfinders” Jürgen Trittin. Dr. W tut’s aber durchaus begrüßen.

    BTW, die Amis sind in der Spitze – warum auch immer – besser aufgestellt als andere, womit jetzt weniger die Politik gemeint ist, hier kann Mutti mit Obama sicherlich mithalten, sondern die Wissenschaft und die Wirtschaft.

    Und natürlich ist der Agnostizimus verbreitet und konzeptionell allgemein bekannt, während bspw. in D traditionell neben der sehr starken und auch guten Stringenz leider oft auch binäres Unterscheidungsdenken gepflegt wird.

    Das aber nur ganz nebenbei und erläuternd,
    HTH
    Dr. Webbaer

  50. #51 Dr. Webbaer
    23. Februar 2012

    (…) ad hoc eigentlich nur Willy Brandt (…)

    Herzog war OK und wurde unterschätzt, schade, dass sich der alte Bursche nur noch selten zu Wort meldet.

    MFG
    Dr. Webbaer

  51. #52 rjb
    23. Februar 2012

    Natürlich wird da vieles aus dem Zusammenhang gerissen, und wenn Sarrazin Mut attestiert wird, dann sagt das zunächst einmal gar nichts aus – es kann der Mut gemeint sein, eine unpopuläre Wahrheit auszusprechen, oder, ironischerweise, die Art von Mut, die nötig ist, um sich öffentlich in besonders dämlicher Weise lächerlich zu machen, oder irgendwas, das zwischendrin liegt. Der Mut, den Sie, Herr Reinboth, hier praktizieren, ist der eines wahrscheinlichen Verstoßes gegen das Urheberrecht. Das Transkript der Gauckschen Rede ist eine Umgestaltung nach §23 UrhG, und somit bedürfte ihre Veröffentlichung der Zustimmung des Urhebers bzw. Rechteinhabers. Durch das Zitatrecht ist das Transkript im vorliegenden Umfang nicht gedeckt. Und das ist eben eine der Kehrseiten des hiesigen Urheberrechts: Es gestattet Zitate nur, insoweit sie im Rahmen eines eigenen Werkes erforderlich sind, und das wird eng ausgelegt. Das Zitat mit weitem Kontext anzureichern, der eben für die eigenen Darstellungszwecke nicht erforderlich ist und auf den der Zitierende nicht weiter eingeht, verstößt gegen das hiesige Urheberrecht. Damit wird erzwungen, die Dinge aus dem Kontext zu reißen, und das hat halt seine Konsequenzen. An denen ist dann aber, um es direkt zu sagen, die eigene Blödheit der sich über ebendiese Konsequenzen erregenden Gesellschaft schuld.

  52. #53 Andrea N.D.
    23. Februar 2012

    @Christian Reinboth:
    “Allein das Urteil, jemand sei aufgrund seiner Religionszugehörigkeit für ein bestimmtes öffentliches Amt ungeeignet, ist doch aber schon ein Problem. ”

    Diese Verdrehung stört mich bei Dir immer wieder. Ich erkläre es Dir noch einmal in aller Deutlichkeit:
    Sollten wir den Bundespräsidenten heute direkt wählen können und Du wärst Kandidat, würde ich Dich wählen, obwohl ich wie Stephan die generellen Bedenken über die “Irrationalität” teile.
    Was genau ist der Unterschied zwischen Dir und Gauck?
    Richtig! DU hast NICHT Theologie studiert.

    Primär geht es darum, dass Leute, die als Vertreter Gottes auf Erden wandeln und dies als Beruf ausübten/ausüben. Das ist etwas anderes als jemand, der im Kämmerlein ein Vater unser spricht.

  53. #54 Statistiker
    23. Februar 2012

    Die Ausführungen vom Linguisten Anatol Stefanowitsch sind da in der sprachlichen Interpretation deutlich stichhaltiger…. Zur Meinung des Linguistik-Blog-Profs hab ich nicht hinzuzufügen… https://www.scilogs.de/wblogs/blog/sprachlog/kultur/2012-02-21/der-boese-gauck-und-das-netz

  54. #55 arabiki
    23. Februar 2012

    “Würdest du jemanden wählen, der ernsthaft von sich behauptet Napoleon zu sein. Oder könnte ich jemanden wählen (oder für geeignet halten), der ernsthaft davon überzeugt ist, das ausgelegte Kristalle in seiner Wohnung ihn heilen? ”

    Oder etwas von einem angeblichen Klimawandel daherschwafelt…..

  55. #56 Onassis
    23. Februar 2012

    Eigentlich brauchen wir gar keinen Bundespräsidenten.

    Der ist so überflüssig wie die Königing von
    England!

    Aber Deutschland ist ein Land, welches nur extrem langsam reagiert.
    Und wenn es mal schnell und überraschend geht (z.b. bei der Energiewende), dann sind die Entscheidungen meistens äußerst schlecht!

    Also: Gauck for Bundespräsident + Bundespräsident abschaffen ab 2222 😉

  56. #57 Stephan
    24. Februar 2012

    Dies ist ein ganz interessanter Artikel, der hier vielleicht auch ein bisschen dazu passt:

    https://www.zeit.de/2012/09/Machtmechanik/komplettansicht

    Was genau davon stimmt, sei dahingestellt, interessante Perspektive aus jeden Fall.

  57. #58 Frank
    24. Februar 2012

    Gauck und die Überfremdung

    Transkription eines Ausschnitts aus einem Interview, das Joachim Gauck am 10. Oktober 2010, wenige Wochen nach Beginn der Sarrazin-Debatte und 7 Tage nach Wulffs Islam-Rede, der “Neuen Züricher Zeitung” (NZZ) gab.
    Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=-_woXlCSmIw

    Gauck: Aber ein anderes Problem – da will ich Ihren Einwand mal positiv aufnehmen: Es ist eben nicht ausgehandelt, ob wir die notwendige Einwanderung, die wir in Deutschland haben, so organisiert haben, dass Menschen miteinander in friedlicher Koexistenz und dann sogar in einer integrierten Bevölkerung leben, das ist nicht so. Und dieses Defizit hat nun der Thilo Sarrazin in einer zugespitzten Form aufgegriffen, und ein Großteil der Bevölkerung ist ihm dankbar! Also, wenn der jetzt die Tendenz hätte, eine eigene Partei zu gründen, ich weiß ja nicht was dann passieren würde.

    NZZ: Jetzt hat Bundespräsident Wulff zum Tag der deutschen Einheit gesagt, der Islam gehöre zu Deutschland. Hätten Sie das in dieser Funktion so auch gesagt?

    Gauck: Also, das ist ein Problem der Wortwahl. Ich weiß was er meint, und ich denke, dass er in dieser Beschreibung etwas, was irgendwann einmal sein wird, vorgezogen hat. Denn wir würden uns eigentlich nicht helfen, wenn wir Fremdheit und Distanziertheit übersehen würden in der guten Absicht, ein einladendes Land zu sein. Diese gute Absicht ist ja lobenswert, aber wir haben doch ganz andere Traditionen, und die Menschen in Europa, das sehen wir allüberall, nicht nur in Deutschland, sind allergisch, wenn sie das Gefühl haben, dass was auf dem Boden der europäischen Aufklärung und auch auf dem religiösen Boden Europas gewachsen ist, wenn das überfremdet wird, um einen Begriff zu verwenden, der in Deutschland verpönt ist, aber ich verwende ihn hier ganz bewusst, denn ich habe in, sagen wir, älteren Zivilgesellschaften als Deutschland es ist, etwa in den städtischen Milieus von Rotterdam und Amsterdam oder Kopenhagen, wo wirklich die Menschen unverdächtig sind, Rassisten zu sein, dieses tiefe Unbehagen alteingesessener Europäer gegenüber dieser Form von, ja, plötzlicher Koexistenz, aber nicht mit einem System, mit dem wir jederzeit auf einer Wellenlänge kommunizieren, sondern, darum macht sich das am Islam fest, da entsteht eine Debatte mit voraufgeklärten Politikvertretern, das ist weniger politisch, aber es ist vor der Aufklärung, was in Teilen unserer Moscheen hier verbreitet wird, und auch der Ansatz des Islam ist nicht durch eine Reformation gegangen, wie in Europa, und auch nicht durch eine europäische Aufklärung, und deshalb jetzt einen Zustand zu beschreiben, als wäre dieser kulturelle Schritt innerhalb der muslimischen Welt schon vollzogen, das täuscht uns über diese Fremdheit, die nach wie vor existiert, hinweg.

    Und Fremdheit zu leugnen ist genauso gefährlich wie wenn man Feigheit – ähh, Feigheit meine ich nicht – wie wenn man Feindschaften leugnet, ja, und es gab, ich sag mal ein Beispiel, es gab lange Jahre in aufgeklärten Teilen des alten Westens so das Gefühl: entfeindet euch gegenüber dem Osten, ja, wir schauen den Osten mal ganz lieb an, und nennen die Kommunisten nicht immer Kommunisten, sondern das ist ein alternatives System. Man hat dann aber z.T. übersehen, dass es diese Feindschaft des Systems durchaus gab, ja, man kann dazu die oder die Haltung entwickeln, aber es gab diese Feindschaft. Und so müssen wir erkennen, dass es Fremdheit gibt. Und Europa muß erkennen, dass es zweierlei Arten von Fremdheit gibt: einmal sind es die Transformationssysteme der östlichen Länder, die hinzugekommen sind, wo vieles von der alten Mentalität, noch nicht Citoyen zu sein, wirklich einwandert in ein Europa, das Erfahrung hat mit Bürgergesellschaft. Ja, und das ist eine andere Fremdheit. Und das eben nicht zu sehen, und so zu tun, als seien wir alle eins, weil unsere Intellektuellen praktisch dasselbe Vokabular benutzen, das bringt nix.

  58. #59 Dr. Webbaer
    24. Februar 2012

    Und dieses Defizit hat nun der Thilo Sarrazin in einer zugespitzten Form aufgegriffen, und ein Großteil der Bevölkerung ist ihm dankbar!

    Dankbarkeit ist genau das richtige Wort hier, selbstverständlich macht man sich der Citoyen Sarrazins Thesen nicht umfänglich zu eigen, seine Lösungsvorschläge (und nicht nur die) bspw. sind teilweise abwegig, aber die Kritik an der antiselektiv “gesteuerten” Einwanderung, die nicht nur in D, sondern auch in anderen Ländern erfolgt, also keine deutsche Besonderheit ist, trifft die allgemein wahrgenommene Lage sehr gut. Warum sollen Leute immigrieren können, die die Systeme der Aufklärung hassen und sie abschaffen wollen? – Hier ist sicherlich einiges schief gelaufen, leider gibt es kaum Politiker, die sich hierzu äußern. Hier gibt es eine politische Gleichschaltung wie eine Realitätsverleugnung, abgesichert durch die (lustigerweise auch auf den SB.de geübten) Tabuisierung und Diskriminierung Andersmeinender.

    MFG
    Dr. Webbaer

  59. #60 Chris
    25. Februar 2012

    Ich gehöre nicht zur Gauck Jubel Ecke, aber Gauck ist der Sinnvollste Kandidat auch wenn es unserer Bundeskanzlerin nicht wirklich schmeckt.

    MFG
    Chris

  60. #61 Dr. Webbaer
    25. Februar 2012

    @Frank
    In der Tat eine bemerkenswerte Gaucksche Stellungnahme zum Islam – wurde die etwa in D noch nicht im Negativen verwurstet von Anatol Stefanowitsch, Genossen wie Konsorten? – SInd ja doch sehr zutreffende und für einige auch schmerzhafte Aussagen…

    MFG + danke für das Transcriptum!
    Dr. Webbaer

  61. #62 cydonia
    25. Februar 2012

    Speziell für den Wb:
    “Living is easy with eyes closed,
    misunderstanding all you see……”
    Das war dann auch genug der Aufmerksamkeit für das Tierchen.

  62. #63 rolak
    25. Februar 2012

    <OT>
    Das ist schräg, cydonia – vor ein paar Minuten ging mir aus gegebenem Anlaß ein (leicht angepaßtes) ‘It was 30 years ago today’ durch den Kopf. Die beiden wären ja auch noch beinahe auf derselben Scheibe gelandet…
    </OT>

  63. #64 cydonia
    25. Februar 2012

    Tja, diese Zufälle aber auch…wenn da mal nicht ein höheres Wesen die Finger im Spiel hatte(womit wir dann wieder halbwegs onT wären). Ja, und es hätte auch auf die Scheibe gepasst(Penny Lane weniger)…wie krieg ich jetzt wieder die Kurve zu Gauck….hm, sein Vorgänger schätzte ja besonders das zweite Lied..nein, zu billig….aber es ist dennoch immer wieder interessant, welche Menschen Sarrazins merkwürdigen Ausführungen etwas abgewinnen können, womit ich ausdrücklich nicht Gaucks durchaus interessante, aber sprachlich etwas unsaubere Stellungnahme meine.

  64. #65 Dr. Webbaer
    25. Februar 2012

    Also, das mit dem ‘Entfeinden’, das nicht erfolgen sollte, hätte Dr. W nicht besser formulieren können; auch nicht unwitzig das ‘Lobenswerte’, das Gauck in Wulffs Simplicissimus ‘Der I gehört zu D’ zu erkennen vermochte – aber ‘Überfremdung’ wäre dagegen nicht die Wortwahl des Webbaeren gewesen, gilt sowas nicht als NPD-Jargon? Ist denn die ‘Fremdheit’ das Problem oder vielleicht etwas anderes? – Und natürlich: Die von Gauck gemeinten Intellektuellen, diejenigen’mit ‘demselben Vokabular’, sind Pseudo-Intellektuelle, wovon D genug hat, fürwahr! Aber das wird wohl Gaucksche Art gewesen sein es auszudrücken…

    MFG
    Dr. Webbaer

  65. #66 Stephan
    27. Februar 2012

    Meine Fresse…wenn ich diesen Artikel in der Zeit lese…dann fällt mir wieder ein, warum ich Wolfgang Thierse so schrecklich finde.

    Stellvertreter auf Erden

    Der Freiheitsprediger und ehemalige Pastor Joachim Gauck überzeugt auch Atheisten. Was ist sein Geheimnis?

    https://www.zeit.de/2012/09/Joachim-Gauck/komplettansicht

  66. #67 jitpleecheep
    27. Februar 2012

    Hier noch ein netter Nachruf:

    “Man stellt die Behauptung auf, die strittigen Gauck-Zitate seien bei Betrachtung des Kontexts verzerrt, ohne dabei selbst objektiv auf den Kontext einzugehen. Anstatt diese These anhand des Kontexts zu überprüfen, neigen viele Leser jedoch dazu, dieser Interpretation Recht zu geben. Damit machen sich Breitenbach und Lobo exakt der Verfehlung schuldig, die sie den Gauck-Kritikern anlasten.”

    https://www.nachdenkseiten.de/?p=12338

  67. #68 Dr. Webbaer
    27. Februar 2012

    Die linke Analyse auf den “Nachdenkseiten” ist im Grundsatz korrekt, Gauck steht als Antikommunist und auch islamischem Totalitarismus gänzlich Abgeneigter in der Tat kulturrelativistischen Sichtweisen entgegen. [1]

    Wenn Gauck nicht seine Überzeugungen oder zumindest seine Ansprachen deutlich mildert, beispielsweise auf eine zweite Amtszeit schielend, werden sich viele Linke noch schwarz ärgern über diese Wahl!

    MFG
    Dr. Webbaer

    [1] scheinen Fürsprecher beider genannten Richtungen am Start, kann es denn auch zu solchen Pöbeleien kommen – Prognose: Jene Kreise werden weiterhin versuchen Gauck aufs Übelste zu diffamieren

  68. #69 Christian
    28. Februar 2012

    Mit Pöbeleien hat das nichts zu tun. Gauck ist jemand, der auch gut in das rechtskonservative Gefüge der Republikaner in den USA passen würde. Ein neoliberaler Schwätzer, der zu den wirklich wichtigen Zukunftsthemen, nichts zu sagen weiß. Er ist auch kein wirklich Intellektueller.

  69. #70 Dr. Webbaer
    28. Februar 2012

    @Christian
    Sie geben die ehrliche linke Sicht auf Joachim Gauck korrekt wieder.

    MFG
    Dr. Webbaer

  70. #71 Christian
    28. Februar 2012

    Weder eine linke noch eine rechte Haltung. Dieser Mensch hat absolut keine Ahnung, aber auch wirklich nicht den leisesten Schimmer, von den dringend zu lösenden künftigen Aufgaben. Kein Wort von ihm zur Ökonomie, Ökologie, dem Euro, der Überbevölkerung, der allgemeinen dramatisch zunehmenden Umweltverschmutzung.
    Nein, dieser Herr beschäftigt sich einzig und allein mit seiner Biographie, wo er sich hauptsächlich als Verfolgter des DDR Regimes siegt.
    Ich könnte jetzt mal was ganz gemeines dazu sagen. Aber lassen wir das.
    Übrigens: Das mit Rechts und Links hat sich schon länger erledigt. Ich bin immer wieder erstaunt wie sich die ewig gestrigen, dieser Feindbilder bedienen.

  71. #72 Dr. Webbaer
    28. Februar 2012

    @Christian
    Der weiter oben verlinkte Text *, auf den Sie Ihre Zustimmung beziehen, stammt von Jörg Berger, der entweder Mitglied oder offener Sympathisant der LINKSpartei bzw. von DIE LINKE ist.

    MFG
    Dr. Webbaer (der Ihnen gerne zustimmt, dass streng linkes Gedankengut oft von völkisch sozialistischem Gedankengut schwierig zu trennen ist – werfen Sie mal einen Blick auf NPD-Webseiten – auch bspw. die “antizionistischen” Sichten auf Juden und Israel betrachten!)

    * https://www.nachdenkseiten.de/?p=12338

  72. #73 Heckenpenner
    29. Februar 2012

    @Wb
    Wer soll denn dieser ominöse Jörg Berger bei den Nachdenkseiten sein? Da bitte ich doch mal um Klärung!

  73. #74 Dr. Webbaer
    29. Februar 2012

    @Hecke
    Der SPIEGELFECHTER isses, ein netter linksradikaler Kollege, der kommunikationsstark ist, ordentlich im Umgang, und eben erklärtermaßen den “demokratischen Sozialismus” (vs. DDR) anstrebt.

    MFG
    Dr. Webbaer

  74. #75 Andreas P.
    29. Februar 2012

    Das Amt des BP (so wie ich es verstehe) erfordert einen
    überparteilichen, neutralen Amtsinhaber, eine “neutrale Gewalt”, und ich
    kann mir nicht mal ansatzweise vorstellen wie der neoliberale,
    marktradikale Kommunistenhasser Gauck dieser Rolle gerecht werden kann.
    Gauck ist in etwa so neutral wie Josef Ackermann. Mir ist völlig klar
    das damit andere Turbokapitalisten kein Problem haben, aber man sollte
    die Dinge schon beim Namen nennen.

    Ebenso bizarr ist es, Gauck gebetsmühlenartig als “Bürgerrechtler” zu
    bezeichnen, ich kann mich an keine Begebenheit in den letzten 20 Jahren
    erinnern wo dieser Mann sich für die Rechte der Bürger eingesetzt hätte,
    eher im Gegenteil. Oder ist etwa seine DDR Vergangenheit gemeint? Es
    gibt ja den Neusprech, DDR Opposition als Bürgerrechtler zu bezeichnen,
    unabhängig von ihrer politischen Motivation. War er also ein Kämpfer für
    Demokratie und Freiheit, der auch persönliche Risiken einging in
    vorderster Front, wie man suggeriert? Es lassen sich keine Hinweise
    darauf finden. In den DDR-systemkritischen Gruppen, die sich (auch) im
    Umfeld der evangelischen Kirche bildeten, tauchte ein Joachim Gauck
    nicht auf. An den Ökumenen ’88 und 89, die wichtige SED-kritische Texte
    verfassten, hat Gauck nicht teilgenommen. Es gab Reden und Briefe
    bekannter und nicht so bekannter kritischer Geister, die unter der Hand
    weitergereicht wurden, es gab richtige Publikationen oppositioneller
    Gruppen die die SED und ihre Politik scharf kritisierten und sich damit
    ziemlich weit aus dem Fenster lehnten, denn was sie taten war illegal
    … ein Verfasser Gauk wird sich dort nicht finden. Gaucks Karriere als
    “Bürgerrechtler” beginnt im Oktober 89, als er in Rostock dem “Neuen
    Forum” beitritt .. also in dem Monat in dem Honecker entmachtet wurde,
    und der Käs schon längst gegessen war.

  75. #76 Heckenpenner
    29. Februar 2012

    @Wb
    Den Spiegelfechter kenn ich wohl, da lese ich schon seit Jahren mit. Der gute Mann heißt aber doch Jens Berger. Ist der Jörg dem sein Bruder?

  76. #77 Christian
    1. März 2012

    @Web.
    Ich kenne Jörg Berger überhaupt nicht. Mir geht es um Wahrnehmung. Da sehe ich den Herrn Pfarrer doch eher in der Gesellschaft von Selbstmiltleidserregern.
    Hier in der BRD sind Generationen ( nach dem Krieg) unter den Nazis aufgewachsen.
    Die Demokratie westlichen Zuschnitts wurde den Deutschen von den westlichen Siegermächten geradezu eingetrichtert.
    Also, was soll der Unfug?

  77. #78 Dr. Webbaer
    3. März 2012

    @Hecke
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=12338

    JBs Wochenrückblick ist vom SPIEGELFECHTER Jens Berger.

  78. #79 Dr. Webbaer
    3. März 2012

    @Andreas P.
    Gaucks Gegnerschaft zum DDR-Regime stand immer außer Frage, seine Gegnerschaft war aber nicht auf einen Dritten Weg angelegt, wie bei den meisten Radikal-Oppositionellen, sondern den Werten der Europäischen Aufklärung verpflichtet, und gelangte in der Tat erst dann in vollem Umfang zur Geltung als DDR und DDR-Substitionelle gefallen sind.

    In der Tat ist das für ehrliche strenge Linke heutzutage eine nicht wünschenswerte Positionierung und Karriere – man darf den Mehrheitsverhältnissen danken, dass Gauck dennoch zum Unwillen einiger in einigen Wochen zum Bundespräsidenten gewählt werden wird. Danke auch für Ihre ehrliche Nachricht!

    MFG
    Dr. Webbaer

  79. #80 Klaus
    3. März 2012

    Oh je oh je. Hanebüchener Webblödsinn ! Typisch Ossi.

  80. #81 Dr. Webbaer
    3. März 2012

    @Klaus
    Dr. W kein Doitscher, Projektionen dürfen gerne zu Hause bleiben, oder meinten Sie die oben kommentarisch in der Holzklasse Reisenden. – Loge, da sah es nicht so gut aus, Dr. W bucht das Holz aber gerne als regionale Spezifität; Wb dbzgl. ganz bei Ihnen…

    MFG
    Dr. Webbaer

  81. #83 KLua
    5. März 2012

    Wobei bei Frau Klarsfeld zum französichen Großbürgertum gehört. So unterstützt sie im Wahlkampf ohne wenn und aber. Sarkosy.

  82. #84 Dr. Webbaer
    5. März 2012

    Klarsfeld ist sicherlich “reaktionär”, großbürgerlich, “zionistisch” und wäre somit ebenfalls eine brauchbare Wahl.

    MFG
    Dr. Webbaer (der es aber schon besser fände, wenn der bundesdeutsche Präsidentschaftskandidat früher nicht mit DDR-Kräften Hand in Hand gegangen wäre, aber hier ließe sich streiten, sicherlich würde auch diese Dame bei Gelegenheit die DDR als Unrechtsstaat einordnen, dann passte es wieder – btw: sind denn alle genuin streng linken Kandidaten diskreditiert, was mit Margot Honecker?)

  83. #85 Christian
    6. März 2012

    Sie entstammen sicher einem streng durch organisierten rechtem deutsch nationalem Haushalt. Franz von Papen ist sicher eines ihrer großen Vorbilder? Hmm.

  84. #86 geciktirici sprey
    29. Mai 2012

    Webbaer (der es aber schon besser fände, wenn der bundesdeutsche Präsidentschaftskandidat früher nicht mit DDR-Kräften Hand in Hand gegangen wäre, aber hier ließe sich streiten, sicherlich würde

  85. #87 geciktirme spreyi
    29. Mai 2012

    Webbaer (der es aber schon besser fände, wenn der bundesdeutsche Präsidentschaftskandidat früher nicht mit DDR-Kräften Hand in Hand gegangen wäre, aber hier ließe sich streiten, sicherlich würde

  86. Webbaer (der es aber schon besser fände, wenn der bundesdeutsche Präsidentschaftskandidat früher nicht mit DDR-Kräften Hand in Hand gegangen wäre, aber hier ließe sich streiten, sicherlich würde

  87. #89 michael
    29. Mai 2012

    @ChristianR

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