Viele, die sich vor einigen Monaten über den Verkauf geärgert haben, haben in ihrer Sorge über möglichen Datenmissbrauch vergessen, nach den Motiven von Elsevier zu fragen. Wenn man sich einmal ansieht, welchen Nutzen der Verlag aus Mendeley generieren möchte, wird schnell deutlich, dass es gar nicht im Interesse von Elsevier liegen kann, für Unruhe in der Mendeley-Nutzerschaft zu sorgen. Vielmehr geht es dem Verlag doch darum, eine bessere Verbindung zum Forscher zu schaffen und herauszufinden, welche Themen die Community bewegen. Darüber hinaus konnte die Sichtbarkeit von Elsevier-publizierten Artikeln durch die direkte Anbindung von Elsevier-Plattformen wie Scopus oder ScienceDirect an Mendeley seit der Akquise erheblich gesteigert werden. All das nützt dem Verlag aber nur dann etwas, wenn die Mendeley-Nutzerschaft zufrieden ist und weiterhin wächst.
Einer der Gründe, aus denen der Kauf durch Elsevier viel Staub aufgewirbelt hat, ist vermutlich die wachsende generelle Unzufriedenheit vieler Forscher mit der Preispolitik der großen Wissenschaftsverlage. In Deutschland etwa wächst der Ruf nach einer Open Access-Politik, die dafür sorgt, dass vom Steuerzahler finanzierte Forschungsergebnisse auch öffentlich zugänglich gemacht werden. Wie stehen denn die Mendeley-Gründer zum Open Access-Gedanken?
Dieser Beobachtung stimme ich grundsätzlich zu. Beim Aufbau der Mendeley-Community stand die Vision, Wissenschaft offen und kollaborativ zu gestalten, stets im Vordergrund. Mit der aktiven Lobbyarbeit gegen Open Access-Gesetze, wie sie lange von Elsevier betrieben wurde, ist das natürlich zunächst schlecht in Einklang zu bringen. Elsevier hat hier leider selbst viel Goodwill verspielt, ist aber dabei, aus diesen Fehlern zu lernen. So hat man etwa die Lobbyarbeit gegen Open Access inzwischen eingestellt und die Zahl der eigenen Open Access-Journale fast verdoppelt. Sogar von Flagschiffen wie “Cell” gibt es mittlerweile den Open Access-Ableger Cell Reports. Insgesamt kann man also feststellen, dass sich bei Elsevier in Sachen Open Access einiges bewegt hat, wobei natürlich der Boykott sehr zu diesem Umdenken beigetragen hat. Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: In der Tat unterstützen einige Mendeley-Kollegen die Open Access-Bewegung seit Jahren sehr wortstark, ohne dass der Verlag darin ein Problem sieht. Der Zwiespalt zwischen der von Mendeley propagierten Offenheit und der Verlagspolitik, wie er von außen immer gesehen wird, ist mittlerweile meiner Einschätzung nach kaum noch vorhanden.
Positiv anzumerken ist an dieser Stelle vielleicht noch, dass im Rahmen des Verkaufs von Mendeley an Elsevier vereinbart wurde, die ersten beiden Seiten aller von Elsevier in den letzten Jahren veröffentlichten Paper – und nicht nur deren Abstracts – innerhalb von Mendeley verfügbar zu machen. Insgesamt sind damit immerhin einige Millionen Seiten an wissenschaftlichem Content freigegeben worden.
Es gibt viele spannende IT-Projekte, die dem Bereich „Science 2.0“ zugeordnet werden können: Von Wissenschaft-Blogportalen wie Scilogs oder ScienceBlogs über Wissenschafts-Crowdfundung beispielsweise via Sciencestarter oder andere Projekte wie Researchblogging und Cite-U-Like. Größtenteils wird hier jedoch kein oder nur wenig Geld verdient – für Mendeley dagegen gab es eine Millionensumme im hohen zweistelligen Bereich, der Guardian listete das Unternehmen 2009 auf Platz 6 der Top 100 tech media companies. Worauf kommt es also an, wenn man mit Science 2.0 Geld verdienen möchte?
Wir haben diesbezüglich gute Erfahrungen mit dem sogenannten Freemium-Ansatz gemacht: Die wesentlichen Features sind alle kostenfrei nutzbar und bleiben es auch. Der sich dadurch permanent anwachsenden Nutzerbasis werden dann Premium-Modelle angeboten, die im Falle von Mendeley etwa den Support, mehr Speicherplatz oder größere Gruppenstärken beinhalten. Sehr gut angenommen wurde auch das Angebot von Campus-Lizenzen an Universitäten und Hochschulen, die allen Mitarbeitern und Studierenden Zugang zu Premium-Leistungen einräumen. Mendeley war übrigens vor dem Verkauf an Elsevier kurz davor, die Gewinnschwelle zu überschreiten, was für ein Start-Up dieser Branche nach nur fünf Jahren durchaus ungewöhnlich ist.
Welches Fazit lässt sich ein halbes Jahr nach dem Verkauf an Elsevier ziehen? Haben sich durch die neue Heimat für Mendeley auch neue Perspektiven für die Weiterentwicklung ergeben?
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