Der große Vorteil, der sich durch den Verkauf für die weitere Entwicklung von Mendeley ergibt, besteht natürlich darin, dass nicht mehr jedes neue Feature sofort monetarisiert werden muss. Als Start-Up kann man die Entwicklung neuer Features im Grunde ja nur dann in Angriff nehmen, wenn ersichtlich ist, dass man die Kosten über den Verkauf entsprechender neuer Premium-Angebote wieder einspielen kann. Von diesem Druck sind wir durch den Verkauf an Elsevier nun ein Stück weit befreit und können uns insbesondere im Hinblick auf die Community-Funktionen auf Erweiterungen konzentrieren, mit denen wir uns zuvor nicht befassen konnten. Über die sogenannten Mendeley Advisors – 1.800 ausgewählte Vielnutzer unserer Software – bekommen wir regelmäßig Community-Feedback und Anregungen für die weitere Entwicklung. In der Entwurfsphase ist derzeit beispielsweise eine Erweiterung für die Verwaltung von Forschungsprojekten sowie die Integration einer Datenverwaltung.

Einer der Gründe, aus denen ich für die nicht-kollaborative Literaturverwaltung Citavi anstelle von Mendeley verwende, ist die Möglichkeit nicht nur der Literaturverwaltung sondern auch der Wissensverwaltung bis hin zur automatisierten Erstellung von Skripten mit Referenzen und Zitaten. Gibt es Überlegungen, ein solches Feature irgendwann auch einmal in Mendeley zu implementieren?

Obwohl es solche Überlegungen natürlich gibt, wird die Kernfunktion von Mendeley auch in Zukunft die Literaturverwaltung sein. Für Drittanbieter stellen wir allerdings unsere API zur Verfügung, so dass jeder, der etwa eine mit Mendeley interagierende Wissensverwaltung programmieren möchte, die Möglichkeit dazu bekommt. So arbeitet beispielsweise das Chemnitzer Startup Hojoki an einer Projektmanagement-Software, die externe Dienste wie etwa Google Drive, Dropbox und eben auch Mendeley über die jeweiligen APIs vernetzt. Auch die erfolgreiche Plasmid.io-App baut auf der Mendeley-API auf. Um also wieder auf die Frage zurückzukommen: Grundsätzlich wäre eine Wissensverwaltung auf Mendeley-Basis interessant, wird wohl aber eher von einem Drittanbieter anstatt von uns kommen.

Noch eine Frage zu möglichen neuen Features. Spätestens seit der Guttenberg-Affäre ist ja die Frage, wie sich Wissenschaftsplagiate identifizieren lassen, viel stärker in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Die für diese Aufgabe bereits am Markt erhältliche Software überzeugt allerdings eher nicht. Würde sich nicht Mendeley mit seiner großen Artikeldatenbank und seiner Community als Ressource bei der Suche nach Plagiaten anbieten?

Solche Überlegungen hat es tatsächlich schon gegeben, auch Anfragen entsprechender Hersteller von Software für die Plagiatssuche liegen uns vor. Wir haben den Gedanken bislang vor allem aus zwei Gründen nicht weiterverfolgt. Erstens weil die Realisierung anderer Features (Projektmanagement, Android-App) für die Community von sehr viel größerem Wert ist und damit einfach Priorität genießt. Zweitens ist auch die juristische Frage noch ungeklärt, ob Mendeley entsprechende Suchalgorithmen einfach über die Datenbestände laufen lassen dürfte, da wir ja an den Publikationen selbst keine Rechte haben. Ich würde also nicht ausschließen wollen, dass wir den Gedanken irgendwann einmal wieder aufgreifen – derzeit steht das Thema aber eher nicht im Vordergrund.

In der Anfangszeit von Mendeley haben wir uns übrigens aus anderen Gründen mit der Frage befasst, wie man sich inhaltlich ähnelnde Publikationen beim Upload identifizieren könnte – nämlich um auszuschließen, dass das gleiche Paper in verschiedenen Versionen (z.B. als Working Paper, OCR-Scan, PDF-Datei etc.) bei uns erfasst wird, was wiederum die Zuverlässigkeit unserer Zugriffsstatistiken in Frage gestellt hätte. Damals stand auch der Einsatz von Methoden – beispielsweise des Fuzzy Hash Matchings – zur Debatte, die man auch für die Suche nach Plagiaten einsetzen kann. Inzwischen haben wir allerdings eine elegantere Möglichkeit für die Deduplikation doppelt registrierter Paper gefunden, die sich jedoch nicht für die Suche nach Plagiaten eignen würde.

Mendeley ist 2008 mit dem Ziel ins Leben gerufen worden, das Last.fm für netzaffine Wissenschaftler zu werden. Inwieweit ist dieses Ziel bereits erreicht wurden – und welche Bausteine fehlen noch?

An Last.fm haben uns damals insbesondere drei Aspekte fasziniert, die wir mit Mendeley unbedingt für die Wissenschaftscommunity umsetzen wollen. Der erste dieser Aspekte war das gut funktionierende Empfehlungssystem von Last.fm, das auf dem kollaborativen Filtern basierte. Dieses Feature konnte bei Mendeley bereits sehr gut implementiert werden: Wenn man in Mendeley eine Veröffentlichung markiert und sich ähnliche Dokumente anzeigen lässt, erhält man fast immer wirklich brauchbare Vorschläge. Das zweite spannende Feature von Last.fm war die riesige offene Musikdatenbank, die per API auch für Drittentwickler zugänglich war. Auch hier steht Mendeley schon sehr gut da: Über 95% der verfügbaren wissenschaftlichen Literatur werden bereits in Mendeley erfasst und generieren Zugriffsdaten, die per API auch von Drittentwicklern genutzt werden können.

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Kommentare (3)

  1. […] wurde. Zu den Beweg­grün­den und den Reak­tio­nen, die diese Über­nahme aus­lös­ten, ein lesens­wer­tes Inter­view mit Vik­tor Hen­ning, einem der Grün­der von Men­de­ley, nun Vice Pre­si­dent of Stra­tegy […]

  2. […] Mendeley wurde u.a. von zwei deutschen Wissenschaftlern nach Abschluss ihres Studiums im Jahr 2008 gegründet. Inspiration war der Musikdienst lastfm. Das StartUp wurde 2013 vom großen und mächtigen Wissenschaftsverlag Elsevier gekauft, was damals für einige Aufregung sorgte (Interview mit einem Gründer nach dem Verkauf bzw. Exit). […]

  3. […] Mendeley wurde u.a. von zwei deutschen Wissenschaftlern nach Abschluss ihres Studiums im Jahr 2008 gegründet. Inspiration war der Musikdienst lastfm. Das StartUp wurde 2013 vom großen und mächtigen Wissenschaftsverlag Elsevier gekauft, was damals für einige Aufregung sorgte (Interview mit einem Gründer nach dem Verkauf bzw. Exit). […]