Während meines Urlaubs (im Sternenpark Westhavelland – eine wunderschöne Gegend) in der vergangenen Woche stieß ich in einem Antiquariat zufällig über ein im Jahr 1983 durch den Rowohlt-Verlag von Christian Habbe herausgegebenes Taschenbuch mit dem Titel “Ausländer – die verfemten Gäste”, das sich kritisch mit der Flüchtlings- und Ausländerfeindlichkeit der alten Bonner Republik in den 70er und 80er Jahren auseinandersetzt. Neben vielen lesenswerten Abhandlungen zu diesem Thema faszinierte mich bei der Lektüre des Sammelbands vor allem eine zehn Seiten umfassende Zusammenstellung von Kommentaren aus Droh-, Schmäh- und Beschwerdebriefen von Leuten, die man heute wohl als “besorgte Bürger” bezeichnen würde, an Politiker und Journalisten.
In diesen über 30 Jahre alten Zuschriften – die ich nachfolgend nur in Auszügen wiedergebe, um das Zitatrecht nicht überzustrapazieren – finden sich sämtliche hanebüchenen Argumentationsmuster nahezu vollständig unverändert wieder, die auch der heutige “Asylkritiker” vor sich herträgt: Von der drohenden Staatspleite über die islamistische Unterwanderung und den Kulturverlust bis hin zum Zusammenbruch der westlichen Zivilisation in wenigen Jahren (also um das Jahr 1995) ist alles vertreten – sogar inklusive der strafrelevanten Gewaltandrohungen und der “Ich bin ja kein Nazi, aber…”-Sprachpirouette. Einzig was dem Asylkritiker von 2015 die Smartphones in Flüchtlingshand sind, waren dem Asylkritiker von 1983 noch die Dirnen, die die Flüchtlinge per Taxi vorfahren ließen.
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„Sie sollten schleunigst weitere Millionen von Armutsflüchtlingen einschleusen lassen, damit dem letzten Deutschen klar wird, daß es sich nicht mehr lohnt, hier zu leben und zu schuften, damit diese Wilden jeden Tag auf Kosten der Allgemeinheit Weihnachten feiern können.“
„Unser Volk wird von Ihnen verraten. Ihr seid die größten Verbrecher, die es je bei uns gegeben hat. Das Volk muß bluten. Ihr macht euch die Taschen voll, unsere alten Leute bekommen vielleicht nur 250 Mark Rente und den Flüchtlingen bläst man Zucker in den Arsch.“
„Fürs eigene Volk zuwenig Arbeit und Wohnungen! Für das Gesindel aus aller Welt hat dieser Staat alles!“
„Die SPD gibt nun diesen uns so wesensfremden, Heroin liefernden Moslems in Deutschland freiwillig so viele Privilegien, daß diese osmanischen Glaubensfanatiker uns Deutsche in Kürze völlig beherrschen werden und wir im eigenen Land nichts mehr zu sagen haben.“
„Es würde mich interessieren, wieviele Asylanten zum Beispiel Sie in Ihrem Haus aufgenommen haben? Es ist keine Kunst, das Maul aufzureißen und den Humanen zu spielen und dann alles übrige dem armen Steuerzahler zu überlassen. Sogar dem Mann auf der Straße ist bekannt, wie die alten Griechen und Römer untergegangen sind, nämlich durch Vermischung und Überhandnahme von Unbegabten.“
„Wenn das so weitergeht, jagen uns die Ausländer noch aus dem Land und dann sind wir die Flüchtlinge, aber bis das so weit ist, wird die Bevölkerung aufstehen und die Ausländer aus dem Land jagen.“
„Als Ausländer macht man viele Kinder und bekommt das Geld mit beiden Händen vom Sozialamt und kann die Deutschen auslachen. Von kriminellen Dingen, Belästigungen, Lärm der Ausländer und deren Kinder, Drohungen ganz zu schweigen.“
„Was soll der Bürger denken, wenn er mitansehen muß, wie die Asylanten, kaum hier angekommen und mit Geld vom Sozialamt versehen, sich mit Taxis Dirnen aus dem Bordell einer größeren Stadt kommen lassen (und das für unser Geld)!“
„Ich war kein Nazi, im Gegenteil, aber bei denen gäbe es diesen Saustall mit Ausländern in unserem Lande nicht! Dieser Humanitätsfimmel stinkt ja schon zum Himmel!“
„Bald gibt es nur noch Kinder ausländischer Eltern und in der nächsten Generation sind wir aufs Abstellbrett gesetzt. Unsere Muttersprache, Kultur, Wirtschaft, Politik, Religion, dies alles wird in wenigen Jahrzehnten ausgerottet sein.“
“Was Sie als Fremdenhaß bezeichnen, ist die Sorge der Bürger über die zunehmende Einengung des eigenen Lebensraumes. Radikalismus und das Umfunktionieren dieses Landes zur islamischen Besatzungszone lösen Widerstand aus. Der Heroinbrückenkopf BRD und die zunehmenden Sonderrechte für Ausländer sowie deren karnickelhafter Vermehrungsdrang sind nicht dazu angetan, gelassen in die Zukunft zu sehen.”
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Wer in den vergangenen Monaten mal in die Facebook-Kommentarspalten der großen Medienhäuser, in die Online-Foren größerer wie kleinerer Zeitungsauftritte oder in die “Perlen aus Freital” geschaut hat, wird mir vermutlich beipflichten: Die obenstehenden Kommentare aus den frühen 80er Jahren könnte man dort per copy&paste unterbringen, ohne dass es inhaltlich jemandem auffallen würde – stilistisch wären allenfalls noch einige Rechtschreibfehler zu ergänzen. Der gegenwärtig im Internet artikulierte Hass ist somit keinesfalls “neu” oder wird gar durch das Netz hervorgerufen – auch wenn der vereinfachte Kontakt zu entsprechend Gleichgesinnten den einen oder anderen rassistischen Kommentatoren sicherlich ermuntert. Neu ist vielmehr, dass die verbalen Drohungen auch in ganz konkreten Terror – und anders kann man die aktuellen Zustände ja leider nicht mehr beschreiben – umgesetzt werden: Wurde bereits im letzten Jahr ein solcher Anschlag pro Woche verübt, sind es mittlerweile drei bis vier – ein in Zeiten der Bonner Republik unvorstellbarer Zustand.
Die entscheidende Frage lautet somit nicht, woher der Hass stammt – der schwelt leider bereits seit Jahrzehnten unter der Oberfläche und wird durch das Internet nur besser sichtbar. Vielmehr müssen wir uns die Frage stellen, was dazu geführt hat, dass offenbar immer mehr Menschen den Eindruck haben, ihre Gesinnung in Wort und (Gewalt)Tat offen ausleben zu können, ohne gesellschaftliche oder juristische Sanktionen fürchten zu müssen.
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