Die ganze Formel nützt einem natürlich nur dann etwas, wenn man weiß, was sich hinter den mathematischen Kürzen verbirgt. Dann kann man das Integral ausrechnen und beispielsweise herausbekommen, wieviele Myonen-Antimyonen-Paare durch diesen Prozess entstehen sollten. Wenn man dann im Experiment plötzlich viel mehr Myonen findet, dann kann das ein Hinweis darauf sein, dass man etwas Neues entdeckt hat.
Die Formel wird mit Leben erfüllt
Die Wellenfunktionen
ψ(x,t) ist nichts als die Wellenfunktion des einfliegenden Elektrons am Ort x zur Zeit t. Die Wellenfunktion ist ja die zentrale Größe in der Quantenmechanik und beschreibt das Verhalten von Teilchen. In der Quantenmechanik geht das mit der berühmten Schrödingergleichung, hier in unserem Fall brauchen wir eine ähnliche Gleichung, die Dirac-Gleichung, die auch bei sehr hohen Geschwindigkeiten des Elektrons noch gilt, wenn es fast mit Lichtgeschwindigkeit fliegt.
Genau genommen habe ich hier etwas gelogen, denn ψ(x,t) ist eigentlich ein etwas komplizierteres Gebilde, ein sogenannter Spinor. Das ist eine “aufgemotzte” Wellenfunktion, in die auch noch der “Spin”, also die Rotation des Elektrons eingebaut ist. (Genau genommen der Drehimpuls – um seine Achse drehen kann sich ein Punktteilchen wie ein Elektron nicht, aber einen Drehimpuls kann es trotzdem haben.) Spielt aber für das Verständnis der Ideen keine Rolle.
ψ*(x,t) ist die entsprechende Funktion für das einfliegende Positron, der * kennzeichnet das Antiteilchen. Die φs gehören zu den beiden Myonen – bei wegfliegenden Teilchen ist die Regel für die Sternchen umgekehrt, da ist φ* für das Myon und φ für das Anti-Myon zuständig. Wie man die ψ und φ tatsächlich mathematisch ausrechnet, sehen wir weiter unten.
Die Ladung
Dann haben wir zwei Ausdrücke der Art ieγ.
Dabei ist e etwas ganz vertrautes, denn -e ist die Ladung des Elektrons (oder des Myons). Das γ (mit seinem oberen Index) ist mathematisch gesehen eine Matrix – die sorgt dafür, dass der Spin in der Wellenfunktion des Elektrons sauber zu unserem Photon passt. i ist die komplexe Einheit, die Wurzel aus -1. (Keine Sorge, am Ende wird ja die Amplitude nochmal quadriert, dann werden alle Ergebnisse brave reelle Zahlen.)
Die elektrische Ladung ist also genau ein Maß für die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Elektron-Positron-Paar sich annihilieren. Sie hat aber natürlich auch etwas mit der elektrischen Abstoßung bzw. Anziehung zwischen Teilchen zu tun. Um das zu sehen vertauschen wir in unserem Diagramm die Orts- und die Zeitrichtung:
Jetzt sendet das Elektron ein Photon aus, das vom Myon aufgenommen wird. Das Diagram selbst sieht genauso aus wie vorher, aber die Linie links oben gehört jetzt zu einem Elektron, nicht zu einem Positron, denn das Elektron wird ja nicht plötzlich sein eigenes Antiteilchen. (Das ist auch genau der Grund, warum man Antiteilchen-Pfeile immer umdreht.) Der Ausdruck ieγ bleibt dabei unverändert. Das Elektron überträgt dabei Energie an das Myon – das ist nichts anderes als die elektrische Abstoßung.
Der Photon-Propagator
Als letztes nun die Größe Dμν(x,t,x’,t’). Die nennt man auch den Photon-Propagator, weil das Photon von x,t nach x’,t’ fliegt, also von einem Ort zum anderen weiterläuft oder vornehm eben “propagiert”.
Der Photon-Propagator hat ziemlich überraschende Eigenschaften. Zunächst mal sollte man ja denken, dass Photonen mit Lichtgeschwindigkeit fliegen. In der Zeit (t’-t) kann ein Photon mit Lichtgeschwindigkeit eine Strecke c(t’-t) zurücklegen. Man sollte also meinen, dass der Abstand zwischen x und x’ gerade diesen Wert haben muss, damit der Propagator nicht Null ist. Das stimmt aber nicht. Das Photon hat eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, auch dann von (x,t) nach (x’,t’) zu gelangen, wenn der Abstand und die Zeitdifferenz nicht zusammenpassen. Photonen fliegen also nicht immer mit Lichtgeschwindigkeit. (Wenn man anfängt zu rechnen stellt man aber fest, dass dieser Effekt für makroskopische Distanzen verschwindet – die Wahrscheinlichkeit, sich mit Lichtgeschwindigkeit zu bewegen, ist am größten und dominiert dann völlig.)
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