Hier habe ich die Blickrichtung etwas geändert und die Zeitskala ein bisschen gedehnt, sonst hätte man nichts mehr erkannt.
Aber obwohl das natürlich nette Bildchen sind, kann man sich doch fragen, was man mit ihnen anfangen kann. Und da kommen wir nicht umhin, uns mit der Interpretation der Wellenfunktion zu beschäftigen. Was ist denn nun dieses ψ?
Dass ψ selbst keine messbare Größe sein kann, weil es ja komplexe Werte annehmen kann, hatte ich oben schon erklärt. In unserem kleinen Exkurs über komplexe Zahlen hatte ich aber ja erklärt, dass man aus einer komplexen Zahl eine reelle bauen kann, wenn man sie mit ihrem komplex-konjugierten multipliziert. Zur Erinnerung: Wenn ich die Zahl z als a+ib schreibe, dann ist das komplex-konjugierte z*=a-ib, und wenn ich die beiden multipliziere, dann bekomme ich
(a+ib) (a-ib) = a2 + iab – iab + b2 = a2 + b2
Zur Veranschaulichung nochmal ein Bild von Wikipedia dazu:
Von Kmhkmh – Eigenes Werk, CC-BY 4.0, Link
Man nennt diese Größe auch das Betragsquadrat (Quadrat, weil man die Zahl ja mehr oder weniger mit sich selbst multipliziert, und Betrag, weil ja am Ende eine positive Zahl rauskommt.).
Wir können entsprechend aus unserer Wellenfunktion Ψ(x,t) eine reelle Zahl bekommen, wenn wir Ψ*(x,t)Ψ(x,t) berechnen. Und diese Größe, ich nenne sie mal O(x,t), hat tatsächlich eine – wenn auch schwierige – Interpretation:
O(x,t) gibt die Wahrscheinlichkeit an, das Elektron zur Zeit t am Ort x zu finden. (Mathematisch genau ist’s ne Wahrscheinlichkeitsdichte, aber das ist wieder ne Feinheit für die Theoretikerinnen.) Stellen wir uns vor, wir haben 1000 Kästen mit je einem Elektron drin, und wir versuchen, die Elektronen zu detektieren, beispielsweise mit einem Lichtstrahl, der abgelenkt werden soll. Dann werden wir nach den 1000 Experimenten eine Verteilung der Elektronen finden, die (mit den üblichen statistischen Unsicherheiten) der Funktion O(x,t) entspricht.
Diese Interpretation wirft einiges an Problemen auf, aber das vertage ich auf später. Für heute soll diese relativ simple statistische Interpretation erstmal genügen. Wenn wir also nicht die Wellenfunktion über der Zeit auftragen, sondern ihr Betragsquadrat, also die Funktion O(x,t), dann sehen wir, wie die Wahrscheinlichkeit, das Elektron irgendwo zu finden, sich mit der Zeit entwickelt.
Wie sieht denn nun die Funktion O(x,t) aus? Für die einfachsten Fälle unserer Wellenfunktionen mit konstanter Energie, die wir oben im ersten Bild hatten, ist das ziemlich simpel: Die Funktionen müssen einfach quadriert
werden:
Da die Zeitabhängigkeit nur ein konstantes Rotieren war, fällt sie beim Quadrieren weg. (Wer das nachrechnen will, sieht das so: Wenn Ψ(x,t)=z exp(i q) ist, dann ist Ψ*(x,t)=z exp(-iq), weil ich ja in die andere Richtung rotieren muss, wie das Bild oben zeigt. Das Produkt aus beiden ist also z2, unabhängig von der zeitabhängigen Phase.)
Die Wahrscheinlichkeiten sind also zeitlich konstant. Deshalb spricht man bei solchen Zuständen auch von stationären Zuständen – die Phase der Wellenfunktion ist nicht direkt messbar und deshalb merkt man eben nichts von der Zeitabhängigkeit.
Anders sieht das aus, wenn ich die Überlagerung von mehreren Zuständen betrachte. Die Überlagerung der ersten beiden gab ja oben eine spiralig aussehende Kurve. Deren Betragsquadrat sieht so aus:
Hübsch, oder? Das Elektron (bzw. seine Aufenthaltswahrscheinlichkeit) “schwappt” hier von einer Seite zur anderen. Wenn man also in unseren 1000 Kästen die Elektronen detektiert, hängt das Ergebnis davon ab, wann man das tut: Mal findet man sie bevorzugt links, mal rechts im Kasten. (Wobei man nach jeder Detektion natürlich das System irgendwie in den Ausgangszustand zurückversetzen muss.)
Die Überlagerung der Zustände 1-4 kann man auch angucken, sie ist allerdings ziemlich wirr:
Immerhin erkennt man, dass die Wahrscheinlichkeit manchmal links besonders hoch ist und manchmal rechts, dazwischen allerdings wuselt die Funktion ziemlich wild herum.
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