Feynman-Diagramme habt ihr vermutlich alle schon mal gesehen – sie veranschaulichen, wie sich Elementarteilchen verhalten. Dieses Feynman-Diagramm beispielsweise zeigt, wie sich ein Elektron und ein Positron (das Antiteilchen des Elektrons) treffen und vernichten. Dabei entsteht ein Photon, das dann in zwei weitere Teilchen zerfällt, nämlich ein Myon und ein Anti-Myon. (Myonen sind sozusagen die schweren Geschwister der Elektronen.)
Die vertikale Achse ist dabei die Ortsachse – sie symbolisiert also alle drei Raumrichtungen, horizontal ist die Zeit aufgetragen. (Manchmal geht auch die Zeit von unten nach oben, das macht jeder anders.) Mit e– ist das Elektron gemeint, e+ ist das Positron, und die Myonen sind μ– bzw. μ+. (Das Photon dazwischen wird oft mit nem γ abgekürzt, das tue ich hier nicht, um Verwirrung zu vermeiden – den Buchstaben γ brauchen wir nachher nämlich nochmal.) Die Pfeile der Antiteilchen sind dabei rückwärtsgewandt zu denen der Teilchen – das Positron kommt also schon von oben, aber seine Pfeilrichtung wird umgedreht. Das ist zunächst Konvention, macht das Leben später aber deutlich leichter.
Feynman-Diagramme wurden aber nicht erfunden, um Nicht-Physikern das Verständnis von Prozessen leichter zu machen. Auch physikalische Veröffentlichungen sind voll von ihnen. Sollten Physiker nicht handfeste Zahlen ausrechnen? Sollten sie nicht lieber mit Gleichungen hantieren, statt kleine Bildchen zu malen?
Tatsächlich ist es genau das, was Physiker mit Feynman-Diagrammen tun. Feynman-Diagramme sind nämlich eigentlich gar keine Bilder, sondern in Wahrheit nur hübsch dargestellte Gleichungen. In diesem post will ich versuchen zu erklären, wie sie funktionieren und wie man ein Feynman-Diagramm in eine Gleichung “übersetzt”. Aber keine Sorge, auch wenn es um Gleichungen geht – so schlimm wird die Mathematik gar nicht werden (hoffe ich zumindest). Und dann gehen wir im zweiten Teil mit Feynman-Diagrammen bewaffnet auf Elementarteilchenjagd.
Nehmen wir also unser Feynman-Diagramm von oben nochmal zur Hand. Es gehört zu einem Experiment, wie man es beispielsweise in den 80er Jahren am Speicherring Petra (Positron-Elektron-Ring-Anlage) in Hamburg gemacht hat. Da schießt man Elektronen und Positronen aufeinander und beobachtet, was alles passiert.
Beispielsweise können, wie in unserem Fall, zwei Myonen (genauer gesagt ein Myon und ein Anti-Myon) entstehen. Wenn man untersucht, wieviele Myonen wie mit welcher Geschwindigkeit entstehen, dann kann man versuchen herauszufinden, ob es vielleicht neue, unbekannte Elementarteilchen gibt. Und genau dazu braucht man Feynman-Diagramme.
Ein paar Grundregeln
Für quantenmechanische Prozesse (und um die geht es natürlich, wenn man Elementarteilchenprozesse betrachtet) kann man normalerweise nur Wahrscheinlichkeiten ausrechnen. (Falls jemand spitzfindig sein will: Manchmal sind die Wahrscheinlichkeiten 1 – also: sicher – oder 0 – also: passiert nie. Das ist aber eher selten und für uns hier nicht relevant.)
Die Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung sind ja ganz einfach:
1. Gibt es zwei unterschiedliche Wege, damit ein Ereignis eintreten kann, dann werden deren Wahrscheinlichkeiten addiert. Wenn ich beim Würfelspiel mit einer 5 oder 6 gewinne, dann ist die Wahrscheinlichkeit dafür (1/6)+(1/6)=2/6=1/3.
2. Müssen zwei Ereignisse nacheinander eintreten, dann werden deren Wahrscheinlichkeiten multipliziert. Wenn ich beim Würfeln gewinne, wenn ich zweimal hintereinander eine 6 würfele, dann ist die Wahrscheinlichkeit (1/6)⋅(1/6)=1/36.
Diese Regeln gelten auch für unsere Elementarteilchenprozesse, allerdings mit einer kleinen Komplikation: Wir berechnen zunächst nicht Wahrscheinlichkeiten, sondern sogenannte Wahrscheinlichkeitsamplituden. Für diese Amplituden gelten obige Regeln. Um die Wahrscheinlichkeit für ein Ereignis herauszufinden, wird die Amplitude quadriert.
(Genaugenommen ist die Amplitude eine komplexe Zahl und wird betragsquadriert, aber das ist jetzt wieder nur für die Spezis relevant.)
Wir zerlegen ein Feynman-Diagramm
Und jetzt nehmen wir uns nochmal das Feynman-Diagramm von oben vor.
Um die Wahrscheinlichkeit auszurechnen, dass dieser Prozess stattfindet, zerlegen wir ihn in lauter Einzelprozesse, die wir dann alle nach den Regeln von oben passend addieren und multiplizieren.
Fangen wir ganz links an und betrachten die erste Hälfte des Diagramms: Ein Elektron kommt (aus einer Elektronenquelle) angeflogen und findet sich zu einer bestimmten Zeit t an einem bestimmten Ort x wieder. Dort trifft es ein Positron, das aus einer Positronenquelle kommt. Die beiden vernichten sich und erzeugen ein Photon.
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