Ist damit die Diskussion beendet? Ich glaube nicht. Wie ihr sehen konntet, ist die Interpretation der Fossilien eine knifflige Angelegenheit – obwohl meines Wissens die meisten Paläontologen dieses Flughautmodell akzeptieren, wird es sicher auch in der Zukunft abweichende Meinungen geben. Was zum Beispiel Kevin Padian, der ja für “Beinfreiheit” plädiert hat, dazu sagt, weiß ich nicht. (Elgin et al. sagen übrigens ganz ausdrücklich, dass ihrer Ansicht nach auch eine Flughaut, die am Knöchel ansetzt, zweibeiniges Laufen nicht ausschließen würde, weil die Haut beim Laufen ja eingefaltet wäre. Zweibeiniges Laufen erscheint aber aus anderen Gründen als nicht allzu plausibel – dass Flugsaurier vermutlich vierbeinig gestartet sind, habe ich ja neulich erzählt.)

Und das bringt mich zum Ende des papers, das eine böse Ohrfeige enthält, wie man sie in der wissenschaftlichen Literatur nur selten zu lesen bekommt:

Since its proposal only the interpretations of Peters (1995, 2001) have provided any new support for the “bird-like” model based on fossil evidence. Peters’ (1995, 2001) studies of the membrane in Jeholopterus, Sordes, and Eudimorphodon along with their subsequent reconstructions where the trailing edge extends only just caudal to the elbow are, however, extremely controversial (Unwin and Bakhurina 1995), and appear to have been based solely on photographs rather than first hand observations. While working from photographs is not uncommon and at times unavoidable the conclusions of Peters (2001) arise from an improper use of graphic manipulation that exploits the poor resolution of photographs and allows the boundaries between blocks of pixels to be interpreted as ΄patterns’. This methodology is subjective and produces false and often fantastical images that have no value to science in general (see Bennett 2005).

[Das “vogelartige” Modell [der Flughaut] hat, seit es vorgeschlagen wurde, nur durch die Interpretationen von Peters (1995,2001) neue Unterstützung bekommen, die auf fossiler Evidenz beruht. Peters (1995,2001) Studien der Membran von Jeholopterus, Sordes und Eudimorphodon gemeinsam mit der nachfolgenden Rekonstruktion bei der die Hinterkante sich nur bis knapp hinter den Ellbogen erstreckt [das war die Konfiguration 3 oben] sind jedoch extrem kontrovers (Unwin und Bakhurina 1995) und scheinen nur auf Fotographien statt auf der direkten Untersuchung von Fossilien zu beruhen. Obwohl das Arbeiten mit Fotografien nicht ungewöhnlich und zum Teil unvermeidbar ist, beruhen die Schlussfolgerungen von Peters (2001) auf einer ungeeigneten graphischen Manipulation, die die schlechte Auflösung von Fotografien ausnutzt und es ermöglicht, die Grenzen zwischen Pixelblöcken als “Muster” zu interpretieren. Diese Methode ist subjektiv und produziert falsche und often fantastische Bilder, die keinen allgemeinen Wert für die Wissenschaft besitzen (siehe Bennett 2005).

Habt ihr sowas schon mal in einem wissenschaftlichen Artikel gelesen? Ich jedenfalls nicht. Die Vorgeschichte dazu ist aber schon ziemlich interessant. David Peters ist ein Amateurforscher, der sich für Flugsaurier interessiert. (Und ich sage hier nichts gegen Amateurforscher im Allgemeinen; Greg Paul zum Beispiel, der auch oft grenzwertig spekulative Hypothesen vertritt, ist als Amateur trotzdem ein vielzitierter Experte für Raubsaurier.) Da er als Amateur keinen Zugang zu Fossilien hat, hat er sich darauf spezialisiert, Fotos von Fossilien im Computer zu betrachten. Auf den digitalisierten Fotos sucht er dann nach Mustern, die leider eben wegen der begrenzten Auflösung der Fotos oft auf den üblichen Bildfehlern und der Pixeligkeit beruhen. Einige der Ergebnisse dieser Bildanalysen hat er auch veröffentlicht – allerdings nicht in wissenschaftlichen Fachzeitschriften, sondern in eher populärwissenschaftlichen Zeitschriften wie “Prehistoric Times”. Wer Interesse hat, kann sich die endlosen Diskussionen auf der Dinosaur mailing list anschauen, z.B. im August 2005.

Besonders unbeliebt hat er sich gemacht, als er in einer Veröffentlichung in “prehistoric times” einen Namen für das Fossil eines Pterosauriers in einem Ei eingeführt hat, obwohl der das Fossil selbst nie gesehen hat und obwohl andere Forscher daran arbeiteten. Sowas gilt bei den Paläontologen als extrem schlechter Stil (googelt mal nach “Aetogate”…)

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Kommentare (8)

  1. #1 rolak
    27. Februar 2011

    ^^
    Läßt die Gedanken abschweifen…

  2. #2 KommentarAbo
    28. Februar 2011

  3. #3 Moetzi
    1. März 2011

    Wie schnell könnten sich Hautflügel denn evolutionär verändern? Gibt es da überhaupt genug Fossilien, um Aussagen für eine ganze Art treffen zu können? Die Flügelformen sehen sich teilweise ja sehr ähnlich.

  4. #4 MartinB
    1. März 2011

    @Moetzi
    Naja, innerhalb einer Art dürfte die Flügelform schon ziemlich konstant gewesen sein, aber es gibt ja so etwa 80 bekannte Flugsauriergattungen über etwa 150Millionen Jahre hinweg, das ist schon ziemlich viel Zeit für Evolution. Oderhab ich deine Frage falsch verstanden?

  5. #5 Moetzi
    3. März 2011

    Im Text steht, dass es zahlreiche Fossilien mit erhaltener Haut gibt. Das hatte ich überlesen. Irgendwie hatte ich von den Landsauriern im Kopf, dass man kaum etwas über die Haut weiß, weil zu wenig gut erhaltene Fossilien.
    Meine Frage zielte eher auf kürzere Zeiträume innerhalb einer Gattung, also wie kann man von ein paar Fossilien auf eine ganze Gattung schließen. Bei einem Hautflügel hatte ich mir vorgestellt, dass er sich über wenige Generationen schon merklich verändern kann. Also Frage beantwortet.

  6. #6 MartinB
    3. März 2011

    @Moetzi
    Die Flugsaurierhaut hat natürlich zum einen den Vorteil, dass es ne ziemlich feste Membran (aus Actinofibrillen) ist. Und man kennt viele Flugsaurier z.B. aus der gegend von Eichstätt, wo die Erhaltungsbedingungen besonders günstig waren.
    Abdrücke von Dinosaurierhaut gibt es aber auch gar nicht so wenige…

  7. #7 KnoxonK
    7. März 2011

    Die Haut wird ja nur unter besonderen Bedingungen Konserviert. Bei landlebenden Sauriern stammen Fossilfunde der Haut ja häufig von in besonders trockenen Gegenden mumifizierten Tieren.
    Kann es sein, dass es bei Flugsauriern mehr Abdrücke von der Haut gibt, gerade weil sie fliegen konnten? Es wäre schließlich denkbar, dass gerade die Flugfähigkeit sie an Orte bringen konnte an denen die Bedingungen für die Konservierung besonders gut waren, an die andere landlebende Saurier, aber gar nicht gelangen konnten.
    Interessant wäre es in diesem Zusammenhang auch zu wissen wie die Fossilienlage zur Haut von wasserlebenden Sauriern ist.

  8. #8 MartinB
    7. März 2011

    @KnoxonK
    Die entscheidende Rolle spielt wohl die Frage, in welchem gestein die Tiere erhalten bleiben. Solnhofen/Eichstätt mit dem feinen lithographischen Schiefer ist da prädestiniert, ebenso die neueren Funde aus China, wo ja auch z.B. “Haare” (Protofedern oder “Dino-Fuzz”) von Raubsauriern erhalten sind. Bei Meeressauriern sind ja die Abdrücke im Ölschiefer berühmt.
    Da solche Gesteine oft am Boden von Seen oder flachen Meeren entstehen, haben fliegende Tiere da sicher größere Wahrscheinlichkeiten, erhalten zu werden, wenn sie z.B. durch einen Sturm abgetrieben werden.