Das Symposium
Es begann bereits am Donnerstag morgen – aber da ich Donnerstag und Freitag noch Vorlesungen zu halten hatte, konnte ich erst am Freitag mittag dazustoßen. Nach der Vorlesung also nichts wie ins Auto und ab nach Obernkirchen. (Und natürlich wurde ich dort von ausländischen Gästen gefragt, wie schnell man denn so auf Autobahnen fährt und als ich meinte, ich wäre meist bei moderaten 130, weil man mit weniger am Freitag Mittag als fahrendes Hindernis gilt, gab es nur ungläubiges Kopfschütteln.)

Dank meines Navis habe ich Obernkirchen selbst schnell gefunden und war auch im Nu im Zentrum – das Symposium sollte in “the Monastery” stattfinden. Ich fragte also zwei Einheimische nach dem Weg zum “Kloster”. Anscheinend haben die Schaumburger ein bisschen Vulkanierblut in den Adern, denn die Antwort war “Ein Kloster gibt es hier nicht.” Ich war etwas verwirrt und meinte “Muss es eigentlich geben, da soll gerade eine Tagung sein.” “Tja, aber hier gibt es kein Kloster. Meinen Sie vielleicht das Stift?”

Also: Falls ihr jemals eine Veranstaltung in einer kirchlichen Institution besucht, informiert euch besser vorher über die Feinheiten des Sprachgebrauchs der jeweiligen Konfessionen. Nachdem das aber geklärt war, kam ich genau rechtzeitig zum Mittagessen an und konnte dann am nachmittag die ersten Fachvorträge genießen. (Wie gesagt, den Inhalt erzähle ich später.)

Für den Abend hatten sich die Veranstalterinnen (Anette Richter vom Niedersächsischen Landesmuseum und ihr Team, die bei der Organisation wirklich alles gegeben haben) etwas besonderes einfallen lassen: Der Hühnerhof bei Nacht.

Also natürlich nicht so einer mit gackernden (oder schlafenden) Hennen, sondern der Obernkirchener Hühnerhof mit seinen Spuren. Nun ist es nachts bekanntlich meist nicht so richtig hell, deswegen hatte man extra für uns eine Scheinwerferbatterie aufgefahren, die die Spuren seitlich anstrahlte. Der Anblick von der Klippe oberhalb des Hühnerhofs war einmalig (sagte ich schon, dass ich meine Kamera vergessen hatte, grummel?) – im flachen Licht kamen die Spuren perfekt zur Geltung und man konnte von oben ein unglaubliches Gewimmel an Fußabdrücken erkennen.

Dann durften wir die Platte selbst betreten – und für mich als Nicht-Ichnologen war das zunächst eine echte Enttäuschung: ich sah aus der Nähe nicht eine einzige Fußspur. Die Felsplatte hatte Huckel und Beulen, aber wo waren die Spuren? Doch das menschliche Gehirn ist ja bekanntlich auf Mustererkennung trainiert, und so langsam schälten sich beim Herumgehen die Spuren heraus – immer noch nicht soo eindrucksvoll wie von oben, aber immerhin.

Eine seltsame “Spur” – falls es denn eine war – gefiel mir besonders: Eine Art Vertiefung mit mehr als einem Meter Durchmesser und einer unregelmäßigen Form. Meine persönliche Theorie dazu: Hier hat sich ein Dino im Schlamm gewälzt. Wäre generell ein hübsches Bild: Ein 6-Tonnen-Tyrannosaurus, der sich auf dem Rücken im Schlamm wälzt wie ein Hund, der sich den Rücken am Boden rubbelt. Ich weiß nicht, ob das eher niedlich oder furchterregend wäre, aber sehen würde ich das schon gern (hat jemand ne Zeitmaschine, die er mir mal leihen kann?).

Leider endete der Abend weniger schön – einer der Konferenzteilnehmer stolperte wohl über eine Bodenunebenheit und stürzte so unglücklich, dass er mit arg angeschlagenem Ellbogen ins Krankenhaus musste – drückt mit mir die Daumen, dass das schnell wieder in Ordnung kommt.

Ich selbst musste nach dieser Nachttour noch zurück nach Braunschweig fahren – was keine gute Idee war, denn ich war erst mitten in der Nacht zu Hause und so fix und foxi, dass ich am nächsten Morgen die ersten Vorträge schwänzen musste. Für die zweite Nacht habe ich mir dann ein Hotel in der Nähe von Obernkirchen gesucht. (Was auch nicht einfach ist, wenn alle bei google gelisteten Hotels gar nicht existieren und bei allen, die die Telefonauskunft kennt, niemand ans Telefon geht…)

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Kommentare (15)

  1. #1 Christian A.
    17. April 2011

    Kann eigentlich jeder bei dieser Veranstaltung teilnehmen? Ich finde, dieses Symposium klingt äußerst lecker! Und wenn ja, sind die 50€ auch für fachfremde Interessenten?

    Und nochwas: Ich les diesen Blog seit Anfang mit, bin allerdings glaube ich noch nicht darüber gestolpert: “Vor einigen Jahren habe ich per Internet einen der Konferenzteilnehmer namens Steve Gatesy kennengelernt und mit ihm (und John Hutchinson aus England) eine Veröffentlichung geschrieben.” Wahnsinn … ehrlich! Wie ist das zustande gekommen? Ich vermute, dass ihr irgendwie darauf gekommen seid, dass deine Erfahrung in der Materialwissenschaft und Simulation von (unter anderem) mechanischen Vorgängen auch bei den Dinos nützlich sein könnte. Aber wer ist da auf wen zugegangen? Und ist die Methode komplett neu? Ihr schreibt ja im Abstract “new method”, hat die vorher noch niemand verwendet?

    Ich muss sagen, da hätte ich auch mal Bock drauf. 50 Tacken kann man mal löhnen, Hotel geht auch, Urlaub genommen und hin da! (Wär nur blöd, wenn das Symposium nächstes Jahr (wenns denn regelmäßig ist) auf einmal von Dinodummies wie mir überlaufen ist 🙂 )

    (Und natürlich: Die Daumen für den glimpflichen Ausgang des Sturzes sind gedrückt!)

  2. #2 Dr. Webbaer
    17. April 2011

    …der Rest wurde von freundlichen Sponsoren getragen, darunter die “Schaumburger Landschaft” (eine Kulturförderungsorganisation), die Schaumburger Sparkasse und der Dinopark Münchehagen.

    Ein dinosaurierlanger Vorbericht – Dinoparks gibt es auch außerhalb Deutschlands, eine kleine Recherche hat jetzt aber nicht auf ein internationales Franchising und ein ausgefeiltes Marketingkonzept hingewiesen…
    Die Marke “Dinopark” könnte also noch frei sein.

    Gab’s Dinosaurierbraten?

    MFG
    Dr. Webbaer (ebenfalls dinoparkgestählt)

  3. #3 Stargazer
    17. April 2011

    Das nennt man wohl einen Cliffhanger – bin jetzt jedenfalls gespannt auf die Fortsetzung. 😉

  4. #4 MartinB
    18. April 2011

    @Christian A
    Ja, die Geschichte mit dem Dino-paper habe ich noch nicht erzählt – das fiel mir irgendwann letzte Woche auf. Ein ausführlicher Bericht ist gerade in Arbeit (der bekommt sicher auch mehrere teile…)

    Im Konferenzprogramm hieß es, falls noch freie Plätze offen wären, wären die auch für Laien buchbar – da das Ganze ja heftigst gesponsort war, war die Zahl der Teilnehmer begrenzt. In der lokalen Presse wurde das auch angekündigt und ich glaube, es waren auch gelegentlich eine Handvoll Nicht-Wissenschaftler dabei.

    @Wb
    Dinosaurierbraten? Klar gab’s den – Vögel sind ja bekanntlich Dinosaurier, und beim Dinner gab’s Poulardenbrust (auch ziemlich lecker…)

  5. #5 Anke
    18. April 2011

    Hallo!
    Oh da werde ich derart neidisch….
    Ein toller (Vor-)bericht. Auf die spannenden Spuren-Fakten bin ich natürlich sehr neugierig. Da wird man gleich zum Träumer. Ich liebe Spuren. Hier bei Jena wurden ja Cheirotheriumfährten entdeckt, auch eine spannende Angelegenheit.
    Ich hoffe auf eine schnelle Fortsetzung des Artikels und auf eine ebenso detailreiche Schilderung der Inhalte.

    Ganz toll. Die beleuchtete Platte im Stiftshof hätte ich wirklich gern gesehen. Gibts keine Pressefotos?

    Gruß Anke.

  6. #6 rolak
    18. April 2011

    <OT>
    Weia, was die Lesegewohnheit doch in die Irre führen kann: Bei ‘Cheirotheriumfährten’ dauerte es schon einen Moment, bis nach Fähren?, wer umfährt was?, other?, etwa ‘Chiro-‘? etc diese dauernden ‘Erkannt!’vorschläge nicht mehr die Sicht vernebelten 😉
    </OT>

  7. #7 MartinB
    18. April 2011

    @rolak
    Ja und im Periodensystem steht das Cheirotherium gleich unter dem Rutherfordium…

  8. #8 MartinB
    18. April 2011

    @Anke
    Ich weiß nicht, ob Pressefritzen dabeiwaren – hab keine gesehen und auch im Internet bisher keine Bilder gefunden.

  9. #9 Anke
    18. April 2011

    @MartinB
    Och das wäre ja schade….
    @all.
    ja, ein Tippfehler schlich sich ein. Chirotherium. Ups 🙂

  10. #10 MartinB
    18. April 2011

    @Anke
    Das war mit jetzt gar nicht aufgefallen – im Griechischen ist es ja auch χειρ

  11. #11 Anke
    18. April 2011

    @MartinB
    Ha! Im Englischen heisst es auch so. Wusste ich doch, dass ich das schon so gelesen habe.

  12. #12 Christian A.
    18. April 2011

    @MartinB: der [Bericht, wie das Dino-Paper zustande kam, Anm. d. Übersetzers] bekommt sicher auch mehrere teile… Ich bin sicher, das ist es wert ^^

  13. #14 Torsten van der Lubbe
    27. April 2011

    Hallo allerseits!

    Dank an Martin für den sehr nett geschriebenen Bericht (ich glaube, wir sind uns während des Symposiums kurz über den Weg gelaufen). Tja, etwa ein halbes Jahr haben die Vorbereitungen für das Symposium gedauert. Für unser Team vom NLM-H hat sich die ganze Arbeit bereits jetzt mehr als gelohnt. Wir konnten bereits bestehende Kontakte und Kooperationen ausbauen, und neue Kontakte knüpfen. Neben mehreren kleineren Projekten wird gegen Ende 2012 ein großer Symposiumsband erscheinen, der nicht nur die Arbeiten der Symposiumsteilnehmer ausführlich zum Inhalt haben wird, sondern auch mindestens ein einführendes Kapitel, in dem Begrifflichkeiten und Methodik der Ichnologie detailliert erklärt werden.

    Die erste ausführliche Veröffentlichung zu den Fährten der Troodontidae wird wahrscheinlich im Juli bei PlosOne erscheinen. Mindestens 2 weitere Publikationen zu diesem Thema sind noch für dieses Jahr geplant. Eine weitere wird in Zusammenarbeit mit dem IVPP in Peking die Struktur des Fußskelettes der Paraves genannten Dinosauriergruppe zum Inhalt haben.

    Die geradezu überwältigende internationale Unterstützung und Zustimmung, die unser Forschungsprojekt durch das Symposium erhalten hat, wirkt sich bereits jetzt überaus positiv auf unseren seit drei Jahren anhaltenden Kampf um die Erhaltung des “Hühnerhofes” aus. Die lokalen Entscheidungsträger haben ihre Bemühungen zum Schutz der Fährtenflächen nochmals verstärkt. Zumindest der (drohende) Verkauf von undokumentierten Fährtenplatten an “fremde” Institutionen ist endgültig vom Tisch.

    An dieser Stelle also nochmals der Dank des gesamten Symposium-Teams an alle Teilnehmer!

    Torsten van der Lubbe

  14. #15 nordlicht
    3. Juli 2011