Das Higgs-Teilchen wurde zwar noch nicht endgültig gefunden, aber es ist zur Zeit in aller Munde. Das Higgs-Teilchen soll ja allen anderen (massiven) Teilchen die Masse verleihen. Aber warum ist das so? Wie soll das gehen – hängt es den Teilchen Gewichte um den Hals? Und warum können die Teilchen nicht einfach so eine Masse haben? Ist das nicht alles ziemlich weit hergeholt?
Hier will ich versuchen, euch den berühmten Higgs-Mechanismus zu erklären – eigentlich wäre das ein Teil meiner Quantenfeldtheorie-Serie, aber aus aktuellem Anlass erkläre ich es schon heute. Vorkenntnisse der Serie braucht ihr auch nicht, ich bleibe so einfach wie möglich. (Allerdings nicht so einfach wie manche anschauliche Erklärungen, die etwas von Gerüchten über Superstars auf Parties erzählen, das ist mir dann etwas zu vereinfacht.)
Das Standardmodell
Über das Standardmodell der Elementarteilchenphysik ist ja schon viel geschrieben worden – ich mache es hier kurz.
Es gibt zunächst zwei Sorten von “Materieteilchen” (die bezeichnet man oft als “Fermionen”), also solchen, aus denen sich die übliche Materie zusammensetzt. Da sind zum einen die Quarks, die sich zu Protonen und Neutronen zusammenschließen und damit die Atomkerne bilden, und dann die Leptonen: Dazu zählen Elektronen mit ihren schwereren Kumpeln, den Myonen und Tauonen, außerdem noch die berühmt-berüchtigten “Geisterteilchen”, die Neutrinos.
Dieses Bild zeigt das in einer Übersicht – aber keine Sorge, ihr müsste die ganzen Teilchen nicht auswendig kennen, um den Higgs-Mechanismus zu verstehen (Anmerkung: Nach einem update ist rechts das Higgs-Teilchen schon dabei):
Von MissMJ
derivative work: Polluks (talk) – Standard_Model_of_Elementary_Particles.svg, CC BY 3.0, Link
Diese Teilchen müssen natürlich auch etwas tun, sonst wäre die Welt ziemlich langweilig. Und da gibt es nicht so wahnsinnig viel, was Elementarteilchen tun können: Sie können von einem Ort zum anderen fliegen oder sie können andere Teilchen aussenden.1
1Ich schreibe hier alles in der Sprache der Feynman-Diagramme, also mit kleinen Bildchen, die zeigen, was die Teilchen so tun. Ganz korrekt wäre natürlich eine Beschreibung über Quantenfelder – aber wie gesagt, die Serie ist noch nicht so weit, dass ich den Zusammenhang zwischen Quantenfeldern und Feynmangraphen schon herstellen könnte.
Betrachten wir erstmal ein Teilchen (beispielsweise ein Elektron), das von einem Ort zum anderen fliegt, das können wir so darstellen:
Und dann kann ein Teilchen ein anderes aussenden, ein Elektron zum Beispiel ein Photon:
Hier kommt also ein Elektron an und sendet ein Photon aus. (Das Photon ist masselos.) Genauso gut kann das Elektron das Photon auch absorbieren (dazu würde man es von schräg rechts unten kommend zeichnen).
Photonen habe ich noch gar nicht erwähnt – die gehören nämlich nicht zu den “Materie-Teilchen” sondern sind “Bindungsteilchen” (auch gern “Bosonen” genannt). Bindungsteilchen werden gern durch Wellenlinien dargestellt (was an Lichtwellen erinnert, denn Photonen sind ja die Lichtteilchen). Im Bild oben sind das die rötlich eingefärbten Kästchen, an denen “Eichbosonen” dran steht.
An Bindungsteilchen gibt es das Photon und die Gluonen, die nur von Quarks ausgesandt werden können, aber mit den Leptonen nichts am Hut haben. Dann gibt es noch die so genannten “Vektorbosonen” W und Z – die werden gleich besonders wichtig werden. Ach ja, die Gravitation gibt es auch noch – zu der gehören als Teilchen die Gravitonen, aber da keiner genau versteht, wie die auf Elementarteilchenebene funktionieren, sind sie oben im Bild nicht mit drin.
Mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Elektron ein Photon (oder ein anderes Teilchen) aussendet oder absorbiert (das ist mathematisch dasselbe), wird durch die sogenannte “Kopplungskonstante” beschrieben. Für Elektron und Photon ist das nichts als die elektrische Ladung des Elektrons (verziert mit ein paar Extra-Faktoren). Je größer die Kopplungskonstante, desto stärker wechselwirken die Teilchen miteinander (man sagt auch, desto stärker “koppeln” sie). Das wird später wichtig werden, wenn wir beim Higgs-Mechanismus ankommen.
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