Je weiter sich das Elektron von der Ruhelage entfernt, desto höher wird seine Energie. Rechnerisch geht die Energie irgendwann gegen unendlich, so dass das Elektron sich niemals losreißen kann. Alle Zustände des Elektrons sind deshalb gebundene Zustände, das Elektron kann nicht entkommen. Die Wellenfunktion des Elektrons (also seine Aufenthaltswahrscheinlichkeitsamplitude (tolles Wort!)) wird also für große Werte von x sehr klein.
Weil die “Feder” (oder was immer das Potential verursacht) das Elektron immer wieder zurückholt, ist der Impuls des Elektrons nicht erhalten. Anders als für die Zustände von freien Elektronen sind Impulszustände (die ebenen Wellen vom letzten Mal) also keine besonders geschickte Wahl zur Beschreibung unseres Systems.
Geeigneter sind Energiezustände. Es gibt Zustände mit genau definierter Energie – wenn das Elektron in einem davon ist, dann ist sein Energiewert genau festgelegt. Für die Energien, die das Elektron dann haben kann, gibt es eine wirklich einfache Formel:
E = ℏω (n+1/2)
Die Energie hängt also zum einen von der Frequenz ω ab, zum anderen von der Zahl n, die man auch “Energiequantenzahl” nennt. n kann beliebige ganzzahlige und nicht-negative Werte annehmen (das kommt direkt aus der Rechnung heraus), also 0, 1, 2 usw. Die Zustände, die zu der jeweiligen Energie gehören, können wir entsprechend der Energie bezeichnen, wir schreiben einfach
|0⟩, |1⟩, |2⟩ usw.
|0⟩ ist also der Zustand, der zur niedrigsten Energie (ℏω/2) gehört, der sogenannte Grundzustand.
Die Energie des Elektrons im Grundzustand ist also nicht Null, anders als in der klassischen Physik, wo das Elektron genau in seiner Gleichgewichtslage zur Ruhe kommen kann und dann weder kinetische noch potentielle Energie hat.
Das wird oft über die berühmte Unschärferelation veranschaulicht: Ein Elektron, dass genau in der Gleichgewichtslage in Ruhe ist, hat einen wohldefinierten Ort und eine wohldefinierte Geschwindigkeit, aber genau so etwas verbietet die Unschärferelation ja. Deswegen bleibt dem Elektron gar nichts anderes übrig, als eine etwas höhere Energie zu haben. (Weil Energie und Impuls zusammenhängen.)
Entsprechend ist das Elektron auch nicht genau in der Ruhelage lokalisiert, sondern hat eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass man es außerhalb der Ruhelage findet, wenn man es misst. Hier ein schönes Bild der Wellenfunktionen unseres Oszillators:
Von AllenMcC. – File:HarmOsziFunktionen.jpg, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11623546
Die Wellenfunktionen sind zeitlich konstant, ändern sich also nicht (das ist für Energie-Eigenzustände immer so).1 Sie werden demnächst noch wichtig werden, wenn wir uns die Zustände in der QFT anschauen.
1Anmerkung für spitzfindige LeserInnen: abgesehen von einem zeitabhängigen Phasenfaktor natürlich.
Ganz unten erkennt ihr den Grundzustand (im Bild als Ψ0 bezeichnet), darüber die nächsten Zustände. Wie ihr sehen könnt, hat das Elektron auch im Grundzustand eine Wahrscheinlichkeit, nicht genau in der Gleichgewichtslage zu sein. Das veranschaulicht auch dieses Bild (leicht modifiziert):
Das wird später, wenn wir über das Vakuum nachdenken, noch sehr wichtig werden. Man spricht hier oft auch von der Nullpunktsenergie, was physikalisch korrekt ist, von Nullpunktsschwingung, was physikalisch weniger korrekt ist, oder gar von Nullpunktsfluktuationen, was physikalisch leider falsch ist. Warum die letzten beiden Begriffe nicht so ganz in Ordnung sind, könnt ihr ganz einfach einsehen: Der Grundzustand ist stabil, da ändert sich nichts. “Fluktuation” impliziert aber ja immer, dass sich irgendwo etwas ändert (eben “fluktuiert”). Ist nicht so, der Grundzustand des harmonischen Oszillators ist ganz stabil, das Elektron ist nur eben nicht genau an einem Ort lokalisierbar.
Genauso ist es übrigens auch mit dem Vakuum – bei den berühmten “Vakuumfluktuationen” fluktuiert auch genau nichts, auch der Vakuumzustand sieht immer exakt gleich aus (allerdings ziemlich kompliziert). Aber bevor ich versuche, euch das Vakuum zu erklären, schauen wir erst noch ein bisschen weiter auf den harmonischen Oszillator.
Wenn ihr euch die Wellenfunktionen oben anguckt, dann sehr ihr, dass sie einigermaßen gleichmäßig über einen gewissen Bereich verteilt sind. Vielleicht wundert euch das, denn wenn man zu sehr hohen Energie übergeht, dann müsste unser Elektron sich doch irgendwann wieder benehmen wie ein klassisches Teilchen. Und klassische Teilchen fliegen, wenn man sie an eine Feder anhängt, ja hin und her, sie oszillieren. Deswegen heißt das Ding ja auch “Oszillator”. Passen die Quantenmechanik und die klassische Physik etwa nicht zusammen?
Kommentare (17)