(Achtung, hier kann man sich leicht verwirren: Ein Index Oben an einem C sagt uns, dass es um ein Kohlenstoff-Isotop geht, also um ein einzelnes Atom. Ein Index Unten sagt, dass es um eine chemische Verbindung geht, und kennzeichnet in unserem Zusammenhang hier den Unterschied zwischen den beiden Pflanzentypen.)

Für die Untersuchung von A. sediba (ja, es geht immer noch um Urmenschen, keine Sorge, ich kriege die Kurve dahin noch) ist das C14 vollkommen irrelevant – nach 2 Millionen Jahren ist davon nichts Messbares mehr übrig. Uns interessieren hier die beiden stabilen Varianten des Kohlenstoffs, C12 und C13. C12 ist sozusagen das “normale” Kohlenstoffatom, aber etwa 1% des Kohlenstoffs auf der Erde ist C13 und hat ein Neutron mehr im Atomkern.

Und jetzt kommt der Trick: Bei der Photosynthese bauen C3-Pflanzen und C4-Pflanzen unterschiedlich viel C13 ein – weil das C13-Atom etwas schwerer ist als das C12-Atom, werden sie von den Enzymen, die den Zucker zusammenbauen, unterschiedlich verarbeitet (Ihr würdet ja auch lieber die leichteren Bauklötze nehmen als die schwereren, wenn ihr die Wahl hättet.)

Misst man also das Verhältnis von C13 und C12 in einem Haufen Zucker, dann kann man sagen, ob dieser Zucker von einer C3-Pflanze oder einer C4-Pflanze hergestellt wurde. (Das ist ganz ähnlich zu der Technik, mit der man Sauerstoff als Zeitmaschine verwenden kann.) Und wenn ein Tier den Zucker frisst, dann kann man an Hand des Verhältnisses der Kohlenstoffsorten in den Knochen des Tieres ebenfalls herausbekommen, ob seine Nahrung von C3– oder C4-Pflanzen stammt (oder auch, ob es Tiere gefressen hat, die ihrerseits von der einen oder anderen Pflanzensorte gefressen haben.)

Und genau das hat man eben bei A. sediba gemacht und einige der Knochen auf ihre Zusammensetzung hin untersucht. Ähnliche Untersuchungen hat man auch schon bei anderen Australopithecinen wie Australopithecus africanus und Paranthropus boisei gemacht. Diese beiden (besonders P. boisei) waren eher C4– als C3-Fresser. A. sediba aber hat einen sehr hohen Anteil an C3-Pflanzen in seiner Nahrung gehabt. Diese Grafik zeigt die Messergebnisse:
i-b8ae1bfb1bf7668c1ee0358de895a1a8-aSedibaIsotopen-thumb-530x402-32019.jpg

(Bild aus Henry et al. Quelle siehe unten)

Aufgetragen ist hier auf der horizontalen Achse das Verhältnis der beiden Kohlenstoff-Isotope (logarithmisch und normiert, spielt aber für’s Verständnis keine große Rolle), auf der vertikalen Achse ist der Anteil aufgetragen Die Grafik könnt ihr also so lesen: Bei A. africanus zum Beispiel haben 50% der Knochen einen Gehalt von etwa -7 (logarithmisch), 80% sind zwischen -5 und -4. (Ich finde die Auftragung ja etwas unübersichtlich und frage mich, warum man die Kurve nicht abgeleitet hat, so dass man direkt die Häufigkeitsverteilung sieht. Jemand eine Idee?)

Wichtig ist aber eigentlich nur, dass A. sediba ganz links zu finden ist, da, wo man die C3-Pflanzen-Fresser erwarten würde. Das spricht dafür, dass A. sediba sich eher von Beeren, Nüssen und ähnlichem Futter ernährt hat, das sich vor allem auf Bäumen findet. Um diese Analyse zu stützen, hat man in den Zähnen (genauer gesagt, in der Plaque, die sich auf den Zähnen ablagert) zusätzlich noch nach Phytolithen gesucht.

Was zum Henker sind nun wieder Phytolithen? Phytolith heißt übersetzt “Pflanzenstein”. Man glaubt ja meist, dass Pflanzen einfach nur brav vor sich hinwachsen und sich fressen lassen müssen, wenn ein Pflanzenfresser vorbeikommt, ohne dass sie sich dagegen wehren können. Aber ganz so nett sind Pflanzen dann doch nicht – viele von ihnen (besonders Gräser) lagern kleine Siliziumoxid-Kristalle (also Quarzkristalle) ein, die das Fressen der Pflanzen schwieriger machen, weil sie sehr hart sind und deshalb für einen hohen Verschleiß beim Kauen sorgen (was wiederum der Grund ist, warum z.B. Pferde so massive Zähne haben). So sieht so ein Phytolith im Mikroskop aus:

Phytolithe-buliforme.JPG
By Henri-Georges NATON; Préparation des phytolithes : Claire Delhon – importé par le photographe, CC BY-SA 3.0, Link

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Kommentare (12)

  1. #1 Spritkopf
    11. Juli 2012

    Das einfache Bild, wonach sich unsere Vorfahren für einigen Millionen Jahren in die Steppe und Savanne aufmachten und sich dann dort ernährten, ist so anscheinend nicht haltbar.

    Die Frage ist ja, ob Australopithecus sediba zu unserer Vorfahrenlinie gehört oder ob er eine später ausgestorbene Nebenlinie zum A. afarensis darstellt. Das müsste sich doch eigentlich über eine Untersuchung seiner DNA feststellen lassen.

  2. #2 MartinB
    11. Juli 2012

    @Spritkopf
    Hat man vonso alten Fossilien noch DNA? Soweit ich weiß ist die haltbarkeit bei etwa 100000 Jahren.

  3. #3 WolfgangK
    11. Juli 2012

    Nach meiner Kenntnis ist der Australopithecus sediba, der wohl eher im südlichen Bereich Afrikas vorgekommen sein soll, schlichtweg ausgestorben und hat keine weiteren Gene in der “Urmutter Afrikas” hinterlassen. Wohl auch deshalb, weil er die evolutionäre Entwicklung vom Pflanzenesser zum Allesesser (wie in den nördlichen Regionen Afrikas, bspw. in der Danakil-Wüste in Eritrea) und damit die Entwicklung zu einem größeren Gehirn mithilfe von tierischer Nahrung schlichtweg verschlafen hat bzw. das Nahrungsangebot zu schnell im Gesamten knapp wurde (Baumrinde gilt ja auch heute noch bei Affen lediglich als absolute Notration). Die Evolution hat es wohl beim A. sediba nicht mehr geschafft, schnell genug auf andere Ernährungsquellen umzustellen, um das Verhältnis zwischen aufrechtem Gang, wachsendem Gehirn und ausreichender Energiezufuhr aufrecht zu erhalten. Es kann aber auch sein, dass letztendlich eine Verknappung des Nahrungsangebots durch Klimaveränderungen dazu geführt hat, dass im Süden des Kontinents das große A.-sediba-Sterben eingesetzt hat.
    Sehr interessant und empfehlenswert zu dem Zusammenhang zwischen Fleischnahrung und Gehirn ist diese 34minütige spannende Doku auf Youtube über die Evolution des Homo erectus/Homo sapiens in der Danakil-Wüste in Eritrea vor zwei Mio Jahren.

  4. #4 roel
    11. Juli 2012

    @MartinB “Zu den C4-Pflanzen gehören Gräser, Hirse Zuckerrohr und Mais.” Der Australopithecus sediba wird ja keine Hirse und keinen Mais gegessen haben. Gibt es eine Übersicht zu den C4-Pflanzen von vor 2.000.000 Jahren?

  5. #5 Spritkopf
    11. Juli 2012

    @MartinB
    Sie haben recht, die bislang älteste menschliche DNA, die man hat bestimmen können, ist wohl “erst” 40.000 Jahre alt. Ich habe offenbar die Altersbestimmung von Genen mittels der molekularen Uhr mit der echten Extraktion von DNA bei Fossilien verwechselt. Ok, wieder was gelernt.

    Wobei das letzte Wort in Sachen ancient DNA sicher noch nicht gesprochen ist.
    https://www.pnas.org/content/104/36/14401.full
    https://wwwstaff.murdoch.edu.au/~mbunce/research/what_is_ancient_dna_adna.html

  6. Vielen Dank. Super erklärt!

    In diesem Zusammenhang, passend zu der Studie, möchte ich auf ein Projekt hinweisen [falls der Hinweis unangbracht ist oder gegen irgendwas verstößt, bitte ich um Entschuldigung]: Im Sciencelab von Wissenschaft und Schreie geht es aktuell um nachfolgende Frage, die gemeinsam erforscht werden soll. Mitmachen kann jedeR.

    Brauchte der Mensch Fleisch zur Gehirnentwicklung? Und wenn ja/nein, warum? Siehe hier: https://sciencelab-wissenschaftus.wikidot.com/

  7. #7 MartinB
    11. Juli 2012

    @roel
    Im paper bzw.de, Begleitartikel stehen “sedges” (Seggen).
    Spricht denn irgendwas gegen Hirse? (Von Pflanzen hab ich leider wenig Ahnung.)

    @W&S
    Schon o.k..

    @Spritkopf
    Das letzte Wort in Sachen DNA-Alter ist sicher noch nicht gesprochen – je besser die Techniken werden, desto weiter verschieben sich die Grenzen wohl nach hinten, denke ich.

  8. #8 roel
    11. Juli 2012

    @MartinB Für Hirse finde ich im englischen Wikipedia 8300 BC. Es steht da zwar auch prehistory, aber das kann ja alles mögliche sein.

    Dann werden die Autoren vorwiegend Seggen als C4-Pflanze gemeint haben, davon gibt es lt. wikipedia bis zu 2000 Arten die wild vorkommen.

  9. #9 Niels
    11. Juli 2012

    @roel
    Was spielt es denn für eine Rolle, wann laut Wikipedia das erste Mal Hirse kultiviert wurde?
    Es geht doch um wild wachsende, ursprünglich (auch) in Afrika beheimatete Gräser.
    Bestimmte Hirsearten gehören mit zu diesen Gräsern.

  10. #10 roel
    11. Juli 2012

    @Niels Es spielt keine große Rolle,ich habe nur ein bisschen recherchiert, welche Pflanzen das damals waren und habe gehofft, dass diese Pflanzen aufgrund einer Übersicht oder Fossilien vielleicht identifizierbar sind. Da hatte ich, aus unerfindlichen Gründen, keinen Zugriff auf nature. Jetzt klappt es wieder und hier https://www.nature.com/nature/journal/vaop/ncurrent/extref/nature11185-s1.pdf steht, dass es sedges, grass und grass leaves sind, die identifiziert wurden. Aber MartinB hatte ja auch schon geantwortet.

  11. @MartinB: Vielen Dank 🙂

  12. #12 Araya Askale
    Frankfurt am Main
    4. Juni 2013

    hi ich bin ein nordostafrikaner (eritrea)
    ich finde dises tema so interessant (urmenschen)
    wir eritreaner haben noch einige ausdrücke von den urmenschen in unsere sprache, wie nein und ja, das kann man baer nicht in deutsche schrift schreiben weil es primitife wörte sind , für die es keine buchstaben in latainisch gibt.