Solche Phytolithen können sich in der Plaque auf den Zähnen ablagern (Zahncreme war vor 2 Millionen Jahren ja noch nicht so angesagt, dafür gab’s aber auch keine Gummibären und Schokoriegel, so dass Karies nicht so ein Problem war). Und die kann man jetzt ebenfalls analysieren. Dabei zeigte sich ebenfalls, dass die Phytolithen von A. sediba zu einem großen Teil von C3-Pflanzen stammten, obwohl die Gesteinsschichten um die Fossilien herum mehr Phytolithen von C4-Pflanzen enthielten. Das spricht ebenfalls dafür, dass A. sediba eher ein Beeren-, Nuss- und Rindenesser war, der in waldigem Grasland (z.B. in Galeriewäldern, also Waldstücken an Flüssen) lebte, vom Gras (bzw. dessen Samen etc.) aber geschmacklich eher nicht so überzeugt war. Das passt auch ganz gut dazu, dass A. sediba einige Anpassungen ans Baumklettern zeigte.

Was bedeutet das ganze nun? Das einfache Bild, wonach sich unsere Vorfahren für einigen Millionen Jahren in die Steppe und Savanne aufmachten und sich dann dort ernährten, ist so anscheinend nicht haltbar. Unter den vielen Urmenschenarten war anscheinend mindestens eine, die ihre Bindung an Bäume und die entsprechende Ernährung entweder nie aufgegeben hat oder die sich dorthin zurückentwickelt hat.

Das ist sicherlich eine interessante Erkenntnis. Ehrlich gesagt finde ich sie aber gar nicht so schrecklich überraschend. Die Evolution ist ja kein linearer Prozess und es gibt in ihr auch keine klaren Trends oder Richtungen. Es ist von daher eigentlich zu erwarten, dass sich Tiergruppen verzweigen und einige wieder zur Lebensweise ihrer Vorfahren zurückkehre, während andere sich anders entwickeln. Etwas ganz ähnliches beobachtet man ja beispielsweise auch bei den ersten Vögeln – auch da wird es immer schwieriger zu sagen, welches Fossil nun zu einem Vogel oder einem Dinosaurier oder einem Vogelvorfahr, der sich wieder mehr in Richtung Dinosaurier entwickelt hat, gehört. Dass sich etwas Ähnliches möglicherweise auch bei unseren Vorfahren abgespielt hat, sollte uns deswegen wohl nicht überraschen. Trotzdem ist es natürlich spannend, zu erforschen, wie sich die Entwicklung im Detail abspielte. Und wieder einmal ist es faszinierend zu sehen, wie raffiniert die dabei eingesetzten Methoden sind.


Amanda G. Henry, Peter S. Ungar, Benjamin H. Passey, Matt Sponheimer, Lloyd Rossouw, Marion Bamford, Paul Sandberg, Darryl J. de Ruite & Lee Berger
The diet of Australopithecus sediba
Nature, vol. 487 Juli 2012

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Kommentare (12)

  1. #1 Spritkopf
    11. Juli 2012

    Das einfache Bild, wonach sich unsere Vorfahren für einigen Millionen Jahren in die Steppe und Savanne aufmachten und sich dann dort ernährten, ist so anscheinend nicht haltbar.

    Die Frage ist ja, ob Australopithecus sediba zu unserer Vorfahrenlinie gehört oder ob er eine später ausgestorbene Nebenlinie zum A. afarensis darstellt. Das müsste sich doch eigentlich über eine Untersuchung seiner DNA feststellen lassen.

  2. #2 MartinB
    11. Juli 2012

    @Spritkopf
    Hat man vonso alten Fossilien noch DNA? Soweit ich weiß ist die haltbarkeit bei etwa 100000 Jahren.

  3. #3 WolfgangK
    11. Juli 2012

    Nach meiner Kenntnis ist der Australopithecus sediba, der wohl eher im südlichen Bereich Afrikas vorgekommen sein soll, schlichtweg ausgestorben und hat keine weiteren Gene in der “Urmutter Afrikas” hinterlassen. Wohl auch deshalb, weil er die evolutionäre Entwicklung vom Pflanzenesser zum Allesesser (wie in den nördlichen Regionen Afrikas, bspw. in der Danakil-Wüste in Eritrea) und damit die Entwicklung zu einem größeren Gehirn mithilfe von tierischer Nahrung schlichtweg verschlafen hat bzw. das Nahrungsangebot zu schnell im Gesamten knapp wurde (Baumrinde gilt ja auch heute noch bei Affen lediglich als absolute Notration). Die Evolution hat es wohl beim A. sediba nicht mehr geschafft, schnell genug auf andere Ernährungsquellen umzustellen, um das Verhältnis zwischen aufrechtem Gang, wachsendem Gehirn und ausreichender Energiezufuhr aufrecht zu erhalten. Es kann aber auch sein, dass letztendlich eine Verknappung des Nahrungsangebots durch Klimaveränderungen dazu geführt hat, dass im Süden des Kontinents das große A.-sediba-Sterben eingesetzt hat.
    Sehr interessant und empfehlenswert zu dem Zusammenhang zwischen Fleischnahrung und Gehirn ist diese 34minütige spannende Doku auf Youtube über die Evolution des Homo erectus/Homo sapiens in der Danakil-Wüste in Eritrea vor zwei Mio Jahren.

  4. #4 roel
    11. Juli 2012

    @MartinB “Zu den C4-Pflanzen gehören Gräser, Hirse Zuckerrohr und Mais.” Der Australopithecus sediba wird ja keine Hirse und keinen Mais gegessen haben. Gibt es eine Übersicht zu den C4-Pflanzen von vor 2.000.000 Jahren?

  5. #5 Spritkopf
    11. Juli 2012

    @MartinB
    Sie haben recht, die bislang älteste menschliche DNA, die man hat bestimmen können, ist wohl “erst” 40.000 Jahre alt. Ich habe offenbar die Altersbestimmung von Genen mittels der molekularen Uhr mit der echten Extraktion von DNA bei Fossilien verwechselt. Ok, wieder was gelernt.

    Wobei das letzte Wort in Sachen ancient DNA sicher noch nicht gesprochen ist.
    https://www.pnas.org/content/104/36/14401.full
    https://wwwstaff.murdoch.edu.au/~mbunce/research/what_is_ancient_dna_adna.html

  6. Vielen Dank. Super erklärt!

    In diesem Zusammenhang, passend zu der Studie, möchte ich auf ein Projekt hinweisen [falls der Hinweis unangbracht ist oder gegen irgendwas verstößt, bitte ich um Entschuldigung]: Im Sciencelab von Wissenschaft und Schreie geht es aktuell um nachfolgende Frage, die gemeinsam erforscht werden soll. Mitmachen kann jedeR.

    Brauchte der Mensch Fleisch zur Gehirnentwicklung? Und wenn ja/nein, warum? Siehe hier: https://sciencelab-wissenschaftus.wikidot.com/

  7. #7 MartinB
    11. Juli 2012

    @roel
    Im paper bzw.de, Begleitartikel stehen “sedges” (Seggen).
    Spricht denn irgendwas gegen Hirse? (Von Pflanzen hab ich leider wenig Ahnung.)

    @W&S
    Schon o.k..

    @Spritkopf
    Das letzte Wort in Sachen DNA-Alter ist sicher noch nicht gesprochen – je besser die Techniken werden, desto weiter verschieben sich die Grenzen wohl nach hinten, denke ich.

  8. #8 roel
    11. Juli 2012

    @MartinB Für Hirse finde ich im englischen Wikipedia 8300 BC. Es steht da zwar auch prehistory, aber das kann ja alles mögliche sein.

    Dann werden die Autoren vorwiegend Seggen als C4-Pflanze gemeint haben, davon gibt es lt. wikipedia bis zu 2000 Arten die wild vorkommen.

  9. #9 Niels
    11. Juli 2012

    @roel
    Was spielt es denn für eine Rolle, wann laut Wikipedia das erste Mal Hirse kultiviert wurde?
    Es geht doch um wild wachsende, ursprünglich (auch) in Afrika beheimatete Gräser.
    Bestimmte Hirsearten gehören mit zu diesen Gräsern.

  10. #10 roel
    11. Juli 2012

    @Niels Es spielt keine große Rolle,ich habe nur ein bisschen recherchiert, welche Pflanzen das damals waren und habe gehofft, dass diese Pflanzen aufgrund einer Übersicht oder Fossilien vielleicht identifizierbar sind. Da hatte ich, aus unerfindlichen Gründen, keinen Zugriff auf nature. Jetzt klappt es wieder und hier https://www.nature.com/nature/journal/vaop/ncurrent/extref/nature11185-s1.pdf steht, dass es sedges, grass und grass leaves sind, die identifiziert wurden. Aber MartinB hatte ja auch schon geantwortet.

  11. @MartinB: Vielen Dank 🙂

  12. #12 Araya Askale
    Frankfurt am Main
    4. Juni 2013

    hi ich bin ein nordostafrikaner (eritrea)
    ich finde dises tema so interessant (urmenschen)
    wir eritreaner haben noch einige ausdrücke von den urmenschen in unsere sprache, wie nein und ja, das kann man baer nicht in deutsche schrift schreiben weil es primitife wörte sind , für die es keine buchstaben in latainisch gibt.