Hand aufs Herz – hat irgendwer verstanden, wofür genau nun Haroche und Wineland ihren Nobelpreis bekommen haben? Irgendwas haben sie mit Quanteneffekten gemacht und die irgendwie gemessen, aber viel mehr als das ist den meisten Artikeln nicht zu entnehmen (eine lobenswerte Ausnahme ist dieser Artikel bei den scilogs – auch die Nobelpreis-Seite selbst ist ganz o.k., allerdings auf Englisch).
Damit ich zumindest eine Idee bekomme, worum es eigentlich geht, habe ich mir mal einen der Artikel von Haroche angeschaut. Fock-Zustände, kohärente Zustände, Rydberg-Atome, Quantum-non-demolition measurement, das sind nur einige der Fachbegriffe, mit denen da um sich geworfen wird. Aber keine Sorge, zumindest eine Idee, worum es geht, kann man schon bekommen, ohne Quantenoptik studiert zu haben.
Quantenzustände
Für den Anfang brauchen wir erst mal ein bisschen Grundwissen zur Quantenmechanik. Detailliert findet ihr das in diesem Blog ziemlich oft (zum Beispiel hier, hier, hier oder hier), deswegen gibt es hier nur eine Kurzfassung.
Objekte der klassischen Physik finden wir immer in bestimmten Zuständen – eine Snookerkugel beispielsweise hat einen bestimmten Ort und rollt mit einer bestimmten Geschwindigkeit, die den Zustand der Kugel angeben. (Ja, man könnte noch mehr zum Zustand sagen, zum Beispiel, dass auf der Kugel mal wieder nen Kreidefleck drauf ist oder sie eine Delle hat oder so, aber wir machen es jetzt nicht komplizierter als nötig.)
Objekte der Quantenmechanik haben auch Zustände. Auch eine Quanten-Snookerkugel kann beispielsweise einen bestimmten Ort haben, oder eine bestimmte Geschwindigkeit. Allerdings gibt es zwei fundamentale Unterschiede zur klassischen Physik:
Zum einen kann eine Quanten-Snookerkugel in einem Überlagerungszustand sein. Beispielsweise könnte sie in einem Zustand sein, bei dem sie sowohl auf dem grünen als auch auf dem braunen Spot des Snookertisches liegt. (Falls ihr – dann entgeht euch aber etwas – euch nicht für Snooker interessiert: Snooker ist Billard für Fortgeschrittene (ich hoffe, das lesen jetzt keine Poolspieler) und die farbigen “Spots” sind einfach bestimmte Punkte auf einem Snookertisch – die Regeln für Snooker habe ich übrigens auch mal erklärt.) Auch eine Quanten-Snookerkugel kann aber eine eindeutige Position haben, beispielsweise die auf dem grünen Spot. Eine solche eindeutige Position bekommt sie insbesondere dann, wenn ich ihren Ort tatsächlich messe (wenn ich also gucke, wo die Quantenkugel liegt) – ein Messprozess “zwingt” die Kugel in einen bestimmten Zustand. Messe ich den Ort, hat die Kugel hinterher tatsächlich einen bestimmten Ort, messe ich die Geschwindigkeit, hat die Kugel hinterher eine bestimmte Geschwindigkeit. (Wie wir gleich sehen werden, ist es meist in der Praxis nicht ganz so einfach…)
Der zweite Unterschied ist der, dass bestimmte Größen, die den Zustand beschreiben, nicht gleichzeitig einen eindeutigen Wert haben können. Das ist die berühmte Unschärferelation. Bestimme ich beispielsweise den Ort der Kugel durch eine Messung, dann befindet sie sich direkt nach dieser Ortsmessung in einem Zustand mit einem eindeutigen Ort, aber dafür mit einer vollkommen unbestimmten Geschwindigkeit. (Das bedeutet natürlich, dass die Kugel einen Moment höchstwahrscheinlich später nicht mehr am selben Ort sein wird.) Messe ich umgekehrt die Geschwindigkeit der Kugel, dann habe ich hinterher keinen Schimmer, wo sich die Kugel gerade aufhält. Größen wie Ort und Geschwindigkeit, die nicht gleichzeitig festgelegt sein können, heißen “komplementäre Größen”.
Um den Zustand einer Quanten-Snookerkugel vollständig zu beschreiben, entscheidet man sich für einen bestimmten Satz von Zustandsgrößen, die alle zueinander nicht komplementär sind. Beispielsweise also den Ort oder die Geschwindigkeit (aber eben nicht beides). Man gibt dann die Wahrscheinlichkeit (genauer gesagt, die Wahrscheinlichkeitsamplitude, aber wir wollen mal nicht so pingelig sein) für jeden denkbaren Messwert in diesem Satz von Zustandsgrößen an. Also beispielsweise: 1% Wahrscheinlichkeit für den grünen Spot, 2% Wahrscheinlichkeit für den braunen Spot ,10% Wahrscheinlichkeit direkt vor der gelben Ecktasche (freu…) usw. Alternativ kann man dasselbe auch für die Geschwindigkeiten machen und angeben: 3% Wahrscheinlichkeit für eine Geschwindigkeit in Richtung der linken Mitteltasche usw usf. Wer Physik studiert und fleißig Übungsaufgaben rechnet, der kann auch zwischen diesen beiden Beschreibungen hin- und herrechnen: wenn ich also die Wahrscheinlichkeit dafür weiß, mit der die Kugel an jedem beliebigen Punkt des Tisches ist, dann kann ich ausrechnen, welche Wahrscheinlichkeit eine bestimmte Geschwindigkeit hat. Anders als in der klassischen Physik sind diese Größen also nicht unabhängig. (Eine Kugel in der klassischen Physik kann eindeutig auf dem gelben Spot liegen und in jede beliebige Richtung laufen, aber eine Quanten-Snookerkugel, die eindeutig auf dem gelben Spot liegt, kann nicht in eine bestimmte Richtung laufen – vielmehr sind alle Richtungen gleichwahrscheinlich (das dürfte Quanten-Snooker zu einer ziemlich kinffligen Sportart machen…).)
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