Solche Systeme sind aber in der Realität nicht leicht zu erzeugen – normalerweise macht die Natur so etwas nicht. Es gibt zwar das sogenannte Spin-Eis, das ist aber ein ziemlich kompliziertes System und lässt sich auch nicht so leicht experimentell untersuchen (die Frustration im Spineis ist auch noch etwas komplizierter, siehe den Wiki-Artikel).
Dank der modernen Nanotechnologie ist es jetzt aber gelungen, ein vergleichsweise einfaches frustriertes System herzustellen, das drei Bestandteile hat, genau wie unser simples Bild oben. So sieht das ganze aus:
Aus Seo et al., s.u.
Was ihr hier seht ist die Oberfläche eines Halbleiters, in die einige Kontakte eingebaut wurden. Interessant für uns sind vor allem die drei eingezeichneten Bereiche, die mit QD markiert sind – das sind sogenannte Quantenpunkte (QD=quantum dot). Dicht unter der Oberfläche des Halbleiters können sich hier Elektronen in einem kleinen, nahezu perfekt zweidimensionalen Bereich tummeln. Die genauen technischen Details spare ich mir lieber (das ist Bloggerisch für “habe ich nicht verstanden”).
Entscheidend ist, dass man das System so präparieren kann, dass die drei Quantenpunkte in ähnlicher Weise miteinander wechselwirken, wie es oben unsere drei Momente getan haben. So ein Quantenpunkt kann entweder ein paar Extra-Elektronen enthalten oder auch nicht. Bezeichnen wir den Zustand, in dem die Extra-Elekronen da sind, mit 1 und den, in dem sie nicht da sind, mit 0, dann ist es auch hier wieder so, dass jeder Quantenpunkt dann die niedrigst-mögliche Energie hat, wenn seine Elektronenzahl (1 oder 0) den entgegengesetzten Wert zu den anderen beiden Punkten hat. Entsprechend gibt es auch hier wieder sechs gleich gute (oder schlechte) Zustände, genau wie eben.
Tatsächlich ist die Sache etwas komplizierter. Die Energie der Quantenpunkte hängt von den an den Kontakten angelegten Spannungen ab, die man dann variiert. Mit Hilfe der passenden Formel für die Energie des Systems kann man dann zeigen, dass sich bei richtig eingestellter Spannung an den drei Kontakten gerade die Frustration einstellt.
Nun muss man die Frustration natürlich auch noch nachweisen. Das geht dadurch, dass man die Leitfähigkeit misst. Stellt euch vor, wir schicken ein Elektron in den Quantenpunkt 1 und wollen von hier Strom über den Punkt 2 nach draußen leiten. Wenn wir jetzt im Zustand (100) sind, dann kostet es keine Energie, in den Zustand (110) überzugehen (die Elektronen kommen dabei aus dem Halbleitermaterial, nicht etwa aus dem Nichts), und dann in den Zustand (010), wobei wir Elektronen aus dem Punkt 2 in die entsprechende Leitung abführen. Also ist die Leitfähigkeit in diesem Zustand hoch – in anderen Zuständen (wenn man also die Spannungen so einstellt, dass man kein frustriertes System hat), ist sie dagegen niedriger.
Hier ist die Leitfähigkeit (farbig) aufgetragen gegen zwei der drei Spannungen an den Quantenpunkten, man erkennt sehr schön, dass sie bei richtig eingestellten Spannungen sehr viel größer ist (die gestrichelten Linien sind nur Hilfslinien, keine Messwerte):
Aus Seo et al., s.u.
Insgesamt ist es also gelungen, ein gut kontrollierbares frustriertes System herzustellen. Fragt sich natürlich, was man damit anfangen kann. Das ist im Moment tatsächlich noch nicht so klar – ein solches System könnte (das sagt man in solchen Fällen ja immer) beim Bau von Quantencomputern nützlich sein; wenn es gelingt, so etwas in größerem Maßstab zu bauen, könnte es auch helfen, die Thermodynamik besser zu verstehen, weil man ein gut kontrollierbares frustriertes System hätte. Ansonsten ist es erst einmal Grundlagenforschung – da weiß man vorher nie, was hinterher einer damit anfängt.
M. Seo et al., Charge Frustration in a Triangular Triple Quantum Dot
Phys. Rev. lett. 10.1103/PhysRevLett.110.046803
Gefunden via nature:
S. Andergassen, A frustrated trio, nature 495, p. 321
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