Auch ein anderes sehr urtümliches Reptil wartet mit Überraschungen auf: Captorhinus aguti sitzt ganz unten am Stammbaum der echten Reptilien.  Untersucht man aber seine Knochen, erlebt man eine Überraschung: Man findet nämlich keine Wachstumslinien, wie sie typisch für viele Reptilien sind (und auch bei Säugetieren vorkommen). Captorhinus zeigt solche Linien aber nicht, was (nach Ausschluss anderer Möglichkeiten wie der, dass das untersuchte Fossil zu jung war) darauf hindeutet, dass die Tiere kontinuierlich und möglicherweise vergleichsweise schnell wuchsen.

Das Laufen auf zwei Beinen ist ja auch etwas, das man eher mit Dinosauriern und ihren unmittelbaren Vorfahren (ja, auch mit Menschen – pfffft, Säugetiere…) in Verbindung bringt. Aber auch hier haben die urtümlichen Parareptilien zuerst mit dieser Idee herumprobiert: Eudibamus ist ein Fossil aus Deutschland, das lange Hinterbeine besitzt, mit denen das Tier zumindest wenn es schnell unterwegs war, auf zwei Beinen laufen konnte. Computersimulationen zeigen, wie genau die Hinterbeine das anstellen – allerdings standen die Beine nicht senkrecht unter dem Körper wie bei Dinos (oder bei Bunstegos), sondern waren etwas abgespreizt. Ganz elegant war der Lauf von Eudibamus also wohl nicht.

Danach ging es um Schildkröten. Und hier gab es gleich zwei Untersuchungen, die sich mit Eunotosaurus beschäftigten, einem Reptil, das man standardmäßig bei den Parareptilien eingeordnet hat (auch Wikipedia tut das), das aber viele Merkmale mit Schildkröten gemeinsam hat und das man deswegen auch für einen Vorfahr der Schildkröten hält. (Heutzutage stützt man so etwas natürlich mit einer kladistischen Analyse.) Ein wichtiges Merkmal, das Schildkröten mit den Parareptilien verbindet, ist der “anapside” Schädel – ein Schädel, bei dem es hinter dem Auge keine weitere Schädelöffnung mehr gibt. Die meisten Reptilien dagegen haben solche Öffnungen und sind “diapsid”. Eunotosaurus hat nun – wie eine neue Untersuchung mittels CT-scan herausfand – ebenfalls eine solche Öffnung im Schädel – die hat man nur bisher nicht gesehen, weil sie durch einen Knochen, der eigentlich weiter hinten im Schädel liegt (Supratemporale) überdeckt wird. Die Knochen, die bei den anderen Diapsiden die Schädelöffnung bilden, haben auch beim Eunotosaurus eine solche Öffnung – sie ist eben nur von oben durch das Supratemporale zugedeckt. Das spricht dafür, dass Eunotosaurus (und damit auch die Schildkröten) doch zu den Diapsiden gehört (was molekulargenetische Untersuchungen auch nahelegen). Der vollkommen geschlossene Schildkrötenschädel entwickelte sich dann später.

Der zweite Vortrag drehte sich dann um die Entwicklung der Atmung in Schildkröten – wegen ihres starren Panzers können die ja nicht so einatmen, wie wir das tun (indem sie den Brustkorb weiten). Eunotosaurus hatte schon ziemlich breite Rippen und einen relativ starren Brustkorb und dürfte schon auf ähnliche Weise geatmet haben. Mehr über dieses Thema findet ihr hier.

Am Samstag morgen gab es dann noch einmal Dinos – bisher hatte es ja nur eine Session über Theropoden gegeben, die ja immer sehr im Rampenlicht setehn. (Das merkte auch einer der Vortragenden an, als er über die verlängerten Halswirbel des von ihm neu gefundenen antarktischen Fossils eines Ornithopoden (also eines Verwandten von Iguanodon) sprach – er sagte sinngemäß “Das Tier hat versucht, seine Halswirbel zu verlängern, damit es den Saurischiern ähnlicher wird, weil die ja viel populärer sind”.)

Zuerst ging es allgemein um die Gehirngröße von Dinos – generell gelten die ja als eher kleinhirnig, aber das zu quantifizieren ist nicht so einfach, denn je größer ein Tier wird, desto kleiner ist seine Hirnmasse im Verhältnis zur Körpergröße. Um hier also einen sinnvollen Vergleich zu haben, muss man sich überlegen, welche Hirngröße man bei einer bestimmten Körpergröße erwartet. Und als zweites kommt hinzu, dass es natürlich nicht einfach ist, die Hirngröße eines Dinos überhaupt abzuschätzen – das Gehirn muss in den Schädel passen, aber füllt es das Innere der Hirnschale voll aus wie bei Vögeln, oder eher nicht, wie bei Reptilien? Neue Ansätze, bei denen CT-scans verwendet werden, um die Hirnform genauer abzuschätzen, können hier vielleicht helfen.

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Kommentare (6)

  1. #1 dilopho
    10. November 2014

    Danke für diese sehr ausführliche Zusammenfassung. Wäre selbst gern da gewesen, aber die Zeit und das Geld braucht man halt auch.
    Jedenfalls sind viele interessante Dinge dabei und bei einigen freu ich mich schon drauf, dass sie publiziert werden. Gibts eigentlich so eine Art Faustformel, wann die Paper zu solchen Vorträgen spätestens draußen sind?

  2. #2 MartinB
    10. November 2014

    @dilopho
    “die Zeit und das Geld braucht man halt auch”
    Jupp, aber zum Glück konnte ich’s mir dieses Jahr leisten.
    Nein, es gibt keine Faustformel – das Datum kann zwischen “heute” (so war es bei dem Eunotosaurus-Vortrag) und “nie” beliebig schwanken.

  3. […] Tom Holtz – mit dem ich letztes Jahr bei der SVP-Tagung schnacken konnte, das war schon […]

  4. […] – am Schrank seht ihr das Plakat vom Dino-Spuren-Symposium, und passenderweise hatte ich mein SVP-T-Shirt […]

  5. […] sitzen. Dass Schildkröten Diapsiden sind, weiß man auch noch nicht so lange, ich habe darüber kurz hier berichtet.) Dann seht ihr Eunotosaurus – die erste Urschildkröte, die wir kennen, allerdings noch ohne […]

  6. […] das Melanin steckt, prinzipiell auch in Fossilien nachgewiesen werden können. (Kurz habe ich dazu in diesem Artikel was erzählt, war schon ne coole […]