Wenn unsere Masse, auf die die Staubteilchen zustürzen, ein Schwarzes Loch (kurz SL) ist, dann fallen die Staubteilchen genau am Rand des Schwarzen Lochs (am Ereignishorizont) mit Lichtgeschwindigkeit relativ zum Ereignishorizont. (Das ist der rote Kreis oben im Bild.) Da sich kein Körper relativ zu einem anderen mehr als lichtschnell bewegen kann (Spekulationen über Tachyonen lasse ich mal außen vor…), kann also kein Körper dem Schwarzen Loch entkommen, wenn er den Bereich erreicht, bei dem der Staub lichtschnell fällt. Umgekehrt sieht man aber auch, dass der fallende Staub selbst am Ereignishorizont keine Besonderheiten sieht (wenn Staub etwas sehen kann) – das einzelne Staubteilchen ist ja im freien Fall, fühlt sich kräftefrei (um etwas von Gezeitenkräften zu merken, die normalerweise jeden, der in ein SL stürzt, spaghettifizieren, ist es zu klein) und merkt nichts davon, dass es – von Außen betrachtet – gerade einen Punkt ohne Wiederkehr überschritten hat.
Bei diesen Überlegungen ist es jetzt etwas haarig mit den Bezugssystemen – kein Teilchen kann relativ zum anderen mit Lichtgeschwindigkeit fliegen – aber der Ereignishorizont ist kein Teilchen, für ein physikalisches Objekt ist es unmöglich, starr am Ereignishorizont zu verharren. (Ein Photon könnte allerdings genau am Ereignishorizont quasi “eingefroren sein und dort “schweben”.) Das ist auch genau der Grund, warum es in der oft verwendeten Schwarzschild-Metrik am Ereignishorizont zu Problemen kommt. (Innerhalb des Ereignishorizonts ist es noch haariger – auf dem Bild fallen die Teilchen dort mit Überlichtgeschwindigkeit – aber das tun sie relativ zu einem Beobachter, der an einer Position innerhalb des Ereignishorizonts stehen bleibt, und so einen Beobachter kann es nicht geben, weil innerhalb des Horizonts alles nach Innen stürzt. Die genaue Interpretation des Bildes erfordert ein bisschen Mathematik.)
Wenn wir – so wie bei der Ausdehnung des Raums – wieder die Staubteilchen als “Marker” für Raumpunkte betrachten (mit allen Vorbehalten, weil es ja unterschiedliche Bezugssysteme gibt, die alle gleich gut sind), dann können wir das Bild auch noch etwas anders interpretieren: Wir können sagen, dass bei einer Masse der Raum selbst auf die Masse zustürzt. Klingt etwas absurd, aber wenn Raum sich ausdehnen kann, dann kann er auch “stürzen”, oder? Das ist das “Wasserfall-” oder “Fluss-“Modell der Schwerkraft, das zum Beispiel hier und hier diskutiert wird. (Diese beiden Links haben mich auch auf dieses Konzept aufmerksam gemacht.) So sieht das Ganze in einer Animation aus (Dank an Andrew Hamilton, der mir erlaubt hat, die hier einzubauen.):
Man kann sich also vorstellen, dass ein Teilchen, das versucht, dem SL zu entkommen, vom in das SL fallenden Raum mitgerissen wird – so wird es auch in den beiden zitierten Seiten beschrieben. Damit ist auch anschaulich klar, warum das Photon am Ereignishorizont verharren kann – es fliegt lichtschnell, aber der Raum stürzt ebenfalls lichtschnell unter ihm ins Schwarze Loch, und so kann es, wie Alice im Wunderland, nur gerade am Ort (dem Ereignishorizont) bleiben, wenn es so schnell läuft, wie es kann.
Der ins SL stürzende Raum ist ein durchaus schönes und anschauliches Bild – es hat allerdings auch einen Haken: Wenn man mit einem Boot in einem Fluss treibt und anfangs eine Geschwindigkeit relativ zum Wasser hat, dann wird die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen Boot und Wasser im Laufe der Zeit immer kleiner, weil es ja eine Reibung zwischen den beiden gibt. Nach einer Weile bewegt sich das Boot genau mit der Geschwindigkeit des Wassers und ruht relativ zum Wasser. Das ist beim Raum anders: Stellt euch einen Raum ganz ohne Masse und Schwerkraft zu, in dem der Raumzeitstaub also (beispielsweise in Alices Bezugssystem) ruht. Wenn ihr euch anfangs relativ zu Alices Staub bewegt, dann werdet ihr eben nicht abgebremst (sonst hätten wir Physik nach Aristoteles), sondern behaltet die Geschwindigkeit bei. Beim Sturz auf eine zentrale Masse ist es ähnlich – ein Stein, den ich mit Wucht nach unten schmeiße, stürzt schneller als einer, den ich einfach loslasse. Auch dabei ist allerdings Vorsicht geboten: Vom Standpunkt eines Beobachters, der direkt am Ereignishorizont sitzt, falle beide Teilchen am Ereignishorizont lichtschnell; relativ zueinander sehen die beiden Teilchen das jeweils andere aber nicht still stehen, sondern sich bewegen.
Kommentare (109)