Dass unsere Technik uns gerade in der Medizin große Fortschritte beschert hat, kann eigentlich niemand leugnen. Aber natürlich sind ganz andere Dinge vorstellbar: Warum fahren keine Nano-U-Boote durch unser Blut, analysieren unser Gewebe und liefern Medikamente dahin, wo sie hingehören? In der Science Fiction kann mensch sich so etwas leicht vorstellen, aber noch sind wir weit davon entfernt.
Die Idee von Nano-U-Booten im Blut ist nicht neu – sie ist die Basis des Films “Die fantastische Reise” (zu dem Isaac Asimov das Buch geschrieben hat, in dem er auch den großen Fehler am Schluss des Films korrigiert hat). Noch deutlich vorher hat Richard Feynman in seinem berühmten Vortrag “There’s plenty of room at the bottom” die Idee aufgebracht, die von Albert Hibbs stammt. (Diesem Vortrag wird gern nachgesagt, die Grundlage der Nano-Technologie zu sein. Ob er wirklich eine so große Wirkung hatte oder ob das nur gesagt wird, weil Feynman eine der populärsten Physikerinnen(*) aller Zeiten ist, weiß ich nicht.)
(*) Ja, in diesem Text hier verwende ich ein generisches Femininum. Diskussionen darüber in den Kommentaren sind im Moment unnötig und unerwünscht – falls Bedarf besteht, schreibe ich zum Thema demnächst nochmal was extra.
Leider ist unsere Nanotechnologie noch nicht so weit, dass wir komplizierte Maschinen bauen könnten, die selbsttätig durch unser Blut fahren und dort als Medizinroboter tätig sind. Aber auch einfachere Nano-Vehikel sind ja denkbar: Eine Maschine, die z.B. Medikamente gezielt an eine Stelle des Körpers bringen könnte, wäre ja auch schon sehr nützlich – beispielsweise, damit wir nicht den ganzen Körper mit Chemotherapie-Medikamenten traktieren müssen (was wenig lustig ist). So eine Maschine mit einem Motor auszustatten, ist bisher noch Science Fiction, also muss mensch sich andere Möglichkeiten ausdenken, um das Nano-Vehikel zu bewegen.
Am einfachsten geht das sicherlich, indem die notwendigen Maschinen zur Krafterzeugung einfach außerhalb des Körpers sitzen und die Kraft dann durch Felder in den Körper übertragen. Und genau das ist der Trick, der vor kurzem sehr erfolgreich (im Labor, nicht in einem Körper) umgesetzt wurde.
Dazu wurden Magnetfelder verwendet, die auf magnetische Nanoteilchen einwirken. Die Nanoteilchen selbst haben ein magnetisches Moment, so dass sie sich in einem Magnetfeld passend zum Magnetfeld ausrichten können. Damit können wir die Teilchen drehen – aber wie wird daraus eine Vorwärtsbewegung?
Dazu dient ein cleverer Trick: die Nanoteilchen (naja, ganz ehrlich sind es nur Mikro-Teilchen, denn sie sind größer als 100 Nanometer, was eigentlich die Definitionsgrenze für Nanoteilchen ist) sind nicht einfach Kügelchen, oder Würfel, sondern haben eine Spiralform (Warum es eine beschichtete und eine unbeschichte Variante gibt, erkläre ich später):
Aus Venugopalan et al., s.u.
Die Magnetisierung der Teilchen liegt senkrecht zur Längsachse. Wenn mensch ein rotierendes Magnetfeld anlegt, dann beginnen die Spiralen zu rotieren, und weil sie sich ja in einem Medium befinden (nämlich eines Tages in unserem Blut) spiralen sie sich durch diese Rotation wie ein Korkenzieher vorwärts.
Dass das funktioniert, zeigt dieses Video hier:
Ihr seht auch, dass das Teilchen es relativ schwer hat, weil das Blut voller roter Blutkörperchen ist, an denen es vorbei muss. Deswegen ist seine Bewegung auch nicht geradlinig, sondern ein bisschen erratisch. (Mehr Videos findet ihr hier.) Ich muss dabei fairerweise sagen, dass das Blut hier noch geringfügig (um einen Faktor 1,8) verdünnt wurde – damit ist es aber immer noch ziemlich viskos und mit Blutkörperchen ziemlich vollgestopft, und es ist das erste Mal, dass es gelungen ist, so ein Nanofahrzeug in so einer dicken Suppe voranzutreiben. Die Teilchen stecken vermutlich deshalb immer mal fest, weil sich die Blutkörperchen vor den Teilchen aufstauen und es eine Weile dauert, bis sich der Stau wieder auflöst.
Wie bastelt mensch nun so ein Nano-Vehikel? Der Kern des Korkenziehers besteht aus Siliziumoxid. Wenn ich es richtig verstehe (das paper ist recht kurz, was die genaue Herstellungsmethode angeht) wurden dafür zunächst Mikro-Kugeln auf ein Substrat gebracht und dann darauf unter einem schrägen Winkel Siliziumoxid abgeschieden, wobei das Substrat rotiert wird, damit Spiralen entstehen. (Ein bisschen was dazu findet Ihr hier und hier, aber ich gebe zu, dass mir die Details nicht ganz klar sind.)
Siliziumoxid ist allerdings nicht magnetisch – als nächstes werden die Spiralen deshalb mit Eisen oder Kobalt beschichtet und dann magnetisiert. Das reicht allerdings auch nicht, denn die magnetische Schicht würde beim Transport durchs Blut relativ schnell zerstört werden. Als letztes kommt deswegen noch eine Schutzschicht aus Zink-Ferrit obendrauf, die auch für längere Zeit im Blut stabil bleibt.
Die Geschwindigkeit der Teilchen ist natürlich recht langsam – sie liegt in der Größenordnung von einigen Mikrometern pro Sekunde. Damit kann lassen sie sich natürlich nicht durch den ganzen Körper steuern, sondern allenfalls kurze Strecken weiterbewegen. Das technisch umzusetzen, dürfte dann allerdings schwierig werden, denn mensch kann ja nicht so einfach auf der Mikrometer-Skala in einen Körper hineingucken wie mensch auf den Objektträger unter dem Mikroskop gucken kann. Mensch bräuchte also eine spezielle Technik, mit der die Teilchen einigermaßen genau lokalisiert werden können. Und hinzu kommt dann auch noch, dass unser Blut ja auch vorwärts fließt – dagegen müssen die Teilchen dann auch noch ankommen.
Bis wir tatsächlich Nano-Fahrzeuge in der Medizin einsetzen, wird es also noch ein bisschen dauern – aber immerhin haben wir einen kleinen Schritt in die richtige Richtung gemacht.
Venugopalan, Pooyath Lekshmy, et al. “Conformal Cytocompatible Ferrite Coatings Facilitate the Realization of a Nanovoyager in Human Blood.” Nano letters 14.4 (2014): 1968-1975.
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