Wechselwirkung mit Materie
Das Photon (oder das Photonfeld, wenn ihr es in der Sprache der Quantenfeldtheorie sagen wollt) koppelt ja an elektrische Ladungen – nur geladene Teilchen können Photonen aussenden. Unser Graviton (oder Gravitonfeld) soll ja die Schwerkraft repräsentieren. Es muss also an die Masse koppeln. Im ersten Moment könnte man also denken, die Masse träte an die Stelle der elektrischen Ladung. Das ist aber nicht ganz richtig – jedenfalls dann nicht, wenn man Masse als “Ruhemasse” interpretiert (ja, auch die unterschiedlichen Massebegriffe habe ich mal auf dem Blog diskutiert – irgendwie bin ich wohl der Erklärbär (ich habe aber keine süße Piepsstimme)). Nach Einstein sind ja Masse und Energie äquivalent – und jede Form von Energie erzeugt deshalb ein Schwerefeld und wird auch durch dieses beeinflusst. (Licht wird beispielsweise von Massen abgelenkt – umgekehrt erzeugen Photonen auch ein Schwerefeld, was allerdings nur theoretisch gezeigt werden kann, messen kann man das nicht.) Gravitonen müssen also an die Energie eines Systems koppeln.
Es kann aber nicht nur die Energie sein, mit der Gravitonen wechselwirken. Bei der elektrischen Ladung war es ja auch so, dass wir einen zusätzlichen Effekt bekommen, wenn Ladungen sich bewegen – dann entstehen Magnetfelder. Ähnlich ist es bei den Gravitonen – wenn Massen (oder allgemein Energien) sich bewegen, dann müssen “gravomagnetische” Felder entstehen, sozusagen das Schwerkraft-Pendent zu den Magnetfeldern. Solche Felder kann man auch nicht direkt beobachten, dazu ist der Effekt viel zu schwach. (Auch der Effekt normaler Magnetfelder ist sehr schwach verglichen mit der elektrostatischen Anziehung und Abstoßung; dass wir im Alltag Magnetfelder beobachten können, liegt daran, dass die meisten Objekte elektrisch neutral sind, weil sich positive und negative Ladungen ausbalancieren.) Ohne diese gravomagnetischen Felder gäbe es aber keine Gravitationswellen, und auch wenn wir die noch nie direkt gemessen haben, gibt es doch exzellente indirekte Hinweise auf ihre Existenz. Das Gravitonfeld wird also auch von Energieflüssen beeinflusst. (Nachtrag: Hugo hat mich in einem Kommentar an den Lense-Thirring-Effekt erinnert, der ist tatsächlich ein nachweisbarer gravomagnetischer Effekt.)
Guckt man etwas genauer hin, dann sieht man, dass es noch einen weiteren Effekt geben muss – denn wenn wir die Energie und den Energiefluss betrachten, dann bilden die zusammen einen Vektor (genau gesagt, einen Vierervektor, sozusagen die relativistische Version eines normalen Vektors). Ein Spin-2-Teilchen kann aber nicht an einen Vektor koppeln – da spielen die Gleichungen einfach nicht mit. (Das Ergebnis wäre nicht mit der Relativitätstheorie vereinbar – es würde dazuführen, dass das, was in einem System passiert, davon abhängt, wie wir uns relativ zum System bewegen; anders gesagt, die Theorie würde für zwei unterschiedliche Beobachterinnen einander widersprechende Ergebnisse vorhersagen.)
Ein Vektor (oder vierervektor) wie der Energiestrom sagt ja etwas darüber aus, wie sich eine Größe im Raum mit der zeit ändert (erst ist die Energie hier, dann da). Zusätzlich muss es bei einem Spin-2-Teilchen auch eine Größe geben, in der nur räumliche Änderungen stecken. Diese Größe, die ja auch mit der Energie zusammenhänge muss, ist der “räumliche Impulsstrom”. (Achtung: falls ihr in der Schule mit dem sogenannten “Karlsruher Physikkurs” traktiert wurdet, dann habt ihr dort auch eine Größe kennengelernt, die “Impulsstrom” hieß. Diese Größe ist ein Vektor und hat in Wahrheit keine physikalische Bedeutung (sie hängt nämlich vom Bezugssystem ab – wenn ihr zwei Objekte mit einer feder verbindet, dann hängt es von der Definition eures Koordinatensystems ab, von welchem Objekt Impuls zum anderen fließt (Ja, es gibt Leute mit seeeehr seltsamen Ansichten zur Physik-Didaktik, aber das ist ein ganz anderes Thema)). Auch beim googeln nachdem Wort “Impulsstrom” ist deshalb Vorsicht geboten.)
Auch wenn es für das folgende nicht wirklich relevant ist (ihr könnt diesen Absatz schadlos überspringen), hier eine kurze (physikalisch nicht 100% sauber argumentierte) Idee, wie man sich den “räumlichen Impulsstrom” vorstellen kann: Letztlich ist es nichts als die mechanische Spannung in einem System. Das kann man sich vielleicht so veranschaulichen: Stellt euch eine Fläche vor, auf der ein Druck aufgebracht ist, also eine Spannung als Kraft pro Fläche. Dann wirkt also auf diese Fläche eine Kraft. Die Kraft hat aber nach Newton etwas mit der Änderung des Impulses zu tun (Kraft ist Masse mal Beschleunigung, was dasselbe ist wie die zeitliche Änderung des Impulses). Deswegen kann man sagen, dass hier ein “Impulsstrom” in die Fläche hineinfließt – wenn die Fläche im Gleichgewicht ist, dann wirkt eine genau so große Gegenkraft, so dass ein gleich großer Impulsstrom durch die Fläche nach außen fließt.
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