Die moderne Physik hat zwei unglaublich gut mit der Realität übereinstimmende Theorien hervorgebracht – die Quantenmechanik einerseits, die das Verhalten von Elementarteilchen mit extremer Genauigkeit beschreibt, und die Allgemeine Relativitätstheorie, die die Schwerkraft als ein Phänomen der Raumzeitkrümmung erklärt und ebenfalls einige exzellente Vorhersagen aufzuweisen hat. (Dass es da verglichen mit der Quantenmechanik deutlich weniger gibt, liegt schlicht daran, dass wir im Labor nicht mit Sonnenmassen hantieren können.) Aber wie passen diese beiden Theorien zusammen? Die ART ist eine klassische Theorie, in der Quanteneffekte keine Rolle spielen. Eine Quantentheorie der Gravitation (kurz Quantengravitation oder QG), wird oft als der “Heilige Gral ” der Physik bezeichnet – bisher ist es aber noch niemandem gelungen, ihn zu finden.
Warum eigentlich nicht? Liegt es daran, dass wir keine Ahnung haben, wie eine QG aussehen sollte? Nicht ganz. Eigentlich wissen wir sogar ziemlich viel über die QG und darüber, wie sie eigentlich aussehen sollte. Dumm nur, dass die Theorie, die man so entwickeln kann, einen winzig kleinen Schönheitsfehler hat…
Heute schauen wir, wie man eine Theorie der QG basteln kann und wo es am Ende hakt. In gewisser Weise ist dieser Text die Fortsetzung (oder auch das Komplement) zum vorigen Artikel über Gravitonen, ich versuche aber mal, ihn einigermaßen so zu schreiben, dass man ihn auch für sich lesen kann. (Der Artikel enthält aber zahlreiche Verweise auf andere Blogartikel – ich habe mich bemüht, die Erklärung so weit einzudampfen, dass das wichtigste in einen Artikel passt – zu vielen Dingen könnt ihr Details finden, wenn ihr den jeweiligen Links folgt.)
Quantenfeldtheorie und die vier Kräfte
In der Natur kennen wir vier grundlegende “Kräfte” – gemeint sind damit Wechselwirkungen, die zwischen Elementarteilchen stattfinden können. Eine ist die Gravitation, die anderen drei können wir mit den Mitteln der Quantentheorie beschreiben. Weil wir ja gleich eine Theorie der Quantengravitation basteln wollen, lohnt es sich, einen kurzen Blick darauf zu werfen, wie die anderen drei Kräfte funktionieren.
Da ist zunächst mal die elektromagnetische Kraft, die der Gravitation ja sehr ähnlich ist. Sie wirkt zwischen elektrisch geladenen Teilchen – sind die Teilchen in Ruhe, äußert sich diese “Kraft” als elektrisches Feld, und die Kraft nimmt – genau wie die Gravitationskraft – mit dem Quadrat des Abstands ab und hat eine sehr große Reichweite, auch weit entfernte elektrische Ladungen können noch miteinander wechselwirken. Allerdings gibt es auch einen Unterschied – bei der elektrischen Kraft ziehen sich entgegengesetzte Ladungen (plus und minus) an, gleiche Ladungen stoßen sich ab. Bei der Gravitation dagegen kennen wir nur eine Sorte von Ladungen – nämlich Massen, und die ziehen sich immer an.
Wenn sich elektrisch geladene Teilchen bewegen (das nennt man dann “Strom”), entsteht zusätzlich noch ein Magnetfeld. Elektrisches und magnetisches Feld sind eng verknüpft (mathematisch beschrieben durch die Maxwell-Gleichungen, zu denen ihr hier im Blog ne ganze Serie findet – klickt rechts bei den Artikelserien) und werden deshalb gern zusammen als elektromagnetisches Feld oder kurz em-Feld bezeichnet.
In der zugehörigen Quantentheorie wird das em-Feld als ein Photonen-Feld beschrieben. Photonen werden oft auch als “Lichtteilchen” bezeichnet (weil Licht ja eine em-Welle ist). Die Quantentheorie der Photonen und der elektrisch geladenen Teilchen beschreibt Photonen (und auch Elektronen etc.) nicht als handelsübliche Teilchen, wie wir sie uns im Alltag vorstellen (Elektronen malt man ja gern als kleine blaue Kügelchen), sondern als sogenannte Quantenfelder. Felder heißen die Dinger deshalb, weil sie überall im Raum einen Wert haben (und solche Größen heißen in der Mathematik nun mal “Felder”) – ihr könnt euch also vorstellen, dass das “Photonfeld” jedem Punkt des Raums eine Zahl (naja, eigentlich sogar mehrere) zuweist, ganz ähnlich wie ein Temperaturfeld in der Wetterkarte, wo ihr für jeden Ort die Temperatur nachgucken könnt.
Wenn sich zwei elektrische Ladungen anziehen oder abstoßen, dann tun sie das, indem sie das Photonenfeld beeinflussen; die beiden Ladungen verändern das Photonenfeld und das wiederum ändert die Energie der Teilchen, so dass sie eine Kraft erfahren.
Man kann sich diese Wechselwirkung zwischen Teilchen auch mit Hilfe von Feynman-Diagrammen veranschaulichen, die quasi bildlich die Wechselwirkung zwischen den Elektronen darstellen:
Links und rechts seht ihr die Elektronen (mit e– gekennzeichnet), in der Mitte das Photon. Das Diagramm ist so gemeint, dass die zeit von unten nach oben läuft, der Ort von links nach rechts. (Details der Anordnung spielen keine Rolle, weil man rechnerisch eh alle denkbare Punkte, an denen die Elektronen das Photon aussenden oder absorbieren, berücksichtigen muss.)
Solche Diagramme sind keine bloße Anschauungshilfe, sondern tatsächlich verkappte mathematische Gleichungen – wie man mit ihnen was ausrechnet, habe ich vor langer zeit mal im Detail erklärt. In diesem Bild sagt man auch gern, dass das eine Teilchen ein Photon aussendet, das vom anderen teilchen wieder absorbiert wird. (Allerdings muss man beim Interpretieren solcher Diagramme ein bisschen aufpassen, die können die Intuition manchmal auch in die Irre führen.) Das ausgetauschte Photon wird auch gern als “virtuelles Photon” bezeichnet, weil es keins ist, das von Außen beobachtet wird. Deshalb sagt man auch gern, dass Kräfte durch den Austausch virtueller Teilchen vermittelt werden.
Photonen reagieren nur auf elektrisch geladene Teilchen – von ungeladenen Teilchen wie zum Beispiel Neutrinos merken sie nichts. Man sagt deshalb auch gern im Physik-Jargon “das Photon koppelt an elektrische Ladungen”.
Elementarteilchen haben auch eine Masse. Wenn ein Teilchen, so wie das Photon, als Austauschteilchen agiert und eine Kraft überträgt, dann ist die Reichweite der Kraft um so kürzer, je größer die Masse der Teilchen ist. Ein virtuelles Teilchen mit einer Masse hat nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit, eine große Strecke zurückzulegen. (Im Detail habe ich das hier vorgeführt). Häufig wird das so erklärt, dass sich wegen der Unschärferelation die Teilchen “Energie aus dem Vakuum borgen müssen”, und die Zeit, die man dafür zur Verfügung hat, ist um so kleiner, je größer die Masse ist. Das ist zwar nett und klingt auch plausibel (steht soweit ich weiß sogar irgendwo bei Wikipedia), hat aber den kleinen Nachteil, dass es falsch ist – virtuelle Teilchen verletzen nämlich gar nicht die Energieerhaltung (klickt den Link, wenn ihr mehr wissen wollt).
Die Reichweite der elektromagnetischen Kraft ist sehr groß, so dass wir wissen, dass die Masse des Photons winzig klein sein muss. Tatsächlich geht man meist davon aus, dass das Photon überhaupt keine Ruhemasse hat – 100% sicher kann man das zwar nicht wissen, aber ich gehe im Folgenden auch mal davon aus.
Neben dieser elektromagnetischen Kraft gibt es auch noch die sogenannte schwache Kernkraft. Deren Quantentheorie ist der der Photonen sehr ähnlich (und tatsächlich fasst man die beiden inzwischen zur elektroschwachen Wechselwirkung zusammen – ein bisschen mehr darüber gibt es hier), aber hier haben die Austauschteilchen eine Masse, so dass die Wechselwirkung nur eine sehr kurze Reichweite hat. Sie ist aber verantwortlich für radioaktive Zerfälle und andere Kernreaktionen – ohne die Schwache Kernkraft gäbe es keine Sonne, weil in der Sonne bei der Kernfusion Protonen zu Neutronen umgewandelt werden müssen, und das erledigt genau die schwache Kernkraft.
Auch die starke Kernkraft ist auf kurze Reichweiten beschränkt. Hier ist der Grund ein anderer – die Austauschteilchen der starken Kernkraft sind zwar masselos (mit dem gleichen Vorbehalt wie beim Photon), sie tragen aber auch selbst eine (Kernkraft-)Ladung, das heißt, sie ziehen sich auch gegenseitig an. Um sie über lange Reichweiten laufen zu lassen, bräuchte man deswegen gewaltig viel Energie. Die starke Kernkraft ist aber auf kurzer Reichweite sehr effektiv darin, Teilchen zusammenzuhalten – sie ist letztlich verantwortlich dafür, dass es Protonen und Neutronen gibt (die aus kleineren Teilchen, den Quarks, bestehen) und dafür, dass Atomkerne zusammenhalten. Ohne starke Kernkraft gäbe es auch keine Sonne, weil bei der Kernfusion keine Energie gewonnen würde.
Ihr seht also, dass von den drei anderen Kräften die elektromagnetische Wechselwirkung der Gravitation am ähnlichsten ist. Wir können also versuchen, eine Quantengravitation zu bauen, die der Quantentheorie des Elektromagnetismus (kurz QED für Quantenelektrodynamik genannt) ähnlich ist.
Die Masse des Gravitons
Wenn die QG ähnlich funktionieren soll, wie die QED, dann muss es ein Austauschteilchen geben. Dieses Teilchen ist das (hypothetische) Graviton. Falls es euch verwirrt, wie die Schwerkraft, die doch nach Einstein etwas mit der Raumzeitkrümmung zu tun haben soll, durch Teilchen beschrieben werden kann – das habe ich gerade ausführlich erklärt (wie gesagt, dieser Text und der über Gravitonen ergänzen einander).
Die Reichweite der Schwerkraft ist offensichtlich ziemlich groß – immerhin hält sie ganze Galaxienhaufen zusammen, die Millionen Lichtjahre groß sind. Daraus können wir – ähnlich wie beim Photon – schließen, dass die Masse des Gravitons extrem klein sein muss (siehe hier bei Andreas Müller für Details) – normalerweise geht man von einer Masse gleich null aus.
Der Spin des Gravitons
Elementarteilchen haben eine seltsame Eigenschaft namens Spin. In einem sehr einfachen Modell, in dem man die Teilchen wie kleine Kugeln betrachtet, kann man sich vorstellen, dass die Teilchen sich um ihre Achse drehen – das ist kein sehr gutes Bild, veranschaulicht aber zumindest, dass der Spin eine Größe ist, die etwas mit Drehungen zu tun hat. Schaut man genauer hin, dann ist der Spin ein Ausdruck dafür, wie sich Teilchen verhalten, wenn man sie dreht. Eine Kugel beispielsweise kann ich drehen wie ich will, sie sieht immer gleich aus. Einen Würfel kann ich entlang einer Achse senkrecht zu einer Fläche drehen – es reicht eine Drehung um 90°, damit der Würfel wieder so aussieht wie vorher. Der Spin sagt uns, wie wir ein Objekt drehen müssen, bis es wieder gleich aussieht. (Auch das habe ich mal ausführlich erklärt.) Typischerweise kennzeichnet man ihn durch eine Zahl – der Spin ist immer ein Vielfaches von 1/2 (oder Null) in passend gewählten physikalischen Einheiten, es gibt also Spin-1-Teilchen oder Spin-3/2-Teilchen.
Schauen wir erst mal wieder auf ein Photon. Aus Photonen kann man ja eine elektromagnetische Welle bauen, so wie die hier:
In grün seht ihr das elektrische Feld, in magenta das Magnetfeld, der gelbe Pfeil kennzeichnet die Ausbreitungsrichtung. Um diese Welle so zu rotieren, dass sie genauso aussieht wie vorher, müsst ihr sie entlang der gelben Achse um eine volle 360°-Drehung drehen. Daraus folgt, dass der Spin des zugehörigen teilchens gleich 1 sein muss. (Ein Spin-0-Teilchen hätte eine Symmetrie wie eine Kugel – es sieht immer gleich aus, egal wie ihr es dreht. Es kann auch Spin-0-Wellen geben, beispielsweise eine Dichtewelle. Teilchen mit Spin 1/2 müsst ihr um 720° drehen, bis der Zustand wieder derselbe ist – das klingt verrückt, ist aber tatsächlich so.)
Das Graviton kann allerdings kein Spin-1-Teilchen sein, denn wenn Spin-1-Teilchen eine Kraft übertragen, dann ist die Kraft zwischen Teilchen gleicher Ladung abstoßend, so wie bei der elektrischen Ladung. Wir wissen aber, dass alle Massen sich anziehen, auch wenn wir zwei identische Teilchen betrachten. Der Spin eines Gravitons muss deshalb ein Vielfaches von 2 sein. (diesen Zusammenhang zwischen Spin und Anziehung/abstoßung zu erklären, ist wirklich knifflig – meinen Versuch findet ihr hier, aber um den Artikel zu verstehen, müsst ihr euch vermutlich durch die gesamte Artikelserie durchackern.)
Am einfachsten kann man sich den Spin des Gravitons ähnlich übrlegen wie eben beim Photon: Wir schauen uns eine Gravitationswelle an und gucken, wie man sie drehen muss, damit das Bild sich nicht ändert. So verzerrt eine Gravitationswelle den Raum (Bild von Einstein online , dank an Markus Pössel):
Ihr seht, dass das Bild zu jedem Zeitpunkt so ist, dass es sich bei einer Drehung um 180° nicht ändert. Daraus folgt direkt, dass das Graviton ein teilchen mit Spin 2 sein muss.
Wechselwirkung mit Materie
Das Photon (oder das Photonfeld, wenn ihr es in der Sprache der Quantenfeldtheorie sagen wollt) koppelt ja an elektrische Ladungen – nur geladene Teilchen können Photonen aussenden. Unser Graviton (oder Gravitonfeld) soll ja die Schwerkraft repräsentieren. Es muss also an die Masse koppeln. Im ersten Moment könnte man also denken, die Masse träte an die Stelle der elektrischen Ladung. Das ist aber nicht ganz richtig – jedenfalls dann nicht, wenn man Masse als “Ruhemasse” interpretiert (ja, auch die unterschiedlichen Massebegriffe habe ich mal auf dem Blog diskutiert – irgendwie bin ich wohl der Erklärbär (ich habe aber keine süße Piepsstimme)). Nach Einstein sind ja Masse und Energie äquivalent – und jede Form von Energie erzeugt deshalb ein Schwerefeld und wird auch durch dieses beeinflusst. (Licht wird beispielsweise von Massen abgelenkt – umgekehrt erzeugen Photonen auch ein Schwerefeld, was allerdings nur theoretisch gezeigt werden kann, messen kann man das nicht.) Gravitonen müssen also an die Energie eines Systems koppeln.
Es kann aber nicht nur die Energie sein, mit der Gravitonen wechselwirken. Bei der elektrischen Ladung war es ja auch so, dass wir einen zusätzlichen Effekt bekommen, wenn Ladungen sich bewegen – dann entstehen Magnetfelder. Ähnlich ist es bei den Gravitonen – wenn Massen (oder allgemein Energien) sich bewegen, dann müssen “gravomagnetische” Felder entstehen, sozusagen das Schwerkraft-Pendent zu den Magnetfeldern. Solche Felder kann man auch nicht direkt beobachten, dazu ist der Effekt viel zu schwach. (Auch der Effekt normaler Magnetfelder ist sehr schwach verglichen mit der elektrostatischen Anziehung und Abstoßung; dass wir im Alltag Magnetfelder beobachten können, liegt daran, dass die meisten Objekte elektrisch neutral sind, weil sich positive und negative Ladungen ausbalancieren.) Ohne diese gravomagnetischen Felder gäbe es aber keine Gravitationswellen, und auch wenn wir die noch nie direkt gemessen haben, gibt es doch exzellente indirekte Hinweise auf ihre Existenz. Das Gravitonfeld wird also auch von Energieflüssen beeinflusst. (Nachtrag: Hugo hat mich in einem Kommentar an den Lense-Thirring-Effekt erinnert, der ist tatsächlich ein nachweisbarer gravomagnetischer Effekt.)
Guckt man etwas genauer hin, dann sieht man, dass es noch einen weiteren Effekt geben muss – denn wenn wir die Energie und den Energiefluss betrachten, dann bilden die zusammen einen Vektor (genau gesagt, einen Vierervektor, sozusagen die relativistische Version eines normalen Vektors). Ein Spin-2-Teilchen kann aber nicht an einen Vektor koppeln – da spielen die Gleichungen einfach nicht mit. (Das Ergebnis wäre nicht mit der Relativitätstheorie vereinbar – es würde dazuführen, dass das, was in einem System passiert, davon abhängt, wie wir uns relativ zum System bewegen; anders gesagt, die Theorie würde für zwei unterschiedliche Beobachterinnen einander widersprechende Ergebnisse vorhersagen.)
Ein Vektor (oder vierervektor) wie der Energiestrom sagt ja etwas darüber aus, wie sich eine Größe im Raum mit der zeit ändert (erst ist die Energie hier, dann da). Zusätzlich muss es bei einem Spin-2-Teilchen auch eine Größe geben, in der nur räumliche Änderungen stecken. Diese Größe, die ja auch mit der Energie zusammenhänge muss, ist der “räumliche Impulsstrom”. (Achtung: falls ihr in der Schule mit dem sogenannten “Karlsruher Physikkurs” traktiert wurdet, dann habt ihr dort auch eine Größe kennengelernt, die “Impulsstrom” hieß. Diese Größe ist ein Vektor und hat in Wahrheit keine physikalische Bedeutung (sie hängt nämlich vom Bezugssystem ab – wenn ihr zwei Objekte mit einer feder verbindet, dann hängt es von der Definition eures Koordinatensystems ab, von welchem Objekt Impuls zum anderen fließt (Ja, es gibt Leute mit seeeehr seltsamen Ansichten zur Physik-Didaktik, aber das ist ein ganz anderes Thema)). Auch beim googeln nachdem Wort “Impulsstrom” ist deshalb Vorsicht geboten.)
Auch wenn es für das folgende nicht wirklich relevant ist (ihr könnt diesen Absatz schadlos überspringen), hier eine kurze (physikalisch nicht 100% sauber argumentierte) Idee, wie man sich den “räumlichen Impulsstrom” vorstellen kann: Letztlich ist es nichts als die mechanische Spannung in einem System. Das kann man sich vielleicht so veranschaulichen: Stellt euch eine Fläche vor, auf der ein Druck aufgebracht ist, also eine Spannung als Kraft pro Fläche. Dann wirkt also auf diese Fläche eine Kraft. Die Kraft hat aber nach Newton etwas mit der Änderung des Impulses zu tun (Kraft ist Masse mal Beschleunigung, was dasselbe ist wie die zeitliche Änderung des Impulses). Deswegen kann man sagen, dass hier ein “Impulsstrom” in die Fläche hineinfließt – wenn die Fläche im Gleichgewicht ist, dann wirkt eine genau so große Gegenkraft, so dass ein gleich großer Impulsstrom durch die Fläche nach außen fließt.
Diese Größen – Energiedichte, Energiestrom und Spannung – lassen sich mathematisch in einem Objekt zusammenfassen, das den schicken Namen “Energie-Impus-Tensor” trägt (ich kürze das mit EIT ab). Der EIT hat nun aber die schöne Eigenschaft, dass er mathematisch genau zum Gravitonfeld “passt”; das Graviton kann als Spin-2-Teilchen genau an so ein Gebilde koppeln. (Analog wie das Photon als Spin-1-teilchen an den (vierer-)Vektor von Ladungsdichte und Strom koppelt.) In den meisten alltäglichen Situationen dominiert aber der Masse- (oder Energiedichte-)Term die Situation und man braucht sich über die anderen Komponenten keine Gedanken zu machen.
Virtuelle Gravitonen und das Newtonsche Gravitationsgesetz
Unser Gravitonenfeld koppelt also an den EIT – insbesondere an die Masse, die in den meisten Fällen (aber nicht allen, insbesondere in der Kosmologie spielen manchmal die Spannungsterme eine wichtige Rolle) der wichtigste Term ist (die anderen Terme spielen eine ähnliche Rolle wie der Magnetismus bei der em-Wechselwirkung). Ganz analog zur QED können wir uns die Wechselwirkung zwischen zwei Massen so vorstellen, dass diese “virtuelle Gravitonen” aussenden:
So ein Feynman-Diagram sieht immer schön ordentlich aus, aber das liegt daran, dass es nur einen teil der Wahrheit beschreibt – denn die beiden Massen können ja auch zwei oder mehr Gravitonen austauschen. Jede Masse erzeugt eigentlich ständig eine Störung des Gravitonenfeldes (der Zustand ist, solange die beiden Massen am Ort bleiben, ja auch nicht von der Zeit abhängig), und eigentlich muss man alle diese Möglichkeiten überlagern. Ich habe das mal vor längerer Zeit so veranschaulicht:
Dabei sitzen die beiden Massen an den Orten x und y, die Zeitachse läuft nach oben und die “Sterne” zeigen, wie sich jeweils eine Störung von den beiden Teilchen ausbreitet.
Egal wie man die Wechselwirkung im einzelnen anguckt und berechnet – am Ende kommt heraus, dass zwischen zwei ruhenden Massen eine Kraft wirkt, die proportional zu den beiden Massen und umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstands ist. Mit anderen Worten: das Newtonsche Gravitationsgesetz.
Unsere Quantengravitation kann also zumindest die klasssische Gravitations-Physik nach Newton herleiten. (Implizit ist hier auch angenommen, dass die Massen klein genug sind, dass ihr Gravitationsfeld selbst so wenig Energie enthält, dass wir die nicht auch noch berücksichtigen müssen. Dazu gleich mehr.)
Die Einstein-Gleichung
Aber die Einstein-Gleichung, die beschreibt, wie Raumzeitkrümmung und Materie (der EIT) zusammenhängen, sind ja wesentlich umfassender als das Newtonsche Gravitationsgesetz. Sie enthalten dieses Gesetz im Spezialfall, dass die Raumzeitkrümmung sehr schwach und der einzig wichtige Term im EIT die Masse (oder Energiedichte) ist. So sieht diese Gleichung aus:
Das fettgedruckte T auf der rechten Seite ist der EIT, den wir ja schon kennen. Davor steht ein Vorfaktor, der die Gravitationskonstante G und die Lichtgeschwindigkeit c enthält. Auf der linken Seite steht der sogenannte Einstein-Tensor – in dem steckt die Krümmung der Raumzeit drin (wie genau, drösele ich hier nicht auseinander). Wichtig am Einstein-Tensor ist, dass hier auch Terme drinstecken, in denen die Raumzeitkrümmung sozusagen auf sich selbst wirkt – eine hinreichend stark gekrümmte Raumzeit wirkt auf sich selbst zurück.
Kann unsere QG auch diese Einstein-Gleichungen herzaubern? Dass wir auf der rechten Seite den EIT stehen haben, ist ja schon mal ne feine Sache – immerhin steckt der ja auch in der Kopplung unseres Gravitonfeldes drin. Wenn man sich anschaut, wie nach unserem momentanen Stand die linke Seite der Gleichung aussehen würde, so wie wir sie aus dem, was ich bisher gesagt habe, aus der QG ableiten würde, dann sieht man, dass das noch nicht den Einstein-Tensor ergibt, sondern eine wesentlich einfachere Formel. Ist unsere QG doch fehlerhaft?
Nein, ist sie nicht. Wir haben bisher einen wichtigen Effekt vergessen: Gravitonen sind selbst ja auch Teilchen, und sie tragen auch eine Energie und einen Impuls. Das bedeutet, dass wir auch die Kopplung von Gravitonen als sich selbst berücksichtigen müssen – Gravitonen können weitere Gravitonen erzeugen. (Photonen können das nicht, weil sie ungeladen sind.) Mathematisch gesprochen macht das unsere Theorie nichtlinear, physikalisch heißt das – genau wie bei der Erklärung des Einstein-Tensors oben – dass ein Gravitonfeld selbst auch schon als Quelle für weitere Veränderungen des Gravitonfeldes dienen kann.
Um diese Effekte zu berechnen, muss man einigen mathematischen Aufwand treiben. (Das haben Pauli und Fierz in einer ersten Rechnung schon in den 30er Jahren getan, die wurde dann von Gupta, Feynman und anderen später verfeinert und noch genauer analysiert. Was man im einzelnen tut ist, dass man sich zunehmend höhere Ordnungen anguckt: Erst hat man quadratische Terme im Gravitonfeld, dann koppelt das Graviton daran, das gibt kubische Terme, an die koppelt es auch wieder usw. Am Ende muss man ne unendliche Reihe aufsummieren – ich gebe zu, dass ich mir das nicht im Detail angeguckt habe sondern mal glaube, dass das am Ende mathematisch richtig rauskommt.)
Wenn man diesen Aufwand betreibt, dann kommt am Ende aber tatsächlich auf der linken Seite der Gleichung genau der Einstein-Tensor heraus. Die Einsteinschen Feldgleichungen lassen sich also aus unserer Theorie der QG herleiten. Über die Frage, wie das Feldbild, das wir hier in der QG verwenden, und das Bild der Raumzeitkrümmung, das man ja gern bei der Beschreibung der ART verwendet, zusammenpassen, habe ich mir hier, hier und hier Gedanken gemacht. Kurz gesagt erlauben die Gleichungen beide Interpretationen. Feynman sagt dazu in den “Lectures on Gravitation”
[t]he fact ist that a spin-2 field has this geometrical interpretation; this is not somethign readily explainable – it is just marvelous.
[Tatsache ist, dass ein Spin-2-Feld diese geometrische Interpretation hat; das ist nichts, was sich einfach erklären lässt – es schlicht wundervoll.]
Unsere Theorie des masselosen Spin-2-Teilchens, das an die Masse oder Energiedichte koppeln soll, führt also direkt zu den Einsteinschen Feldgleichungen.
Weinbergs Wunder-Theorem
Tatsächlich hätten wir die Forderung, dass unser Spin-2-Teilchen an die Energiedichte (oder Masse) koppeln soll, nicht einmal gebraucht. Es gibt ein ziemlich verblüffendes Theorem von Steven Weinberg, das folgendes aussagt: Wenn es ein masseloses Spin-2-Teilchen gibt, das eine Wechselwirkung vermittelt, dann muss dieses Teilchen zwangsläufig an den EIT koppeln und ist deswegen quasi automatisch das Graviton. Es kann deshalb auch nicht ohne weiteres zwei unterschiedliche masselose Spin-2-Teilchen in unserem Universum geben.
Ich will hier gar nicht so tun, als würde ich den Beweis des Theorems echt verstehen – letztlich beruht es aber darauf, die Forderungen der speziellen Relativitätstheorie, die uns ja sagt, wie Dinge in unterschiedlichen Bezugssystemen aussehen müssen, auszunutzen um daraus Eigenschaften von Austauschteilchen abzuleiten. (Das Theorem macht übrigens auch Aussagen über Austauschteilchen mit anderem Spin. Teilchen mit Spin 1 wie das Photon kann es mehrere geben (gibt es ja auch, auch die Gluonen der starken Kernkraft sind Spin-1-Teilchen), aber jedes dieser Teilchen muss an eine Größe koppeln, die selbst eine Erhaltungsgröße ist (so wie die elektrische Ladung). Aus der Quantentheorie folgt also quasi direkt die Ladungserhaltung.)
Nebenbemerkung: Stringtheorie und Gravitonen
O.k., manchmal muss man auch zugeben, dass man sich geirrt hat – was ich hiermit tue. ich habe vor längerer Zeit mal hier auf dem Blog geschrieben, dass ich das Statement der Stringtheoretikerinnen, ihre Theorie würde ein Spin-2-Teilchen und deshalb die Gravitation vorhersagen, für überzogen halte, weil ja nicht klar sei, dass das Spin-2-Teilchen das Graviton sein muss (und nicht irgendein anderes Spin-2-Teilchen). Als ich das geschrieben habe, kannte ich das Weinberg-Theorem noch nicht – danach muss ein masseloses Spin-2-Teilchen an den EIT koppeln und wirkt damit wie ein Graviton. In diesem Sinne sagt die Stringtheorie also tatsächlich die Gravitation vorher.
Bevor die Stringtheoretikerinnen jetzt aber anfangen zu triumphieren sage ich gleich dazu, dass das meine Meinung von der Theorie nur wenig ändert – denn die Stringtheorie sagt einen ganzen Haufen Teilchen vorher, die alle bisher nicht beobachtet wurden (beispielsweise ein ganzes Sammelsurium an supersymmetrischen Teilchen). Wenn ich eine Theorie bastle, die ein Dutzend Teilchen vorhersagt, von denen eins die Eigenschaften des Gravitons hat, die anderen aber bisher nicht beobachtet wurden (wobei man diese fehlenden Beobachtungen mit einigem Aufwand erklären muss), dann ist der Triumph so groß nicht.
Und erschwerend kommt noch hinzu, dass die Theorie eines Spin-2-Teilchens für die Gravitation zwar schick und beeindruckend ist und im Grenzfall die ART ergibt – dummerweise ist die Theorie aber nicht ganz so schick, wie man bisher denken könnte, um es vorsichtig zu sagen. Mit anderen Worten:
Die Theorie explodiert
Sieht doch alles ganz schön gut aus mit unserer Quantengravitation, oder? Wir haben uns eine Theorie eines Spin-2-Teilchens genommen und landen am Ende bei den Einsteinschen Feldgleichungen. Ziel erreicht, heiliger Gral gefunden, den nächsten Nobelpreis bitte an den Blog “Hier Wohnen Drachen” übersenden.
Tja, leider nicht. Das Dumme ist, dass uns – wenn wir sie zu Ende denken – unsere Theorie der QG schlicht um die Ohren fliegt.
Das Problem steckt in der Kopplung des Gravitons an sich selbst. Man kann es wieder mal am einfachsten mit Feynman-Diagrammen verstehen. Stellt euch ein Graviton vor, das von A nach B fliegt:
Dieses Graviton hat die Möglichkeit, sich in zwei virtuelle Gravitonen aufzuspalten, etwa so:
Das Graviton sendet also ein virtuelles Graviton aus und absorbiert es dann wieder (und da man Gravitonen nicht irgendwie beschriften kann, ist es egal, welches Graviton wir als das ursprüngliche ansehen oder ob wir sagen “aus einem Graviton werden zwei”). So etwas kennen wir auch von anderen Teilchen – wenn man solche Prozesse durchrechnet, muss man für die Teilchen, die da umlaufen, prinzipiell beliebig große Energien und Impulse erlauben, aber die dabei auftretenden Unendlichkeiten bekommt man mathematisch mit ein bisschen raffinierter Trickserei in den Griff (das ist die sogenante Renormierung, zu der habe ich hier was erklärt). Auch die hier bei unserer einfachen Gravitonen-Schleife auftretenden Unendlichkeiten lassen sich locker mathematisch in den Griff bekommen.
Dummerweise können aber auch die beiden virtuelle Gravitonen miteinenander noch ein Graviton austauschen, etwa so:
Tja, und hier tritt das Problem auf: Die beiden virtuellen Gravitonen können sehr hohe Energien und Impulse haben, weil sie ja virtuell sind. Unser Gravitonfeld koppelt aber ja an den EIT, also gerade an die Energie und den Impuls. Wenn die sehr groß werden, dann wird die Wahrscheinlichkeit, ein weiteres Graviton auszutauschen, ebenfalls sehr groß – und wenn man das durchrechnet, dann sieht man, dass sich die Unendlichkeiten nicht mehr wegheben lassen, egal welchen der üblichen Tricks man verwendet. (Ausführlich und etwas sauberer erklärt im Buch von Zee “QFT in a nutshell”). Und jedes weitere Graviton in dem Diagramm kann ja selbst auch ne sehr hohe Energie haben, wird also mit hoher Wahrscheinlichkeit noch weitere Gravitonen aussenden – am Ende bekommen wir einen unendlichen Wirrwarr von unendlich vielen Gravitonen, die sich vermutlich blitzartig in ein schwarzes Loch verwandeln würden. Und da wir nicht beobachten, dass jedes Teilchen mit einer Masse ständig schwarze Löcher erzeugt, stimmt da wohl was nicht mit der Theorie…
Fazit
Tja, das war’s dann wohl mit unserer schicken Spin-2-Teilchen-Theorie. Sie liefert eigentlich gute Vorhersagen (immerhin kann man die Einsteinschen Feldgleichungen ableiten) – aber wenn man sie zu Ende denkt, dann stellt man fest, dass sie eigentlich für alle Prozesse als Antwort “unendlich” vorhersagt, sobald ein Graviton von A nach B fliegen soll.
Das Problem der QG ist also nicht unbedingt, dass wir nichts darüber wissen – eigentlich muss es eine Spin-2-Teilchen-Theorie sein und diese Theorie muss eigentlich so aussehen, wie ich es hier skizziert habe. Auf der anderen Seite funktioniert so eine Theorie aber schlicht nicht. Ziel muss es also sein, eine Theorie zu finden, die einerseits die ganzen Unendlichkeiten loswird, die andererseits aber immer noch zu allem passt, was wir schon wissen. Wie man so eine Theorie finden kann, dafür gibt es unterschiedliche Ansätze – man kann es mit der Stringtheorie versuchen, oder man kann das Konzept von Raum und Zeit komplett neu aufzubauen versuchen (das macht zum Beispiel die Schleifen-QG). Bisher hat aber niemand eine Theorie gefunden, die zu all dem passt, was wir wissen, ohne dabei auch Unsinn auszuwerfen. Welche neuen Ideen man braucht, um alles unter einen Hut zu bekommen, weiß im Moment niemand.
PS: Ich verwende nach wie vor ausschließlich weibliche Formen, Männer sind ausdrücklich mitgemeint. Wer sich darüber aufregen will, kann das hier tun; Kommentare bei diesem Artikel hier werde ich schlicht löschen.
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