Heute geht es in der Artikelserie – eigentlich ziemlich folgerichtig, nachdem wir uns über Kräfte und Arbeit Gedanken gemacht haben – um das Newtonsche Gravitationsgesetz. (Lasst euch bloß nicht von dem hochtrabend klingenden Wort “Gravitation” abschrecken – ist ein anderes Wort für “Schwerkraft”, also die Kraft, die dafür sorgt, dass Dinge runterfallen. Deswegen sage Physikerinnen, wenn sie etwas aus Versehen fallen lassen, ja auch gern “Ich wollte nur mal prüfen, ob das Gravitationsgesetz noch gilt”.) Das Ziel des Artikels ist dabei nicht, die Gedanken so nachzuvollziehen, wie Newton sie sich gemacht hat. Eine gute historische Einführung in Newtons Ideen und die damalige Zeit findet ihr im Buch “Clockwork Universe”, das Florian hier besprochen hat. Und wer das ganze mathematisch hergeleitet bekommen möchte, kann bei Leifi-Physik gucken.
Mir geht es darum, ein bisschen genauer hinzugucken, welche Ideen man eigentlich reinstecken muss, um auf das Gravitationsgesetz zu kommen.
Das Gravitationsgesetz unterscheidet sich von den Gleichungen, mit denen wir es bisher zu tun hatten. Kraft ist Masse mal Beschleunigung ist eine Gleichung, die immer gilt – wenn eine (netto-)Kraft wirkt, dann wird ein Objekt beschleunigt. Und auch Arbeit ist Kraft mal Weg ist eine universelle Gleichung, die wir für jede Kraft anwenden können, die es gibt, egal ob Muskelkraft, Reibungskraft, elektrische Kraft oder sonst etwas.
Diese Gleichungen reden über Kräfte, aber sie machen keine Aussage darüber, wo diese Kräfte eigentlich herkommen und was sie verursacht. Das Gravitationsgesetz ist anders – es ist auch eine Gleichung, bei der ein F für Kraft links vom Gleichheitszeichen steht, aber diese Gleichung sagt nichts über alle Kräfte aus und ist zum Beispiel irrelevant, wen ihr euch über die Abstoßung zweier Magneten Gedanken macht. Das Gravitationsgesetz sagt etwas über eine bestimmte Kraft aus, eben die Gravitationskraft.
Dieser konzeptionelle Unterschied wird in meinen Augen oft nicht genug betont. Die Newtonschen Gesetze (kräftefreie Objekte haben konstante Geschwindigkeiten, Kräfte verursachen Beschleunigungen – zum dritten kommen wir gleich noch kurz) sagen etwas über Kräfte, aber sie sagen nichts darüber, wo Kräfte eigentlich herkommen. In gewisser Weise sind diese Gleichungen ein bisschen leblos – ihr habt ein Regelwerk, aber ihr habt nichts worauf ihr es anwenden könnt. Das stimmt natürlich insofern nicht ganz, als wir aus dem Alltag ja wissen, was Kräfte sind und entsprechend schon herumexperimentieren können, indem wir Bälle schubsen oder irgendwo gegentreten, aber diese Kräfte sind der mathematischen Beschreibung damals absolut nicht zugänglich gewesen, niemand hatte eine Ahnung davon, wo die Kräfte unserer Muskeln herkamen. (Deswegen war das andere berühmte Kraftgesetz, dass von Hooke entdeckt wurde, auch so bedeutend – dabei geht es um die Kraft, die eine Feder ausübt, die unter Spannung steht, oder auch allgemeiner um die Kräfte elastisch verformter Objekte. Das wäre aber nen eigenen Teil der Serie wert.)
Versuchen wir also ein bisschen zu überlegen, wie man sich das Gravitationsgesetz überlegen kann. Worum geht’s nochmal beim Gravitationsgesetz? Darum, dass Dinge nach unten fallen.
Wenn man etwas loslässt, dann fällt es nach unten. (Und der Erzählung nach soll es ja ein fallender Apfel gewesen sein, der Newton auf die Idee eines universellen Gravitationsgesetzes brachte.) Das ist nicht neu, das wusste auch schon Aristoteles, erklärte sich das aber eher dadurch , dass Objekte einen natürlichen Ort haben, zu dem sie hinstreben. Für Steine und ähnliche Dinge war das die Erde, für Feuer zum Beispiel war das eher oben, deswegen züngeln Flammen nach oben.
Dank der Newtonschen Gesetze können wir das Problem aber anders fassen: Wenn man etwas loslässt, fällt es nach unten und wird dabei immer schneller. Ein Objekt, das wir loslassen, ändert seine Geschwindigkeit, also wird es beschleunigt. Und jetzt nutzen wir das zweite Newton-Gesetz, das ja sagt: “Wenn etwas beschleunigt wird, muss es irgendwo eine Kraft geben.” Da so ziemlich alles, was wir loslassen, nach unten fällt, muss also die Erde eine Kraft auf so ziemlich alle Objekte ausüben. (Newton war sicher schlau genug um sich zu überlegen, dass sich manche Dinge wie heiße Luft nach oben bewegen, weil sie eine geringere Dichte haben und damit Auftrieb bekommen. )
Auf ein Objekt mit Masse m wirkt also eine Kraft FG= m a. Ihr seht schon, dass es jetzt um eine bestimmte Kraft geht, deswegen bekommt das “F” unten einen Index “G” wie “Gravitation”.
Was können wir über diese Kraft sagen? Da hilft uns das, was Galileo Galilei einige Jahrzehnte zuvor herausgeknobelt hat: alle Gegenstände fallen gleich schnell. (Nebenbemerkung: aus unserer heutigen Warte verschmilzt das 17. Jahrhundert zu “einer Zeit” – aber zwischen Galilei und Newton lagen eben auch ein paar Jahrzehnte.) Was bedeutet das? Wenn ein doppelt so schweres Objekt genauso schnell fällt, dann ist also die Kraft auf dieses Objekt doppelt so groß. Die Gravitationskraft muss also proportional zur Masse eines Objekts sein – je größer die Masse eines Objekts, desto größer die Kraft.
Wenn wir uns fragen, “wie sieht die Formel für die Gravitationskraft auf ein Objekt der Masse m aus?”, dann muss die Antwortformel einen Faktor “m” enthalten. Über den Rest der Formel für die Gravitationskraft wissen wir noch nichts. In der Physik ist es fast immer nützlich, Dingen, die man nicht kennt, einen Namen und ein Formelzeichen zuzuordnen. (Scherzhaft sage ich in meiner Vorlesung bei einem ähnlichen fall gern” Dann denken alle, wir wüssten, wovon wir reden”. Aber der Punkt ist, dass es das Formelzeichen erlaubt, die Gleichungen zu manipulieren und etwas über das unbekannte Etwas herauszuknobeln.)
Da die Gravitationskraft proportional zur Masse ist, hat sie also die Form FG= m g. Das kleine “g” ist hier die Unbekannte, die den Rest des Gravitationseinflusses regelt und über die wir noch nicht viel wissen.
Hier ist jetzt wieder einer dieser kleinen Fallstricke in der Physik, die ein bisschen verwirrend sein können. Oben haben wir geschrieben FG= m a, jetzt haben wir FG= m g. Man muss kein wahnsinnig großes Mathe-Genie sein um daraus zu schließen, dass dann auch a=g gilt. Toll, wir haben also eigentlich nur einen neuen Formelbuchstaben für die Beschleunigung eingeführt, oder? War jetzt nicht so die Welterkenntnis…
Oh, doch, war es. Man muss die Formelzeichen aber richtig interpretieren. Das “a” steht für die Beschleunigung, die ich an einem Objekt beobachte, das zur Erde fällt. Das “g” ist auch eine Beschleunigung (und die beiden sind geich, wenn etwas zur Erde fällt), aber konzeptionell ist das “g” ein Bestandteil des Kraftgesetzes der Gravitation. Das “g” ist nicht einfach irgendeine Beschleunigung, sondern es ist die Beschleunigung, die Dinge erfahren, die zur Erde fallen. Denkt an das was ich am Anfang gesagt habe: F=ma ist ein allgemeines Gesetz, eine Regel. Aber FG= m g ist eine Aussage über die Gravitationskraft, und wir können uns fragen “Was bestimmt g”? Bei der allgemeinen Gleichung “F=ma” ist die Antwort auf die Frage “Was bestimmt a?” schlicht “Die Kraft, die wirkt”. Aber bei “FG= m g” ist die Antwort auf die Frage “was bestimmt g?” eine andere – g wird irgendwie durch die Art bestimmt, wie die Schwerkraft erzeugt wird. Wir wissen noch nichts über g, aber das wird sich gleich ändern.
Dass das ganze nicht selbstverständlich ist, wird deutlich, wenn man sich vorstellt, die Erde würde Objekte auf andere Weise anziehen. Es gibt ja zum Beispiel auch die Anziehungskraft zwischen elektrisch geladenen Objekten. Da ist es aber so, dass Objekte mit unterschiedliche Masse trotzdem dieselbe Ladung haben können. Würde die Erde also Objekte auf Grund ihrer elektrischen Ladung anziehen, dann gäbe es keine einfache “Schwerebeschleunigung”, weil unterschiedliche Objekte unterschiedlich stark beschleunigt würden (elektrisch neutrale Objekte sogar gar nicht.)
Ich argwöhne auch ohne jemals irgendwelche Fachdidaktikbücher gelesen zu haben, dass es solche Feinheiten sind, die es vielen schwer machen, Schulphysik zu verstehen. Plötzlich heißt das, was vorher “a” hieß, “g”, na und? Hätte ich ja auch gleich “g” nennen können. Genau um solche Stolpersteine soll es ja anscheinend in dieser Serie gehen. (Anscheinend deshalb, weil mir das nicht so klar war, als ich anfing, die Serie zu schreiben…)
Also: Auf alle Objekte an der Erdoberfläche wirkt die Gravitationskraft. Weil wir wissen, dass alle Objekte gleich schnell fallen, können wir schließen, dass die Gravitationskraft proportional zur Masse ist.
Um jetzt konzeptionell weiterzukommen, können wir das dritte Newtonsche Gesetz verwenden, das ich bisher nicht weiter erklärt habe. (Nochmal der Hinweis: Ich habe nicht im einzelnen nachgelesen, ob Newton so argumentiert hat, das ist mir für diesen Artikel nicht so wichtig. Mir geht es darum, zu zeigen, wie die Konzepte ineinandergreifen und zum Gravitationsgesetz führen.) Das 3. Newtonsche Gesetz sagt in Kurzform “actio=reactio”. Ausführlich sagt man: “Wenn ein Objekt auf ein zweites eine Kraft ausübt, dann übt auch das zweite Objekt auf das erste eine gleich große, aber entgegengesetzte Kraft aus.” Wenn ihr gegen eine Wand drückt, dann spürt ihr die Gegenkraft, die die Wand auf euch ausübt. Wenn ihr euch an euren eigenen Haaren aus einem Sumpf ziehen wollt, dann übt euer Arm auf den Körper eine Kraft aus, aber leider auch der Körper auf den Arm. Die beiden Kräfte kompensieren sich, so dass ihr euch insgesamt nicht bewegt (auch wenn ihr euch vielleicht Haare ausreißt). Aus dem gleichen Grund funktioniert auch ein Perpetumobil leider nicht.
Die Feinheiten des 3. Newton-Gesetzes sind im Moment nicht so wichtig. Für uns hier ist folgende Idee relevant: Wenn die Erde einen runterfallenden Apfel anzieht, dann muss auch der Apfel die Erde anziehen. Die Kraft, die der Apfel auf die Erde ausübt, ist gleich der Kraft, die die Erde auf den Apfel ausübt. Aber die Erde ist halt sehr viel schwerer als der Apfel, also wird sie entsprechend wenig beschleunigt. Klingt erstmal ganz plausibel.
Halt. Moment mal. Soo einfach können wir es uns nicht machen. (Wieder ein kleiner Fallstrick, der gern unterschlagen wird.) Was ist denn “die Erde”? Die ist ziemlich groß und besteht aus unterschiedlichen Bestandteilen, und der Apfel ist an einem Teil der Erde ziemlich dicht dran, aber von einigen Teilen mehr als 10000 Kilometer entfernt. Vielleicht ziehen ja die Objekte dicht am Apfal sehr stark an ihm, aber die, die weit weg vom Apfel sind, nur sehr schwach. Wenn ihr zum Beispiel zwei Magneten aneinanderhaltet, dann merkt ihr, dass die Kraft zwischen ihnen sich mit dem Abstand sehr stark ändert. Es ist zwar verlockend zu sagen: Aha, die Erde zieht mit ihrer Masse am Apfel, aber ist das wirklich zulässig?
Besser wäre es, wir würden die Schwerkraft zwischen zwei Objekten betrachten, die im Vergleich zu ihrem Abstand sehr klein sind. Das war im übrigen eine von Newtons Ausgangsfragen: Reicht die Schwerkraft bis zum Mond hinaus?
Die offensichtliche Antwort lautet: Wohl kaum, sonst würde der Mond ja runterfallen. Tut er aber nicht.
Doch Newton hatte seine drei Gesetze und konnte folgendes überlegen: Wenn die Erde den Mond anzieht, wird er auf die Erde hin beschleunigt. Aber wenn der Mond gleichzeitig von der Erde wegfliegt, dann fällt er auf die Erde hin, fliegt aber gleichzeitig ein Stück weiter, so dass sich sein Abstand insgesamt nicht ändert.
Rechts seht ihr den Mond, in schwarz die gerade Bahn, die er nehmen würde, wenn keine Kraft auf ihn wirken würde. Rot ist die tatsächliche Bahn des Mondes und in Blau seht ihr, dass er ein Stück auf die Erde zubeschleunigen muss, um auf einer Kreisbahn zu bleiben. (die zeichnugn wird um so genauer, je kleiner man die Wegstücke macht, aber dann erkennt man nichts mehr.)
Wenn der Mond während er weiterfliegt ein genau passendes Stück auf die Erde zufällt, dann kann er sich also auf einer Kreisbahn bewegen. Es ist also denkbar, dass es die Schwerkraft ist, die den Mond um die Erde kreisen lässt. Jetzt können wir unser Argument von eben wieder aufnehmen: Die Erde zieht den Mond an, mit einer Kraft, die proportional zur Masse des Mondes ist. Umgekehrt zieht aber auch der Mond die Erde an. Und da beide Objekte zumindest halbwegs gleich groß sind und da wir annehmen können, dass der Mond generell Objekte anzieht (sonst wäre schwer zu erklären, warum es auf dem Mond zum Beispiel Berge gibt ähnlich wie auf der Erde), muss die Situation symmetrisch sein. Alle Objekte auf dem Mond fallen dann auch gleich schnell, also ist die Kraft, die der Mond auf die Erde ausübt, proportional zur Masse der Erde.
Die Gravitationskraft zwischen zwei Objekten ist also proportional zur Masse beider Objekte. Es ist also FG= m1m2 Q. Dabei sind m1 und m2 die Massen der beiden Objekte, und Q ist irgendeine Zahl, über die wir noch nicht viel wissen.
So weit, so gut. Für unser Apfelproblem hilft das noch nicht so richtig weiter, wir wissen immer noch nicht, ob er nun von den Teilen der Erde, die dicht dran sind, besonders stark angezogen wird und ob wir für den Apfel auch annehmen dürfen, dass die Kraft, die auf ihn wirkt, proportional zur Masse der Erde ist.
Um jetzt weiterzukommen, müssen wir uns Gedanken machen, wie denn die Schwerkraft generell vom Abstand abhängt. Ziemlich klar ist, dass sie mit zunehmendem Abstand abnimmt – die Sonne ist viel größer und schwerer als die Erde, aber wenn ich einen Gegenstand loslasse, fällt er zur Erde, nicht zur Sonne. Hmm, wo wir gerade über die Sonne nachdenken – die Erde dreht sich ja bekanntlich um die Sonne, die anderen Planeten tun das auch. Wenn wir annehmen, dass der Mond um die Erde kreist, weil die Schwerkraft ihn auf der Bahn hält, dann ist es eine schöne Verallgemeinerung, anzunehmen, dass dasselbe auch für die Planeten gilt, die um die Sonne kreisen (und auch für die Monde des Jupiter, die um diesen Planeten kreisen und die Galilei ja entdeckt hatte).
Praktischerweise haben wir hier also unterschiedliche Körper (die Planeten) die in unterschiedlichen Abständen um die Sonne kreisen. Daraus sollte sich doch etwas darüber herausfinden lassen, wie die Kraft vom Abstand abhängt. Das funktioniert in der Tat. Newton musste dazu nicht selbst messen, sondern konnte die Kepler-Gesetze nutzen, die etwas über die Umlaufbahnen der Planeten und ihre Umlaufzeiten aussagen. Newton konnte zeigen, dass sich die Kepler-Gesetze ergeben, wenn man annimmt, dass die Kraft mit dem Abstand abnimmt, und zwar quadratisch.
Was das heißt? Das heißt nicht, dass die Planeten auf quadratischen Bahnen um die Sonne laufen, sondern, dass die Kraft auf ein Viertel abfällt, wenn man den Abstand verdoppelt, auf ein Neuntel, wenn man ihn verdreifacht, und dass sie umgekehrt auf das Vierfache anwächst, wenn man den Abstand halbiert. (Die Rechnung, wie man aus den Kepler-Gesetzen auf die quadratische Abnahme kommt, findet ihr bei Leifi-Physik.)
Falls ihr gerade den Faden unserer Überlegungen verloren habt: Eigentlich wollten wir wissen, ob die Kraft, die auf den Mond wirkt, dieselbe ist, die auch den Apfel zur Erde fallen lässt. Wir haben gemerkt, dass das nicht so einfach zu klären ist, weil der Apfel so dicht an der Erde dran ist, dass wir nicht wissen, wie die unterschiedlichen Bestandteile der Erde auf ihn wirken. Unter der Annahme, dass die Kraft auf den Mond und die auf die anderen Planeten (durch die Sonne) die Schwerkraft ist, konnte Newton zeigen, dass die Schwerkraft mit dem Abstand abnimmt, und zwar quadratisch.
Und diese Erkenntnis (die wir gleich auch als Formel hinschreiben) konnte Newton jetzt nutzen, um die Frage zu klären, wie die Bestandteile der Erde auf den Apfel wirken. Einige sind dicht dran, einige sind weit weg, wie setzt sich die Gesamtkraft zusammen? Dazu machte Newton die plausible Annahme, dass die Erde einigermaßen kugelsymmetrisch ist, dass also ihre Dichte im Inneren nur vom Abstand zum Zentrum abhängt. Um jetzt die Gesamtwirkung der einzelnen Massebestandteile auszurechnen, muss man leider Integrale berechnen. Das machte aber nix, Newton hatte ja eh gerade die Integralrechnung erfunden… (Wer die Rechnung sehen will, die gibt es bei Wikipedia.)
Es zeigt sich, dass man sich die ganze Masse der Erde in ihrem Zentrum konzentriert denken kann (aber nur, weil die Schwerkraft eben quadratisch mit dem Abstand abnimmt.) Rein von der Schwerkraft her ist es also egal, ob die Erde massiv ist, so wie wir sie kennen, oder ob sie eine hauchdünne (aber hinreichend feste) Schale ist, in deren Zentrum ein schwarzes Loch mit der Masse der Erde sitzt.
Das macht die Sache einfach: Der Apfel wird von der Masse der Erde angezogen, und wir können uns diese Masse im Zentrum der Erde konzentriert denken. Vom Zentrum der Erde ist der Apfel so etwa 6370 Kilometer entfernt (das ist der Erdradius). Der Mond dagegen ist vom Zentrum der Erde deutlich weiter entfernt, nämlich etwa 60 mal so weit. Die Schwerebeschleunigung beim Mond sollte also 60*60=3600 mal kleiner sein als die auf der Erdoberfläche.
Setzt man passende Zahlen für die Mondumlaufbahn ein, dann stellt man fest, dass dies genau die Beschleunigung ist, die man braucht, um den Mond auf seiner Bahn zu halten.
Jetzt passt alles zusammen: Die Schwerkraft ist proportional zur Masse der beteiligten Körper. Sie nimmt mit dem Quadrat des Abstands ab. Weil das so ist, können wir uns die Masse der Erde (oder jeder anderen symmetrischen Kugel) in ihrem Zentrum konzentriert denken. Dann können wir die bekannte Schwerebeschleunigun auf der Erdoberfläche nehmen und ausrechnen, wie stark sie beim Mond sein müsste, und die Sache passt gut zusammen. Und weil wir die Abnahme der Schwerkraft über die Kepler-Gesetze berechnet haben, rechtfertigt das im Nachhinein auch unsere Annahme, dass auch die Sonne alle Planeten anzieht und sie dadurch auf ihrer Bahn hält. Plötzlich sind ganz unterschiedliche Naturphänomene vereint – das Fallen eines Apfels, der Umlauf des Mondes, die Bahn der Sonne um die Erde, sie alle werden durch die Schwerkraft bestimmt.
Zum Abschluss jetzt noch einmal das Gravitationsgesetz in voller Schönheit. Oben hatten wir herausgefunden, dass es die Form FG= m1m2 Q hat. Wir wissen jetzt, dass der Ausdruck Q eine Funktion des Abstands ist, also immer kleiner wird, je weiter die Massen voneinander entfernt sind. Nennen wir diesen Abstand r, dann ist also Q=G/r². Dabei ist G schon wieder eine unbekannte Zahl, aber die darf jetzt nicht vom Abstand abhängen. Wir haben also insgesamt
Das G ist dabei die Gravitationskonstante – die sagt uns, wie stark die Schwerkraft wirkt. Sie darf nicht von den Massen oder dem Abstand abhängen, und da wir dasselbe Gesetz für Äpfel, Monde und Planeten haben, können wir annehmen, dass sie eine universell gültige Konstante ist, eine Naturkonstante. Egal wo ihr im Universum seid und egal welche Massen ihr anguckt, die Anziehung zwischen ihnen wird immer durch dieselbe Konstante G geregelt.
Manchmal findet ihr die Gleichung übrigens auch mit einem Minus-Zeichen vor dem G – das soll dann deutlich machen, dass die Kraft anziehend ist, nicht etwa abstoßend. Das ist aber letztlich eine reine Frage der mathematischen Bequemlichkeit und Konvention.
Fazit: Ihr seht, dass eine ganze Menge einzelner Überlegungen zusammenkommen müssen, damit man zum Gravitationsgesetz kommt. Und ihr seht auch noch mehr: Die ganze Herleitung benötigte diverse Annahmen (insbesondere die, dass die Schwerkraft für Äpfel, Monde und Planeten letztlich gleich wirkt und dass die Sonne Objekte genau so anzieht wie die Erde). Am Ende steht auch kein “Beweis” des Gravitationsgesetzes, sondern nur die Tatsache, dass es eine konsistente Beschreibung ganz unterschiedlicher Naturphänomene ermöglicht. Beweise gibt es in der Physik nicht – man stellt in sich geschlossene und logisch konsistente Gedankengebäude auf (die heißen “Theorien”, auch wenn man im Alltag was anderes damit meint) und überprüft diese dann durch Vorhersagen. Aber solche Theorien können auch Grenzen haben – so wie Newtons unglaublich gute Theorie der Gravitation schließlich durch Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie abgelöst wurde.
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