Meeressäuger sind groß – Wale sowieso, aber auch Robben sind im Mittel größer als ihre nächsten Verwandten (wobei man sich nicht ganz sicher ist, ob das Bären oder Marderartige sind, aber so oder so, ein Walross toppt jeden Eisbären in Sachen Größe leicht). Seekühe sind auch ziemlich groß (jedenfalls größer als zum Beispiel ihre nahen Verwandten, die Klippschliefer und Erdferkel (Afrotheria), auch wenn weitere Verwandte, die Elefanten, ebenfalls nicht gerade klein sind). Lediglich Seeotter sind – für Meeressäuger – vergleichsweise klein.
Anscheinend gibt es also einen Trend, der dazu führt, dass Säugetiere, die im Meer leben, größer werden als ihre landlebenden Verwandten. Bisher wurde häufig angenommen, dass der Grund einfach der ist, dass Meeressäuger, weil sie schwimmen, es leichter haben, größer zu werden, denn landlebende Tiere haben ja mit immer größeren Problemen der Biomechanik zu kämpfen, je größer sie werden. (Etwas mehr dazu habe ich zum Beispiel hier geschrieben.) Man dachte also, dass Meeressäuger schlicht weniger eingeschränkt sind, was ihre Körpergröße angeht, und deshalb auch größer werden können.
Diese Idee wurde jetzt (Quelle siehe Ende des Artikels) detailliert getestet. Stellt sich natürlich die Frage, wie man so etwas testen soll, man kann ja nicht mal schnell ein paar Tausend Kopien der Erde anfertigen (allen Stringtheorie-Landschaftsgärtnerinnen und Multiversumsanhängerinnen zum Trotz…) und dort die Evolution der Meeressäuger statistisch auswerten. Was man aber machen kann ist, die Evolution der Säuger auf unserer Erde detailliert statistisch zu untersuchen. Wenn Meeressäuger einfach nur weniger eingeschränkt sind, was ihre Körpergröße angeht, dann sollte man erwarten, dass es insgesamt bei den Meeressäugern eine größere Varianz der Körpergröße gibt (also ein breites Spektrum an großen und kleinen Arten). Außerdem sollte man erwarten, dass es keine besondere Korrelation zwischen der mittleren Körpergröße von zum Beispiel Robben und Seekühen oder Walen gibt.
Die ausgewerteten Daten zeigen jedoch etwas anderes. Dieses Bild (aus dem Supplemental Material) zeigt das:
Aus Gearty et al., s.u.
Hier ist für die 4 Säugergruppen, zu denen auch die Meeressäuger gehören, die Körpergrößenverteilung gezeigt, in orange für die Landbewohner, in blau für die Meeressäuger. Afrotheria sind Elefanten, Seekühe, Schliefer, Erdferkel, Artiodactyla sind die “Paarhufer” (Wale sind ja mit Nilpferden verwandt), Caniformia sind die “Hundeartigen” (zu denen Marder, Hunde, Bären und eben auch Robben gehören), Musteloidea sind die Marderartigen. Aufgetragen ist jeweils die Anzahl der Arten mit einer Körpermasse in einem bestimmten Bereich, die Skala auf der x-Achse ist logarithmisch. “4” bedeutet also 10 hoch 4 Gramm= 10 Kilogramm. (Warum Biologinnen die Angewohnheit haben, auf der x-Achse bei der logarithmischen Darstellung nicht einfach die entsprechende Zahl ranzuschreiben, sondern wirklich den Logarithmus der Zahl, wird mir immer ein Rätsel bleiben, die Grafik wäre wesentlich leichter zu lesen, wenn da 1/10/100/1000 stünde…) [Und eh wieder jemand meckert, ja, auch nach der Blogpause verwende ich grammatikalisch weibliche Formen, Männer dürfen sich mitgemeint fühlen, auch wenn ich nörgle wie jetzt.]
Das Bild ist etwas schwer zu lesen, weil man nicht so recht sieht, ob sich hinter den Orange-farbigen Balken noch blaue verstecken; leider waren die Rohdaten nicht im Supplemental Material, sonst hätte ich das Bild nochmal neu gezeichnet. So oder so erkennt man aber halbwegs gut, dass das Maximum der Verteilung bei den Meeressäugern meist etwas weiter rechts liegt (sie sind also im Schnitt größer) und dass die Breite der Verteilung eher geringer ist. Etwas besser sieht man das an dieser Darstellung hier:
Aus Gearty et al., s.u.
Hier ist jetzt die Größe auf der y-Achse aufgetragen (wieder in doofen Logarithmen, statt direkt die Zahlen hinzuschreiben), auf der x-Achse ist die geologische Zeit dargestellt; jede Art, die man kennt, ist ein Strich. An diesem Bild sieht man sehr deutlich, dass es eigentlich keine kleinen Meeressäufer gibt und dass der evolutionäre Trend bei den landlebenden Tieren eher dahin geht, dass die Verteilung breiter wird, bei den Meeressäugern ist der Trend deutlich kleiner (was sich auch mit einer statistischen Analyse belegen lässt). Außerdem haben die Meeressäuger eine Tendenz, alle so Massen um 500 kg (auf der log-Skala also etwa bei 5,5; habe ich schon gesagt, dass ich diese Achsbeschriftung mit den Logarithmen nicht mag?) zu besitzen.
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