Dehnungen in der ART
Laut ART ist es ja so, dass sich die Raumzeit verzerrt, wenn Energien vorhanden sind (klickt rechts bei der tag-Wolke oder den Artikelserien für eine Menge Infos zur ART, so viele links kann ich hier gar nicht setzen….).
Die entscheidende Gleichung der ART ist die sogenannte Einsteinsche Feldgleichung oder kurz Einstein-Gleichung. (Ein bisschen ausführlicher habe ich die auch hier erklärt.) Die Einsteingleichung sagt, wie die Krümmung der Raumzeit mit der vorhandenen Materie und Energie zusammenhängt. Sie sieht (nicht erschrecken) in Formeln so aus:
G = 8π G T/c4
Das G auf der linken Seite ist eine Größe, die die Verzerrung der Raumzeit beschreibt. Rechts steht auch ein G, aber nicht fettgedruckt, das ist die Gravitationskonstante (ja, es ist blöd, dass man denselben Buchstaben zweimal hat), dann haben wir c für die Lichtgeschwindigkeit und einen Vorfaktor von 8 π. Außerdem steht da noch T, ein Objekt mit dem schönen Namen “Energie-Impuls-Tensor“. Der enthält unter anderem die Energiedichte, sagt also, wie viel Energie am gerade betrachteten Raumpunkt steckt (nach E=mc^2 enthält er deshalb auch die Massendichte – Massen verzerren also die Raumzeit), er enthält aber auch Informationen über die Bewegung von Materie und er enthält – und darauf kommt es hier an – die Spannung.
Ja, hier ist tatsächlich die mechanische Spannung gemeint. Wenn ihr ein Gummiband in die Länge zieht, dann steht es unter Zugspannung, und das beeinflusst tatsächlich die Raumzeitkrümmung. Bei Gummibändern ist der Effekt natürlich unmessbar winzig, aber bei Neutronensternen zum Beispiel sorgt der Druck im Neutronenstern dafür, dass die Krümmung der Raumzeit stärker ist, als sie es sonst wäre. (Und genau das ist übrigens der Grund, warum es schließlich schwarze Löcher geben muss: Wenn ihr immer mehr Materie anhäuft, dann steigt der Druck im Stern, aber das erhöht die Krümmung der Raumzeit stärker, deshalb steigt der Druck noch weiter, weil die Materie noch stärker ins Zentrum gezogen wird, aber dadurch wird die Raumzeitkrümmung noch stärker, was wieder die Materie noch stärker anzieht, weshalb der Druck noch weiter steigt….. Irgendwann ist deshalb zwangsläufig der Punkt erreicht, wo der Stern kollabieren muss. – Aber ich schweife mal wieder ab.)
Also: Die Spannung in Materie beeinflusst die Krümmung der Raumzeit. Warum? Das ist nicht ganz leicht zu sehen, ich versuche mal, euch eine Idee zu geben; wer die Details nicht wissen will, kann den Rest des Absatzes überspringen, da stecken ein paar Konzepte drin, die ich hier nicht erklärt habe: Spannung ist Kraft pro Fläche. Wenn ein Stück Gummi unter Spannung steht, dann wirken auf seine beiden Endflächen jeweils Kräfte. Nach dem 2. Newtonschen Gesetz ist Kraft gleich Masse mal Beschleunigung ist und Beschleunigung wiederum die Änderung der Geschwindigkeit. Masse mal Geschwindigkeit nennt man auch Impuls, wenn eine Kraft vorliegt, ändert sich also der Impuls. Man kann sich deshalb vorstellen, dass aus dem gedehnte Stück Gummi Impuls hinausfließt durch die beiden Seiten, an denen gezogen wird. (Weil der Impuls jeweils entgegengesetztes Vorzeichen hat, ändert sich der Impuls im Gummistück nicht – es sei denn, jemand schneidet das Gummi durch…) Impuls wiederum hängt nach der speziellen RT mit der Energie zusammen, wenn Energie die Raumzeit krümmt, muss Impuls (also die Bewegung von Energie) das auch tun und dann auch der Impulsstrom, also die Spannung. [Ende des zugegebenermaßen etwas knappen und vermutlich kryptischen Absatzes.]
Die “Elastizität” der Raumzeit
Wir haben also eine Krümmung der Raumzeit, wenn Materie vorhanden ist, und die Krümmung wird stärker, wenn eine Spannung vorliegt. Betrachten wir nur den Raum: Wenn sich der Raum krümmt, bedeutet das, dass sich der Abstand zweier Punkte ändert, er kann beispielsweise größer werden. Wenn er vorher einen Meter betrug, ist er vielleicht einen Millimeter größer geworden. Erinnert euch das an etwas? Richtig: Genau das war unser Beispiel von vorhin mit dem Stahldraht. Man kann also sagen, dass der Raum sich gedehnt hat. Wir haben jetzt also eine Gleichung, wo links eine Dehnung steht (die Änderung des Abstands zweier raumpunkte) und rechts eine Spannung (die Spannung in unserem Material), und solange die Verzerrung der Raumzeit klein genug ist, sind die beiden proportional.
Also ist auch hier die Spannung proportional zur Dehnung, also kann ich genau wie oben einen Elastizitätsmodul (kurz E-Modul) definieren, der diese Proportionalität beinhaltet. Weil man extrem große Spannungen braucht, um die Raumzeit nennenswert zu beeinflussen, ist der E-Modul, den man so berechnet, sehr groß (G/c4 ist eine sehr kleine Zahl). Je nachdem, wie man die Rechnung genau macht, bekommt an also phantastisch große Werte für den Elastizitätsmodul der Raumzeit heraus und kann das dann als beeindruckendes Wissenschaftsfakt in die Welt twittern.
Das ist soweit nett, hat aber einen Haken. Es ist, wie man in der Physik-Fachsprache sagt, Blödsinn. Und zwar absoluter Blödsinn. Und das liegt schlicht und einfach darin, dass wir Äpfel mit Birnen vergleichen, wenn wir die Einstein-Gleichung in dieser Weise verenden. Schauen wir nochmal zurück auf das hookesche Gesetz für Materialien. Es sagt: Die Spannung im Material ist proportional zur Dehnung im Material. Merkt ihr was? Unsere Gleichung, die wir aus der ART bekommen, sagt etwas anderes, sie sagt: Die Spannung in einem Material ist proportional zur Dehnung des Raums. Der Raum selbst steht ja nicht unter Spannung, sondern das Material darin. Dieses Material dehnt sich elastisch (und zwar deutlich stärker als der Raum), diese Dehnung führt zu einer Spannung und diese Spannung wiederum beeinflusst die Dehnung des Raums. Es ist also nicht der Raum, der unter Spannung steht.
Wer aus der ART in dieser Weise einen E-Modul ausrechnet, macht also den beliebten Fehler, den ihr vermutlich alle aus dem Physik-Unterricht kennt: Ein Formelzeichen wird schlicht falsch interpretiert. Nicht alle Spannungen und alle Dehnungen sind gleich, das hookesche Gesetz gilt innerhalb eines Materials, es ergibt keinen Sinn, die Spannung in einem Objekt (Draht oder Gummi) mit der Dehnung in einem anderen (Raumzeit) in Beziehung zu setzen und das Ergebnis E-Modul zu nennen.
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