Die Berichterstattung zur Untersuchung durch den US Senat der von der CIA ausgeübten Folter hat einen interessanten Blogpost von 2007 (The Atlantic) wieder hochgespült. Dieser ist eine ältere Kritik an den vom US Geheimdienst euphemistisch als “Enhanced Interrogation Techniques” (in etwa “verbesserte Verhörmethoden”) bezeichneten Folterpraktiken. Der Post zeigt eine Gestapo Anweisung die Rahmenbedingungen für sehr ähnliche Methoden vorgibt. Der von der Gestapo bevorzugte Euphemismus : Verschärfte Vernehmung.
Bevor ich aber zur Sache komme, möchte ich als kleine Erinnerungshilfe nochmals festhalten, wie Folter definiert ist. Es scheint im Moment eine erschreckende Bereitschaft zu geben diese Definiton bis zur Unkenntlichkeit zu verzerren. Das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984 definiert den Begriff so:
jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen oder um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen, oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden.
Ich hoffe damit steht fest, dass die Verhörmethoden der CIA Folter zumindest im Sinne der Anti-Folterkonvention waren (die Konvention wurde damals übrigens von Ronald Reagan unterzeichnet).
Nun aber zur Verschärften Vernehmung der Gestapo (auf Seite 183 des verlinkten pdfs zu finden). Die Parallelen sind auch jenseits des beschönigenden Begriffs, der eine Übersetzung von “enhanced interrogation” sein könnte, auffällig. Da geht es zuerst einmal um Staatsräson (“Zur Herbeiführung von Geständnissen über eigene Straftaten darf die verschärfte Vernehmung nicht angewendet werden.”). Dann wären da die Methoden, inklusive dem Versuch diesen einen klinischen, fast schon humanitären Anstrich zu geben:
4) Die verschärfte Vernehmung kann je nach Sachlage bestehen in:
Einfachste Verpflegung (Wasser und Brot),
hartes Lager,
Dunkelzelle
Schlafentzug,
Ermüdungsübungen,aber auch in der Verabreichung von Stockhieben (bei mehr als 20 Stockhieben muss ein Arzt beigezogen werden).
Die Methoden werden als ultima ratio und als Ausnahme dargestellt (“Es ist selbstverständlich, dass das Mittel verschärfter Vernehmung nur in wirklich notwendigen und wichtigen Fällen angewendet wird.”). Es ist alles rein Zweckorientiert. Dieser heiligt die Mittel. (“Art und Umfang der verschäften Vernehmung darf nicht überschritten werden; sie darf auch nur insoweit zur Anwendung gelangen, als es der Zweck erforderlich macht.”). Man etabliert eine klar hierarchisierte Genehmigungsstruktur, die den “ausserordentlichen” Charakter der Massnahmen unterstreicht und gleichzeitig die Ausführenden implizit von der Verantwortung entbindet:
Soweit ich mir die Genehmigung nicht selbst vorbehalten habe, genehmigt Art und Umfang der verschärften Vernehmung der Dienststellenleiter persönlich, bei dessen Abwesenheit der Vertreter.
Die Genehmigung hat schriftlich zu erfolgen. Die Genehmigungsbescheide werden von der Dienststelle zentral gesammelt und auf die Dauer von drei Jahren aufbewahrt.
Man braucht kein verschwörungstheoretisch verdrahtetes Hirn zu haben, um sich die Frage zu stellen, ob sich da vielleicht gar wer bei der CIA von der Gestapo direkt hat inspirieren lassen. Das halte ich für unwahrscheinlich.
Es ist schlicht ein wiederkehrendes Muster. “Foltern” ist böse und daher nur etwas was andere tun (Diktaturen, Nazis, die USA…). Es beginnt mit der Sprache und der Definition. Es braucht also zuerst einmal eine andere Bezeichnung. Eine Bezeichnung, die signalisiert, dass man sich immer noch an die Regeln hält. Ich bin überzeugt, die meisten Menschen in unserer Gesellschaft haben nicht eine “natürliche” Freude am Menschen Quälen. Damit sie es doch tun, muss man sie also von der Verantwortung entbinden, in dem der Entscheid weiter oben gefällt wird und als einziges effektives Mittel dargestellt wird (wir erinnern uns an das wahre Milgram Experiment).
Genau da ist die eigentliche Lektion. Es geht eben nicht darum “Nazi” zu schreien und damit die Diskussion zu beenden. Im Gegenteil, dies muss der Anfang der Diskussion sein: Wenn der Nationalsozialismus einfach das absolute Böse gewesen wäre, wäre es viel einfacher. Grausamkeiten und Greultaten wären dann etwas, das nur diese anderen, bösen Menschen tun. Wir hingegen sind Mitglieder westlicher zivilisierter Demokratien, wo so etwas selbstverständlich nicht passieren kann. Das Problem ist jedoch, dass man so schneller dort ankommt, als man glaubt. Genau dies haben die USA nun vorgeführt (und es ist beileibe nicht das erste mal in ihrer Geschichte). Es sind objektive, rationale administrative Prozesse, vermeintlich ehrenhafte Ziele und der feste Glauben an die eigene moralische Überlegenheit, die dahin führen. Wer nun meint, mit dem Finger in Richtung US zeigen zu können und Entwicklungen bei uns als was “ganz anderes” zu definieren, hat die Lektion ganz klar nicht verstanden. Um es mit Aldous Huxley zu sagen (in seiner Variation auf eine andere politische Weisheit): Eternal vigilance is not only the price of liberty; eternal vigilance is the price of human decency.
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