Die Berichterstattung zur Untersuchung  durch den US Senat der von der CIA ausgeübten Folter hat einen interessanten Blogpost von 2007 (The Atlantic) wieder hochgespült. Dieser ist eine ältere Kritik an den vom US Geheimdienst euphemistisch als “Enhanced Interrogation Techniques” (in etwa “verbesserte Verhörmethoden”) bezeichneten Folterpraktiken. Der Post zeigt eine Gestapo Anweisung die Rahmenbedingungen für sehr ähnliche Methoden vorgibt. Der von der Gestapo bevorzugte Euphemismus : Verschärfte Vernehmung.

Bevor ich aber zur Sache komme, möchte ich als kleine Erinnerungshilfe nochmals festhalten, wie Folter definiert ist. Es scheint im Moment eine erschreckende Bereitschaft zu geben diese Definiton bis zur Unkenntlichkeit zu verzerren. Das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984 definiert den Begriff so:

jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen oder um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen, oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden.

Ich hoffe damit steht fest, dass die Verhörmethoden der CIA Folter zumindest im Sinne der Anti-Folterkonvention waren (die Konvention wurde damals übrigens von Ronald Reagan unterzeichnet).

Nun aber zur Verschärften Vernehmung der Gestapo (auf Seite 183 des verlinkten pdfs zu finden). Die Parallelen sind auch jenseits des beschönigenden Begriffs, der eine Übersetzung von “enhanced interrogation” sein  könnte, auffällig.  Da geht es zuerst einmal um Staatsräson (“Zur Herbeiführung von Geständnissen über eigene Straftaten darf die verschärfte Vernehmung nicht angewendet werden.”). Dann wären da die Methoden, inklusive dem Versuch diesen einen klinischen, fast schon humanitären Anstrich zu geben:

4) Die verschärfte Vernehmung kann je nach Sachlage bestehen in:

Einfachste Verpflegung (Wasser und Brot),
hartes Lager,
Dunkelzelle
Schlafentzug,
Ermüdungsübungen,

aber auch in der Verabreichung von Stockhieben (bei mehr als 20 Stockhieben muss ein Arzt beigezogen werden).

Die Methoden werden als ultima ratio und als Ausnahme dargestellt (“Es ist selbstverständlich, dass das Mittel verschärfter Vernehmung nur in wirklich notwendigen und wichtigen Fällen angewendet wird.”). Es ist alles rein Zweckorientiert. Dieser heiligt die Mittel. (“Art und Umfang der verschäften Vernehmung darf nicht überschritten werden; sie darf auch nur insoweit zur Anwendung gelangen, als es der Zweck erforderlich macht.”). Man etabliert eine klar hierarchisierte Genehmigungsstruktur, die den “ausserordentlichen” Charakter der Massnahmen unterstreicht und gleichzeitig die Ausführenden implizit von der Verantwortung entbindet:

Soweit ich mir die Genehmigung nicht selbst vorbehalten habe, genehmigt Art und Umfang der verschärften Vernehmung der Dienststellenleiter persönlich, bei dessen Abwesenheit der Vertreter.
Die Genehmigung hat schriftlich zu erfolgen. Die Genehmigungsbescheide werden von der Dienststelle zentral gesammelt und auf die Dauer von drei Jahren aufbewahrt.

Man braucht kein verschwörungstheoretisch verdrahtetes Hirn zu haben, um sich die Frage zu stellen, ob sich da vielleicht gar wer bei der CIA von der Gestapo direkt hat inspirieren lassen. Das halte ich für unwahrscheinlich.

Es ist schlicht ein wiederkehrendes Muster. “Foltern” ist böse und daher nur etwas was andere tun (Diktaturen, Nazis, die USA…). Es beginnt mit der Sprache und der Definition. Es braucht also zuerst einmal eine andere Bezeichnung. Eine Bezeichnung, die signalisiert, dass man sich immer noch an die Regeln hält. Ich bin überzeugt, die meisten Menschen in unserer Gesellschaft haben nicht eine “natürliche” Freude am Menschen Quälen. Damit sie es doch tun, muss man sie also von der Verantwortung entbinden, in dem der Entscheid weiter oben gefällt wird und als einziges effektives Mittel dargestellt wird (wir erinnern uns an das wahre Milgram Experiment).

Genau da ist die eigentliche Lektion. Es geht eben nicht darum “Nazi” zu schreien und damit die Diskussion zu beenden. Im Gegenteil, dies muss der Anfang der Diskussion sein: Wenn der Nationalsozialismus einfach das absolute Böse gewesen wäre, wäre es viel einfacher. Grausamkeiten und Greultaten wären dann etwas, das nur diese anderen, bösen Menschen tun. Wir hingegen sind Mitglieder westlicher zivilisierter Demokratien, wo so etwas selbstverständlich nicht passieren kann. Das Problem ist jedoch, dass man so schneller dort ankommt, als man glaubt. Genau dies haben die USA nun vorgeführt (und es ist beileibe nicht das erste mal in ihrer Geschichte). Es sind objektive, rationale administrative Prozesse, vermeintlich ehrenhafte Ziele und der feste Glauben an die eigene moralische Überlegenheit, die dahin führen. Wer nun meint, mit dem Finger in Richtung US zeigen zu können und Entwicklungen bei uns als was “ganz anderes” zu definieren, hat die Lektion ganz klar nicht verstanden. Um es mit Aldous Huxley zu sagen (in seiner Variation auf eine andere politische Weisheit): Eternal vigilance is not only the price of liberty; eternal vigilance is the price of human decency.

 

 

Kommentare (27)

  1. #1 DasKleineTeilchen
    Dezember 15, 2014

    klare worte. danke für, auch *sowas* bei scienceblog lesen zu dürfen.

  2. #2 Spritkopf
    Dezember 15, 2014

    Bei diesem Artikel kommen Erinnerungen hoch und man wird sich wieder einmal bewußt, wie schnell auch in Demokratien die Linie zu Handlungsweisen überschritten ist, die wir eigentlich überwunden glaubten.

  3. #3 Hobbes
    Dezember 15, 2014

    Das Problem bei der Sache ist ja nicht nur das man die Verantwortung von sich abschiebt. Solche Leute gibt es immer genug und davon werden sich auch immer genug finden. Die dahinter liegende Planung ist das Problem. Hier muss es nämlich Leute geben die das für Notwendig hielten. Wobei ich sogar noch weiter gehen würde ich glaube diese Leute hielten es sogar für gerechtfertigt. Immerhin wurde hierbei keinerlei systematische Vertuschung im Vorfeld begangen. Es ist schon sehr ungewöhnlich das so etwas noch innerhalb der selben Strukturen aufgearbeitet wird.

    Das Sprichwort das der Weg zur Hölle mit guten Absichten gepflastert ist, ist hier wiedereinmal sehr treffend.

    Aus rein akademischer Sicht finde ich hieran Zwei Sachen interessant. Zum einen: Wieso Folter überhaupt als effektive Methode angesehen wurde. Hier stand ähnlich wie bei bestimmten Abhörmethoden der eventuelle Nutzen in keinem Verhältnis zum potentiellen Schaden. (Ich bezweifele eh den Sinn von Folter im Allgemeinen)
    Zum Anderen: Wie viel Innenpolitik bei dieser Aufarbeitung mit rein spielt.

  4. #4 rolak
    Dezember 15, 2014

    Wieso Folter?

    Da dürften mehrere Beweggründe den Weg aus der Realität ebnen, Hobbes:
    mein Feind hat eh eine Bestrafung verdient
    ich muß meine Freunde schützen
    wenn ich nichts unternehme, wird mir Wichtiges verschwiegen
    nebenan wird auch gefoltert
    das ist eigentlich gar kein richtiger Mensch
    mittlerweile halte ich es für normal
    <name any>
    Im Spektrum dieser Selbstrechtfertigungen keinesfalls zu vergessen, der Klassiker: Das tut mir mehr weh als diesem Menschen. Ich brings ja kaum übers Herz, aber es muß halt sein zum Erreichen von <*>.

    Die Problematik liegt näher als die meisten denken, es betrifft nicht Monster sondern ganz normale Menschen, die EintrittsSchwelle hat BodenNiveau.

  5. #5 ali
    Dezember 15, 2014

    Ex Vize Cheney eilt zur Hilfe und erklärt warum Unschuldige gefoltert und getötet werden müssen.

  6. #6 Sim
    Dezember 15, 2014

    Vor allem die Unschuldsvermutung fliegt hier ja völlig aus dem Fenster. Lieber mal einen zu viel gefoltert als zu wenig wo unser eins noch sagt lieber mal damit klar kommen, dass man einen Verbrecher nicht schnappt als das man einen Unschuldigen einsperrt und Foltern sowieso ein NoGo ist.

    Krasser kann die Diskrepanz der Werte kaum sein.

  7. #7 roel
    *****
    Dezember 15, 2014

    @Ali Arbia Cheney erkennt die Unschuldigen nicht an. Das 25% der gefolterten unschuldig sind/waren spielt für ihn keine Rolle. Das stimmt mich sehr nachdenklich. Dein Vergleich “verbesserte Verhörmethoden” mit “verschärfter Vernehmung” ist stimmig.

    Hier “Ich hoffe damit ist steht fest, dass wir die Verhörmethoden der CIA Folter im Sinne der Anti-Folterkonvention waren” ist allerdings ein Wurm drin. Macht nichts, der Sinn kommt trotzdem rüber.

  8. #8 DH
    Dezember 15, 2014

    Hervorragender Artikel.
    Von der Verantwortung entbinden muß man die umsetzenden Täter , aber das ist eher eine Formalie. Entscheidend ist das System , daß dahinter steht , ist der Wille zur Folter vorhanden , finden sich schon genügend Sadisten , die bestens qualifiziert sind für den Job des Folterknechts , die gibt es immer , auch jetzt , mitten unter uns .
    Ein geschicktes System wird sogar darauf achten , solche Jobs nur von entsprechenden Leuten durchführen zu lassen und sensiblere Seelen mit anderen Aufgaben zu betrauen.

    @Hobbes

    Exakt , Bösartigkeit hat immer “gute” Gründe

  9. #9 rolak
    Dezember 15, 2014

    BodenNiveau

    Was mir grad einfällt: Dieses Niveau wird auch intensiv zu halten bis noch weiter zu drücken versucht – USAmerikanische Serien strotzen teilweise nur so vor Szenen mit Folter – und zwar nicht zur Abschreckung mit erhobenem Zeigefinger, sondern als Demonstration eines funktionalen Mittels zum Erfolg. Letztes Beispiel war NCIS: Los Angeles, durchgehend.

    Von der Verantwortung entbinden muß man die umsetzenden Täter

    Keinesfalls, Yoda.

  10. #10 LasurCyan
    Dezember 15, 2014

    Eigentlich ist es ja perfide genug, dass das Thema überhaupt noch diskutiert werden muss. Folter, und das gilt auch für die Todesstrafe sollten unmissverständlich nur eines sein: Tabu.
    Die immer wieder vorgebrachten AusweichDiskussionen, wie das dämlich konstruierte ‘moralische Dilemma’ (foltern Ja/Nein, es geht ja darum Menschenleben zu retten) sind schon durch den eigentlich schwächsten Vorwand gegen das Foltern zu entkräften – es funktioniert im Sinne einer Informationserlangung einfach nicht. Es geht nur um Demütigung, Zerstörung, Willensbrechung – weil man die Macht dazu hat, wird es auch getan. Die einzige moralische Konsequenz ist die Ächtung ohne Ausnahmen.

    Ein Literaturtipp dazu: ‘Die Tagebücher der Henker von Paris‘. Gerade deshalb interessant, da es aus der Henker/Folterer-Sicht geschrieben ist.

  11. #11 Folterknecht
    Dezember 15, 2014

    Sobald man z.B. in der Eckkneipe gegenüber sagt man kennt einen “Kinderschänder” sind sofort alle bereit den “richtig alle zu machen”.
    Ergo braucht man nur einen passenden Vorwand und schon hat man genügend Folterknechte.
    Das Folter keinen Wahrheitsgewinn erbringt wurde in mehreren Studien auch von der CIA selber belegt.
    Entweder das Folteropfer lügt um es zu beenden oder es wird wahnsinnig und damit nicht zurechnungsfähig oder es war bereits psychisch gestört.
    Das eigentliche Problem liegt wieder im Glauben selber.
    Womit wir das auch z.B. direkt mit Mollath vergleichen können, obwohl der Mann nun offiziell unschuldig ist wurde Ihm seine Grundrechte entzogen und psychisch gefoltert ohne das es für die Verantwortlichen Konsequenzen hat.
    Wie man sieht muß man nicht nach den USA blicken um das Problem vor Augen geführt zu bekommen.
    Nur für eine Sache ist Folter gut geeignet Propaganda.
    Nichts ist wirksamer als jemand der öffentlich gesteht ein Terrorist zu sein um damit die Bevölkerung auf die “richtige” Seite zu bringen und Kriege durchzuziehen.
    Die Strategie ist sehr alt und wer war das nochmal der mit Kanonenbooten Japan zum “Freihandel” gezwungen hat ?
    QED …

  12. #12 rolak
    Dezember 15, 2014

    Literaturtipp

    Gibts zwar aktuell nicht, aber unaktuell. Und auch nach der eben erfolgten Bestellung einer ’82er-Leipzig-Ausgabe gibt es noch diverse 2BandPäärchen, ebenfalls bei den Reiterinnen.
    Interessant( scheinend)e HorizontErweiterung, LasurCyan, Herzlichsten!

  13. #13 DasKleineTeilchen
    Dezember 15, 2014

    danke für den hinweis rolak; den weg der propaganda für “verschärfte” verhörmethoden und ihren “nutzen” hatte ja “24” recht erfolgreich geebnet (dieser dreck wurde allen ernstens mehrmals für die emmys nominiert).

    und erzähl mir keiner, innerhalb der serie wäre kritisch mit den “fragen” der folter umgegangen, mühsam verklitterte propaganda reinsten wassers:

    “US-Militärbedienstete gaben an, dass die Folterdarstellungen eine Vorbildwirkung auf im Irak stationierte US-Soldaten und im Gefangenenlager von Guantanamo Beschäftigte gehabt hätten.”

    https://de.wikipedia.org/wiki/24_%28Fernsehserie%29

  14. #14 DasKleineTeilchen
    Dezember 15, 2014

    @ali: die cheney-nummer ist wirklich unfassbar! nicht nur muss sich dieses (justiziable beleidigung hier einfügen) sowas von sicher vor strafverfolgung fühlen, nein, er SPUCKT auch noch wortwörtlich IN ALLER ÖFFENTLICHKEIT auf die gräber der zu todegefolterten. ekelhaft!

  15. #15 DasKleineTeilchen
    Dezember 15, 2014

    schlimmer; er spuckt sogar auf die gräber der 9/11-opfer mit seinem “vergleichs”-derailing (“Well, torture, to me, Chuck, is an American citizen on a cell phone..”). noch deutlicher als soziopathen konnte er sich mit dem interview eigentlich nicht outen.

  16. #16 Alisier
    Braunschweig
    Dezember 15, 2014

    Warum denke ich bei dem Thema eigentlich an Pegida? Weil ich mir wünsche, dass die auch mal rhetorisch eins aufs Dach kriegen? Vielleicht….aber wohl vor allem deswegen weil die Mitläufer- und Verharmlosungsreflexe wenn man sich irgendwie von irgendwas bedroht fühlt erstaunlich früh greifen, und das bei dieser Ansammlung auch wieder zu Tage tritt. Und weil es immer die Gleichen sind, die drastische und entwürdigende Methoden fordern, egal wobei, egal wofür.
    Der Grund scheint mir auch immer derselbe zu sein: Sie wissen zu wenig, sie kennen zu wenige und sie sind sich der Konsequenzen ihres Handelns und vor allem ihres Denkens nicht bewusst. Sie haben diffuse Ängste und sie fühlen sich sehr schnell von allem Möglichen bedroht, das sie nötigen könnte, etwas in ihrem Denken und Verhalten zu ändern.
    Und jetzt übertragen wir das auf manche Reaktionen, die im Zuge der Ukraine-Krise sichtbar wurden und werden: bloß keine Experimente….lass den Starken mal machen…..ein paar Tote sind schon ok…..Menschenrechte, pfff…brauchen wer nich…..hauptsache Ruhe….
    Ich muss gestehen, dass mich viele meiner Mitmenschen gerade etwas erschrecken, wenn sie diktatorisches Verhalten und Unmenschlichkeit konsequent als kleineres Übel ansehen, solange ihre Rente nicht gefährdet ist. Gut, das mag menschlich sein, aber es stört mich angesichts der extremen Kurzsichtigkeit des Verhaltens dann doch.
    Folter zerstört Vieles, und das hatten auch viele Staaten schon mal begriffen. Andere plötzlich wieder hoffähig gewordene Handlungsweisen sind ähnlich kurzsichtig. Komische Zeiten und die Gelegenheit mal wieder “Brazil” von Terry Gilliam anzusehen.
    Michael Palin als Folterknecht ist wirklich immer wieder eine Augenweide…

  17. #17 Hobbes
    Dezember 16, 2014

    @Folterknecht:
    Naja bei verifizierbaren Informationen kann Folter durchaus die gewünschte Information erbringen (einfachstes Beispiel eine PIN-Nummer die direkt eingegeben wird. Oder einfach genug Opfer die das entsprechende wissen und sich nicht abstimmen können. Die Häufigste Aussage wird dann irgendwann die zutreffende sein.)

    @LasurCyan:
    Bei den Todesstrafen würde ich es etwas anders sehen. In einer gefestigten Gesellschaft ist natürlich beides komplett ab zu lehnen. Aber in Gesellschaften die gefährdet sind können zum Teil allerdings nur so überleben. Denn allein die Existenz der Leute wären eine komplette Gefahr für die neue Gesellschaft. Diese Ausnahme gilt jedoch nur für wenige Anführer eines Regimes welches durch einen blutigen Putsch gewechselt wurde. Natürlich legt das den romantischen Gedanken zu Grunde die eigene Revolution wäre gerecht. Aber das denkt ja eh jeder Spinner.

  18. #18 rolak
    Dezember 16, 2014

    Bei den Todesstrafen (..). Aber..

    Nix aber, Hobbes, nicht nach Ratifizierung von jenem, insbesondere Art.3.
    Und bei allem Respekt, aber wer meint einem Menschen bis halb 12 ein Recht nicht zugestehen zu müssen, das ihm nach halb 12 zusteht, hat den Schuß nicht gehört.

  19. #19 Joseph Kuhn
    Dezember 16, 2014

    @ Ali:

    “Es sind objektive, rationale administrative Prozesse, vermeintlich ehrenhafte Ziele und der feste Glauben an die eigene moralische Überlegenheit, die dahin führen.”

    Das sind zwei Gedanken, die über die Milgram-These hinaus reichen. Um auch noch einen Nazi-Vergleich einzuführen: Der erste Halbsatz erinnert an Hannah Arendts These der “Banalität des Bösen”, die sie aus dem Eichmann-Prozess gewonnen hat: Das “Böse” entsteht aus der gedankenlosen (!) Erfüllung scheinbarer Pflichten. Zum zweiten Halbsatz: Siehe Raphael Gross: “Anständig geblieben, Nationalsozialistische Moral”.

    Und wenn man schon bei Nazi-Vergleichen ist: Muss man die USA im Hinblick auf die CIA-Verhörmethoden auch als (partiellen) “Unrechtsstaat” bezeichnen? Oder bleibt das Etikett besser doch Regimen wie die Nationalsozialismus und der DDR vorbehalten? Gerade weil ein Bericht wie der “Feinstein-Bericht” weder bei den Nazis noch in der DDR möglich gewesen wäre, d.h. in den USA trotz Verwicklung höchster Regierungsstellen in die Folterpraktiken insgesamt natürlich ein rechtsstaatlicher Rahmen existiert, der seine Normen – zumindest in der Aufklärung von Unrecht – auch hier geltend macht?

  20. #20 ali
    Dezember 16, 2014

    @roel
    Danke. Ich habe es korrigiert.

    @Joseph Kuhn

    Ja, ich wollte das auch nicht Milgram alleine in die Schuhe schieben. Das ist eigentlich auch der politische Kern. Ein administrativer Apparat kann solche Befehle umsetzen und endet dann bei einer eigentlich von Anfang absehbarer logischen Konsequenz, die aber alle Zahnrädchen einfach ignorieren können. Ich dachte da an Weber und die Bürokratie als “rationale” Form der “legalen Herrschaft”.

    “Banalität des Bösen” war übrigens mal mein Arbeitstitel für diesen Posts. Raphael Gross kenne ich nicht.

    Und a propos Cheney (u.a. @Sim und @DasKleineTeilchen)

    Ja, Cheneys Aussagen sind schon heftig. Vielleicht macht er die Sache für sich so aber schlimmer. Er positioniert sich als idealer Blitzableiter, der doch eine gewisse Aufarbeitung erlauben würde.

    Man muss auch erwähnen, dass es jene gab, die ihre Mitarbeit verweigerten (mit entsprechend persönlichen Konsequenzen). Soufans Buch habe ich hier sogar vor etwas mehr als zwei Jahren besprochen.

  21. #21 Alisier
    Braunschweig
    Dezember 16, 2014

    @ Joseph Kuhn
    Ich denke auch, dass man das Etikett erstmal stecken lassen sollte…..aber damit zu winken und darauf aufmerksam zu machen, dass es bedenklich ist, wenn das Etikett inzwischen recht vielen in den Sinn kommt sobald sie “USA” hören, selbst wenn sie den Staaten grundsätzlich immer noch positiv gegenüber stehen, ist schon sehr sinnvoll.
    Und ich finde es auch wichtig nicht zu vergessen wo Hannah Arendt ihre wichtigsten Werke verfassen konnte.
    Aber auch das Szenario das Philip Roth in “The plot against America” entwickelt ist bedenkenswert. Der Mann kennt sein Land besser als viele andere.

  22. #22 Joseph Kuhn
    Dezember 16, 2014

    @ Ali: Inwieweit man hier auf Max Weber Bezug nehmen kann, ist fraglich bzw. man müsste etwas Gedankenarbeit sensu “Dialektik der Aufklärung” in die Verbindung stecken. Die Bürokratie als Form rationaler Herrschaft war bei ihm ja als Gegenmodell zur Fürstenwillkür gedacht und Rationalität als aufklärerische Vernunft, nicht als das gedankenloses, aber effizientes Befolgen von Befehlen, wie es Arendt bei Eichmann ausgemacht hat.

    @ Alisier: Sehe ich auch so.

  23. #23 DH
    Dezember 16, 2014

    Daß Folter nichts bringt , ist erwiesen , aber womöglich ist das gar nicht ihr primärer Zweck.
    Die amerikanische Justiz hat schon von jeher einen Hang , das Rachebedürfnis der kleinbürgerlichen Mitte der Gesellschaft zu befriedigen , die Folter ist da nur die Steigerung der Dosis , sehr gut passend zur Zunahme der allgemeinen Engstirnigkeit in den letzten 20 Jahren.

    Konformistische , intolerante und spießige Gesellschaften brauchen das , ab und an müssen sie jemanden lynchen , ob der schuldig ist , oder ob die Kriterien einer festgestellten Schuld legitim sind , ist bestenfalls zweitrangig , Hauptsache , der gedrückte Mitläufer hat seinen Selbsthass für eine Zeitlang irgendwohin ableiten können.

  24. #24 ali
    Dezember 17, 2014

    @Joseph Kuhn

    Meine letzte Weberlektüre ist eine Weile her und viel (wenn auch nicht alles) ist zugegebenermassen Erinnerungen an Second Hand Darstellungen. Das Konzept, das bei mir in der Disziplin immer wieder hochgehalten wird ist, was auf Englisch als “the iron cage” übersetzt wird (ich glaube, Weber sprach in diesem Zusammenhang noch besser passend vom “stahlhartem Gehäuse der Hörigkeit”). Eine rationale Bürokratie kann zu jedem Zweck eingesetzt werden und sie wird mit der gleichen Effizienz die Aufgabe erledigen. Egal ob es um das Einziehen von Mehrwertssteuerabgaben handelt oder das organisieren von Massendeportationen. Genau deshalb kann es leicht passieren, dass sie für Ziele benutzt wird, die wir für überwunden hielten. Ich glaube schon, dass er relevant ist hier. Aber vielleicht liest ja eine Soziologin/ein Soziologe mit etwas mehr Weberkenntnissen als mein Halbwissen, mit.

  25. #25 Alisier
    Dezember 17, 2014

    @ ali
    Ich gehe bezüglich Weber mit Joseph Kuhn mit. Man kann sicher auch eine Interpretation in deinem Sinne vertreten, nur wirkt das dann eher wie eine durch Hannah Arendt-Rezeption modifizierte Position. Zumindest auf mich. Dennoch halte ich deinen Gedanken für richtig.
    Ich bin aber kein Soziologe….nur Weber und Arendt-fan.

  26. #26 Joseph Kuhn
    Dezember 17, 2014

    @ Ali: Die Formulierung vom “stahlharten Gehäuse der Hörigkeit” steht bei Weber im Zusammenhang damit, wie der Kapitalismus bzw. die ihn tragende Rationalität die Menschen in Dienst nimmt. Vermutlich könnte man auch da irgendwie anknüpfen, an dem Punkt ist Weber, wie mir scheint, gedanklich auch gar nicht so weit weg von der Dialektik der Aufklärung der Frankfurter. Aber ich bin auch kein Weberfachmann und um Weberinterpretation ging es ja auch nicht in Deinem Beitrag. Richtig ist auf jeden Fall, dass der Schein der Rechtsstaatlichkeit mit Genehmigungen, Vorschriften und den ganzen bürokratischen Prozeduren es Tätern leichter macht, sich nicht als solche zu sehen.

  27. #27 Albträumer
    Berlin
    Dezember 18, 2014

    Als eine Delegation von Amnesty International in den 70er Jahren ein Jugendgefängnis der DDR besuchte, wurden vorher die Jugendlichen zu je 30 Personen über 16 Stunden in Gruppenräume gepfercht, deren Fenster vorher verhangen werden mussten, um eine Kontaktaufnahme zu verhindern.

    In ihrer Not fingen irgendwann die Jugendlichen an, in herausgeschraubte Neonröhren zu urinieren und Papierkörbe zu benützen, denn die Türen blieben trotz aller Bitten verriegelt. Wer dennoch einen Zettel aus dem Fenster warf, um auf die menschenünwürdige Arbeitsausbeutung und Ernährung aufmerksam zu machen, wurde wegen versuchter Verbindungsaufnahme mit dem Feind zu 21 Tagen Einzelarrest in den Stehkellern des Kellergewölbes bestraft. Wer dort in den Hungersteik trat wurde erst geprügelt und dann in der Endkonsequenz künstlich ernährt.

    Heute streiten traumatisierte Häftlinge mit den Versorgungsämtern wegen manigfaltigen speziell auch psychischen Haftfolgeschäden, denn sie müssen alles minutiös beweisen!

    Wenn ich heute höre, wozu ein Rechtsstaat fähig war, glaube ich fast, daß ich als politischer Häftling in meinem Unrechtsstaat noch gewissermaßen glimpflich davongekommen bin. Seltsame Gefühle habe ich, wenn ich die humanistisch empörten Reden der Volksvertreter im Bundestag zum Thema Folter höre. Sollte man nicht gleichzeitig auch mal vor der eigenen Türe kehren und sich wahrhaft, sprich unbürokratisch, den psychisch Geschädigten der jüngeren deutschen Geschichte zuwenden? Aber Statements und Absichtserklärungen und Empörungsreden kosten ja nichts! So ist es und so war es immer….

    Mehr zum Jugendstrafvollzug in der DDR: