In den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts begann man, mit einer neuartigen Beobachtungstechnik den Himmel zu erkunden: Radioteleskopen. Man entdeckte Galaxien, die Radiowellen ausstrahlten, ohne dass man den blassesten Schimmer hatte, warum eine aus Sternen bestehende Galaxie so etwas tun sollte. Im Optischen zeigten solche Galaxien oft Emissionslinien, wie sie von zum Leuchten angeregtem Gas erzeugt werden. Man kennt dies aus Sternentstehungsregionen oder planetarischen Nebeln, wo UV-Strahlung von heißen Sternen bzw. einem Weißen Zwerg die Atome des Gases zum Leuchten anregt. Allerdings leuchteten sie mit Leistungen von Milliarden Sonnenleuchtkräften. Man nannte sie Radiogalaxien. Und später aktive Galaxien, da sie meist auch Röntgenstrahlung aussenden.
Radio-aktive Sterne?
Noch rätselhafter waren jedoch Radiowellen, die scheinbar aus dem Nichts zu kommen schienen. Wenn man ein Teleskop auf die Position richtete, von wo das Radiosignal stammte, fand man nur ein paar Sterne (und die findet man überall am Himmel, das mussten nicht unbedingt die wahren Quellen sein). Das Auflösungsvermögen der Radioastronomie, welches heute dank Computertechnik und Interferometrie über den gesamten Globus die Trennschärfe optischer Teleskope um das 1000fache übertrifft, war damals noch nicht so weit – die Abbildungsschärfe lag bestenfalls eine Größenordnung unter dem Vollmonddurchmesser.
1960 hatte man schon mehrere hundert dieser Quellen entdeckt. Eine davon, 3C 273, der 273. Eintrag im Third Cambridge Catalogue of Radio Sources 3C, lag im Sternbild Jungfrau, einem Tierkreissternbild, durch das der Mond regelmäßig seine Bahn zieht, und da die Mondbahn sich binnen Jahrzehnten verschiebt, ergab sich 1962 5-mal die Gelegenheit einer Bedeckung des Objekts durch den Mond. Durch exakte Zeitmessung gelang somit endlich die Identifizierung des Objekts: es war ein relativ heller blauer Stern (hell genug, um im 8-Zoll-Amateurteleskop gesehen zu werden). Allerdings sah sein Spektrum überhaupt nicht wie das eines Sterns aus – es hatte Emissionslinien und zeigte eine damals unerhörte Rotverschiebung von 0,158, entsprechend einer Geschwindigkeit von 47.000 km/s. Damit nicht genug, die bereits zuvor entdeckte Radioquelle 3C 48 konnte mit einem Stern in Verbindung gebracht worden, der eine Rotverschiebung von 0,367 zeigte, entsprechend 110.000 km/s – mehr als ein Drittel der Lichtgeschwindigkeit!
Bald fand man weitere dieser “Sterne”. Der chinesisch-stämmige amerikanischer Astrophysiker Hong-Yee Chiu nannte sie 1964 in einer Arbeit quasistellare Radioquellen, also Radioquellen, die Sternen gleichen, Kurzform Quasar. Der Name blieb hängen.
Nah und schnell oder fern und hell?
Eine der ersten und naheliegendsten Theorien zur Erklärung der hohen Rotverschiebungen war die Hubble-Expansion des Universums. Demnach wären die Objekte fürchterlich weit entfernt, Milliarden von Lichtjahren. Und damit notwendigerweise unglaublich hell, Billionenmal leuchtkräftiger als die Sonne, hunderte Male heller als ganze Galaxien. Sie wären damit die hellsten permanent leuchtenden Objekte im Universum – nur Gammastrahlenschauer können sie kurzzeitig übertreffen. Würde man den Quasar 3C 273 in 10 pc (32,6 LJ) Entfernung, der Strecke bis zu Pollux in den Zwillingen, an den Himmel versetzen, dann schiene er so hell wie unsere Sonne am Taghimmel. Zudem zeigt er erratische Helligkeitschwankungen in der Größenordnung von Tagen – damit kann er nicht größer sein als ein paar Lichttage. Bestenfalls Supernovae könnten als kompakte Objekte mit solchen Leuchtkräften mithalten, aber diese leuchten nur ein paar Wochen und nicht fortwährend. So war eine gewagte Hypothese, dass hier eine ganze Kettenreaktion von Supernovae im Gange sei. Zumal neben der Radiostrahlung bei vielen Quasaren auch Röntgenstrahlung nachgewiesen wurde.
Andere wie Halton Arp vermuteten die Objekte viel näher. Arp glaubte erkannt zu haben, dass sie überdurchschnittlich häufig in der Nähe von Galaxien mit sehr viel kleinerer Rotverschiebung zu finden seien, manchmal in deren Vordergrund, manchmal gar durch eine Materiebrücke verbunden. Sie seien von den Galaxien ausgestoßen worden und ihre Rotverschiebung sei nicht kosmologisch, sondern durch ihre Geschwindigkeit oder Gravitation bedingt.
Kosmologische Monster
Moderne Beobachtungstechnik hat diese Ansicht widerlegen können und wir wissen heute sehr genau, worum es sich bei den Quasaren handelt. Dank des Sloane Digital Sky Survey, der systematisch Galaxien katalogisiert und ihre Rotverschiebungen gemessen hat, konnte man durch statistische Methoden ermitteln, dass einige Quasare nur zufällige Hintergrundobjekte zu normalen Galaxien sind, es ist keine objektive Häufung um nähere Galaxien feststellbar. Und Dank des Hubble-Teleskops haben wir heute Bilder der Quasare, die zeigen, worum es sich wirklich handelt: sie sind die aktiven Kerne weit entfernter Galaxien, die die gleiche Rotverschiebung wie der Quasar selbst haben.
Oft findet man von den Quasaren ausgestoßene riesige Jets, teilweise länger als der Durchmesser einer Galaxie, die sich fast mit Lichtgeschwindigkeit bewegen und die vielleicht einige von Arps vermeintlichen Materiebrücken erklären können. Solche Jets beobachtet man auch bei aktiven Galaxien, und die Geschwindigkeit der Sterne, die das Zentrum solcher Galaxien umkreisen, verrät, dass dort eine riesige dunkle Masse verborgen ist. Es handelt sich bekanntlich um supermassereiche Schwarze Löcher, die von einer sie umkreisenden Scheibe aus Gas und Staub umgeben sind, einer Akkretionsscheibe. Diese wird durch weitere einfallende Materie extrem aufgeheizt und somit sichtbar. Tatsächlich ist das Fallen und der Aufprall von Materie aus großer Entfernung eine noch ergiebigere Energiequelle als die Kernfusion, das macht Quasare so extrem hell. Durch die Ladungsträger im heißen, schnell kreisenden Plasma entstehen zudem starke Magnetfelder, die einen großen Teil der einfallenden Materie entlang der Drehachse der Akkretionsscheibe wegschleudern und so den Jet erzeugen.
Der Unterschied zu aktiven Galaxien, die sich auch in relativer Nähe zur Milchstraße befinden (die Galaxie Messier 87 ist gerade einmal 53 Millionen Lichtjahre entfernt, Centaurus A sogar nur 10-16 Millionen) sind die Kerne der Quasar-Galaxien weitaus heller, und sie sind viel weiter entfernt. 3C 273 ist der nächste Quasar, in “nur” 2,4 Milliarden Lichtjahren Entfernung, 3C 48 ist 4,5 Milliarden Lichtjahre entfernt, und mit zunehmender Entfernung steigt die Dichte an Quasaren rapide an:
Die Grafik zeigt die im Radiobereich gemessene Dichte der Quasare pro Volumenelement (Maximalwert auf 1 normiert) über dem kosmischen Alter. Das Bild entstammt einem Pressebericht aus dem Jahr 1996. Es gibt auch ein aktuelleres und schöneres, das ich hier leider nicht verwenden darf, das aber zusätzlich zeigt, dass auch die Sternentstehungsrate im Universum diesen Verlauf zeigt – Quasare spiegeln also die Entstehung der Galaxien wider, die natürlich mit der Sternentstehung gekoppelt ist.
Nach der Urknalltheorie zog es die anfänglich nahezu gleichförmig verteilte Materie dorthin, wo sie ein wenig dichter war, entlang der eingefrorenen Dichtewellen Baryonischer Akustischer Oszillationen. Die Materie floss dann zu Galaxien zusammen und im Zentrum entstanden sehr bald gigantische supermassereiche Schwarze Löcher von Million bis Milliarden Sonnenmassen. Es ist noch nicht geklärt, ob das Gas gleich zu diesen kollabierte oder zuerst Sterne bildete, die sich dann zu Schwarzen Löchern entwickelten, welche dann wiederum in den Zentren der Galaxien verschmolzen. Oder ob drittens die Kollision mit Zwerggalaxien dazu führte, dass die Schwarzen Löcher der Galaxien zum Massezentrum wanderten und dort verschmolzen. Gemessen am kurzen Zeitraum bis zum Aufleuchten der Quasare ist die erste Variante wohl die wahrscheinlichste. Weil die Galaxien noch wuchsen, war der Materieeinfall enorm, in der Nähe des theoretischen Maximums, bei dem der Strahlungsdruck der Akkretionsscheibe den Einfall weiteren Materials begrenzt (Eddington-Limit). Deswegen waren die Quasare so hell. Nachdem in den Galaxien das Gas größtenteils in Sterne umgewandelt war und die Sternentstehungsrate zu sinken begann, nahm auch der Materieeinfall in die supermassereichen Schwarzen Löcher ab, die Quasare verloschen allmählich und verwandelten sich in friedliche supermassereiche Schwarze Löcher, wie sie so gut wie alle Galaxien enthalten, einschließlich der Milchstraße. Vielleicht war auch Sagittarius A*, das supermassereiche Schwarze Loch der Milchtstraße, einst ein Quasar. Der junge 3C 273 ist hierbei vielleicht nur das Wiederaufleuchten eines Quasars durch frisch einfallende Materie, vielleicht aus einer Galaxienkollision.
Das Wachstum der Galaxien
Die Entwicklung der Galaxien war mit dem Verlöschen der Quasare aber noch nicht zu Ende. Die Materie zog sich nicht nur zu Galaxien und Galaxienhaufen zusammen, sondern die Galaxien kollidierten auch miteinander und wuchsen. In vergangenen Artikeln hatte ich schon beschrieben, dass auch die Milchstraße offenbar kleine und größere Galaxien verschluckt hat. Dank der “Deep Field”-Aufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops und Katalogen wie des Sloane Digital Sky Surveys und des Millennium Galaxy Catalogs ist es gelungen, diese Kollisionen und die Größe der Galaxien quantitativ zu erfassen, denn beim Blick in die Ferne kann man dank der Lichtlaufzeit direkt das Geschehen in ferner Vergangenheit beobachten und vermessen. In einer Arbeit von Christopher J. Conselice aus dem Jahr 2014 finden sich dazu sehr schöne Ergebnisse:
Im ersten Bild sieht man die Entwicklung der Rate von Galaxienverschmelzungen für Galaxien von 10 Milliarden bzw. 100 Milliarden Sonnenmassen, aufgetragen über der Rotverschiebung. Als Maß für die Kollisionsrate wird hier die mittlere Zeit zwischen zwei Kollisionen angegeben. z=3 am rechten Bildrand zeigt die Situation vor 11,5 Milliarden Jahren, z=0 am linken Bildrand die heutige. Die Kollisionsrate hat demnach für kleine Galaxien um den Faktor 6 abgenommen. Bei den großen Galaxien liegt sie mittlerweile in der Größenordnung des Alters des Universums.Die logische Konsequenz ist ein Wachstum der Galaxien, wobei das Verschlucken von Zwerggalaxien die Masse einer großen Galaxie nicht dramatisch erhöht, wohl aber die Sterne durcheinander wirbelt und ihre Abstände vergrößert. Dadurch nehmen die Radien der verschmolzenen Galaxien zu. Im zweiten Bild unten sieht man den Radius (relativ zum heutigen) für Galaxien mit mehr als 100 Milliarden Sonnenmassen aufgetragen, separat für Spiralgalaxien (disk-like objects, blaue durchgezogene Linie) und elliptische Galaxien (spheroid-like objects, rote gestrichelte Linie). Man sieht deutlich die Zunahme der Größe auf der logarithmischen y-Achse: um einen Faktor 7 bei den elliptischen Galaxien und um den Faktor 3 bei den Spiralgalaxien.
Das Wachstum der Galaxien und die Abwesenheit von Quasaren im lokalen Universum sind somit weitere Belege dafür, dass das Weltall nicht ewig existierte, sondern sich fortwährend weiterentwickelt hat.
Im nächsten und letzten Teil der Urknall-Reihe beschäftigen wir uns damit, wie das expandierende Weltall seine eigene Lupe bildet und uns ferne Objekte vergrößert zeigt.
Eine Übersicht und Zusammenfassung aller Artikel dieser Reihe gibt es hier.
Referenzen und weiterführende Artikel
[1] Christopher J. Conselice, “The Evolution of Galaxy Structure over Cosmic Time”, Annual Review of Astronomy and Astrophysics , Vol. 52, S. 291-337, August 2014; arXiv:1403.2783.
[2] Astronomy, “Glimpsing the hearts of galaxies“, März 2019.
[3] Black Hole Central, “Black Hole Quasars“.
[4] en.wikipedia.org, “Quasar“.
[5] en.wikipedia.org, “3C 273“.
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