Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
Mehr Informationen: [Podcast-Feed][iTunes][Bitlove][Facebook] [Twitter][Sternengeschichten-App]
Über Bewertungen und Kommentare freue ich mich auf allen Kanälen.
—————————————————————————————
Sternengeschichten Folge 122: Unbekannter Neptun
In der letzten Folgen der Sternengeschichten habe ich über den Planeten Uranus gesprochen. Im Gegensatz zu den anderen Planeten, die in der Öffentlichkeit viel prominenter sind, bekommt Uranus nur wenig Aufmerksamkeit, obwohl es sich um einen sehr interessanten Himmelskörper handelt. Das gilt auch für Neptun, den sonnenfernsten Planeten. Auch er taucht in der öffentlichen Wahrnehmung nur selten auf und das ist ungerecht. Denn es gibt viel über ihn zu erzählen.
Schon seine Entdeckung war außergewöhnlich und die Geschichte davon habe ich schon in Folge 50 der Sternengeschichten ausführlich erzählt. Neptun war der erste Planet, dessen Entdeckung nicht zufällig erfolgte. Wissenschaftler hatten seine Existenz vorhergesagt, weil die Bahn des Uranus ganz charakteristische ABweichungen zeigte, die man auf die gravitativen Störungen eines zusätzlichen Planeten zurück führte. Im 19. Jahrhundert bemühten sich Mathematiker daher, genau zu berechnen, wo sich so ein Planet aufhalten müsste, um Uranus auf die richtige Art und Weise zu stören. Der französische Himmelsmechaniker Urbain LeVerrier schickte seine Vorhersage im Jahr 1846 an den deutschen Astronom Johann Gottfried Galle und der fand den neuen Planeten genau dort, wo er laut den Berechnungen sein sollte.
Neptun, wie er später genannt wurde, war ein Triumph der Mathematiker und ein Zeichen dafür, wie gut man im 19. Jahrhundert verstanden hatte, wie unser Sonnensystem funktioniert. SO gut, dass man die Existenz neuer Planeten vorhersagen konnte. Aber die Mathematik war zur damaligen Zeit der Beobachtung in gewissem Sinne weit voraus. Die Gleichungen von Isaac Newton hatte man gut genug verstanden, um berechnen zu können, wie sich ferne Planeten bewegen müssen und das ganz ohne sie auch tatsächlich zu sehen. Die Beobachter aber konnten vorerst nur wenig Information beisteuern, da die Teleskope zu schwach waren, um den fernen Neptun genauer zu erforschen.
Neptun ist immerhin 30 Mal weiter von der Sonne entfernt als die Erde. Für einen Umlauf um unseren Stern braucht er 164 Jahre und 288 Tage. Entdeckt wurde er am 24. September 1846; es hat also bis zum 12. JUli 2011 gedauert, bevor die Menschen eine komplette Runde Neptuns um die Sonne beobachtet hatten. Neptun ist der viertgrößte Planet des Sonnensystems; und 17 mal schwerer als die Erde.
So wie Uranus gehört er zu den sogenannten “Eisriesen”, also den Planeten, die keine feste Oberfläche haben wie zum Beispiel Mars oder die Erde, sondern aus einer dichten Atmosphäre bestehen, die in einen Mantel aus verschiedenen Eissorten übergeht, der einen Kern aus Fels und Metall bedeckt. Neptun leuchtet in einem intensiven Blau, das fast so aussieht was das Blau der Ozeane auf der Erde. Aber es ist nicht Wasser, dass diese Farbe verursacht, sondern Methan. Die Atmosphäre des Neptun besteht aus Wasserstoff und Helium, die zusammen fast die gesamte Menge der Gase ausmachen. Ungefähr 1,5 Prozent sind aber Methan und wenn das Sonnenlicht auf den Planeten trifft, absorbieren die Methanmoleküle den roten Anteil, so dass nur das blaue Licht übrig bleibt und reflektiert wird. Das gleiche Phänomen ist auch für die bläuliche Farbe des Uranus verantwortlich – Neptun zeigt aber ein viel kräftigeres Blau und man weiß noch nicht genau, warum das so ist. Vermutlich befindet sich noch ein anderes Gas in der Atmosphäre, dass die stärkere Färbung verursacht.
Auf Neptun ist es auch so RICHTIG kalt. So fern der Sonne wird er nur wenig aufgeheizt und in seiner Atmosphäre können die Temperaturen bis auf -218 Grad sinken. Kälter wird es im Sonnensystem kaum irgendwo anders.
Und es ist auch nicht mal wirklich klar, wie ein Planet so fern der Sonne überhaupt entstehen konnte. Vor 4,5 Milliarden Jahren, als die Planeten sich aus dem Gas und Staub gebildet haben, dass die junge SOnne umgeben hat, war so weit draußen eigentlich zu wenig Material vorhanden, um daraus einen großen Brocken wie Neptun zu bauen. Bei Uranus gab es das gleiche Problem. Deswegen geht man heute davon aus, dass sich beide viel näher an der Sonne gebildet haben und dann erst später weiter nach draußen gewandert sind. Wie diese Planetare Migration abläuft habe ich in Folge 68 der Sternengeschichten genauer erklärt. Computersimulationen legen sogar nahe, dass Neptun und Uranus während ihrer Wanderung die Plätze getauscht haben!
Neptun hat aber noch ein paar andere besondere Extras zu bieten. Er besitzt, so wie alle anderen großen Planeten im äußeren Sonnensystem, ein System von Ringen. Nicht so stark ausgeprägt wie das von Saturn. Aber dafür sehr speziell. Entdeckt wurden sie erst in den 1980er Jahren. Es handelt sich um sehr feine, schmale Ringe, die nur wenige Dutzende bis hunderte Kilometer breit sind. Der breiteste Ring ist mit 4000 Kilometern der Ring, der den Namen “Lassell” trägt, benant nach dem Astronom William Lassell, der 1846 Neptuns größten Mond Triton entdeckt hat. Ganz außen, in einem Abstand von 63.000 Kilometern liegt der Adams-Ring, benannt nach John Couch Adams, einem britischen Mathematiker, der so wie Urbain Le Verrier ebenfalls die Existenz des Planeten vorhergesagt hatte. Der Adams-Ring ist nur 50 Kilometer breit – und zeigt sogenannte “Ringbögen”.
Dabei handelt es sich um einzelne Abschnitte des Rings, die viel heller sind als der Rest und wo das Ringmaterial auch viel dichter ist und weniger lichtdurchlässig. Eigentlich sollte es sowas nicht geben, denn solche Klumpen müssten sich eigentlich ziemlich schnell über den ganzen Ring gleichmäßig verteilen. Trotzdem sind sie da und das schon so lange, dass man den einzelnen Ringbögen sogar Namen gegeben hat. Die drei prominentesten Klumpen heißen – nach den Prinzipien der französischen Revolution – Liberte, Egalite und Fraternite. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit rotieren weiterhin um Neptun und vermutlich gehen sie auf den gravitativen Einfluss des Mondes Galatea zurück, der sich nur 1000 Kilometer vom Adams-Ring entfernt befindet.
Die Ringbögen sind erstaunlich aktiv. Beobachtungen, die seit Ende der 1990er Jahre mit dem Hubble-Teleskop gemacht worden sind, haben gezeigt, dass Material von Fraternité zu Egalite gewechselt ist und die einzelnen Bögen ihre Länge verändert haben. Andere Bögen haben sich aufgespalten oder ihre Helligkeit geändert. Wie diese Dynamik zustande kommt, ist derzeit immer noch nicht verstanden.
Ein anderer Aspekt der Dynamik von Neptun ist aber mittlerweile gut erforscht. Der Planet übt einen starken Einfluss auf den Kuiper-Asteroidengürtel aus. Der beginnt im SOnnensystem direkt hinter der Bahn des Neptun und die vielen Objekte dort bilden Gruppen, die in Bahnresonanzen zu Neptun stehen. Das promineteste Beispiel ist sicherlich der ehemalige Planet Pluto. Während Pluto sich zweimal rund um die Sonne bewegt, absolviert Neptun genau drei Runden. Die Bewegungen von Pluto und Neptun sind gekoppelt und das gilt auch für eine ganze Familie von Asteroiden, die sich in der Nähe von Pluto befinden und alle annähernd gleich schnell um die Sonne kreisen. Sie bilden die sogenannten “Plutinos” – und obwohl zum Beispiel die Bahn von Pluto die Bahn des Neptun kreuzt, sorgt die Bahnresonanz dafür, dass sie sich nicht zu nahe kommen können. Wenn Neptun auf der einen Seite der Sonne ist, ist Pluto gerade auf der anderen Seite und da ihre Bewegung durch die Resonanz gekoppelt ist, wiederholt sich diese Situation immer wieder und wieder und es kann nie zur Kollision kommen.
Neben der Familie der Plutinos gibt es im Kuipergürtel noch weitere Asteroidenfamilien, die in Resonanz zu Neptun stehen. Neptun hat aber auch seine ganz eigene Asteroidenfamilie. Neben Jupiter, Mars und der Erde ist er der einzige Planet im Sonnensystem, bei dem sogenannte Trojaner entdeckt worden sind. Also Asteroiden, die sich auf genau der gleichen Bahn um die Sonne herum bewegen wie Neptun selbst, aber immer ein Stückchen vor beziehungsweise hinter ihm. Wie das genau funktioniert habe ich in Folge 31 der Sternengeschichten erzählt. Sechs Neptun-Trojaner sind mittlerweile gefunden worden; existieren tun vermutlich viel mehr – mit Sicherheit finden sich dort einige hunderttausend Trojaner. Aber sie sind aus der Ferne schwer zu finden und aus der Nähe ist Neptun bis jetzt noch kaum beobachtet worden.
So wie Uranus ist auch Neptun erst ein einziges Mal von einer Raumsonde besucht worden und auch bei ihm war es Voyager 2, die 1989 auf ihrem Flug ins äußere Sonnensystem bei im vorbei gekommen ist. Man hat die Sonde dann noch auf einen kurzen Vorbeiflug am Mond Triton geschickt, aber das war es auch schon wieder. Dabei wäre es interessant, dort noch einmal hin zu fliegen. Sowohl Neptun als auch seine Monde und Ringe haben noch einiges zu bieten. Voyager 2 fand auf Triton zum Beispiel aktive Eisvulkane, die gefrorenes Wasser aus dem Inneren des Mondes ins All hinaus schleuderten. Es würde sich lohnen, eine spezielle Mission zu Neptun zu schicken, die dort nicht einfach nur vorbei fliegt und schnell ein paar Fotos macht, sondern – so wie zum Beispiel Cassini bei Saturn – ein paar Jahre dort bleiben und sich alles aus der Nähe ansehen kann. Man könnte eine Landeeinheit auf die Oberfläche von Triton schicken und sich das Wassereis und die Eisvulkane ansehen; man könnte das Geheimnis der Ringe und ihrer Ringbögen aufklären… man könnte sehr viel machen. Aber Neptun ist weit weg; ein Flug dorthin dauert lange und bis jetzt hat sich noch keine Raumfahrtagentur dafür entschieden, eine der vielen von Wissenschaftlern vorgeschlagenen Missionen zu realisieren.
Neptun wird seine Geheimnisse also fürs erste für sich behalten, fern der Sonne seinen Weg durchs All fortsetzen und darauf warten, ob wir nicht doch noch einmal zu Besuch kommen…
Kommentare (12)