Es war klar, dass sich die Medien auf diese Pressemitteilung stürzen werden. In Großbritannien findet gerade das National Astronomy Meeting statt und wie üblich bei solchen Konferenzen wurden auch jede Menge Pressemitteilungen veröffentlicht. Darunter sehr interessante Sachen über Kosmologie jenseits des Standardmodells, Beobachtung von Planetenentstehung oder supermassereiche schwarze Löcher. Aber eine dieser Meldungen scheint deutlich populärer zu sein als die anderen. Sie trägt den Titel “Do micro-organisms explain features on comets?” und überrascht mit der Behauptung, die Strukturen die auf dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko, der gerade von der Raumsonde Rosetta untersucht wird, wären von Mikroorganismen verursacht worden.
Klingt beeindruckend. Und die Nachricht findet sich daher auch heute in so gut wie allen Medien (und das war jetzt nur ne Auswahl der deutschsprachigen Quellen). Nur: Sieht man von der spektakulären Schlagzeile ab und schaut nach, was wirklich dahinter steckt, bleibt wenig übrig.
Die Behauptungen wurden von Chandra Wickramasinghe, einem britischen Astronom der in den letzten Jahren (und Jahrzehnten) hauptsächlich dadurch aufgefallen ist, dass er immer und überall außerirdische Mikroorganismen “entdeckt” hat. Und jedesmal mit Belegen, die mehr als nur zweifelhaft sind. Ich habe hier und hier über zwei dieser Fälle aus der Vergangenheit ausführlich berichtet. Es ist kein Wunder, das gerade Wickramasinghe sich so sehr mit diesem Thema beschäftigt. Er war Mitarbeiter und Schüler des großen britischen Astronomen Fred Hoyle, der einerseits fundamentale Arbeit beim Verständnis der Elemententstehung im Inneren von Sternen geleistet hat. Andererseits aber auch ein paar seltsame Ideen entwickelte: Zum Beispiel, dass der interplanetare und interstellare Staub im Weltall eigentlich aus Unmengen an Bakterien entsteht. Die auch auf Kometen und Asteroiden leben und bei Einschlägen auf die Erde kommen und hier Epidemien wie den Rinderwahnsinn oder AIDS auslösen. Das war vielleicht in der Mitte des letzten Jahrhunderts eine Hypothese, die gerade noch nicht unplausibel genug war, um ernst genommen werden zu können. Aber mittlerweile weiß man sehr durch Beobachtungen sehr viel mehr über Asteroiden und interstellare Materie und die Thesen von Hoyle und Wickramasinghe sind widerlegt (ich habe hier ausführlich über diese Geschichte berichtet).
Aber Chandra Wickramasinghe hält die Fahne seines alten Lehrers und Kollegen hoch (und erwähnt Hoyle sogar in seiner Pressemitteilung) und publiziert weiterhin Artikel in denen er überall angebliche Mikroorganismen im Weltall identifiziert haben will. Diesmal anscheinend auch komplett ohne irgendwelche Belege…
Eine entsprechende wissenschaftliche Facharbeit scheint nicht zu existieren (beziehungsweise wird vielleicht erst noch veröffentlicht). Fasst man die Pressemitteilung kurz zusammen, dann steht dort: “Auf dem Kometen gibt es Eis. Auf der Erde gibt es Eis. Auf der Erde gibt es Mikroorganismen die im Eis leben. Also kann es auch auf dem Kometen Mikroorganismen geben, die im Eis leben.” Und das ist jetzt nicht einmal logisch fehlerhaft – es ist schlicht und einfach nur kein Beleg für irgendwas. Auf der Erde gibts viel, was es auch im Weltall und auf Kometen gibt – aber daraus folgt nicht zwingend, dass überall dort auch Leben existieren muss.
Und es ist auch nicht so, als würden die Astronomen die Existenz von Mikroorganismen bzw. deren Spuren auf Himmelskörpern wie Kometen oder Asteroiden kategorisch ablehnen. Im Rahmen der Panspermie-Hypothese wird durchaus untersucht, ob das Leben von diesen Objekten durchs Weltall transportiert wird. Die chemischen Experimente, die Rosettas Landeeinheit Philae auf der Oberfläche des Kometen machen soll, sollen unter anderem dazu dienen, mehr Informationen genau darüber zu sammeln (wenn man auch nicht direkt nach der Suche nach Mikroorganismen ist, sondern eher allgemeine astrochemische/astrobiologische Untersuchungen machen möchte). Es ist nicht unmöglich oder unvorstellbar, dass in Zukunft auf Kometen, Asteroiden oder in Meteoriten Spuren von Mikroorganismen gefunden werden. Aber um das nachzuweisen braucht es eben mehr als reines Wunschdenken. Und mehr als dieses Wunschdenken ist in den Arbeiten von Wickramasinghe leider nicht zu erkennen.
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